Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01

bei uns veröffentlicht am24.06.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 32/01 Verkündet am:
24. Juni 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Schülertransporte
Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf das Vertragsverhältnis mit einem
anderen Unternehmen nicht aus Gründen beenden, aus denen es den Abschluß
des Vertrages nicht hätte ablehnen dürfen, ohne damit gegen das Diskriminierungsverbot
zu verstoßen.
BGH, Urt. v. 24. Juni 2003 - KZR 32/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr.
Raum und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2001 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger sind Busunternehmer, bei der beklagten GmbH handelt es sich um eine 100prozentige Tochtergesellschaft des Landkreises Emsland. Bis Ende 1999 führten die Kläger, die daneben auch im Linienverkehr fahren, für die Beklagte in den Bereichen Mitte und Nord des Landkreises Emsland Schülertransporte im Freistellungsverkehr nach § 1 Nr. 4 lit. d der Freistellungsver-
ordnung zum Personenbeförderungsgesetz durch. Die hierüber abgeschlosse- nen Verträge waren jeweils mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar. Die Beklagte kündigte die Verträge mit den Klägern fristgerecht zum 31. Dezember 1999, während entsprechende Verträge mit einer Vielzahl anderer Unternehmer weiterliefen. Die Kläger sehen in diesen Kündigungen den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.
Hintergrund des Streits der Parteien ist der Umstand, daß der Landkreis Emsland in den Bereichen Mitte und Nord eine Umstrukturierung des Busverkehrs plant. Zur Durchsetzung dieses in einem Nahverkehrsplan festgelegten Zieles bedient er sich der Beklagten. Anders als im südlichen Bereich des Landkreises werden die Linienverkehre und die Schülertransporte im mittleren und nördlichen Kreisgebiet zum Teil unabhängig voneinander betrieben. Der Nahverkehrsplan sieht vor, die Schülertransporte in den Linienverkehr zu integrieren und auf diese Weise das Angebot im Linienverkehr zu verbessern. Um die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit von Einzelheiten des Planes und seiner Umsetzung streiten die Parteien.
Nach der Kündigung der Verträge schrieb die Beklagte die Freistellungsverkehre in einem europaweiten Vergabeverfahren neu aus. Die Kläger beteiligten sich an diesem Verfahren als Bietergemeinschaft Busverkehr Emsland und erhielten - auf ein für die Beklagte sehr günstiges Angebot - den Zuschlag. Sie betreiben heute im wesentlichen dieselben Freistellungsverkehre wie vor den Kündigungen, erhalten dafür jedoch geringere Entgelte.
Zur Rechtfertigung der Kündigungen hat die Beklagte vorgetragen, ihr sei es darum gegangen, entsprechend dem Nahverkehrsplan des Landkreises
den bisherigen Schülerfreistellungsverkehr in den Linienverkehr zu integrieren. Dies sei nur schrittweise möglich gewesen. Deshalb hätten zunächst die Freistellungsverkehre umgewandelt werden sollen, die auf den verkehrlich bedeutenden Nord-Süd- und Ost-West-Achsen des Kreisgebiets lägen, ferner die Verkehre derjenigen Unternehmen, die bereits über Erfahrung im Linienverkehr verfügten; außerdem habe es sich um Freistellungsverkehre handeln sollen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu favorisieren seien. Bis auf drei weitere Unternehmen, mit denen Kooperationsvereinbarungen geschlossen worden seien, hätten nur die Freistellungsverkehre der Kläger sämtliche dieser Bedingungen erfüllt.
Das Landgericht hat den auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen gerichteten Klagen stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen (OLG Celle WuW/E DE-R 824).
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehren. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht sieht die Beklagte als Unternehmen im kartell- rechtlichen Sinne an, auch wenn mit der Durchführung der Schülerverkehre eine öffentliche Aufgabe erfüllt werde. Dagegen ist nichts zu erinnern.
Ob die Beklagte die für das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB erforderliche marktbeherrschende Stellung innehat, läßt das Berufungsgericht dahingestellt. Für das Revisionsverfahren ist hiervon zugunsten der Kläger auszugehen.
II. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigungen verstießen nicht gegen das Diskriminierungsverbot, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Mit den nur gegenüber den Klägern, nicht aber gegenüber den anderen im mittleren und nördlichen Emsland im Freistellungsverkehr tätigen Busunternehmen ausgesprochenen Kündigungen hat die Beklagte die Kläger gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt.
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beklagten kann eine Ungleichbehandlung nicht deswegen verneint werden, weil nach der Vergabe der Transportaufträge jede Strecke des Freistellungsverkehrs für sich betrachtet werden müßte. Nur aus der Sicht des Fahrgastes ist der Verkehr von A nach B nicht durch den Verkehr von C nach D substituierbar. Im Verhältnis zur Beklagten erfüllen die Anbieter von Freistellungsverkehren nach ihrer wirtschaftlichen Funktion die gleichen Aufgaben und sind daher gleichartige Unternehmen (vgl. BGHZ 129, 53, 60 – Importarzneimittel).
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für diese Ungleichbehandlung einer sachlichen Rechtfertigung bedarf und die Kündigungen der Freistellungsverkehre gemäß § 134 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 GWB unwirksam sind, wenn es an einer solchen fehlt.
Allerdings will die Vorschrift des § 20 Abs. 1 GWB auch dem Normadressaten einen unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seiner Vertragsbeziehungen zur Marktgegenseite belassen und nur den Mißbrauch von Marktmacht verhindern (vgl. BGHZ 107, 273, 279 – Staatslotterie; BGH, Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 – Bahnhofsbuchhandel I; Urt. v. 27.4.1999 – KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, 359 – Feuerwehrgeräte ; Urt. v. 11.12.2001 – KZR 5/00, WuW/E DE-R 839, 841 – Privater Pflegedienst ). Der Senat hat hieraus für die ordentliche Kündigung eines Vertragshändlerverhältnisses abgeleitet, daß der Hersteller, der die Bewertung der Kündigung als unbillige Behinderung vermeiden will, nicht gehalten ist, nähere Gründe vorzubringen, die vom Gericht nachzuprüfen und zu bewerten wären. Die Ausübung einer vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigung – sofern sie durch eine angemessene Kündigungsfrist dem abhängigen Vertragspartner eine ausreichende Umstellungsfrist gewährt – ist in einem solchen Fall, wenn keine besonderen Umstände hinzutreten, kein Mißbrauch von Marktmacht. Sie bedarf daher außer dem Hinweis auf die wirksame vertragliche Vereinbarung grundsätzlich keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung. Dies gilt nicht nur für den Behinderungstatbestand, sondern gleichermaßen für die unterschiedliche Behandlung von Vertragspartnern (BGH, Urt. v. 21.2.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983, 2988 f. – Kfz-Vertragshändler).
Bei der Fallgruppe der Vertragshändlerverträge ergibt sich indessen die Normadressatenstellung regelmäßig aus der Abhängigkeit derjenigen Händler, die dem Kreis der Vertragshändler bereits angehören und ihren Geschäftsbetrieb hierauf eingerichtet haben (BGH, Urt. v. 23.2.1988 – KZR 20/86, WuW/E 2491, 2493 – Opel-Blitz). Der Hersteller ist demgemäß nicht nur nicht verpflichtet , mit einem oder gar mit jedem Bewerber in ein Vertragshändlerverhältnis einzutreten (BGH WuW/E 2983, 2989 – Kfz-Vertragshändler), sondern ist auch hinsichtlich der Auswahl der Händler regelmäßig keinen besonderen Bindungen unterworfen.
Unterliegt hingegen der Normadressat einem Kontrahierungszwang, z.B. einer Belieferungspflicht oder einer Bezugspflicht (BGHZ 129, 53, 60 f. – Importarzneimittel ; BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 30/95, WuW/E 3104, 3106 f. – Zuckerrübenanlieferungsrecht II), kann – wenn die Verhältnisse ansonsten vergleichbar sind – ein laufendes Vertragsverhältnis nicht ohne weiteres, sondern nur beim Vorliegen besonderer Gründe gekündigt werden. Denn der Kündigende wäre gegebenenfalls zum sofortigen erneuten Vertragsschluß verpflichtet (BGHZ 107, 273, 279 – Staatslotterie). Im Grundsatz nichts anderes gilt, wenn es dem Normadressaten – wie im Streitfall – bei der Begründung des Vertragsverhältnisses untersagt ist, gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln, und er daher die Auswahl unter den Anbietern nach fairen und objektiven Auswahlkriterien, gegebenenfalls im Wege der Ausschreibung, zu treffen hat (BGHZ 101, 72, 82 ff. – Krankentransporte; BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2687 – Zuckerrübenanlieferungsrecht I; Urt. v. 8.4.2003 – KZR 39/99 – Konkurrenzschutz für Schilderpräger, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch dann ist es dem Normadressaten verwehrt, das Vertragsverhältnis aus Gründen zu been-
den, aus denen er den Abschluß des Vertrages nicht hätte ablehnen dürfen, da andernfalls das bei der Vergabe geltende Gleichbehandlungsgebot unterlaufen würde. Demgemäß hat der Senat für die Kündigung von Verträgen über die Direktbelieferung mit Presseerzeugnissen auch bereits entschieden, daß zwar die Beendigung einer langjährigen Geschäftsbeziehung, wie sie hier zwischen den Parteien bestanden hat, aus kartellrechtlicher Sicht grundsätzlich keine besondere Rechtfertigung erfordert, die damit verbundene Änderung einer bislang geübten Geschäftspraktik eines Normadressaten des § 20 Abs. 1 GWB indessen unter dem Gesichtspunkt, daß mit ihr eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Unternehmen verbunden ist, der sachlichen Rechtfertigung bedarf (BGH WuW/E DE-R 134, 135 f. – Bahnhofsbuchhandel I; Urt. v. 10.11.1998 – KZR 6/97, WuW/E DE-R 220 f. – Bahnhofsbuchhandel II).
3. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich keine hinreichende sachliche Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es komme nicht darauf an, ob die Beklagte bei der Auswahl der zu kündigenden Freistellungsverkehre nach den dezidiert vorgetragenen Kriterien vorgegangen sei oder aber diese Gründe nur "nachgeschoben" seien. Selbst wenn die Beklagte den Klägern nur deshalb gekündigt haben sollte, weil diese an der Umsetzung des Nahverkehrsplans nicht mitwirken wollten, seien die Kündigungen gerechtfertigt. Die Kläger behinderten die Umsetzung des Nahverkehrsplans des Landkreises Emsland. Der Beklagten habe unter diesen Voraussetzungen daran gelegen sein müssen, in einem ersten Schritt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Nahverkehrsplans in dem Bereich zu schaffen, in dem einerseits Schwie-
rigkeiten bei der Umsetzung der Planung bestanden hätten, ohne den aber andererseits die Gesamtplanung nicht zu verwirklichen gewesen sei. Mit diesen Erwägungen kann eine Diskriminierung nicht verneint werden.

