vorgehend
Amtsgericht Tiergarten, 10 C 168/09 WEG, 25.03.2010
Landgericht Berlin, 85 S 96/10 WEG, 10.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 246/11 Verkündet am:
16. November 2012
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 10. Juni 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte ist Eigentümerin der Teileigentumseinheiten Nr. 2 und Nr. 3 im Erdgeschoss links, deren jeweils größter Raum in dem Aufteilungsplan als „Laden 2“ bzw. „Laden 3“ bezeichnet wird. Die Kläger, die Eigentümer der darüber gelegenen Wohnung sind, verlangen von der Beklagten, den Betrieb einer Speisegaststätte in diesen Teileigentumseinheiten zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts geändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will die Beklagte die Zurückweisung der Berufung erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht meint, aus der Kennzeichnung in dem Aufteilungsplan ergebe sich für die Teileigentumseinheiten Nr. 2 und 3 eine Zweckbestimmung der Räumlichkeiten als Laden. Aus diesem Grund dürften sie nicht als Speisegaststätte genutzt werden. Es handele sich nicht um eine unverbindliche Raumbezeichnung im Sinne eines Nutzungsvorschlags. Denn die Teileigentumseinheit Nr. 1 sei anders als die Einheiten Nr. 2 und Nr. 3 als „Gaststätte“ bezeichnet.

II.

3
Die Revision hat Erfolg. Der von den Klägern geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB besteht nicht. Die Bezeichnung der Teileigentumseinheiten als „Laden“ in dem Aufteilungsplan stellt keine Nutzungsbeschränkung dar, die dem Betrieb einer Speisegaststätte entgegensteht.
4
1. Ob die Teilungserklärung Nutzungsbeschränkungen enthält, ist durch Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln. Weil die Teilungserklärung und der darin in Bezug genommene Aufteilungsplan Bestandteil der Grundbucheintragung sind, kann das Revisionsgericht die Auslegung in vollem Umfang nachprüfen (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 40/09, NJW-RR 2010, 667 Rn. 6 mwN).
5
Wie der Senat im Einklang mit der auch zuvor nahezu einhelligen Ansicht in der Rechtsprechung bereits entschieden hat, enthalten Bezeichnungen des planenden Architekten, die in dem Aufteilungsplan enthalten sind, grundsätzlich keine Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit. Denn Aufgabe des Aufteilungsplans ist es nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen, und nicht, die Rechte der Wohnungs- und Teileigentümer über die Bestimmung der Grenzen des jeweiligen Eigentums hinaus zu erweitern oder zu beschränken (Senat, aaO, Rn. 8 ff.; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 15 Rn. 9 jeweils mwN). Soll der Aufteilungsplan ausnahmsweise auch die Nutzung verbindlich regeln, muss dies eindeutig aus der Bezugnahme in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung hervorgehen (näher Klein, aaO; Timme/Dötsch, WEG, § 15 Rn. 15).
6
Aus diesem Grund liegt es neben der Sache, wenn das Berufungsgericht die Nutzungsbeschränkung auf die rechtliche Verbindlichkeit des Aufteilungsplans stützt. Richtig ist, dass der Aufteilungsplan rechtlich verbindlich ist; seiner sachenrechtlichen Abgrenzungsfunktion entsprechend regelt er aber grundsätzlich nur die räumliche Abgrenzung und nicht die Nutzung der Räumlichkeiten. Auch die an dem Senatsurteil vom 15. Januar 2010 (aaO) vereinzelt geäußerte Kritik, die das Vertrauen der Wohnungseigentümer auf die Bezeichnungen im Aufteilungsplan für schutzwürdig hält (Schmid, NZM 2010, 852 f.; Ommeln, ZMR 2010, 541 f.), verkennt diese Zweckrichtung des Aufteilungsplans.
7
2. Daran gemessen ist die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft.
8
Die Teilungserklärung enthält ohne weitere Unterscheidung zwischen den drei Einheiten nur die allgemeine Zweckbestimmung, dass die den Teileigentumseinheiten zugeordneten Räume nicht zu Wohnzwecken dienen. Die Gemeinschaftsordnung regelt unter der Überschrift Nutzung (§ 4)lediglich die Nutzung der Wohnungen und nicht die der Teileigentumseinheiten. Danach dürfen die Einheiten zwar nicht zum Wohnen, aber zu jedem anderen Zweck genutzt werden.
9
Dafür, dass die nur in dem Aufteilungsplan enthaltenen Bezeichnungen als „Laden“ bzw. „Gaststätte“ ausnahmsweise nicht nur reine Nutzungsvorschläge, sondern eine bindende Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit enthalten, gibt es keine Anhaltspunkte. Warum das Berufungsgericht meint, es handele sich im Unterschied zu dem von dem Senat bereits entschiedenen Sachverhalt nicht um die unveränderte Übernahme eines Bauplans, erschließt sich nicht; aus dem Aufteilungsplan geht hervor, dass der Plan für den Antrag auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung erstellt wurde. Gegen eine Nutzungsbeschränkung spricht auch, dass nur die jeweils vorderen Räume der Teileigentumseinheiten als „Gaststätte“ (Nr. 1) bzw.als „Laden 2“ (Nr. 2) und „Laden 3“ (Nr. 3) bezeichnet sind. Darüber hinaus sind die den Wohnungseigentumseinheiten zugeordneten Räume in vergleichbarer Weise mit „Kind“, „Schlafen“, „Wohnen“ etc. gekennzeichnet. Dass eine diesen Bezeichnungen entsprechende Nutzung der jeweiligen Räume nicht zwingend vorgeschrieben ist, liegt auf der Hand. Auch die Bezeichnungen als „Laden“ bzw. „Gaststätte“ heben nur beispielhaft hervor, dass es sich um gewerblich zu nutzende und nicht Wohnzwecken dienende Einheiten handelt.

