Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2003 - KZR 39/99

bei uns veröffentlicht am08.04.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 39/99 Verkündet am:
8. April 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Konkurrenzschutz für Schilderpräger
Ein marktbeherrschender Vermieter darf, ohne gegen das Verbot unbilliger Behinderung
nach § 20 Abs. 1 GWB zu verstoßen, in begrenzter Zahl zur Verfügung
stehende Gewerbeflächen nur in einer Weise vermieten, die den Marktzutritt
für aktuelle und potentielle Wettbewerber des Mieters nicht für einen längeren
Zeitraum als fünf Jahre blockiert. Das setzt regelmäßig eine Feststellung
des Bedarfs durch Ausschreibung bei der erstmaligen Vermietung sowie die
Wiederholung dieses Vorgehens in entsprechenden zeitlichen Abständen vor-
aus.
BGH, Urt. v. 8. April 2003 - KZR 39/99 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken in K., auf denen sie das F. -Center errichtet hat, welches eine Vielzahl von gewerblich genutzten Räumen für Verkaufsstätten und Dienstleistungsunternehmen enthält. An die Kläger vermietete die Beklagte im Dezember 1997 im ersten Obergeschoß des Centers gelegene Gewerberäume, die nach dem Vertrag nur "als Verkaufs- und
Herstellungsstätte von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie zur Betreibung einer Versicherungsmehrfachagentur" verwendet werden durften; eine Änderung des Nutzungszwecks bedurfte der schriftlichen Zustimmung der Beklagten. Die Mietzeit betrug zehn Jahre mit einer zweimaligen Verlängerungsoption für die Mieter von je weiteren zehn Jahren.
In dem Standard-Mietvertrag, dessen § 1 Abs. 6 allerdings das Ergebnis längerer Verhandlungen ist, heißt es in § 1 Abs. 6 und 7: "(6) Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß der Mieter für die Dauer des Mietverhältnisses Konkurrenzschutz, bezogen auf Herstellung und Verkauf von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie für eine Versicherungsmehrfachagentur, für sich in Anspruch nehmen kann. (7) Dem Mieter ist bekannt, daß durch die Vielzahl der im Gebäudekomplex vertretenen Verkaufsgeschäfte unter Umständen eine Mehrfachbesetzung einer Branche, evtl. auch unmitttelbar benachbart erfolgen kann. Der Mieter verzichtet ferner auf jegliche Schadensersatzforderungen aus dem Grunde, daß ein anderer Mieter innerhalb eines gleichen oder innerhalb eines anders gelagerten Sortiments die gleichen Artikel führt. Sofern sich nach Abschluß des Mietvertrages Änderungen in der Zusammensetzung der Mieter bzw. Branchen ergeben, erwachsen hieraus dem Mieter keine Schadensersatzforderungen an den Vermieter." Mitte Februar 1998 nahmen in dem F. -Center, in ebenfalls angemie- teten, unmittelbar an das Geschäft der Kläger angrenzenden Räumen die Führerschein - und die Kfz-Zulassungsstelle von K. ihre Tätigkeit auf. Gleichzeitig eröffnete die Streithelferin der Beklagten, die inzwischen nach Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes aufgelöste W. M. gesellschaft mbH, im Erdgeschoß des F. -Centers ein Ladenlokal, in dem sie von ihr hergestellte Kfz-Schilder und außerdem Malerbedarf verkaufte. Noch vor Abschluß eines Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Streithelferin erwirkten die Kläger eine nach Widerspruch durch Urteil bestätigte einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten aufgegeben wurde, der Streithelferin zu untersagen, in den von dieser benutzten Räumen Kfz-Kennzeichen
herzustellen und zu vertreiben. Das Landgericht Potsdam hat den Klägern die Erhebung der Hauptsacheklage aufgegeben. Sie ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, in dem die Kläger - gestützt auf § 1 Abs. 6 ihres mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrages - der Beklagten sinngemäß verbieten lassen wollen, Räume im F. -Center an die Streithelferin oder Dritte zur Herstellung oder/und zum Vertrieb von Kfz-Kennzeichen zu überlassen oder die entsprechende Nutzung weiterhin zu gestatten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat zugunsten der Kläger erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Urteils.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei zwar ein mietrechtlicher Konkurrenzschutz nicht vereinbart worden, weil die Regelungen in § 1 Abs. 6 und Abs. 7 des Mietvertrages zueinander in einem unlösbaren Widerspruch stünden; die Kläger könnten jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung von der Beklagten verlangen, daß sie sie vor Wettbewerb im F. -Center schütze ("vertragsimmanenter Konkurrenzschutz"). Kartellrechtliche Gründe stünden dem schon deswegen nicht entgegen, weil die Beklagte - anders als in den vom Senat bisher entschiedenen Fällen - den Bedarf
an zu prägenden Schildern nicht selbst geweckt habe, sondern nur als Vermieterin der Gewerberäume für den Landkreis und für die Kläger in Erscheinung getreten sei. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
2. Mit der Regelung in § 1 Abs. 6 des Mietvertrages hat die Beklagte die Verpflichtung übernommen, die Kläger davor zu bewahren, daß ihnen ein anderer Mieter oder Nutzer von Räumen im F. -Center Konkurrenz bei der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern macht. § 1 Abs. 7 des Vertrages steht diesem Verständnis der vertraglichen Abreden nicht entgegen. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts beruht auf Rechtsirrtum. Denn sie setzt sich darüber hinweg, daß es für den "unlösbaren Widerspruch" eine naheliegende Erklärung gibt. Schon nach seinem Wortlaut regelt § 1 Abs. 7 nur den Ausschluß von Schadenersatzforderungen, behandelt aber nicht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Vor allem aber übergeht das Berufungsgericht den unstreitigen Umstand, daß die Regelung des § 1 Abs. 7 Teil des Standard-Mietvertrages mit allen Mietern des F. -Centers ist, während die Konkurrenzschutzvereinbarung in § 1 Abs. 6 individuell aufgrund längerer Verhandlungen getroffen worden ist. Dies schließt es aus, beide Vertragsbestimmungen als gleichrangig anzusehen, was die Voraussetzung für den von dem Berufungsgericht angenommenen "unlösbaren Widerspruch" wäre. Vielmehr kann der Vertrag nur dahin verstanden werden, daß § 1 Abs. 6 des Mietvertrages Vorrang genießt und die Beklagte als Vermieterin hierin die - nach dem Standardmietvertrag, der die Art der Nutzung für jedes Objekt bindend festschreibt, ohne weiteres durchsetzbare - Verpflichtung gegenüber den Klägern übernommen hat, ihnen als einzigem Unternehmen die Herstellung und den Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern in den Räumen des F. -Centers zu erlauben.