a) Ob eine Behinderung unbillig ist oder einer unterschiedlichen Behandlung die sachliche Rechtfertigung fehlt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes zu orientieren hat (BGHZ 38, 90, 102 – Treuhandbüro; BGHZ 52, 65, 71 – Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 – Staatslotterie; BGH, Beschl. v. 23.2.1988 – KVR 2/87, WuW/E 2479, 2482 – Reparaturbetrieb; BGH WuW/E DE-R 357, 359 – Feuerwehrgeräte). Dem werden die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend gerecht.

b) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe der Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung nicht zugutehalten dürfen, daß die Kläger an der Umsetzung des Nahverkehrsplans nicht mitwirken wollten , weil die Beklagte darauf weder die Kündigung gestützt noch sich im Rechtsstreit berufen habe. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils kam es zu den Kündigungen auch deshalb, weil zwischen den Parteien eine Einigung über die von der Beklagten und dem Landkreis angestrebte Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs nicht zu erzielen war. Danach hat sich das Berufungsgericht jedoch auf keinen Grund für die Beendigung der Verträge gestützt, den die Beklagte nicht vorgetragen hätte.

c) Die vom Berufungsgericht herangezogene Begründung reicht jedoch nicht aus, die ausschließlich gegenüber den Klägern ausgesprochene Kündigung der Freistellungsverkehre sachlich zu rechtfertigen.
aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, Ziel der Planung des Landkreises sei es, die Schüler- und Linienverkehre zusammenzufassen, um auf diese Weise Kapazitäten zu gewinnen, die für den Ausbau des Liniennetzes in der Fläche genutzt werden könnten und sollten. Dieses Ziel sei im Grundsatz nicht zu beanstanden und werde von den Klägern ausdrücklich akzeptiert. Die Planungshoheit liege beim Landkreis, nicht aber bei den Klägern oder anderen Busunternehmen; die Kläger seien als betroffene Unternehmen lediglich – wie geschehen – zu beteiligen. Liege die Planungshoheit aber beim Landkreis, komme es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt darauf an, ob das Alternativkonzept der Kläger zur Verbesserung der Busanbindung besser sei als der Plan des Landkreises. Selbst wenn die Rechtmäßigkeit der Planung in Teilen zweifelhaft sein sollte, seien deshalb die Kündigungen der Freistellungsverkehre nicht willkürlich. Die Beklagte könne, zumal eine Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich sei und die der Planung zugrundegelegte Rechtsauffassung zumindest vertretbar erscheine, davon ausgehen, daß die Planung den rechtlichen Vorgaben entspreche. Dies gelte um so mehr, als die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes für die hier interessierenden Freistellungsverkehre nicht anwendbar seien und keine Anhaltspunkte dafür bestünden , daß es rechtswidrig wäre, die Schüler im Linienverkehr zu befördern.
bb) Die Revision rügt mit Recht, daß sich aus diesen Ausführungen nicht ergibt, inwiefern die Kläger an der Umsetzung des Nahverkehrsplans des Landkreises nicht mitwirken wollen oder gar dessen Umsetzung behindern.