III.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 25.03.2010 - 10 C 168/09 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 10.06.2011 - 85 S 96/10 WEG -

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Wer Wohnungseigentum gebraucht, ohne Wohnungseigentümer zu sein, hat gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und anderen Wohnungseigentümern zu dulden:

1.
die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums, die ihm rechtzeitig angekündigt wurde; § 555a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend;
2.
Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen, die spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform angekündigt wurden; § 555c Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2, Absatz 2 bis 4 und § 555d Absatz 2 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

6
Ob es sich so verhält, ist durch Auslegung der Teilungserklärung festzustellen. Da die Teilungserklärung Bestandteil der Eintragung in das Grundbuch ist, hat die Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen; die Auslegung ist in vollem Umfang der Prüfung durch den Senat zugänglich (st. Rspr., vgl. Senat, BGHZ 139, 388, 392; 160, 354, 361 f.).

(1) Im Fall des § 3 Absatz 1 wird für jeden Miteigentumsanteil von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt (Wohnungsgrundbuch, Teileigentumsgrundbuch) angelegt. Auf diesem ist das zu dem Miteigentumsanteil gehörende Sondereigentum und als Beschränkung des Miteigentums die Einräumung der zu den anderen Miteigentumsanteilen gehörenden Sondereigentumsrechte einzutragen. Das Grundbuchblatt des Grundstücks wird von Amts wegen geschlossen.

(2) Zur Eintragung eines Beschlusses im Sinne des § 5 Absatz 4 Satz 1 bedarf es der Bewilligungen der Wohnungseigentümer nicht, wenn der Beschluss durch eine Niederschrift, bei der die Unterschriften der in § 24 Absatz 6 bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind, oder durch ein Urteil in einem Verfahren nach § 44 Absatz 1 Satz 2 nachgewiesen ist. Antragsberechtigt ist auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

(3) Zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums kann auf die Eintragungsbewilligung oder einen Nachweis gemäß Absatz 2 Satz 1 Bezug genommen werden. Veräußerungsbeschränkungen (§ 12) und die Haftung von Sondernachfolgern für Geldschulden sind jedoch ausdrücklich einzutragen.

(4) Der Eintragungsbewilligung sind als Anlagen beizufügen:

1.
eine von der Baubehörde mit Unterschrift und Siegel oder Stempel versehene Bauzeichnung, aus der die Aufteilung des Gebäudes und des Grundstücks sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes und des Grundstücks ersichtlich ist (Aufteilungsplan); alle zu demselben Wohnungseigentum gehörenden Einzelräume und Teile des Grundstücks sind mit der jeweils gleichen Nummer zu kennzeichnen;
2.
eine Bescheinigung der Baubehörde, dass die Voraussetzungen des § 3 Absatz 3 vorliegen.
Wenn in der Eintragungsbewilligung für die einzelnen Sondereigentumsrechte Nummern angegeben werden, sollen sie mit denen des Aufteilungsplans übereinstimmen.

(5) Für Teileigentumsgrundbücher gelten die Vorschriften über Wohnungsgrundbücher entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)