Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juli 2010 - IX ZR 227/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Am 27. August 2004 beauftragte die Beklagte die Rechtsanwaltskanzlei Z. GbR (fortan: Sozietät) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der seinerzeit bei der Sozietät angestellte Rechtsanwalt G. erhob namens und im Auftrag der Beklagten Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 30. Januar 2007 wurde der Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G. beigeordnet. Am 1. Oktober 2007 endete das Arbeitsverhältnis des Rechtsanwalts G. . Die Beklagte wünschte weiterhin von Rechtsanwalt G. vertreten zu werden und kündigte das Mandat der Sozietät.
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- Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger als Rechtsnachfolger der Sozietät Zahlung von Anwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1.029,23 € nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 785,28 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger weiterhin die Zurückweisung der Berufung der Beklagten erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe die Sozietät als die Rechtsvorgängerin des Klägers mandatiert. Nach Treu und Glauben stehe dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Vergütung zu. Die Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, nach welcher der beigeordnete Anwalt gegen seine Partei Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen dürfe, gelte zwar nur für den beigeordneten Rechtsanwalt. Die Sozietät sei nicht beigeordnet worden. Der für sie handelnde Rechtsanwalt G. habe jedoch pflichtwidrig versäumt, für einen Gleichlauf von Mandat und Beiordnung Sorge zu tragen. Aus dem Fehler des Rechtsanwalts G. , den der Kläger sich zurechnen lassen müsse, dürfe der Sozietät und dem Kläger als deren Rechtsnachfolger kein Vorteil entstehen.
II.
- 5
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
- 6
- 1. Der Kläger hat aus dem Anwaltsvertrag, welchen der seinerzeit für seine Rechtsvorgängerin handelnde Rechtsanwalt G. mit der Beklagten geschlossen hat, Anspruch auf Vergütung entsprechend den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Rechtsanwalt G. hat den Anwaltsvertrag nicht in eigenem Namen geschlossen, sondern namens und im Auftrag der Sozietät. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. änderte daran nichts. Die öffentlich-rechtliche Beiordnung lässt den zivilrechtlichen Mandatsvertrag unberührt, hat also auf den schon bestehenden Anwaltsvertrag - wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird, was hier nicht der Fall war - keinen Einfluss (vgl. BGH, Urt. v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495; v. 17. September 2008 - IV ZR 343/07, ZIP 2009, 147, 148 Rn. 6).
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- 2. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist der Kläger jedoch gehindert, den Anspruch gegen die Beklagte durchzusetzen.
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- a) Der Beklagten steht wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) gegen den Kläger ein Anspruch auf Befreiung von dessen Vergütungsanspruch zu.
- 9
- (1) Der für die Sozietät handelnde Rechtsanwalt G. war verpflichtet, der Beklagten vor Übernahme des Mandats die gebührenrechtlichen Folgen einer Beauftragung der Sozietät einerseits, nur desjenigen Mitglieds der (oder Angestellten) der Sozietät, das schließlich im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden würde, andererseits zu erläutern. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt stand bereits im Zeitpunkt der Auftragserteilung fest, dass Prozesskostenhilfe beantragt und das Mandat entsprechend abgerechnet werden sollte. Gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen seine Partei nicht geltend machen. Bei der Beauftragung der Sozietät - nicht nur des Rechtsanwalts G. - stellte sich jedoch das Problem, dass es bis zur Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2008 (aaO S. 147) gängiger Praxis der Gerichte entsprach, keine Anwaltssozietäten, sondern nur einzelne Anwälte beizuordnen (vgl. Ganter AnwBl. 2007, 847 mit Nachweisen in Fn. 8, Schultz, Festschrift für Günter Hirsch S. 525, 533 f mit Nachweisen in Fn. 43). Der Gebührenanspruch der nicht beigeordneten Sozietät unterfiel nicht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Der für die Sozietät handelnde Rechtsanwalt G. hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie trotz der Bewilligung von Prozesskostenhilfe weitergehenden Gebührensansprüchen der Sozietät ausgesetzt sein konnte.
- 10
- Nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGHZ 123, 311, 314 ff; vgl. Ganter aaO S. 848) hätte die Beklagte dann, wenn sie auf diesen Umstand hingewiesen worden wäre, nur Rechtsanwalt G. als denjenigen Rechtsanwalt beauftragt, dessen Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe bei Gericht beantragt werden sollte. Ein Anspruch der Sozietät gegen sie persönlich wäre nicht entstanden. Ob Rechtsanwalt G. im Verhältnis zur Sozietät , seiner damaligen Arbeitgeberin, arbeitsvertraglich befugt war, Verträge im eigenen Namen abzuschließen, ist für die Entscheidung unerheblich. Der Arbeitsvertrag eines Rechtsanwalts kann diesen nicht wirksam zu einem Verhalten verpflichten, das den Interessen der Mandanten zuwiderläuft (vgl. Ganter aaO S. 848).
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- (2) Der Kläger zieht dies im Grundsatz nicht in Zweifel. Er meint jedoch, der Anspruch der Beklagten auf Befreiung von dem streitgegenständlichen Honoraranspruch richte sich ausschließlich gegen Rechtsanwalt G. als denjenigen Rechtsanwalt, der die Beklagte beraten habe und schließlich allein beigeordnet worden sei. Diese Ansicht trifft nicht zu. Die Pflicht, die Beklagte auf die für sie nachteiligen Folgen eines Vertragsschlusses mit der Sozietät hinzuweisen und auf eine Beauftragung nur desjenigen Anwalts hinzuwirken, der schließlich beigeordnet werden würde, traf die Sozietät als die Vertragspartnerin der Beklagten. Das Verschulden ihres Angestellten, welcher das Mandat im Einverständnis der Beklagten für sie bearbeitete, ist ihr gemäß § 278 BGB zuzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 23. September 2004, aaO). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2008 (aaO).
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- (3) Rechtsfolge der vorvertraglichen Pflichtverletzung ist die Verpflichtung zum Schadensersatz. Der Kläger als Rechtsnachfolger der Sozietät ist verpflichtet, denjenigen Zustand wieder herzustellen, der bestünde, wenn kein Vertrag zwischen der Sozietät und der Beklagten geschlossen worden wäre (§ 249 Abs. 1 BGB).
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- Der b) Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet die Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner herauszugeben hätte (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Gleiches gilt, wenn der Schuldner vom Gläubiger Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen kann (§ 257 BGB). Zahlt der Befreiungsgläubiger die Schuld, von der er freizustellen ist, erwirbt er einen Erstattungsanspruch gegen den Befreiungsschuldner; sind Hauptgläubiger und Befreiungsschuldner iden- tisch, heißt das, dass der Hauptgläubiger den erlangten Betrag ohne weiteres wieder an den Schuldner zurückzuzahlen hätte.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Barmbek, Entscheidung vom 24.04.2009 - 811A C 494/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.11.2009 - 309 S 69/09 -
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
- 1.
die Bundes- oder Landeskasse - a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, - b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, - 2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, - 3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.
(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
- 1.
die Bundes- oder Landeskasse - a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, - b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, - 2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, - 3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.
(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.