Soweit es um die zentrale Zielsetzung der Verlagerung des Schülertransports auf den Linienverkehr geht, um in diesem Bereich das Angebot zu verbessern, stellt das Berufungsgericht vielmehr ausdrücklich fest, daß dieses Ziel von den Klägern akzeptiert werde und daß es den Klägern "in weiten Teilen" nicht um die Rechtmäßigkeit der Planung als solcher gehe. Es ist daher ebenso zutreffend wie im vorliegenden Zusammenhang unbehelflich, daß die Planungshoheit beim Landkreis liegt und rechtliche Bedenken gegen die Beförderung von Schülern mit Linienverkehren nicht bestehen.
Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils sollen sich nach dem Nahverkehrsplan die Unternehmen, die im Bereich Emsland-Mitte und -Nord Linienkonzessionen besitzen, zu der Lokalbus Emsland GmbH als Betreibergesellschaft zusammenschließen. Die Kläger lehnen die Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft ab, was sie insbesondere damit begründet haben, daß die Beklagte und der Landkreis darauf bestünden, jeweils 25 % des Stammkapitals zuzüglich einer Stimme zu halten. Sie haben behauptet, die Freistellungsverkehre würden nur dann in den Linienverkehr überführt, wenn die Beklagte – gemeint möglicherweise auch: die Lokalbus Emsland GmbH – über die Linienkonzessionen verfüge. Das Berufungsgericht führt demgemäß aus, das Planungsziel – "Schüler auf die Linien" und Verbesserung des Linienangebots – sei zwischen den Parteien nicht streitig; sie stritten vielmehr darüber, ob die Beklagte Inhaberin von Linienkonzessionen sein könne, an wen die Bezirksregierung im Einzelfall neue Linien zu vergeben habe und ob es rechtmäßig sei, wenn die Beklagte Freistellungsverkehre nur auf solche Linien geben wolle, für die sie die Lizenz habe.
Das legt es nahe, daß sich – was das Berufungsurteil offenläßt – die fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Kläger auf diesen Teil des Nahverkehrsplans bzw. seiner tatsächlichen Umsetzung bezieht. In diesem Fall hätte das Berufungsgericht nicht dahinstehen lassen dürfen, ob die Beklagte ein rechtmäßiges Ziel mit rechtmäßigen Mitteln verfolgt. Das Oberlandesgericht meint hierzu in anderem Zusammenhang, die Kläger könnten nichts daraus herleiten, daß die Beklagte Freistellungsverkehre nur dann auf die Linien geben wolle, wenn sie über die Liniennetze verfüge; ob die Beklagte den Nahverkehrsplan letztlich in rechtmäßiger Weise umsetze, könne erst bei oder nach der Umsetzung beurteilt werden. Beträfe die vom Berufungsgericht gerügte "Verweigerungshaltung" der Kläger jedoch rechtswidrige Teile oder eine rechtswidrige Form der Umsetzung des Nahverkehrsplans, könnte dies die Kündigung der Freistellungsverkehre nicht sachlich rechtfertigen.

d) Die Revision wendet sich ferner mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zur Erfüllung der vom Landkreis beschlossenen Planung des öffentlichen Personennahverkehrs sei es sachgerecht gewesen, die Freistellungsverkehre mit den Klägern zu kündigen.
aa) Das Berufungsgericht meint, im Hinblick auf die ablehnende Haltung der Kläger gegenüber der konkreten Form der Neuordnung der betroffenen Verkehre habe der Beklagten daran gelegen sein müssen, in einem ersten Schritt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Nahverkehrsplans in dem Bereich zu schaffen, in dem einerseits Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Planung bestanden, ohne den aber andererseits die Gesamtplanung nicht zu verwirklichen war. Die Beklagte habe diese Verkehre nach diesem ersten Schritt auch für einen begrenzten Zeitraum neu ausschrei-
ben dürfen. Denn sie habe Zeit benötigt, die Umsetzung voranzutreiben. Eine sofortige, vollständige Umsetzung sei schon angesichts der Kundenirritationen bei der plötzlichen Änderung des öffentlichen Personennahverkehrs in Emsland -Süd nicht geboten gewesen. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen , die Freistellungsverkehre mit den Klägern weiterlaufen zu lassen, bis die neuen Linien bestandskräftig vergeben worden seien. Sie habe sich nicht auf den unsicheren Weg einer außerordentlichen Kündigung nach § 5 lit. d der fraglichen Verträge einlassen müssen. Denn angesichts der mangelnden Kooperation der Kläger habe sie damit rechnen müssen, daß solche Kündigungen nicht akzeptiert würden und die Kläger diese Kündigungen gerichtlich überprüfen lassen würden. Es sei mithin zu befürchten gewesen, daß ein Abwarten die Durchsetzung des Konzepts weiter verzögert hätte.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch nicht erkennbar , inwiefern die Kündigungen die Durchsetzung des Konzepts gefördert hätten. Nach § 5 Abs. 2 lit. d der bestehenden Verträge war eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn bei der Umsetzung des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Emsland eine Änderung notwendig wurde. Statt hiervon Gebrauch zu machen, konnte die Beklagte zwar auch ordentlich kündigen. Sie hat die gekündigten Freistellungsverkehre jedoch nicht "auf Linie gegeben" , sondern neu ausgeschrieben und erneut an die Kläger vergeben, wobei nach dem Vortrag der Kläger – gegenteilige Feststellungen sind nicht getroffen – das außerordentliche Kündigungsrecht entfallen ist. Die Beklagte verfügte damit im Hinblick auf eine künftige Umstellung der Schülertransporte über ein weniger flexibles vertragliches Instrumentarium als zuvor. Feststellungen dazu, daß die Laufzeiten der neuen Verträge auf voraussichtlich für die Umstellung der Verkehre günstige Zeitpunkte abgestellt gewesen wären, hat
das Berufungsgericht nicht getroffen. Mit Rechtsstreitigkeiten bei Auslaufen der neuen Verträge und anschließender Realisierung ihres Umstellungskonzepts mußte die Beklagte zudem in jedem Fall rechnen.
III. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, da das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zum Inhalt des Nahverkehrsplans und seiner Umsetzung durch den Landkreis und die Beklagte sowie zu den Maßnahmen, an denen die Kläger nicht mitwirken wollen, getroffen hat, die die Beurteilung erlaubten, ob sich die Kläger lediglich einem rechtswidrigen Verhalten verweigert haben. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht
nachzuholen und den festgestellten Sachverhalt sodann unter Berücksichtigung namentlich der Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes zu würdigen haben. Es wird dabei gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, daß ein Nahverkehrsplan nach § 8 Abs. 3 PBefG nicht zur Ungleichbehandlung von Unternehmen führen darf.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01 zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht


(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Wei

Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 8 Förderung der Verkehrsbedienung und Ausgleich der Verkehrsinteressen im öffentlichen Personennahverkehr


(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-,

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2001 - KZR 5/00

bei uns veröffentlicht am 11.12.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL KZR 5/00 Verkündet am: 11. Dezember 2001 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2003 - KZR 39/99

bei uns veröffentlicht am 08.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL KZR 39/99 Verkündet am: 8. April 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein Konkurrenzschut
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - KZR 32/01.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2007 - KVR 23/98

bei uns veröffentlicht am 19.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS KVR 23/98 vom 19. Juni 2007 in der Kartellverwaltungssache Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2007 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Prof.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2004 - KZR 40/02

bei uns veröffentlicht am 13.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL KZR 40/02 Verkündet am: 13. Juli 2004 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja S

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 15. Okt. 2015 - Z3-3/3194/1/36/05/15

bei uns veröffentlicht am 15.10.2015

Tenor 1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen notwendigen Auslagen.