3. Mit dieser Auslegung, die im Ergebnis dem von dem Berufungsgericht bejahten "vertragsimmanenten Konkurrenzschutz" nahekommt, begegnen die mietvertraglichen Abreden jedoch durchgreifenden kartellrechtlichen Bedenken. Der Vertrag verstößt insoweit gegen § 20 Abs. 1 GWB.
Das Berufungsgericht mißversteht die bisherige Rechtsprechung des Senats zu den sog. "Schilderprägerfällen" (vgl. Urt. v. 14.7.1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201 ff. - Schilderpräger im Landratsamt; v. 28.9.1999 - KZR 18/98, WuW/E DE-R 395 ff. - Beteiligungsverbot für Schilderpräger I; v. 3.7.2001 - KZR 11/00, juris KORE742842001 - Beteiligungsverbot für Schilderpräger II; v. 24.9.2002 - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003 - Kommunaler Schilderprägebetrieb ), wenn es annimmt, Normadressat des aus § 20 Abs. 1 GWB folgenden Verbots sei allein die Stelle der öffentlichen Verwaltung, welche den Bedarf an der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern hervorgerufen habe. Vielmehr richtet sich das Verbot, andere Schilderprägerunternehmen i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB unbillig zu behindern, gerade an die Beklagte als dasjenige Unternehmen, das die alleinige Verfügungsgewalt über die Überlassung von Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem hier in Rede stehenden relevanten Markt besitzt.
Der Markt, auf den hier abzustellen ist, umfaßt das Angebot von Gewerbeflächen , die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, der den bei den Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an amtlichen Kfz-Schildern decken möchte. Wegen der Lage der Zulassungsstelle im Gebäude des F. -Centers, sind alle in demselben Komplex liegenden, erst recht aber die unmittelbar an die genannte Dienststelle angrenzenden Gewerbeflächen den Standorten für Schilderpräger vorzuziehen, die außerhalb des F. -Centers liegen und nur nach Zurücklegen einer größeren Strecke zu erreichen sind. Der Standortvorteil des Schilderprägers im Gebäude
schlägt auf den vorgelagerten Vermietermarkt durch und verschafft der Beklagten damit eine überragende Marktstellung. Mit der Vermietung der Räume an die Kläger zu dem festgelegten Zweck der Herstellung und des Verkaufs von amtlichen Kfz-Kennzeichen hat die Beklagte einen Geschäftsverkehr eröffnet, der Schilderprägern üblicherweise zugänglich ist.
Nach der genannten Senatsrechtsprechung liegt ein Verstoß gegen das Verbot unbilliger Behinderung vor, wenn bei der Vermietung von für Schilderpräger geeigneten, nur in begrenzter Zahl bereitstehenden Räumen die Auswahl unter den in Frage kommenden Interessenten nicht unter angemessenen und fairen Bedingungen vorgenommen wird. Der marktbeherrschende Vermieter ist nicht nur verpflichtet, den aktuellen Bedarf auf dem Wege der Ausschreibung zu ermitteln, er darf, wenn er entsprechende Gewerbeflächen vermietet, den Marktzutritt für aktuelle und potentielle Wettbewerber des Mieters nicht für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre blockieren, sondern muß die Räumlichkeiten in entsprechenden Abständen neu ausschreiben. Dem wird der hier zu beurteilende Vertrag schon deswegen nicht gerecht, weil er ohne Ausschreibung geschlossen worden ist und den Klägern ein exklusives Recht des Schilderverkaufs im F. -Center mit einer Erstlaufzeit von zehn Jahren eingeräumt hat. Obendrein ist den Mietern die einseitig von ihnen auszuübende Option einer zweimaligen Verlängerung des Vertrages eröffnet worden, so daß alle
Wettbewerber der Kläger, falls diese das Optionsrecht ausüben, von der Anmietung der genannten Gebäudeflächen für die Dauer von dreißig Jahren ausgeschlossen und darauf verwiesen sind, ihre Leistung an anderen, weniger günstigen Standorten anzubieten.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

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(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 11/00 Verkündet am:
