Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 408/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 18. Juni 2014 mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 1 der Urteilsgründe; Tatzeit 1. Dezember 2013), besonders schweren Raubes (Fall II. 2; Tatzeit 9. Dezember 2013), Diebstahls mit Waffen (Fall II. 3; Tatzeit 13. Dezember 2013), vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 4; Tatzeit 13. Dezember 2013) sowie „unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes (Schlagring)“ (Fall II. 5; Tatzeit 25. Mai 2013) unter Einbeziehung der Strafe aus dem „Urteil“ (richtig: Strafbefehl) des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es verschiedene Gegenstände eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , die ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift über die ausdrücklich erklärte Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hinaus wirksam auf den Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist, hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann nicht bestehen bleiben.
3
a) Der Angeklagte ist im Strafbefehlswege u.a. wie folgt vorgeahndet:
4
Am 15. November 2013 belegte ihn das Amtsgericht Kaiserslautern wegen am 27. August 2013 festgestellten unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln mit einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 €. Diese (in das angefochtene Urteil einbezogene) Geldstrafe war im Zeitpunkt der Urteilsverkündung teilweise im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.
5
Am 18. Dezember 2013 ahndete das Amtsgericht Kaiserslautern einen am 4. Dezember 2013 (UA 4, 37; bei dem ebenfalls auf UA 4 genannten Datum „04.01.2013“ handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen) began- genen Diebstahl geringwertiger Sachen mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 €. Diese Geldstrafe wurde vor der Verkündung des angefochtenen Urteils durch Ersatzfreiheitsstrafe vollständig vollstreckt.
6
Schließlich verurteilte das Amtsgericht Saarbrücken den Angeklagten am 17. Februar 2014 wegen eines am 5. Dezember 2013 begangenen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 €. „Über den Vollstreckungs- stand dieser Strafe ist der Kammer nichts bekannt“.
7
b) Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB war das Landgericht wegen der Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 gehindert, unter Einbeziehung der dort verhängten Geldstrafe „für alle … Taten“ (UA 37) eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 1985 – 4 StR 153/85, BGHSt 33, 230; Urteil vom 13. November 1985 – 3 StR 311/85, BGHSt 33, 367; Beschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 314/14). Vielmehr hätte es aus der genannten Geldstrafe – sofern es diese nicht gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ge- sondert bestehen lässt – und der für die Tat vom 25. Mai 2013 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten eine Gesamtstrafe sowie für die weiteren im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelstrafen eine weitere Gesamtstrafe bilden und im Tenor gesondert aussprechen müssen. Dem durfte es nicht unter Hinweis auf eine mit dem Vorliegen einer Zäsurwirkung verbun- dene „Zufälligkeit“ ausweichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 312 f., und vom 6. März 1996 – 2 StR 36/96, NStZ-RR 1996, 227). Nötigt – wie hier – die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Vorverurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels vielmehr ausgleichen. Es muss also darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und erkennen lassen , dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 aaO, vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11, vom 30. Januar 1996 – 1 StR 624/95, und vom 17. April 2008 – 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234).
8
Die von der Strafkammer in unklarer und allenfalls hypothetischer (UA 37) Weise gebildete Gesamtstrafe von einem Jahr und sieben Monaten aus der für die Tat II. 5 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 sieht § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vor; sie entfällt mit dieser Entscheidung.
9
2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben.
10
3. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die nunmehr erforderliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (BGH, Beschlüsse vom 22. August 2013 – 3 StR 141/13, StraFo 2013, 474, 475, und vom 19. Februar 2014 − 2 StR 558/13, NStZ-RR 2014, 242, 243, jew. mwN). Bezogen auf diesen Zeitpunkt wird daher auch der Vollstreckungsstand des Strafbefehls des Amtsgerichts Saarbrücken – dessen Rechtskraft vorausgesetzt – festzustellen sein.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR314/14
vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. September 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 26. Februar 2014 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten und einer Woche verurteilt wird und die Dauer des Vorwegvollzugs ein Jahr drei Monate beträgt. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 27. Februar 2013 und dem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den Vorwegvollzug auf ein Jahr sechs Monate festgesetzt.

I.


2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und die Einzelstrafaussprüche richtet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. Juli 2014 Bezug genommen.

II.