Referenzen

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 5/00 Verkündet am:
11. Dezember 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Privater Pflegedienst

a) Die Zahlung unterschiedlicher Preise für die gleiche Leistung durch ein
marktbeherrschendes Unternehmen kann den Diskriminierungstatbestand
des § 20 Abs. 1 GWB erfüllen.

b) Bezieht ein marktbeherrschendes Unternehmen gleiche Leistungen zu unterschiedlichen
Preisen, obliegt es im Hinblick auf die Zielsetzung des § 20
Abs. 1 GWB grundsätzlich ihm, die Gründe darzulegen, die die unterschied-
liche Preisgestaltung rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung kann sich
allerdings bereits aus einem auf dem Markt vorhandenen Preisgefälle ergeben.
BGH, Urt. v. 11. Dezember 2001 - KZR 5/00 - OLG Celle
LG Hannover
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes
Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Prof. Dr. Goette, Ball und Prof. Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Januar 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin hat sich jedenfalls bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen im Bezirk R. mit der Erbringung von Pflegeleistungen befaßt , die sie im wesentlichen gegenüber in der sozialen Krankenversicherung versicherten Personen erbracht hat. Die Beklagte ist eine regionale Kasse der
gesetzlichen Krankenversicherung, zu deren Zuständigkeitsbereich unter anderem der Bezirk R. gehört.
Nachdem Pflegeleistungen zunächst aufgrund von Rahmenabkommen zwischen den Verbänden der gesetzlichen Krankenversicherungen und denen der Anbieter von entsprechenden Leistungen abgerechnet worden waren, sind die Krankenkassen nach Kündigung der Abkommen dazu übergegangen, die Leistungen aufgrund individueller Verträge mit den einzelnen Leistungserbringern abzurechnen. Dabei erhielten private Anbieter wie die Klägerin sowohl aufgrund der Rahmenabkommen als auch aufgrund der individuell ausgehandelten Absprachen für ihre Leistungen (Injektionen, Verbände, Katheterisierung etc.) geringere Vergütungen, als sie den im wesentlichen von den freien Wohlfahrtsverbänden getragenen Sozialstationen zugestanden wurden.
Im Bezirk R. gab es im Jahre 1996 vier Sozialstationen und acht private Pflegedienste, zu denen bis zum Jahr 2000 weitere sechs private Pflegedienste hinzugekommen sind. Etwa 70 bis 75 % der von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege betrafen bei der Beklagten versicherte Personen. Die Klägerin und die anderen Leistungserbringer wurden jeweils unmittelbar von den Pflegebedürftigen beauftragt; die Abrechnung ihrer Leistungen erfolgte zwischen ihnen und den Krankenkassen.
Die Klägerin hat in der unterschiedlichen Vergütung vergleichbarer Leistungen eine kartellrechtswidrige Diskriminierung gesehen und die Beklagte auf Schadensersatz und Unterlassung in Anspruch genommen. Ihre entsprechende Klage hat das Landgericht abgewiesen. In der Berufungsinstanz, die der Konkursverwalter weitergeführt hatte, nachdem über das Vermögen der
Klägerin das Konkursverfahren eröffnet worden war, sind zuletzt auf Feststellung einer sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung durch die Beklagte und deren Ersatzpflicht gerichtete Anträge gestellt worden. Auch mit diesen Anträgen hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Im Anschluß an die seine Berufung zurückweisende Entscheidung des Berufungsgerichts hat der Konkursverwalter die geltend gemachten Ansprüche freigegeben. Mit ihrer daraufhin eingelegten Revision verfolgt die Klägerin die im Berufungsrechtszug zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel mit der Begründung entgegen, daß für die Klage der Rechtsweg zu den Kartellgerichten nicht eröffnet sei.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Ohne Erfolg bestreitet die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Kartellgerichten. Zwar sind mit der Änderung des § 87 Abs. 1 GWB durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV - Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) auch kartellrechtliche Streitigkeiten aus dem Bereich der Sozialversicherung ausdrücklich den Sozialgerichten zugewiesen, soweit sie Rechtsstreitigkeiten aus den in § 69 SGB V genannten Rechtsgebieten betreffen. Diese Neurege-
lung erfaût indessen das vorliegende, vor ihrem Inkrafttreten durch Anrufung der Kartellgerichte eingeleitete Verfahren nicht.
Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht für die Frage der Rechtswegzuständigkeit auf die Rechtslage zu dem Zeitpunkt abgestellt, in dem die vorliegende Klage rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 GVG). Der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit ("perpetuatio fori") gilt auch in Fällen einer nachträglichen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen. Dies entspricht nicht nur ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ 103, 102, 103 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1978 - IV ZR 142/77, NJW 1978, 949; BGHZ 114, 218, 221 f. - Einzelkostenerstattung), sondern auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 17 GVG Rdn. 1; Musielak/Wittschier, ZPO, 2. Aufl., § 17 GVG Rdn. 4; Kissel, NJW 1991, 945, 948; Piekenbrock, NJW 2000, 3476). Durch den von den Parteien angeführten Senatsbeschluû vom 14. März 2000 (KZB 34/99, WuW/E DE-R 469 - Hörgeräteakustik) sollte dies nicht in Frage gestellt werden.
Danach war bei Erhebung der Klage am 3. November 1995 eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben. Die Zuweisung der Auseinandersetzungen über sozialversicherungsrechtliche Fragen zu den Sozialgerichten in § 51 Abs. 2 SGG berührte nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats eine Zuständigkeit für kartellrechtliche Auseinandersetzungen nicht; Verfahren mit einem solchen Gegenstand blieben vielmehr weiterhin den Kartellgerichten zugewiesen, soweit sie kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen betrafen (vgl. Sen.Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, WuW/E 2707, 2709 - Krankentransportunternehmen II; Sen.Urt. v. 25.6.1991 - KZR 19/90, WuW/E 2721, 2723 - Krankenpflege; Sen.Urt. v. 7.7.1992 - KZR 15/91, WuW/E 2813,
2815 - Selbstzahler). Soweit die Begründung zur Neufassung des § 87 GWB durch die Sechste GWB-Novelle in der Neufassung lediglich eine Klarstellung gesehen hat, gibt dies keinen Anlaû, die genannte Rechtsprechung des Senats aufzugeben. Diese Würdigung durch die Verfasser der Gesetzesnovelle findet im Wortlaut der bis dahin geltenden Vorschriften keine Grundlage.
II. In der Sache beanstandet die Revision zu Recht die Verneinung einer kartellrechtswidrigen Diskriminierung durch das Berufungsgericht.
1. Im rechtlichen Ausgangspunkt stellt das Berufungsgericht zutreffend fest, daû die Beklagte trotz ihrer Stellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Bindungen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegt. Angesichts ihrer Teilnahme durch Nachfrage von Pflegeleistungen und als Anbieter von Versicherungen unterfällt sie dem weiten Unternehmensbegriff dieses Gesetzes, der auch juristische Personen des öffentlichen Rechts einschlieût, soweit sie als Anbieter oder Nachfrager auf dem Markt eine selbständige Tätigkeit bei der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen ausüben (vgl. Sen.Beschl. v. 16.12.1976 - KVR 5/75, WuW/E 1474, 1477 - Architektenkammer; Sen.Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, aaO).
2. Nach den tatrichterlichen Feststellungen ist weiter davon auszugehen, daû die Beklagte auf dem hier in Rede stehenden relevanten räumlichen und sachlichen Markt, der örtlich im wesentlichen durch den von der Klägerin abgedeckten begrenzten Bezirk R. und sachlich durch die Nachfrage nach häuslichen Pflegedienstleistungen bestimmt wird, eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB n.F. einnimmt. Der hohe Anteil der bei der Be-
klagten versicherten Personen, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Klägerin und deren Wettbewerbern Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, macht deutlich, daû diese Nachfrage von den Anbietern solcher Leistungen nur in geringem Umfang substituiert werden kann. Wie ihre Wettbewerber ist auch die Klägerin weitgehend auf die von der Beklagten durch den Abschluû von Rahmenabkommen bestimmte Nachfrage durch deren Versicherungsnehmer angewiesen. Auch die Beklagte ist davon ausgegangen, daû ihr eine marktbeherrschende Stellung auf dem hier in Frage stehenden Markt zukommt.
3. Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht weiter angenommen, daû die Beklagte die Klägerin in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, gegenüber anderen unterschiedlich behandelt hat. Wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, wird die Nachfrage nach Pflegeleistungen im Bezirk R. gleichermaûen von der Klägerin und von deren privaten Wettbewerbern sowie den Sozialstationen befriedigt. Sämtlichen dieser Unternehmen ist der Zugang zu diesem Markt und dem darauf stattfindenden geschäftlichen Verkehr ohne Unterschied eröffnet. Bei der Befriedigung des Bedarfs nach Pflegeleistungen erhielt die Klägerin nach ihrer Darstellung, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist und die daher im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden muû, für inhaltlich gleichartige Pflegeleistungen eine geringere Vergütung, als sie von der Beklagten den Sozialstationen zugestanden worden ist. Darin liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und letztlich auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des Diskriminierungstatbestandes des § 20 Abs. 1 GWB n.F.
4. Von den tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen wird jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die unterschiedliche Behandlung sei sachlich gerechtfertigt, so daû ein Verstoû gegen das Diskriminierungsverbot ausscheide.