3. Juli 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof.
Dr. Hirsch, die Richter Dr. Melullis und Ball, die Richterin Dr. Tepperwien und den
Richter Prof. Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden – Kartellsenat – vom 19. April 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Klage über den sich aus der nachfolgenden Abänderung ergebenden Umfang hinaus abgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 9. Januar 1998 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit abgeändert, als der Beklagte verurteilt worden ist, es zu unterlassen, bereits abgeschlossene Mietverträge fortzuführen. Im Umfang der Abänderung verbleibt es bei der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Klageabweisung.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/10, der Beklagte 9/10 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägebranche. Der beklagte Landkreis ist Eigentümer eines Geländes, auf dem sich neuerdings die Kfz-Zulassungsstelle des Landkreises befindet. Bei einer Ausschreibung der Vermietung von drei Containerstandplätzen für Schilderprägebetriebe war die Klägerin nicht zum Zuge gekommen, weil es sich bei ihr nicht um ein aus dem Landkreis stammendes Unternehmen handelt. Diese Entscheidung nimmt die Klägerin hin. Sie wendet sich dagegen, daß der Beklagte die ausgewählten Schilderprägebetriebe dazu verpflichtet hat, mit der Klägerin in keiner Weise zusammenzuarbeiten. Es geht dabei um eine Regelung im Mietvertrag, in der die Mieter dem Beklagten zusichern mußten, daß zu keinem Großfilialisten der Branche (beispielhaft genannt war die Klägerin) rechtliche oder tatsächliche Beziehungen bestünden oder in Zukunft aufgenommen würden. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung stand dem Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die vom Beklagten durchgesetzte Mietvertragsklausel enthalte einen kartellrechtlich und lauterkeitsrechtlich unzulässigen Boykottaufruf. Mit der vorliegenden Klage hat sie den Beklagten wegen der Verwendung dieser Klausel auf Unterlassung in Anspruch genommen und beantragt, es dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen ,
Mietverträge über eine Stellfläche zur Aufstellung eines Containers zur Prägung von Kfz-Kennzeichen auf dem Grundstück ... abzuschließen und/oder bereits abgeschlossene Mietverträge fortzuführen, falls der
Mietvertrag die ... (im ersten Revisionsurteil wiedergegebene) Klausel enthält.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klausel enthalte keine Liefer- oder Bezugssperre, sondern diene nur der bei der Vergabe der Standflächen verfolgten Förderung der einheimischen Wirtschaft.
Das Landgericht hat der Klage unter dem Gesichtspunkt eines Boykotts nach § 26 Abs. 1 GWB a.F. (jetzt § 21 Abs. 1 GWB) und einer wettbewerbswidrigen Behinderung nach § 1 UWG stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG-Report Dresden 1998, 354). In der ersten Revisionsentscheidung hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 28.9.1999 – KZR 18/98, WuW/E DE-R 395 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger), um die – hier im Rahmen der Interessenabwägung maßgebliche – Frage zu klären, ob der beklagte Landkreis auf dem Markt für die Vermietung von Stellflächen für Schilderpräger eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Nachdem die Parteien hierzu ergänzend vorgetragen haben und das Berufungsgericht das Gelände der Zulassungsstelle in Augenschein genommen hat, lassen sich die örtlichen Verhältnisse wie folgt zusammenfassen:
Alle Besucher erreichen die Zulassungsstelle über die Fabrikstraße (links in der nachstehenden Skizze). Die Zulassungsstelle befindet sich auf einem größeren Gelände am Ende der Straße in einem Anbau. Am Eingang des Geländes besteht eine Parkmöglichkeit; von dort gehen die Besucher um das fünfstöckige sog. Archivgebäude (in der Skizze der lange Baukörper neben der Zulassungsstelle) herum zur Zulassungsstelle. Im Nordosten neben der Zulassungsstelle befinden
sich in etwa 20 m Entfernung vom Eingang zur Zulassungsstelle die Container der zwei dort heute noch tätigen Schilderprägebetriebe. Der Ablauf ist so geregelt, daß die Personen, die ein Fahrzeug anmelden, zunächst in der Zulassungsstelle ein Kennzeichen genannt bekommen; sie begeben sich dann aus dem Gebäude der Zulassungsstelle, um das Schild mit dem Kennzeichen prägen zu lassen und zu erwerben; danach kehren sie in die Zulassungsstelle zurück, um dort den Zulassungsstempel zu erhalten.

Die Klägerin hat das sich nach Nordwesten anschließende Grundstück (in der Skizze 183/2) erworben und inzwischen wieder verkauft, sich beim Wiederverkauf jedoch das Recht einräumen lassen, vorn an der Straße zwei Pavillons zum Schilderprägen zu betreiben (in der Skizze durch einen Kreis markiert). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind es von dieser Stelle, die die Besucher der Zulassungsstelle passieren müssen, 88 m oder zwei bis drei Minuten zu Fuß bis zum Eingang der Zulassungsstelle.