3
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann jedoch nicht bestehen bleiben.
4
1. Die Strafkammer hat bei ihrer nachträglichen Gesamtstrafenbildung die Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 übersehen. Der Angeklagte war durch diesen Strafbefehl wegen einer am 22. August 2012 begangenen Straftat zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dem Schuldspruch in dem hier angefochtenen Urteil liegt eine Tat zugrunde , die der Angeklagte am 17. August 2012 begangen hat.
5
2. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 27. Februar 2013 (Tatzeit: 8. November 2012) wegen der durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 eingetretenen Zäsurwirkung nicht zur Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB heranziehen dürfen. Da durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht bessergestellt werden soll, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren, abgeurteilt worden wären, wird durch dieses Urteil eine Zäsur dahin gebildet, dass alle vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten in die Gesamtstrafe einzubeziehen sind. Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muss sich daher jeweils in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Betracht kommt. Alle Strafen für die vor jenem Urteil begangenen Taten – aber auch nur diese – sind auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 28. Juli 1998 – 4 StR 259/98, wistra 1998, 344 mwN). Demgemäß stand im vorliegenden Fall der Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 27. Februar 2013, das eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt hatte, die Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 entgegen.
6
Da der Angeklagte durch den Rechtsfehler beschwert ist, bedarf es einer Neufestsetzung der Gesamtstrafe. Eine Zurückverweisung der Sache zur Nachholung der Gesamtstrafenbildung durch den Tatrichter erscheint indes untunlich. In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO bemisst der Senat die neue Gesamtfreiheitsstrafe auf das gesetzlich geringstmögliche Maß von fünf Jahren sechs Monaten und einer Woche. Der Angeklagte ist durch diese Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beschwert. Dies gilt auch mit Blick auf § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB. Die Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 14. September 2012 in die neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe entspricht der bereits vom Landgericht vor dem Hintergrund der festgestellten Vermögenslosigkeit des Angeklagten rechtsfehlerfrei getroffenen Ermessensentscheidung. Der Senat hat ferner die Dauer der vor der Maßregel zu vollziehenden Strafe unter Berücksichtigung der neu festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO neu bestimmt.
7
3. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 118/08
vom
17. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 27. November 2007
a) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II 9 und
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Sachbeschädigung in zwei Fällen, Diebstahls, Hausfriedensbruchs und Beleidigung unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen aus einer früheren rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Wegen Körperverletzung, Bedrohung in zwei Fällen, Missbrauchs von Notrufen und Vortäuschens einer Straftat hat es eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt. Außerdem hat es im Adhäsionsverfahren zu Gunsten ei- nes Geschädigten auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 300 Euro erkannt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II 9 (Beleidigung) und die Gesamtstrafenaussprüche halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat der Bemessung der Strafe im Fall II 9 rechtsfehlerhaft den erhöhten Strafrahmen des § 185 (2. Halbs.) StGB zu Grunde gelegt. Dieser gilt jedoch nur für eine tätliche, nicht jedoch für eine verbale Beleidigung, wie sie hier festgestellt ist. Das Höchstmaß des nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemilderten Strafrahmens beträgt danach nicht, wie das Landgericht angenommen hat, 18 Monate, sondern lediglich neun Monate Freiheitsstrafe. In Anbetracht der für diese Tat festgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Strafrahmens auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
4
2. Die Gesamtstrafenaussprüche haben keinen Bestand, weil zu besorgen ist, dass das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen Gesamtstrafenübels nicht bedacht hat.
5
Nötigt - wie hier - die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Verurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Es muss also darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGHSt 41, 310, 313).
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat zur Bemessung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen lediglich ausgeführt, diese seien unter Berücksichtigung der bei Zumessung der Einzelstrafen angeführten Umstände, der Unterschiedlichkeit der verletzten Rechtsgüter, der Dauer des Tatzeitraums und der Wirkungen der Strafe für den Angeklagten angemessen. Damit hat es aber weder die Gesamthöhe des ausgesprochenen Freiheitsentzugs von immerhin fünf Jahren und sechs Monaten erkennbar auf ihre Schuldangemessenheit überprüft noch das Ergebnis einer solchen Überprüfung für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargelegt. Einer entsprechenden Erörterung hätte es hier aber schon deshalb bedurft, weil das Landgericht als höchste Einzelstrafe zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe für die schwere Brandstiftung im Fall II 10 festgesetzt und für die übrigen Taten lediglich auf Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und (nur in zwei Fällen) zehn Monaten erkannt hat. Die Schuldangemessenheit des Gesamtstrafübels, welches mehr als das Doppelte der höchsten verhängten Einzelstrafe beträgt, versteht sich unter diesen Umständen nicht von selbst.
6
3. Da über die Gesamtstrafen erneut verhandelt und entschieden werden muss, hebt der Senat auch die Einzelstrafe im Fall II 9 auf und sieht davon ab, entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts selbst die Strafe festzusetzen. Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die der Zumessung der Einzelstrafe im Fall II 9 und der Gesamtstrafen zu Grunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
7
Soweit der Angeklagte in der in die erste Gesamtstrafe einzubeziehenden Sache (Verurteilung durch das Amtsgericht Dessau vom 12. Mai 2005) die ihm als Bewährungsauflage erteilten Arbeitsstunden teilweise abgeleistet hat, wird der neue Tatrichter gemäß §§ 58 Abs. 2 Satz 2, 56 f Abs. 3 Satz 2, 56 b StGB über die Anrechnung der erbrachten Leistungen zu entscheiden haben. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung durch eine die Strafvollstreckung verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe zu bewirken (vgl. BGHSt 36, 378).
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.