a) Bei dieser Bewertung ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, daû sich der Verstoû gegen das Diskriminierungsverbot nicht, wie die Revision meint, schon daraus ergibt, daû die Beklagte überhaupt die gleiche Leistung unterschiedlich vergütet. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist nach § 20 Abs. 1 GWB n.F. nicht schlechthin gehalten, allen Anbietern von ihm benötigter Leistungen ausnahmslos die Vergütung zu zahlen , die es dem Anbieter mit dem höchsten Angebotspreis zugestehen muû.
Mit dem Diskriminierungsverbot des § 20 GWB n.F. soll ein Miûbrauch der wirtschaftlichen Macht marktbeherrschender Unternehmen bereits im Frühstadium unterbunden werden. Sein Zweck ist Schutz und Erhalt eines funktionierenden Wettbewerbs unter Ausgleich der unterschiedlichen wirtschaftlichen Stärke der am Markt beteiligten Unternehmen. Mit diesem Zweck ist eine allgemeine Verpflichtung zu einer Gleichbehandlung aller Vertragspartner in dem Sinne, daû ein marktbeherrschendes Unternehmen bei der Deckung seines Bedarfs stets den höchsten am Markt verlangten Preis zu zahlen hat, nicht zu vereinbaren. Die Begründung einer solchen allgemeinen Verpflichtung hätte nicht eine Stärkung des Wettbewerbs, sondern seine weitgehende Beseitigung auf dem davon betroffenen Markt zur Folge. Das gilt um so mehr, als sie angesichts der herausragenden Stellung des marktbeherrschenden Unternehmens die dringende Gefahr mit sich bringt, daû die von diesem gezahlten Preise das Geschehen und die Preisgestaltung auf dem betroffenen Markt bestimmen und
auf diese Weise, weil von ihm die Höchstpreise zu bewilligen sind, zu einer ständigen Erhöhung der Marktpreise führen. Grundsätzlich wird daher auch dem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen zugestanden werden müssen, ein auf dem einschlägigen Markt vorhandenes Preisgefälle auszunutzen , seinen Bedarf bei dem jeweils preisgünstigsten Anbieter zu decken und auf höherpreisige Angebote allenfalls in dem Umfang zurückzugreifen, in dem günstigere zur Befriedigung seines Bedarfes nicht ausreichen.