Das Berufungsgericht hat eine marktbeherrschende Stellung des Beklagten auf dem Markt für die Vermietung oder Verpachtung von Stellflächen für Schilderpräger verneint und die Klage erneut abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat erneut Ansprüche der Klägerin aus §§ 33, 21 GWB verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es fehle an einer unbilligen Behinderung der Klägerin. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung komme es nach der ersten Revisionsentscheidung maßgeblich darauf an, ob der Beklagte als Vermieter geeigneter Gewerbeflächen für Schilderpräger am Sitz der Kfz-Zulassungsstelle über eine marktbeherrschende Stellung verfüge; denn in diesem Fall sei er zu einer Gleichbehandlung der Interessenten verpflichtet. Die Frage nach der marktbeherrschenden Stellung sei zu verneinen. Der relevante Markt, auf den zur Ermittlung der Marktstellung des Beklagten abzustellen sei, umfasse in sachlicher und räumlicher Hinsicht das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger, der den Bedarf an Kfz-Schildern decken wolle, zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eigneten. Dabei seien auch Flächen einzubeziehen, die sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Zulassungsstelle befänden. Auf dem so begrenzten Markt besitze der Beklagte keine marktbeherrschende Stellung. Er sei nicht allein Anbieter geeigneter Flächen; vielmehr komme auch das unmittelbar an das Gelände der Kfz-
Zulassungsstelle angrenzende Grundstück 183/2 als Standort eines Schilderprägebetriebs in Betracht, zumal die potentiellen Kunden die Einfahrt zu diesem Grundstück passieren müßten, um den Parkplatz der Zulassungsstelle zu erreichen. Da es sich hierbei um einen attraktiven Standort handele, sei der Beklagte wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt. Der Beklagte verfüge trotz des Standortvorteils der beiden von ihm vermieteten Plätze auch nicht über eine überragende Marktstellung. Zwar bestehe seitens der Bürger ein hoher Anreiz, den Bedarf an Schildern bei dem nächstliegenden Anbieter zu befriedigen. Dieser Vorteil wiege jedoch nicht derart stark, daß dem Beklagten bereits deshalb eine überragende Marktstellung zukomme, zumal auch zu dem Standort auf dem Grundstück 183/2 kein längerer Fußmarsch erforderlich sei. Schließlich könne der Betreiber eines Schilderprägebetriebs auf diesem Grundstück die Interessenten, die sich der Zulassungsstelle näherten, über seine Preise informieren. Lägen diese unter den Preisen der Konkurrenz, bestehe eine Chance dafür, daß sie den kurzen Fußweg anträten, um das günstigere Angebot wahrzunehmen.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur weitgehenden Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und im wesentlichen zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen Urteils.
1. In der ersten Revisionsentscheidung hat der Senat bereits dargelegt, daß im Streitfall der Boykottatbestand des § 21 Abs. 1 GWB zur Anwendung kommen kann, obwohl es sich bei der fraglichen, gegen die Klägerin gerichteten Klausel um eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung in einem Austauschvertrag handelt. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die Klausel in ihren Wirkungen über die Nachteile hinausgeht, die für die betroffenen Wettbewerber des bindenden Unternehmens mit jeder Ausschließlichkeitsvereinbarung ver-
bunden sind (BGH WuW/E DE-R 395, 396 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger ). Dieses Erfordernis ist im Streitfall erfüllt, weil die Vertragsklausel, durch die die Klägerin von der Belieferung der ausgewählten Schilderprägebetriebe sowie von einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an deren Unternehmen ausgeschlossen werden soll, eine eindeutig gegen die Klägerin gerichtete Zielsetzung aufweist und mit ihr das erklärte Ziel verfolgt wird, die Klägerin von dem in Rede stehenden Absatzmarkt für Kfz-Schilder fernzuhalten.
2. Wie der Senat ebenfalls in der ersten Revisionsentscheidung ausgeführt hat, ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, daß es sich bei der beanstandeten Boykottaufforderung um eine Ausschließlichkeitsbindung i.S. des § 16 GWB handelt und daß derartige, andere Unternehmen ausschließende Vertragsklauseln grundsätzlich zulässig sind. Auch dem Beklagten ist es, wenn er als Vermieter von Gewerbeflächen auftritt, nicht schlechthin verwehrt, bei der Auswahl eines Mieters strukturpolitische Überlegungen zu berücksichtigen und – wie es im Streitfall geschehen ist – durch flankierende Maßnahmen sicherzustellen , daß die getroffene Auswahlentscheidung nicht dadurch konterkariert wird, daß der als Mieter ausgewählte einheimische Schilderpräger von dem bewußt vom Markt ferngehaltenen Unternehmen übernommen wird.
Die Revision möchte dem entgegenhalten, der Boykott stelle ein schlechthin verbotenes Kampf- und Behinderungsmittel dar, weil der Betroffene davon ausgeschlossen werde, seine Leistungen im Wettbewerb einzusetzen. Daher komme es auf die vom Senat im ersten Revisionsurteil als maßgeblich angesehene Frage einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten nicht an; denn das Verhalten des Beklagten sei auch ohne eine solche Stellung schlechthin wettbewerbswidrig.
Derartige Erwägungen, die darauf hinausliefen, eine unbillige Behinderung im Regelfall zu bejahen, berücksichtigen nicht hinreichend, daß der Begriff der Aufforderung zu Liefer- und Bezugssperren eine weite Auslegung erfährt. Schon deswegen muß der im Rahmen der Prüfung der unbilligen Behinderung anzustellenden Interessenabwägung eine zentrale Bedeutung zukommen (vgl. Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 21 Rdn. 33). Dies gilt jedenfalls in Fällen , in denen die Liefer- oder Bezugssperre einer in einem Austauschvertrag enthaltenen Ausschließlichkeitsbindung entnommen wird (Markert aaO § 21 Rdn. 43). Daher können auch die vom Beklagten für die fraglichen Klauseln angeführten Gründe nicht von vornherein als unbeachtlich angesehen werden. Dies ändert sich aber dann, wenn der Beklagte als marktbeherrschender Anbieter dem Diskriminierungsverbot unterworfen ist.