b) Auch vor diesem Hintergrund bleibt ein marktbeherrschendes Unternehmen jedoch den Bindungen des § 20 Abs. 1 GWB n.F. unterworfen, die es ihm auch bei der Befriedigung seines Bedarfs verwehren, die Verhältnisse auf dem Anbietermarkt durch Miûbrauch seiner Marktmacht und insbesondere mit Hilfe dieser Stellung die Preise zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Bezieht der Marktbeherrscher für sich oder - wie hier - für andere Vertragspartner gleiche Leistungen zu unterschiedlichen Preisen, so obliegt es allerdings im Hinblick auf die Zielsetzung des § 20 Abs. 1 GWB n.F. ihm, die Gründe darzulegen, die die unterschiedliche Preisgestaltung rechtfertigen. Dabei kann im Einzelfall der Hinweis auf ein Preisgefälle genügen, wenn sich das marktbeherrschende Unternehmen dieses lediglich zunutze macht und nicht zu erkennen ist, daû es die Preisverhältnisse zuvor oder bei der Befriedigung seiner Nachfrage unter Miûbrauch seiner besonderen Marktstellung beeinfluût hat. Sind die unterschiedlichen Preise jedoch - wie hier - das Ergebnis von Verhandlungen der Beteiligten, so muû ein marktbeherrschendes Unternehmen in besonderem Maûe dafür Sorge tragen, daû die unterschiedliche Preisbemessung für gle iche Leistungen durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt ist und sich nicht allein als Folge der unterschiedlichen Abhängigkeit und eigenen Marktstellung der jeweiligen Vertragspartner im Verhältnis zu ihm ergibt. Bei einem solchen
direkten Aushandeln spricht schon nach der Lebenserfahrung alles dafür, daû sich das Maû der Abhängigkeit auch auf die Bereitschaft seines Vertragspartners auswirkt, auf Preisvorstellungen des Marktbeherrschers einzugehen. Auch im Hinblick auf das grundsätzlich anzuerkennende Interesse auch des marktbeherrschenden Unternehmens, Leistungen und Waren nur zu marktgerechten Bedingungen zu beziehen, sind danach an die Darlegung der Gründe, die in einem solchen Fall eine unterschiedliche Preisgestaltung für identische Leistungen verschiedener Anbieter rechtfertigen sollen, hohe Anforderungen zu stellen. Dem genügen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht.
Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Kassen der Sozialversicherung, die freien Wohlfahrtsverbände bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen, läût sich eine Berechtigung zur Zahlung unterschiedlicher Preise bei gleichem Angebot nicht entnehmen. Die Zahlung höherer als am Markt üblicher Preise wäre eine Subventionierung der Wohlfahrtsverbände durch die Krankenkassen, die mit ihren gesetzlich bestimmten Aufgaben nicht in Einklang zu bringen wäre. Nach den §§ 2, 12, 13 SGB V sollen die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung ihren Mitgliedern den notwendigen finanziellen Schutz im Krankheitsfall gewährleisten. Bei der Verwendung der zur Finanzierung dieses Aufwandes eingezogenen Beiträge sind die Kassen gesetzlich verpflichtet, ihre Leistungen auf das Notwendige und Angemessene zu beschränken. Schon das läût für eine Subventionierung von Anbietern durch sie keinen Raum. Diese stünde zudem im Widerspruch dazu, daû die Ausgaben der Kassen durch Pflichtbeiträge der Versicherten finanziert werden, die von diesen nach der Vorstellung des Gesetzes nur zur Finanzierung des notwendigen Aufwandes der Kassen eingezogen werden. Entsprachen die den Sozialstationen gezahlten Vergütun-
gen hingegen dem Marktniveau, vermag die Verpflichtung zur Förderung der Wohlfahrtsverbände eine Zahlung an andere Anbieter unterhalb dieses Niveaus nicht zu rechtfertigen.
Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daû eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung allein durch die Sozialstationen gewährleistet werde und diese zu einer höheren Kostenbelastung führe, wird von seinen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Die Klägerin hat der entsprechenden Darstellung der Beklagten in den Instanzen ausdrücklich widersprochen, wie die Revision mit Recht geltend macht. Das Berufungsgericht ist hierauf nicht eingegangen; dem angefochtenen Urteil sind auch die Gründe, auf denen die von ihm zugrunde gelegte Feststellung einer höheren Kostenbelastung beruht, nicht zu entnehmen.
Eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Preise läût sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht daraus herleiten, daû - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - die den privaten Anbietern gezahlte Vergütung ein wirtschaftlich erfolgreiches Arbeiten ermögliche. Daû die Höhe der Vergütung hierfür genüge, hat das Berufungsgericht in erster Linie aus den ihm vorliegenden Bilanzen einiger solcher Anbieter hergeleitet. Demgegenüber hatte die Klägerin geltend gemacht, daû bei ihrer Bilanz einzelne Positionen, wie ein regelmäûiges, angemessenes Geschäftsführergehalt, fehlten, weil die dafür erforderlichen Mittel nicht gezahlt worden seien und eine entsprechende Ausgabe daher in die Bilanz nicht habe eingestellt werden können. Sie hat ferner , wie die Revision mit Recht geltend macht, darauf hingewiesen, daû diesen Arbeitskräften, soweit sie mit fest angestelltem Personal arbeitet, ein kalkulatorisches Gehalt von 72 DM bezahlt werden muû, während von der Beklagten
nur ein Stundensatz von 42 DM vergütet wird. Das Berufungsgericht ist dem nicht nachgegangen, so daû diese Darstellung der Klägerin im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist. Damit fehlt der Feststellung des Berufungsgerichts auch insoweit eine hinreichend tragfähige Grundlage. Unbeschadet dessen kann der Umstand, daû der bewilligte Preis für den konkreten Anbieter kostendeckend ist, allein auch generell eine unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Anbietern, die identische Leistungen erbringen, im Hinblick auf § 20 Abs. 1 GWB n.F. nicht rechtfertigen. Es ist nicht Sache des marktbeherrschenden Unternehmens, die Gewinnmargen seines Vertragspartners festzulegen. Ein solcher Eingriff in die Stellung des anderen Teils ist mit den Grundsätzen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu vereinbaren. Demgemäû vermag der Gedanke, daû dem anderen Teil eine hinreichende Spanne zur Verfügung gestanden habe, als solcher die Bewilligung unterschiedlicher Vergütungen für eine identische Leistung nicht zu rechtfertigen.
Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts , den Sozialstationen müsse eine gewisse Übergangszeit eingeräumt werden, um ihre Kostenstruktur den neuen Marktverhältnissen anzupassen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daû es sich bei dieser Überlegung um einen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt handelt, für den im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 GWB n.F. grundsätzlich kein Raum ist. Ob der vom Berufungsgericht angeführte Umstand dann zu einer anderen Bewertung führen kann, wenn die Beklagte zum einen für die Versorgung der bei ihr versicherten Personen auf die Unterstützung durch die Sozialstationen angewiesen ist und diese zum anderen in der vom Berufungsgericht angenommenen Übergangszeit ohne eine Vergütung nicht zu erhalten sind, die über die sonst bewilligten üblichen Preise hinausgeht, kann dahinstehen. Weder läût der festge-
stellte Sachverhalt die Annahme zu, daû die Sozialstationen die gezahlten Vergütungen allein aus einem solchen Grund benötigen, noch rechtfertigt er die Feststellung, daû die Beklagte in diesem Sinne auf die Unterstützung durch die Sozialstationen angewiesen ist.
Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des beiderseitigen Vorbringens zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Preise an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, der von ihm - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - offengelassenen , vorrangigen Frage nachzugehen, ob die Sozialstationen und die privaten Pflegeanbieter derart übereinstimmende Leistungen erbringen, daû eine unterschiedliche Preisgestaltung für diese Leistungen an § 20 Abs. 1 GWB n.F. gemessen werden muû. Dabei wird es zu beachten haben, daû diese Vergleichbarkeit allein aus der Sicht der Beklagten und der bei ihr versicherten Personen zu bestimmen ist. Sie wird danach insbesondere anzunehmen sein, wenn die Pflegeleistungen der verschiedenen Anbieter nach Art, Inhalt und Verfügbarkeit ohne weiteres austauschbar sind. Gegen eine Vergleichbarkeit könnten dagegen Bedenken bestehen, wenn die Beklagte und die bei ihr versicherten Personen nicht ohne weiteres auf Leistungen der jeweils anderen Anbietergruppe ausweichen können. Das Maû dieser Vergleichbarkeit bestimmt zugleich die Anforderungen, die an eine Rechtfertigung unterschiedlicher Preise
zu stellen sind. Für verschiedenartige Leistungen muû die Beklagte auch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 GWB n.F. keine einheitliche Vergütung zahlen; unterschiedliche Preise benötigen demgegenüber eher eine Rechtfertigung, je stärker die zu vergleichenden Leistungen ausgetauscht werden können.
Hirsch Melullis Goette
Ball Bornkamm

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 39/99 Verkündet am:
8. April 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Konkurrenzschutz für Schilderpräger
Ein marktbeherrschender Vermieter darf, ohne gegen das Verbot unbilliger Behinderung
nach § 20 Abs. 1 GWB zu verstoßen, in begrenzter Zahl zur Verfügung
stehende Gewerbeflächen nur in einer Weise vermieten, die den Marktzutritt
für aktuelle und potentielle Wettbewerber des Mieters nicht für einen längeren
Zeitraum als fünf Jahre blockiert. Das setzt regelmäßig eine Feststellung
des Bedarfs durch Ausschreibung bei der erstmaligen Vermietung sowie die
Wiederholung dieses Vorgehens in entsprechenden zeitlichen Abständen vor-
aus.
BGH, Urt. v. 8. April 2003 - KZR 39/99 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken in K., auf denen sie das F. -Center errichtet hat, welches eine Vielzahl von gewerblich genutzten Räumen für Verkaufsstätten und Dienstleistungsunternehmen enthält. An die Kläger vermietete die Beklagte im Dezember 1997 im ersten Obergeschoß des Centers gelegene Gewerberäume, die nach dem Vertrag nur "als Verkaufs- und
Herstellungsstätte von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie zur Betreibung einer Versicherungsmehrfachagentur" verwendet werden durften; eine Änderung des Nutzungszwecks bedurfte der schriftlichen Zustimmung der Beklagten. Die Mietzeit betrug zehn Jahre mit einer zweimaligen Verlängerungsoption für die Mieter von je weiteren zehn Jahren.
In dem Standard-Mietvertrag, dessen § 1 Abs. 6 allerdings das Ergebnis längerer Verhandlungen ist, heißt es in § 1 Abs. 6 und 7: "(6) Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß der Mieter für die Dauer des Mietverhältnisses Konkurrenzschutz, bezogen auf Herstellung und Verkauf von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie für eine Versicherungsmehrfachagentur, für sich in Anspruch nehmen kann. (7) Dem Mieter ist bekannt, daß durch die Vielzahl der im Gebäudekomplex vertretenen Verkaufsgeschäfte unter Umständen eine Mehrfachbesetzung einer Branche, evtl. auch unmitttelbar benachbart erfolgen kann. Der Mieter verzichtet ferner auf jegliche Schadensersatzforderungen aus dem Grunde, daß ein anderer Mieter innerhalb eines gleichen oder innerhalb eines anders gelagerten Sortiments die gleichen Artikel führt. Sofern sich nach Abschluß des Mietvertrages Änderungen in der Zusammensetzung der Mieter bzw. Branchen ergeben, erwachsen hieraus dem Mieter keine Schadensersatzforderungen an den Vermieter." Mitte Februar 1998 nahmen in dem F. -Center, in ebenfalls angemie- teten, unmittelbar an das Geschäft der Kläger angrenzenden Räumen die Führerschein - und die Kfz-Zulassungsstelle von K. ihre Tätigkeit auf. Gleichzeitig eröffnete die Streithelferin der Beklagten, die inzwischen nach Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes aufgelöste W. M. gesellschaft mbH, im Erdgeschoß des F. -Centers ein Ladenlokal, in dem sie von ihr hergestellte Kfz-Schilder und außerdem Malerbedarf verkaufte. Noch vor Abschluß eines Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Streithelferin erwirkten die Kläger eine nach Widerspruch durch Urteil bestätigte einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten aufgegeben wurde, der Streithelferin zu untersagen, in den von dieser benutzten Räumen Kfz-Kennzeichen
herzustellen und zu vertreiben. Das Landgericht Potsdam hat den Klägern die Erhebung der Hauptsacheklage aufgegeben. Sie ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, in dem die Kläger - gestützt auf § 1 Abs. 6 ihres mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrages - der Beklagten sinngemäß verbieten lassen wollen, Räume im F. -Center an die Streithelferin oder Dritte zur Herstellung oder/und zum Vertrieb von Kfz-Kennzeichen zu überlassen oder die entsprechende Nutzung weiterhin zu gestatten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat zugunsten der Kläger erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Urteils.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei zwar ein mietrechtlicher Konkurrenzschutz nicht vereinbart worden, weil die Regelungen in § 1 Abs. 6 und Abs. 7 des Mietvertrages zueinander in einem unlösbaren Widerspruch stünden; die Kläger könnten jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung von der Beklagten verlangen, daß sie sie vor Wettbewerb im F. -Center schütze ("vertragsimmanenter Konkurrenzschutz"). Kartellrechtliche Gründe stünden dem schon deswegen nicht entgegen, weil die Beklagte - anders als in den vom Senat bisher entschiedenen Fällen - den Bedarf
an zu prägenden Schildern nicht selbst geweckt habe, sondern nur als Vermieterin der Gewerberäume für den Landkreis und für die Kläger in Erscheinung getreten sei. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
2. Mit der Regelung in § 1 Abs. 6 des Mietvertrages hat die Beklagte die Verpflichtung übernommen, die Kläger davor zu bewahren, daß ihnen ein anderer Mieter oder Nutzer von Räumen im F. -Center Konkurrenz bei der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern macht. § 1 Abs. 7 des Vertrages steht diesem Verständnis der vertraglichen Abreden nicht entgegen. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts beruht auf Rechtsirrtum. Denn sie setzt sich darüber hinweg, daß es für den "unlösbaren Widerspruch" eine naheliegende Erklärung gibt. Schon nach seinem Wortlaut regelt § 1 Abs. 7 nur den Ausschluß von Schadenersatzforderungen, behandelt aber nicht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Vor allem aber übergeht das Berufungsgericht den unstreitigen Umstand, daß die Regelung des § 1 Abs. 7 Teil des Standard-Mietvertrages mit allen Mietern des F. -Centers ist, während die Konkurrenzschutzvereinbarung in § 1 Abs. 6 individuell aufgrund längerer Verhandlungen getroffen worden ist. Dies schließt es aus, beide Vertragsbestimmungen als gleichrangig anzusehen, was die Voraussetzung für den von dem Berufungsgericht angenommenen "unlösbaren Widerspruch" wäre. Vielmehr kann der Vertrag nur dahin verstanden werden, daß § 1 Abs. 6 des Mietvertrages Vorrang genießt und die Beklagte als Vermieterin hierin die - nach dem Standardmietvertrag, der die Art der Nutzung für jedes Objekt bindend festschreibt, ohne weiteres durchsetzbare - Verpflichtung gegenüber den Klägern übernommen hat, ihnen als einzigem Unternehmen die Herstellung und den Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern in den Räumen des F. -Centers zu erlauben.
3. Mit dieser Auslegung, die im Ergebnis dem von dem Berufungsgericht bejahten "vertragsimmanenten Konkurrenzschutz" nahekommt, begegnen die mietvertraglichen Abreden jedoch durchgreifenden kartellrechtlichen Bedenken. Der Vertrag verstößt insoweit gegen § 20 Abs. 1 GWB.
Das Berufungsgericht mißversteht die bisherige Rechtsprechung des Senats zu den sog. "Schilderprägerfällen" (vgl. Urt. v. 14.7.1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201 ff. - Schilderpräger im Landratsamt; v. 28.9.1999 - KZR 18/98, WuW/E DE-R 395 ff. - Beteiligungsverbot für Schilderpräger I; v. 3.7.2001 - KZR 11/00, juris KORE742842001 - Beteiligungsverbot für Schilderpräger II; v. 24.9.2002 - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003 - Kommunaler Schilderprägebetrieb ), wenn es annimmt, Normadressat des aus § 20 Abs. 1 GWB folgenden Verbots sei allein die Stelle der öffentlichen Verwaltung, welche den Bedarf an der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern hervorgerufen habe. Vielmehr richtet sich das Verbot, andere Schilderprägerunternehmen i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB unbillig zu behindern, gerade an die Beklagte als dasjenige Unternehmen, das die alleinige Verfügungsgewalt über die Überlassung von Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem hier in Rede stehenden relevanten Markt besitzt.
Der Markt, auf den hier abzustellen ist, umfaßt das Angebot von Gewerbeflächen , die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, der den bei den Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an amtlichen Kfz-Schildern decken möchte. Wegen der Lage der Zulassungsstelle im Gebäude des F. -Centers, sind alle in demselben Komplex liegenden, erst recht aber die unmittelbar an die genannte Dienststelle angrenzenden Gewerbeflächen den Standorten für Schilderpräger vorzuziehen, die außerhalb des F. -Centers liegen und nur nach Zurücklegen einer größeren Strecke zu erreichen sind. Der Standortvorteil des Schilderprägers im Gebäude
schlägt auf den vorgelagerten Vermietermarkt durch und verschafft der Beklagten damit eine überragende Marktstellung. Mit der Vermietung der Räume an die Kläger zu dem festgelegten Zweck der Herstellung und des Verkaufs von amtlichen Kfz-Kennzeichen hat die Beklagte einen Geschäftsverkehr eröffnet, der Schilderprägern üblicherweise zugänglich ist.
Nach der genannten Senatsrechtsprechung liegt ein Verstoß gegen das Verbot unbilliger Behinderung vor, wenn bei der Vermietung von für Schilderpräger geeigneten, nur in begrenzter Zahl bereitstehenden Räumen die Auswahl unter den in Frage kommenden Interessenten nicht unter angemessenen und fairen Bedingungen vorgenommen wird. Der marktbeherrschende Vermieter ist nicht nur verpflichtet, den aktuellen Bedarf auf dem Wege der Ausschreibung zu ermitteln, er darf, wenn er entsprechende Gewerbeflächen vermietet, den Marktzutritt für aktuelle und potentielle Wettbewerber des Mieters nicht für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre blockieren, sondern muß die Räumlichkeiten in entsprechenden Abständen neu ausschreiben. Dem wird der hier zu beurteilende Vertrag schon deswegen nicht gerecht, weil er ohne Ausschreibung geschlossen worden ist und den Klägern ein exklusives Recht des Schilderverkaufs im F. -Center mit einer Erstlaufzeit von zehn Jahren eingeräumt hat. Obendrein ist den Mietern die einseitig von ihnen auszuübende Option einer zweimaligen Verlängerung des Vertrages eröffnet worden, so daß alle
Wettbewerber der Kläger, falls diese das Optionsrecht ausüben, von der Anmietung der genannten Gebäudeflächen für die Dauer von dreißig Jahren ausgeschlossen und darauf verwiesen sind, ihre Leistung an anderen, weniger günstigen Standorten anzubieten.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.