3. Diese Frage hat das Berufungsgericht verneint. Denn der Beklagte sei auf dem hier maßgeblichen Markt der Vermietung oder Verpachtung von Gewerbeflächen für Schilderpräger nicht beherrschend. Gegen diese Annahme wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat den relevanten Markt, auf dem der Beklagte zur Vermietung der fraglichen Gewerbeflächen tätig wird, rechtsfehlerfrei bestimmt. Er umfaßt in sachlicher und räumlicher Hinsicht das Angebot derjenigen Gewerbeflächen, die sich für Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen. Zutreffend hat das Berufungsgericht diesen Markt nicht auf die vom beklagten Landkreis angebotenen Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft der Zulassungsstelle beschränkt, sondern auch auf geeignete Flächen auf benachbarten Grundstücken ausgedehnt (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1998 – KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 202 – Schilderpräger im Landratsamt).

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Beklagte verfüge auf diesem Markt nicht über eine marktbeherrschende Stellung. Den getroffenen Feststellungen ist zwar zu entnehmen, daß neben dem Standort für die Container in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle auch der Standort auf dem Nachbargrundstück 183/2 in Betracht kommt, den sich die Klägerin bereits gesichert hat. Damit kann aber allenfalls begründet werden, daß kein Fall des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (”ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerber ausgesetzt ist”) gegeben ist. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch, daß der Beklagte gegenüber anderen Anbietern von Gewerbeflächen , die für Schilderpräger in Betracht kommen, eine überragende Marktstellung genießt. Im Streitfall ist davon auszugehen, daß der Beklagte mindestens drei Standorte in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle vermieten kann. Daneben kommen nur die beiden Standorte auf dem Grundstück 183/2 in Betracht, so daß von fünf möglichen Standorten drei vom Beklagten angeboten werden. Ob bei dem sich daraus errechnenden Marktanteil eine überragende Marktstellung noch verneint werden kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls weisen die vom Beklagten angebotenen Standorte unmittelbar neben der Zulassungsstelle – wie das Berufungsgericht ausdrücklich feststellt – deutliche Vorteile gegenüber den anderen beiden Standorten auf dem Grundstück 183/2 auf, weil das Publikum dazu neigt, einen Schilderprägebetrieb in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle zu wählen. Dieser Vorteil des neben der Zulassungsstelle angesiedelten Schilderprägers setzt sich in dem hier in Rede stehenden vorgelagerten Markt der Vermietung von entsprechenden Gewerbeflächen fort (vgl. auch BGH WuW/E DE-R 201, 202 – Schilderpräger im Landratsamt). Unter diesen Umständen können an der überragenden Marktstellung des Beklagten auf dem relevanten Markt keine Zweifel bestehen.
4. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ist gleichwohl nicht geboten, weil der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen die gebotene Interessenabwägung vornehmen kann, wobei im wesentlichen auf die entsprechenden Ausführungen im ersten Senatsurteil zu verweisen ist. Dort hat der Senat bereits zum Ausdruck gebracht, daß das Interesse des Beklagten, die einheimischen Schilderpräger zu Lasten auswärtiger Unternehmen zu begünstigen, dann nicht als Rechtfertigung herangezogen werden kann, wenn der Beklagte als Normadressat des Diskriminierungsverbots grundsätzlich zu einer Gleichbehandlung der Interessenten verpflichtet ist (BGH WuW/E DE-R 395, 398 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger). Eine Bevorzugung einheimischer Schilderpräger zu Lasten von kreisfremden Betrieben auch dann, wenn diese leistungsstärker wären, kommt danach nicht in Betracht. Schließlich bestehen auch an der entsprechenden Absicht des Beklagten, die Klägerin auf diese Weise unbillig zu beeinträchtigen, keine Zweifel (BGH WuW/E DE-R 395, 398 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger).
5. Dennoch kann das landgerichtliche Urteil, mit dem der Klage stattgegeben worden war, nicht in vollem Umfang wiederhergestellt werden. Denn insoweit, als das Landgericht dem Beklagten untersagt hat, ”bereits abgeschlossene Mietverträge fortzuführen”, die die fragliche Klausel enthalten, hat das Berufungsgericht die Klage mit Recht abgewiesen. Der Beklagte ist insoweit an die geschlossenen Verträge gebunden. Dafür, daß nicht nur die beanstandete, gegen das Boykottverbot verstoßende Klausel (§ 134 BGB), sondern die gesamten Verträge nichtig sind, bestehen keine Anhaltspunkte (vgl. BGH WuW/E DE-R 395, 399 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Hirsch Melullis Ball
Tepperwien Bornkamm

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 4/01 Verkündet am:
24. September 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kommunaler Schilderprägebetrieb

a) Nutzt eine Gemeinde die durch die Hoheitsverwaltung bewirkte marktbeherrschende
Stellung dadurch aus, daß sie die durch die Verwaltungstätigkeit erzeugte
Nachfrage nach Gütern unter Verdrängung leistungsbereiter privater
Wettbewerber befriedigt, um auf diese Weise für sich den größten wirtschaftlichen
Vorteil zu erzielen, kann darin eine unzulässige Verquickung der öffentlich
-rechtlichen Aufgabe mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit liegen.

b) Es stellt eine unbillige Behinderung dar, wenn eine Gemeinde im selben Gebäude
, in dem sie die Kfz-Zulassungsstelle eingerichtet hat, mehrere Räume an
Schilderpräger vermietet und dabei einen der Räume an ein eigenes Schilderprägeunternehmen
vergibt, das sich nicht an dem für die anderen Räume
durchgeführten Ausschreibungsverfahren beteiligen muß.
BGH, Urt. v. 24. September 2002 – KZR 4/01 – OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof.
Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 2/7, die Beklagte 5/7 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die beklagte Stadt hat in dem Gebäude Ludwig-Krohne-Straße 6 in Duisburg ihr Straßenverkehrsamt eingerichtet. Im zweiten Obergeschoß des im Eigentum der Beklagten und des Rheinisch-Westfälischen TÜV stehenden Gebäudes befindet sich die Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge.
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägebranche. Sie unterhält seit etwa 1985 in einem Bürocontainer unmittelbar an der Einfahrt zum Straßenverkehrsamt der Beklagten auf demselben Grundstück eine Schilderpräge- und -verkaufsstelle. Den Standplatz hat sie vom TÜV gemietet (monatlicher Mietzins: 4.500 DM zzgl. MwSt.). Vor den Räumen der Zulassungsstelle weisen Tafeln auf ihr Angebot und auf das anderer Schilderpräger hin. Außer der Klägerin bieten noch vier weitere Betriebe Kfz-Schilder an. Zum einen befindet sich auf der anderen Seite der Ludwig-Krohne-Straße eine Verkaufsstelle des Schilderprägers M. . Zum anderen hat die Beklagte in dem Gebäude des Straßenverkehrsamts im ersten Obergeschoß, in dem sich auch ein Parkdeck befindet , drei Räume an Schilderpräger vermietet. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage dagegen, daß sie bei der Vergabe dieser Räume Anfang 1999 nicht berücksichtigt worden ist.
Bei der Vermietung der drei Räume ging die Beklagte wie folgt vor: Raum 1 überließ sie vorab der Duisburg Agentur GmbH, an der sie selbst sämtliche Geschäftsanteile hält. Für die Räume 2 und 3 führte sie im Februar 1999 ein Bewerbungsverfahren durch, an dem sich neben 33 weiteren Schilderprägeunternehmen auch die Klägerin beteiligte. Unter den von ihr als geeignet ausgewählten Bewerbern ließ die Beklagte das Los entscheiden. Die Klägerin wurde abschlägig beschieden ; im Laufe des Rechtsstreits stellte sich jedoch heraus, daß es sich bei
dem einen der beiden erfolgreichen Bewerber um ein Tochterunternehmen der Klägerin handelt. Die Mietverträge für die Räume 1 bis 3 sind bis 30. Juni 2003 befristet; sie sehen jeweils eine Festmiete von 3.000 DM (zzgl. Nebenkosten) sowie eine Umsatzbeteiligung von 20 % (für Raum 1) bzw. 18 % (Räume 2 und 3) vor.
Die Klägerin beanstandet mit ihrer Klage, daß für die Vermietung des Raumes 1 unter Ausschaltung des Wettbewerbs keine Ausschreibung stattgefunden habe und daß dieser Raum an ein der beklagten Stadt gehörendes Unternehmen vermietet worden sei. Hinsichtlich der Räume 2 und 3 hat sie bemängelt, daß die Mieter durch Los und nicht durch ein Höchstgebot ermittelt worden seien. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte verfüge über eine marktbeherrschende Stellung ; in ihrem Verhalten liege eine unbillige Behinderung der Klägerin.
Soweit sich die Klage mit den Anträgen zu 2 und 3 gegen die Art und Weise der Vermietung der Räume 2 und 3 richtet, ist sie vom Landgericht abgewiesen worden; das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt. Die Revision der Klägerin, die sich hiergegen wendet, hat der Senat nicht angenommen.
Was die Vermietung des Raumes 1 angeht (Klageantrag zu 1), hat die Klägerin zuletzt beantragt,

a) der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen , die in dem – näher bezeichneten – Grundriß mit „Raum 1“ gekennzeichneten Räumlichkeiten im Gebäude des Straßenverkehrsamtes , Ludwig-Krohne-Straße 6, Duisburg, ohne Ausschreibung der Duisburg Agentur GmbH zu überlassen;
b) hilfsweise: festzustellen, daß die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Vermietung dieser Räumlichkeiten an die Duisburg Agentur GmbH entstehen wird.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage insoweit mit dem Hauptantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten (im folgenden: Revision), mit der sie ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB bejaht und zur Begründung ausgeführt:
Die Beklagte sei in ihrer hier angesprochenen Eigenschaft als Vermieterin von Räumen, die sich zur Vermietung an Schilderprägebetriebe eigneten, Normadressatin des kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbots, da sie auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfüge. Es handele sich auch um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen wie der Klägerin üblicherweise zugänglich sei. Die Klägerin sei dadurch objektiv behindert und ungleich behandelt worden, daß die Beklagte den fraglichen Raum nicht an die Klägerin, sondern an ein anderes Unternehmen, die Duisburg Agentur GmbH, vermietet habe. Anders als die Klägerin habe die Duisburg Agentur GmbH kein Losverfahren durchlaufen müssen.
Diese Behinderung sei unbillig, für die Ungleichbehandlung gebe es keinen sachlichen Grund. Die Privilegierung, die die Beklagte ihrem eigenen Tochterun-
ternehmen zukommen lasse, sei mit § 107 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (GO NW) nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung regele die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden und unterwerfe sie gewissen Schranken. Die Vorschrift diene unter anderem dem Zweck, die Angehörigen der privaten Wirtschaft vor einer drohenden Beeinträchtigung durch den Wettbewerb gemeindlicher Unternehmen zu schützen. Es handele sich daher um eine wettbewerbsbezogene Norm mit der Folge, daß ein gegen dieses Verbot verstoßendes Verhalten nicht nur nach § 1 UWG wettbewerbswidrig, sondern stets auch unbillig und sachlich nicht gerechtfertigt sei. Die Bevorzugung der Duisburg Agentur GmbH verstoße schon deshalb gegen § 107 GO NW, weil ein öffentlicher Zweck, der nach dieser Bestimmung für die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Beklagten oder ihres Tochterunternehmens erforderlich sei, nicht vorliege. Es gebe genügend private Unternehmen, die den Bedarf an Kfz-Schildern befriedigen könnten.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hänge schließlich nicht davon ab, ob der geschlossene Mietvertrag nichtig sei. Da die Beklagte ihren Vertragspartner beherrsche, könne sie ihm gegenüber eine einvernehmliche Aufhebung des Mietvertrages durch einen entsprechenden Antrag und einen Gesellschafterbeschluß durchsetzen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB bejaht.
1. Entgegen der Auffassung der Revision kann das rechtliche Interesse der Klägerin an der Untersagung des beanstandeten Verhaltens nicht verneint werden. Die Revision meint, es fehle an einem berechtigten Interesse der Klägerin an dem Verbot, weil bei der letzten Vergabe bereits ein mit der Klägerin konzernmäßig verbundenes Unternehmen zum Zuge gekommen sei; wirtschaftlich seien die-
ses Unternehmen und die Klägerin als eine Einheit zu betrachten. Nach den – nicht beanstandeten – Ausschreibungsbedingungen der Beklagten könne an ein Unternehmen nur einer der Räume vergeben werden; da ein einmal ausgewähltes Unternehmen nach Ablauf der vierjährigen Mietzeit nicht erneut zum Zuge kommen könne, sei die Klägerin auch bei der nächsten Ausschreibung ausgeschlossen. Dem kann nicht beigetreten werden. Stellt die Bevorzugung des stadteigenen Schilderprägebetriebs einen Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot dar, kann das rechtliche Interesse der Klägerin an der Untersagung nicht verneint werden. Ob die Klägerin – wie die Revision meint – bei der nächsten Ausschreibung ausgeschlossen ist, bedarf dabei keiner Klärung; denn ein berechtigtes Interesse an der beantragten Untersagung bestünde auch, wenn die Klägerin sich erst an späteren Ausschreibungen wieder beteiligen dürfte.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Normadressateneigenschaft der Beklagten bejaht. Die Beklagte verfügt auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung. Der Markt, auf den hier abzustellen ist, umfaßt das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, der den bei den Besuchern der Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an Kfz-Schildern decken möchte (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1998 – KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 202 – Schilderpräger im Landratsamt; Urt. v. 3.7.2001 – KZR 11/00, BGH-Rep. 2001, 972 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger II). Auch wenn hierzu Gewerbeflächen außerhalb des Gebäudes des Straßenverkehrsamts zählen, steht doch – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – die überragende Stellung der Beklagten auf dem relevanten Markt nicht in Zweifel.
Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte mit der Vermietung der Räume für Schilderpräger einen Geschäftsver-
kehr eröffnet hat, der Unternehmen wie dem der Klägerin üblicherweise zugänglich ist.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht das Verhalten der beklagten Stadt als unbillige Behinderung der Klägerin angesehen hat.

a) In der Nichtberücksichtigung der Klägerin liegt eine objektive Behinderung. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, daß auch eine Ungleichbehandlung vorliege. Bei der bevorzugten Duisburg Agentur GmbH handelt es sich nicht um ein gegenüber der Klägerin gleichartiges Unternehmen. Denn Konzernunternehmen – die Beklagte hält sämtliche Geschäftsanteile der Duisburg Agentur GmbH – können im Hinblick auf die wirtschaftliche Einheit nicht als gleichartige Unternehmen angesehen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.1982 – KVR 5/81, WuW/E 1947, 1949 – Stuttgarter Wochenblatt; Urt. v. 10.2.1987 – KZR 6/86, WuW/E 2360, 2365 – Freundschaftswerbung; Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 GWB Rdn. 112; Rixen in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 20 GWB 1999 Rdn. 144).

b) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, die Behinderung sei unbillig, entscheidend darauf gestützt, daß sich das Verhalten der Beklagten zugleich als ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG darstelle. Die Erwägung, ob das beanstandete Verhalten schon lauterkeitsrechtlich Bedenken begegnet, ist im Grundsatz berechtigt; denn ein lauterkeitsrechtlich unzulässiges Verhalten verdient auch im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB keinen Schutz (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.1988 – KVR 1/87, WuW/E 2535, 2541 – Lüsterbehangsteine). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch zweifelhaft, ob allein der vom Berufungsgericht festgestellte Verstoß gegen eine Bestimmung der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung den Vorwurf der Unlauterkeit begründen kann.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer neueren Entscheidung einen Verstoß gegen die entsprechende Bestimmung der bayerischen Gemeindeordnung (Art. 87 BayGO) nicht als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG gewertet (BGH, Urt. v. 25.4.2002 – I ZR 250/00, GRUR 2002, 825, 826 f. = WRP 2002, 943 – Elektroarbeiten, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Ob für einen Verstoß gegen § 107 GO NW dasselbe gilt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ebenfalls kann offenbleiben, ob ein Verstoß gegen das kommunalrechtliche Verbot der erwerbswirtschaftlichen Betätigung die kartellrechtliche Interessenabwägung unmittelbar in der Weise beeinflußt, daß ein entsprechendes Verhalten stets als unbillig anzusehen ist. Denn der geltend gemachte Anspruch besteht auch unabhängig von dem vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt gestellten Verstoß gegen kommunalrechtliche Bestimmungen.

c) Die Behinderung, die darin liegt, daß die Beklagte als marktbeherrschende Vermieterin von Gewerbeflächen für Schilderpräger ihr Tochterunternehmen bevorzugt hat, ist allerdings für sich genommen nicht unbillig. Denn das mit dem Normadressaten konzernmäßig verbundene Unternehmen ist im Hinblick auf die bestehende wirtschaftliche Einheit nicht als gleichartiges Unternehmen anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 2/90, WuW/E 2755, 2759 – Aktionsbeträge; Schultz in Langen/Bunte aaO § 20 GWB Rdn. 153). Auch dem marktbeherrschenden Vermieter von Gewerberäumen, die sich für Schilderpräger eignen, steht es grundsätzlich frei, alle vorhandenen Räume zu vermieten oder aber einen oder mehrere Räume selbst zu nutzen, um dort ein eigenes Schilderprägegeschäft zu betreiben. Überträgt er dieses Geschäft einem Tochterunternehmen, bleibt es ihm unbenommen, diesem günstigere Konditionen als den konzernfremden Mietern zu gewähren.

d) Der Streitfall zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß es sich bei der Beklagten nicht allein um eine marktbeherrschende Vermieterin handelt; vielmehr
leitet sich die überragende Stellung, über die die Beklagte auf dem fraglichen Markt verfügt, unmittelbar aus ihrer öffentlichen Aufgabe ab. Die öffentliche Hand, die sich privatwirtschaftlich betätigt, darf sich bei der Wahrnehmung ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung nicht dadurch einen unsachlichen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern verschaffen, daß sie ihre hoheitlichen Befugnisse zur Durchsetzung ihrer privatwirtschaftlichen Interessen und zur Förderung ihres Wettbewerbs einsetzt oder die privaten Mitbewerber mit Mitteln verdrängt, die diesen nicht zugänglich sind, ihr dagegen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, etwa indem sie eine öffentlich-rechtliche Monopolstellung ausnutzt (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.1986 – I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 = WRP 1987, 22 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 222/95, GRUR 1999, 256, 257 = WRP 1998, 857 – 1.000 DM Umwelt -Bonus; Urt. v. 9.7.2002 – KZR 30/00, Umdr. S. 8 – Fernwärme für Börnsen).
Die gebündelte Nachfrage nach Kfz-Schildern ist allein darauf zurückzuführen , daß die Beklagte in dem fraglichen Gebäude in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ihre Kraftfahrzeugzulassungsstelle betreibt. Es stellt eine unzulässige Verquickung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit dar, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die beherrschende Stellung, über die er in dem durch die Hoheitsverwaltung eröffneten Markt verfügt, in der Weise ausnutzt, daß er die durch die Verwaltungstätigkeit erzeugte Nachfrage nach Gütern unter Verdrängung leistungsbereiter privater Wettbewerber nur deswegen selbst befriedigt, um auf diese Weise für sich den größten wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Unbedenklich ist eine solche, private Anbieter verdrängende Erwerbstätigkeit dann, wenn es sich um eine bloße Hilfstätigkeit zur öffentlichrechtlichen Aufgabe handelt und die Versorgung der Bürger durch private Anbieter auf längere Sicht nicht zuverlässig gewährleistet erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1974 – I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 735 = WRP 1974, 397 – Schilderverkauf;
OLG Karlsruhe WRP 1995, 857, 859 – Schilderverkauf im Bürgeramt). Dabei kann offenbleiben, ob es der Beklagten lediglich untersagt ist, das eigene Tochterunternehmen gegenüber Mitbewerbern zu bevorzugen, oder ob sie sich – weitergehend – in der gegebenen Konstellation der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit vollständig enthalten muß. Denn nach dem Klageantrag soll der Beklagten lediglich verboten werden, die fraglichen Räumlichkeiten dem eigenen Tochterunternehmen ohne Ausschreibung zu überlassen.
Diese Beurteilung steht mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einklang. In dem der Entscheidung „Schilderpräger im Landratsamt“ zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin generell die in der Vermietung von Gewerbeflächen an Schilderpräger liegende erwerbswirtschaftliche Betätigung einer Gebietskörperschaft beanstandet. Eine solche Vermietung hat der Senat für kartellrechtlich unbedenklich gehalten; der dort beklagte Landkreis hatte nicht allein das fiskalische Interesse verfolgt, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, sondern versucht, den Kunden der Zulassungsstelle die Möglichkeit einzuräumen, einen Schilderpräger im selben Gebäude aufzusuchen (BGH WuW/E DE-R 201, 204 – Schilderpräger im Landratsamt). In der Entscheidung „Schilderverkauf“ stand ebenfalls die Versorgung der Kunden mit Kfz-Schildern im Vordergrund; im übrigen ging es dort allein um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung (BGH GRUR 1974, 733, 735 – Schilderverkauf).
III. Die Revision der Beklagten ist nach alldem zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erweist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.