(2) Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet.

(3) Für die Sicherstellung einer ausreichenden den Grundsätzen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind die von den Ländern benannten Behörden (Aufgabenträger) zuständig. Der Aufgabenträger definiert dazu die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in der Regel in einem Nahverkehrsplan. Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Die in Satz 3 genannte Frist gilt nicht, sofern in dem Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. Im Nahverkehrsplan werden Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen getroffen. Bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans sind die vorhandenen Unternehmer frühzeitig zu beteiligen; soweit vorhanden sind Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände anzuhören. Ihre Interessen sind angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen. Der Nahverkehrsplan bildet den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Länder können weitere Einzelheiten über die Aufstellung und den Inhalt der Nahverkehrspläne regeln.

(3a) Die Genehmigungsbehörde wirkt im Rahmen ihrer Befugnisse nach diesem Gesetz und unter Beachtung des Interesses an einer wirtschaftlichen, den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit sowie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse berücksichtigenden Verkehrsgestaltung an der Erfüllung der dem Aufgabenträger nach Absatz 3 Satz 1 obliegenden Aufgabe mit. Sie hat hierbei einen Nahverkehrsplan zu berücksichtigen, der unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 6 zustande gekommen ist und vorhandene Verkehrsstrukturen beachtet.

(3b) Für Vereinbarungen von Verkehrsunternehmen und für Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen gilt § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht, soweit sie dem Ziel dienen, für eine Integration der Nahverkehrsbedienung, insbesondere für Verkehrskooperationen, für die Abstimmung oder den Verbund der Beförderungsentgelte und für die Abstimmung der Fahrpläne, zu sorgen. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Anmeldung bei der Genehmigungsbehörde. Für Vereinigungen von Unternehmen, die Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen im Sinne von Satz 1 treffen, gilt § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entsprechend. Verfügungen der Kartellbehörde, die solche Vereinbarungen, Beschlüsse oder Empfehlungen betreffen, ergehen im Benehmen mit der zuständigen Genehmigungsbehörde.

(4) Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind eigenwirtschaftlich zu erbringen. Eigenwirtschaftlich sind Verkehrsleistungen, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Ausgleichsleistungen auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften nach Artikel 3 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) und sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne, soweit diese keine Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 darstellen und keine ausschließlichen Rechte gewährt werden. Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs nach § 45a sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausgenommen.