Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2018 - 3 StR 195/18

bei uns veröffentlicht am20.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 195/18
vom
20. September 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: Geiselnahme u.a.
zu 3.: besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:200918U3STR195.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Gericke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Pernice als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers,
Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 10. November 2017 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. sowie die Revision desAngeklagten A. werden verworfen. 3. Der Angeklagte A. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten A. und B. wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B. zudem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren (A. ) bzw. der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten (B. ) verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung zum Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe getroffen. Den Angeklagten G. hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten A. und B. . Die Staatsanwaltschaft stützt ihr zuungunsten aller drei Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf zwei Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen. Die Revision des Angeklagten A. macht ebenfalls die Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend. Der Angeklagte B. begründet seinRechtsmittel mit der Sachrüge.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts verdächtigte der Angeklagte A. den Nebenkläger, eine sexuelle Beziehung zu seiner ehemaligen Freundin zu unterhalten. Diese hatte sich vom Angeklagten A. getrennt, was der allerdings nicht akzeptierte. Da der Nebenkläger sexuelle Kontakte abstritt , besprach sich der Angeklagte A. mit seinem Freund, dem Angeklagten B. , wie er sich insoweit Klarheit verschaffen könnte.
3
Nachdem die beiden Angeklagten eine Begegnung des Nebenklägers mit der früheren Lebensgefährtin des Angeklagten A. beobachtet hatten, rief der Angeklagte A. jenen an und bat ihn zu einem Gespräch in das von ihm in einer ehemaligen Bankfiliale betriebene Sonnenstudio. Zum Zeitpunkt dieses Anrufs waren die Angeklagten A. und B. entschlossen, den Nebenkläger in dem Sonnenstudio gegebenenfalls unter Gewaltanwendung festzusetzen, ihn zu dem vermuteten sexuellen Verhältnis zu der früheren Freundin zu befragen und ihm eine Lektion zu erteilen.
4
Im Sonnenstudio kam es zunächst im Büro des Angeklagten A. , das im früheren Tresorraum im Keller untergebracht war, zu einem Gespräch zwischen diesem und dem Nebenkläger, das sich zu einem lautstarken Streit entwickelte. Der im Erdgeschoss wartende Angeklagte B. , der dies vernahm , begab sich nun absprachegemäß ebenfalls ins Büro, um den Angeklagten A. bei der erwarteten unmittelbar bevorstehenden körperlichen Auseinandersetzung zu unterstützen. Er hielt den Nebenkläger an den über seinem Kopf gehaltenen Händen fest, während der Angeklagte A. mit einem 700 g schweren und 80 cm langen metallenen Tischbein mit großer Wucht auf den Nebenkläger einschlug, wobei er ihn an beiden Unterarmen, am Rücken sowie an den Unterschenkeln und den Sprunggelenken traf. Damit wollte er ihn bewegungsunfähig machen, um eine Gegenwehr, aber auch eine Flucht zu verhindern. Nun nahm der Angeklagte B. den Nebenkläger in den sogenannten Schwitzkasten, während der Angeklagte A. weiter auf ihn einschlug. Der Nebenkläger erlitt dadurch erhebliche Schmerzen und verlor vorübergehend das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, fand er sich auf dem Fußboden vor der Couch des Büros liegend vor, wobei er aufgrund der vorangegangenen Gewalteinwirkung Arme und Beine kaum zu bewegen vermochte. Die Angeklagten erkannten, dass der Nebenkläger das Sonnenstudio aus eigener Kraft nicht würde verlassen können, und wollten diese Situation ausnutzen, um ein Geständnis seiner sexuellen Beziehung zu der früheren Freundin des An- geklagten A. abzupressen. Weitere - insbesondere finanzielle - Interessen verfolgten sie damit nicht.
5
In der Folge wirkten sie vor allem mit Tritten auf den zwischenzeitlich am Boden knienden Nebenkläger ein. Der Angeklagte B. hielt ihm mit Billigung des Angeklagten A. auch eine schwarze Pistole, deren Echtheit nicht festgestellt werden konnte, mit dem Bemerken: "Ich werde Dich töten" an den Kopf, um ihm noch mehr Angst einzujagen. Der Nebenkläger, der diese Todesdrohung ernst nahm und sich in einer aussichtslosen Lage sah, gab schließlich zu, mit der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten A. zusammen zu sein; eine sexuelle Beziehung stellte er jedoch weiterhin in Abrede.
6
Zwischenzeitlich war der ebenfalls mit dem Angeklagten A. befreundete Angeklagte G. in dem Sonnenstudio eingetroffen, weil er dringend Geld benötigte, um ein Fahrzeug seines Onkels, das abgeschleppt worden war, auszulösen. Als er in den früheren Tresorraum trat, sah er den Nebenkläger, der verletzt und benommen auf der Couch des Büros lag. Nachdem die beiden anderen ihn auf seine Nachfrage hin über das angebliche Fehlverhalten des Geschädigten aufgeklärt hatten, trat auch er mit dem Bemerken, der müsse noch mehr bekommen, mit seinen stark profilierten knöchelhohen Winterschuhen auf Kopf und Oberkörper des Nebenklägers ein. Mit seiner Bemerkung wollte er den Eindruck erwecken, er stehe auf Seiten der Angeklagten A. und B. . Tatsächlich ging es dem Angeklagten G. , der von dem vorangegangenen Geschehen im Tresorraum keine Kenntnis hatte, aber allein darum, so an Geld zu gelangen, weshalb er während der Verletzungshandlungen an den Nebenkläger auch entsprechende Forderungen stellte. Dieser ließ es daraufhin zu, dass der Angeklagte G. das Mobiltelefon, die Bankkarte und 40 € Bargeld aus seiner Jackentasche nahm und außerhalb sei- ner Reichweite ablegte, so dass die Gegenstände seinem Zugriff entzogen waren. Kurz danach verließ der Angeklagte G. das Sonnenstudio, allerdings ohne das Geld zunächst mitzunehmen.
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Der Angeklagte A. nahm nun das Mobiltelefon des Nebenklägers an sich, um es auf mögliche Kontaktdaten seiner ehemaligen Freundin zu untersuchen. Zusammen mit dem Angeklagten B. verließ er zu diesem Zweck den Kellerraum, wobei sie die Tür des früheren Tresorraums bis auf einen Spalt zuzogen, so dass der Nebenkläger aufgrund seiner Verletzungen und des erheblichen Eigengewichts der Tür diese nicht zu öffnen vermochte. Teilweise vor dieser Tür und damit in Hörweite des Nebenklägers stehend erörterten sie, was nun mit diesem geschehen solle. Vor allem bemerkten sie, um diesen weiter einzuschüchtern, dass er "nicht lebend" rauskomme. In der Folge räumte der verängstigte Nebenkläger gegenüber dem Angeklagten B. ,der dabei allein mit ihm im Tresorraum war, schließlich ein, mit der früheren Freundin des Angeklagte A. auch Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Von diesem "Geständnis" fertigte der Angeklagte B. ein Video.
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In der Folge diskutierten die Angeklagten, zu denen sich zwischenzeitlich auch wieder der Angeklagte G. gesellt hatte, in Anwesenheit des Nebenklägers erneut, wie dieser davon abgehalten werden könne, zur Polizei zu gehen. Um ihn in Angst zu versetzen, erwähnten sie dabei auch die Möglichkeit , ihn zu töten, was sie jedoch zu keinem Zeitpunkt tatsächlich beabsichtigten. Im Verlauf dieser Debatte packte der Angeklagte B. , ohne dass dies mit den beiden anderen Angeklagten abgesprochen war, unvermittelt den Geschädigten mit beiden Händen am Hals und drückte mit erheblicher Kraft zu, wobei er sich zuvor Plastikhandschuhe angezogen hatte. Er wollte den Geschädigten allerdings nicht töten, sondern - wie es auch der Nebenkläger ver- stand - ihm lediglich Angst machen, damit dieser nicht die Polizei informiere. Gleichzeitig wollte er ihm einen nachhaltigen Denkzettel verpassen. Der potentiellen Lebensgefährlichkeit seines Verhaltens war er sich jedoch bewusst. Der Nebenkläger geriet für wenige Sekunden in Atemnot. Den Angeklagten A. und G. , die von diesem Vorgehen überrascht wurden, gelang es nach drei bis fünf Sekunden, den Angeklagten B. von seinem Opfer wegzuziehen. Nach weiteren Drohungen brachte der Angeklagte A. denNebenkläger , dessen Beteuerungen, nicht zur Polizei zu gehen, sie schließlich Glauben schenkten, nach Hause. Auch der Angeklagte G. verließ mit dem Angeklagten B. das Büro, wobei er die 40 € nunmehr mitnahm.
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Der Geschädigte erlitt eine Fraktur des rechten Unterarms, eine Gehirnerschütterung und multiple Gesichts- und Unterschenkelprellungen. Er wurde drei Tage lang stationär behandelt. Erst einige Monate später wurde eine ebenfalls aus der Tat herrührende Fraktur am linken Unterarm, die zuvor übersehen worden war, operativ versorgt. Noch heute leidet er zeitweise an Schmerzen der Handgelenke. Er befindet sich wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in psychologischer Behandlung.
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II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
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Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, dagegen,dass der Angeklagte B. im Hinblick auf das Würgen des Nebenklägers nicht wegen versuchten Totschlags bzw. versuchten Mordes verurteilt worden ist. Außerdem erstrebt sie mit ihrem Rechtsmittel eine Bewertung des Tatverhaltens der Angeklagten A. und B. auch als erpresserischer Menschenraub in Tateinheit mit schwerem Raub beziehungsweise wenigstens als Beihilfe zum besonders schweren Raub sowie die Verurteilung des Angeklagten G. wegen erpresserischen Menschenraubes.
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1. Mit den beiden Verfahrensrügen, mit denen die Staatsanwaltschaft die Verletzung von § 261 StPO geltend macht, kann die Revision nicht durchdringen.
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a) Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe bei der Erörterung der Frage, ob der Angeklagte B. bei dem - vom gemeinsamen Tatplan nicht gedeckten - Würgen des Geschädigten mit Tötungsvorsatz handelte, auf sich nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergebende Vorgänge zurückgegriffen, indem es der Einlassung des Angeklagten B. Angaben entnommen habe, die dieser nicht gemacht habe, führt nicht zum Erfolg. Die Revision trägt insoweit vor, dass der Angeklagte B. über seine Verteidigerin eine Einlassungserklärung abgegeben und sich zu eigen gemacht habe, die als Anlage zum Protokoll genommen worden sei. Weitere Angaben habe er nicht gemacht. Aus dieser Einlassung ergebe sich, dass es sich bei dem Würgegriff des Angeklagten A. um eine Spontantat aus Verärgerung über eine konkrete Äußerung des Nebenklägers und nicht - wie das Urteil der Einlassung entnehme - um einen vorbereiteten Einschüchterungsversuch zur Vermeidung einer Anzeige des Geschädigten gehandelt habe.
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Diese Beanstandung bleibt ohne Erfolg, weil ein möglicher Verfahrensverstoß so nicht bewiesen werden kann. Mit der Verlesung einer vorbereiteten schriftlichen Einlassungserklärung des Angeklagten durch diesen oder seinen Verteidiger wird nicht der Wortlaut des Schriftstücks zum Inbegriff der Hauptverhandlung , sondern allein der Inhalt des mündlichen Vortrags, dessen wesentliche Punkte das Tatgericht in den Urteilsgründen festzustellen hat. Allein diese Feststellungen sind Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung (s. die Nachweise bei LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 78). Anders liegt es nur, wenn der Wortlaut der schriftlichen Einlassung durch das Gericht im Wege des förmlichen Urkundsbeweises (§ 249 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, worauf der Angeklagte indes keinen Anspruch hat. Nur in diesem Falle ist dem Revisionsgericht eine Kenntnisnahme des genauen Wortlauts des Schriftstücks und damit der Einlassung ohne unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung möglich (BGH, Beschlüsse vom 29. März 2011 - 3 StR 9/11, juris; vom 27. Februar 2007 - 3 StR 38/07, NStZ 2007, 349). Vorliegend ist die schriftliche Einlassung nicht als Urkunde in der Hauptverhandlung verlesen worden. Somit wäre der Senat hier nur im Wege einer nicht statthaften Rekonstruktion der Hauptverhandlung in der Lage, die Richtigkeit des Revisionsvorbringens über den Inhalt der Einlassung des Angeklagten zu prüfen.
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b) Soweit die Staatsanwaltschaft mit einer zweiten Inbegriffsrüge geltend macht, das Landgericht habe bei der Erörterung eines möglichen Tötungsvorsatzes des Angeklagten B. den Inhalt eines als Urkunde verlesenen Briefes des Angeklagten A. an den Vorsitzenden unberücksichtigt gelassen, aus dem sich ergebe, dass der Angeklagte B. den Geschädigten mit der Bemerkung, dass ihm die Diskussion nun "reiche", habe erwürgen wollen, führt ihre Rüge ebenfalls nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat sich mit der Frage eines möglichen Tötungsvorsatzes eingehend auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang hat es auch die Angaben des Angeklagten A. ,der Angeklagte B. habe im Zusammenhang mit dem Würgen des Geschädigten geäußert: "Ich bring Dich um" und: "Es reicht jetzt mit der Diskussion", in seine Überlegungen eingestellt. Demgegenüber ist der in dem Schreiben an den Vorsitzenden wiedergegebene und nicht auf bestimmte Tatsachen gestützte Eindruck des Angeklagten A. , der Angeklagte B. habe den Geschädigten erwürgen wollen, nicht von einem solchen Gewicht, dass die Beweiswürdi- gung durch seine Nichterörterung in den Urteilsgründen als lückenhaft zu bewerten wäre. Das Tatgericht muss in den Urteilsgründen nur die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranziehen und einer erschöpfenden Würdigung unterziehen. Allein mit den Umständen, die im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch beweiserheblich waren, muss sich der Tatrichter im Urteil auseinandersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15, juris Rn. 3).
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2. Dagegen hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge - auch zugunsten des Angeklagten B. (§ 301 StPO) - den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen greifen die sachlichrechtlichen Beanstandungen nicht durch.
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a) Der Schuldspruch betreffend die Angeklagten A. und B. hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
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aa) Allerdings deckt die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten A. und B. auf, soweit das Landgericht diese nicht wegen mittäterschaftlich mit dem Angeklagten G. begangenen erpresserischen Menschenraubes verurteilt hat. Nach den Feststellungen verfolgten die Angeklagten selbst mit der Bemächtigung des Geschädigten keine finanziellen Interessen. Ein Drittbereicherungsinteresse zugunsten des Angeklagten G. lag, anders als die Revision meint, nicht nahe.Anhaltspunkte , die das Landgericht dazu hätten drängen müssen, ein solches Interesse an der Bereicherung des Angeklagten G. zu erörtern, ergeben die Urteilsgründe nicht.
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bb) Dagegen stellt es einen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten A. und B. dar, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob die beiden Angeklagten sich der Beihilfe zum besonders schweren Raub schuldig gemacht haben. Zwar ergeben die Feststellungen nicht, dass die Angeklagten den Angeklagten G. aktiv bei dem von diesem begangenen besonders schweren Raub unterstützt haben. Doch hat das Landgericht übersehen, dass die Angeklagten sich insoweit möglicherweise wegen Beihilfe durch Unterlassen strafbar gemacht haben könnten. Im Einzelnen:
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Der Nebenkläger befand sich aufgrund der von den Angeklagten A. und B. geschaffenen Bemächtigungslage und der in diesem Zusammenhang ausgeübten Gewalthandlungen bei dem - zufälligen - Eintreffen des Angeklagten G. in einem Zustand, der es diesem ermöglichte, mit weiterer Gewalt auf ihn einzuwirken, um an sein Geld zu gelangen. Dies erkannten die hierbei anwesenden Angeklagten A. und B. , ließen es indes geschehen.
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Damit ergeben die Feststellungen zwar keine Beihilfehandlung der Angeklagten in Form eines aktiven Tuns. Auch wenn eine - psychische - Beihilfe durch Anwesenheit im Sinne eines "Dabeiseins" oder "Zugegenseins" bei der Haupttat geleistet werden kann, falls dadurch die Tatbegehung gefördert oder erleichtert wird, so setzt jede Beihilfe durch positives Tun - auch die so genannte psychische - doch immer einen durch aktives Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 3 StR 455/09, NStZ 2010, 224, 225 mwN). Durch ihre passive Anwesenheit entfalteten die Angeklagten A. und B. keine Aktivität, die als Unterstützungshandlung durch positives Tun gewertet werden könnte.
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Doch kommt auf der Grundlage der Feststellungen eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht. Denn der Angeklagte G. nutzte die durch das rechtswidrige Vorverhalten der Angeklagten - die Geiselnahme und die gefährli- che Körperverletzung - geschaffene hilflose Lage des Nebenklägers, um die Raubtat zu begehen. Diese vorangegangenen Taten waren nicht nur ursächlich für die Tat des Angeklagten G. , sondern bargen die nahe Gefahr des durch dessen Tat verursachten Schadenseintritts. Sie waren somit geeignet, eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). Dafür, dass den Angeklagten ein Eingreifen nicht möglich und zumutbar gewesen wäre, geben die Feststellungen keinen Anhalt. In subjektiver Hinsicht erkannten sie, dass der Angeklagte G. die von ihnen herbeigeführte Situation zu einem schweren Raub ausnutzte. Es liegt nach den Feststellungen somit nicht fern, dass die Angeklagten A. und B. diesem durch ihr passives Geschehenlassen Beihilfe zum besonders schweren Raub durch Unterlassen leisteten.
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Da das Urteil insoweit der Aufhebung unterliegt, kann auch die für sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangener Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand haben. Denn die mögliche Beihilfe zum besonders schweren Raub steht zu der Geiselnahme im Verhältnis der Tateinheit, weil sich die Tatbeiträge in der Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage teilweise überschneiden. § 239b StGB verklammert die Beihilfe zum besonders schweren Raub auch mit der im Rahmen der Geiselnahme zur Erreichung des damit erstrebten Nötigungserfolgs begangenen gefährlichen Körperverletzung. Somit steht eine mögliche Beihilfe zum besonders schweren Raub in Tateinheit sowohl mit Geiselnahme als auch mit der Tat nach §§ 223, 224 StGB, weshalb der Schuldspruch insgesamt aufzuheben ist.
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b) Der Schuldspruch erweist sich auch insoweit als - auch zuungunsten des Angeklagten - rechtsfehlerhaft, als der Angeklagte B. wegen des Würgens des Nebenklägers im Laufe der Debatte, wie nach dem Ablegen des "Geständnisses" weiter mit diesem zu verfahren sei, wegen tatmehrheitlich begangener versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist.
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aa) Dies folgt schon daraus, dass das als versuchte gefährliche Körperverletzung gewertete kurzzeitige Würgen des Nebenklägers entgegen der Annahme des Landgerichts in Tateinheit zu der Geiselnahme und der wiederum tateinheitlich hierzu begangenen Körperverletzung steht. Soweit das Landgericht insoweit Tatmehrheit angenommen hat, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 301 StPO). Der Angeklagte B. beging diese Tat während der bestehenden Bemächtigungslage; er würgte den Nebenkläger unter Aufrechterhaltung und Ausnutzung der durch die Geiselnahme verübten fortwirkenden Gewalt. Schon damit steht die Geiselnahme wegen der Überschneidung der Ausführungshandlungen auch mit dieser versuchten Körperverletzungstat in Tateinheit (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 - 3 StR 156/10, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Straftaten 1; vom 11. August 1999 - 5 StR 207/99, NStZ 1999, 618, 619; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09, juris Rn. 22 f.).
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bb) Darüber hinaus deckt die Revision einen weiteren Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten B. , aber auch einen zu dessen Nachteil auf.
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(1) Dass das Landgericht wegen des - mit den beiden Mitangeklagten nicht abgesprochenen - Würgens des Nebenklägers, den Angeklagten B. nicht auch wegen versuchten Totschlags verurteilt hat, unterliegt auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen allerdings keiner Beanstandung. Die Revision, die die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage das Landgericht einen Tötungsvorsatz verneint hat, angreift, zeigt einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht auf. Dies gilt auch, soweit sie geltend macht, das Landgericht habe es versäumt, das Vorliegen eines nur bedingten Vorsatzes zu prüfen, obwohl der Angeklagte B. nach den Feststellungen die potentielle Lebensgefährlichkeit eines längeren Würgevorgangs erkannt habe. Zwar hat sich die Strafkammer bei ihren Erörterungen in erster Linie mit dem Vorliegen eines direkten Tötungsvorsatzes befasst. Doch ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, dass sie die Frage eines möglichen bedingten Vorsatzes nicht aus dem Blick verloren, aber verneint hat. Eine konkret gefährliche Gewalthandlung , die regelmäßig einen bedingten Tötungsvorsatz nahelegt, hat sie nicht festzustellen vermocht. Als vorsatzkritisch hat sie gewertet, dass der Angeklagte durch Alkohol und Rauschmittel beeinträchtigt war. Schließlich spricht auch die festgestellte Motivation, dem Nebenkläger Angst einzujagen, damit er nach einer möglichen Freilassung von einer Anzeige Abstand nehme, sowie ihm einen nachhaltigen Denkzettel zu verpassen, dagegen, dass der Angeklagte B. den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf genommen hätte.
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(2) Der Schuldspruch erweist sich jedoch aus anderen Gründen als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte B. den Geschädigten unvermittelt am Hals packte und mit erheblicher Gewalt zudrückte, so dass dieser für wenige Sekunden in Atemnot geriet. Ob und in welchem Ausmaß sich diese Atemnot auf das körperliche Wohlbefinden des Geschädigten auswirkte, ergeben die Feststellungen indes nicht. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob eine Gesundheitsbeschädigung vorlag, die zu einer Verurteilung wegen vollendeter Körperverletzung - gegebenenfalls in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung - hätte führen müssen.
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Umgekehrt ergibt das Urteil auch in seiner Gesamtheit das Vorliegen einer - möglicherweise nur versuchten - gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht. Nach den Feststellungen war sich der Angeklagte der potentiellen Lebensgefährlichkeit seines Tuns bewusst. Eine solche Lebensgefährlichkeit der Handlung des Angeklagten wird von dem dargelegten Beweisergebnis indes nicht getragen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen , dem sich die Strafkammer angeschlossen hat, könne nur ein wenige Sekunden andauerndes festes Zupacken am Hals nachgewiesen werden. Damit sei eine konkrete Lebensgefahr aufgrund eines Würgevorgangs nicht belegt. Grundsätzlich sei jedoch eine solche Behandlung "insbesondere bei längerer Dauer" abstrakt lebensgefährlich und geeignet, lebensbedrohliche Folgen zu zeitigen. Dazu, ob das wenige Sekunden andauernde Zupacken am Hals in diesem Sinne bereits "länger" andauernd und damit abstrakt lebensgefährlich war, verhält sich das Landgericht nicht. Soweit dieses möglicherweise darauf abgestellt hat, dass das Würgen lediglich aufgrund des raschen Eingreifens des Mitangeklagten nur kurzzeitig, vom Angeklagten jedoch länger und damit potentiell lebensgefährlich geplant war, fehlen Feststellungen zu dessen Vorstellungsbild.
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Somit ist das Urteil hinsichtlich der Angeklagten A. und B. insgesamt aufzuheben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können indes aufrechterhalten werden. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen treffen, die den vorliegenden nicht widersprechen.
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Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:
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Sollte das neue Tatgericht aufgrund der ergänzenden Feststellungen einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten B. beim Würgen des Geschädigten annehmen, wird es zu prüfen haben, ob er nicht vom möglichen Versuch eines Totschlags zurückgetreten ist. Nach den Feststellungen beendete der Angeklagte das Würgen des Nebenklägers zwar nicht von sich aus, sondern wurde von den von dem Angriff überraschten Mitangeklagten weggezogen. Das Urteil verhält sich indes nicht dazu, inwieweit der Angeklagte, der sich weiterhin im Raum aufhielt und an den Debatten um das Schicksal des Nebenklägers beteiligte, nicht die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Tötungsvorsatz noch umzusetzen.
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c) Die Revision der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten G. führt ebenfalls zur Aufhebung des Urteils.
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aa) Zwar ist es entgegen dem Revisionsvorbringen nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht den Angeklagten G. nicht wegen erpresserischen Menschenraubes verurteilt hat. Der Angeklagte G. hat zwar die vonden Angeklagten A. und B. geschaffene Bemächtigungslage ausgenutzt, um seinerseits einen schweren Raub zu begehen. Er selbst war an der Bemächtigung des Geschädigten indes nicht beteiligt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 239a Abs. 1 Alternative 2 StGB kann er deshalb auch nicht nach dieser Tatvariante bestraft werden. Dieser schließt vielmehr aus, dem später in das Geschehen eingreifenden Täter die Ausnutzung der von Dritten zuvor begründeten und weiter aufrechterhaltenen Bemächtigungslage zu erpresserischen Handlungen über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zuzurechnen. Zwar kann der später Hinzutretende § 239a Abs. 1 StGB in anderer Weise verwirklichen, etwa weil er eigenständig Gewalt über das Opfer erlangt, indem er durch sein Eingreifen die Situation des Opfers qualitativ ändert und über das Fortbestehen der Bemächtigungslage nunmehr maßgeblich selbst bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013 - 3 StR 119/13, NStZ 2014, 316, 317). Der Angeklagte G. erlangte nach den Feststellungen aber selbst keine Macht über den Nebenkläger, die über die von ihm ausgeübte Gewalt , nämlich die Tritte, mit denen er den Nebenkläger gefügig machen wollte, um sich die Wegnahme des Geldes zu ermöglichen, hinausgegangen wäre. Vielmehr beschloss er spontan, die Situation, in der der Nebenkläger verletzt und benommen auf dem Sofa saß, auszunutzen, um eine Raubtat zu begehen. Zum Fortbestehen der Bemächtigungslage trug er schon deshalb nicht selbst maßgeblich bei, weil er den Keller alsbald wieder verließ. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Angeklagte G. die zuvor von den anderen Tatbeteiligten geschaffene Bemächtigunglage als solche überhaupt erkannte , kommt es deshalb nicht an.
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bb) Indessen hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihm obliegende umfassende Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen. Diese gebietet , dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57). Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlichrechtlichen Mangel dar (BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - 3 StR 479/16, NStZ 2017, 410 f. mwN).
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So liegt es hier, soweit das Landgericht es unterlassen hat zu prüfen, ob sich der Angeklagte G. wegen einer Beteiligung an der durch die Ange- klagten A. und B. begangenen Geiselnahme bzw. damit zusammenhängender Taten schuldig gemacht hat.
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Wegen Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344; vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteile vom 13. Juli 2016 - 1 StR 94/16, juris Rn. 24; vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings - wie dargelegt - selbst bei deren Billigung nicht aus (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 - 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139 mwN; Beschlüsse vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 34; vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137).
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Nach diesen Maßstäben kam vorliegend auf der Grundlage der Feststellungen jedenfalls eine - psychische - Beihilfe zu den von den Mitangeklagten begangenen Straftaten in Betracht. Dies gilt sowohl für das Verhalten des Angeklagten G. bei seinem ersten Eintritt in das Geschehen als auch hinsichtlich der nach seinem Wiedereintreffen im Keller vorgenommenen Handlungen.
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(1) Bereits nach seinem ersten Eintritt in den Keller wirkte der Angeklagte G. , nachdem ihm von den Angeklagten A. und B. berichtet worden war, dieser habe ein Verhältnis zu der "Frau" des Angeklagten A. , mit Tritten auf den Nebenkläger ein. Dabei äußerte er sich - auch wenn es ihm letztlich um die Erlangung von Geld ging - abfällig über diesen, womit er den Eindruck erwecken wollte, er stelle sich auf die Seite der beiden Angeklagten. Damit lag nach dem objektiven Handlungsablauf eine - jedenfallspsychische - Beihilfe des Angeklagten G. zu der zwar vollendeten, aber noch nicht beendeten Geiselnahme nahe. Ob der Angeklagte G. allerdings die Bemächtigungslage, in der sich der Geschädigte befand, sowie den von den Mitangeklagten intendierten Zweck der Bemächtigung erkannte, lässt das Urteil offen. Wenn das Landgericht entsprechende Feststellungen zum Gehilfenvorsatz nicht hätte treffen können, hätte es eine Strafbarkeit des Angeklagten G. wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung prüfen müssen.
40
(2) Auch das Verhalten des Angeklagten G. nach seiner zwei bis drei Stunden späteren Rückkehr ins Sonnenstudio, wo er den verletzten Nebenkläger weiter vorfand, hat das Landgericht nicht ausreichend einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erlangte der Angeklagte G. davon Kenntnis, dass der Geschädigte über Stunden im Tresorraum festgehalten wurde. Indem er sich nun in die Diskussion einschaltete , wie weiter mit dem Nebenkläger zu verfahren sei und wie dieser davon abgehalten werden könnte, Anzeige zu erstatten, könnte er - je nach seinem Vorstellungsbild von dem Geschehen - eine jedenfalls psychische Beihilfe zu einer durch die Mitangeklagten angeführten, bei anhaltender Bemächtigungslage noch nicht beendeten Geiselnahme oder eine versuchte Nötigung zur Unterlassung einer Anzeige bzw. Beihilfe hierzu begangen haben.
41
Das Urteil unterliegt somit auch betreffend den Angeklagten G. der Aufhebung. Allerdings können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen wiederum aufrechterhalten bleiben.
42
III. Die Revision des Angeklagten A.
43
1. Auch der Angeklagte A. macht mit zwei Verfahrensrügen jeweils die Verletzung von § 261 StPO geltend.
44
a) Mit der Rüge, das Landgericht habe den als Urkunde in der Hauptverhandlung verlesenen, im Zwischenverfahren an den Vorsitzenden der Strafkammer übersandten Brief, in dem der Angeklagte A. sich ausführlichzur Sache geäußert hat, nicht bei der Urteilsfindung berücksichtigt und deshalb die Anwendung des vertypten Milderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht erwogen, dringt die Revision nicht durch.
45
aa) Dabei begegnet die Zulässigkeit der Rüge bereits Bedenken.
46
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verfahrensrüge nur dann gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhoben, wenn die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen (hier: die fehlende Berücksichtigung des Inhalts des an den Vorsitzenden gerichteten Briefes) bewiesen sind oder bewiesen werden (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 1 StR 72/97, NStZ-RR 1997, 304 f.). Dabei sind bestimmte Tatsachen vorzutragen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 344 Rn. 24).
47
Dem Revisionsvorbringen kann nicht entnommen werden, mit welchen Angaben der Angeklagte A. wesentliche Beiträge zur Aufklärung des Sachverhalts gemacht und Umstände offenbart hat, die den Strafverfolgungsbehörden zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt waren. Ob die allgemein gehaltene Behauptung, das Landgericht hätte sich bei vollständiger Würdigung des insgesamt 14-seitigen Briefes zu der Prüfung veranlasst sehen müssen, ob und welche Angaben des Angeklagten die Voraussetzungen des § 46b StGB erfüllen , den Zulässigkeitsanforderungen an eine Rüge genügt, das Tatgericht habe nicht das gesamte Ergebnis der Hauptverhandlung seiner Entscheidung zugrunde gelegt, erscheint damit fraglich (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2003 - 3 StR 17/03, NStZ 2004, 163, 164; Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 135/13, NStZ-RR 2014, 15).
48
bb) Der Senat kann die Frage der Zulässigkeit der Rüge indes offen lassen , weil die Rüge aus den zutreffenden Gründen der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet ist.
49
b) Auch mit der Beanstandung, das Landgericht habe die - nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesene - Aussage eines Zeugen nicht in die Beweiswürdigung zur Frage des Bestehens der Bemächtigungslage eingestellt, hat die Revision keinen Erfolg. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die nachträglichen Beobachtungen des Zeugen, der erst hinzukam, als der Angeklagte A. den Nebenkläger bereits geduscht, mit frischen Kleidern versorgt und teilweise verbunden hatte, widersprechen nicht den Feststellungen, dass der Nebenkläger in den Stunden zuvor dergestalt von den Angeklagten misshandelt worden war, dass ihm das Verlassen des Tresorraumes nicht möglich war. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit den behaupteten Aussagen im Urteil drängte sich damit nicht auf.
50
2. Sachrüge
51
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat ebenfalls keinen den Angeklagten A. beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt. Soweit die Re- vision geltend macht, das Landgericht habe seiner Feststellung, dass der Geschädigte sich aufgrund seiner Verletzungen und der Schwere der teilweise nur einen Spalt geöffneten Tür auch bei vorübergehender Abwesenheit der Angeklagten nicht aus dem Büro entfernen und fliehen können, eine fehlerhafte Beweiswürdigung zugrunde gelegt, nimmt sie eigene Wertungen der vom Landgericht erhobenen Beweise vor. Hiermit kann sie im Revisionsverfahren nicht durchdringen.
52
IV. Die Revision des Angeklagten B.
53
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten B. führt aus den oben dargelegten Gründen (s.o. II. 2. b)) zu einem Teilerfolg. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zuungunsten dieses Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das sachverständig beratene Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB verneint. Zwar hat der Sachverständige beim Angeklagten eine Kokainabhängigkeit diagnostiziert. Doch führt diese nicht ohne weiteres zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln begründet für sich allein noch keine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Derartige Folgen sind bei einem Rauschmittelsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder wenn der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2002 - 3 StR 132/02, NStZ-RR 2002, 263). Solche Umstände hat das Landgericht nicht festgestellt. Für schwerste Persönlichkeitsveränderungen ergeben die Feststellungen kei- nen Anhalt. Dass der Angeklagte andere Interessen gegenüber dem am Kokainkonsum in den letzten Jahren zurückstellte und auch eine Arbeitsstelle verlor, genügt insoweit nicht. Entzugserscheinungen hat der Sachverständige im Zusammenhang mit dem Konsum von Kokain ausgeschlossen, da die Sucht von Kokain nicht körperlich verankert sei. Dass das am Tattag konsumierte Kokain den Angeklagten enthemmt hatte, hat das Landgericht berücksichtigt. Ebenso hat es mit dem Sachverständigen aus den festgestellten psychodiagnostischen Kriterien den Schluss gezogen, dass die - fehlerfrei berechnete - Blutalkoholkonzentration von maximal 2,4 Promille nicht zur Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten führte.
Gericke Spaniol Berg
Hoch Pernice

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

Strafgesetzbuch - StGB | § 239b Geiselnahme


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu ein

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 9/11
vom
29. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
alias:
3.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 29. März 2011 einstimmig beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 27. August 2010 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
(§ 261 StPO) des Angeklagten Y. gibt dem Senat Anlass zu folgendem
ergänzenden Bemerken:
Aufgrund Verlesung einer vorbereiteten schriftlichen Erklärung des Angeklagten
durch diesen oder seinen Verteidiger wird nicht der Wortlaut
des Schriftstücks zum Inbegriff der Hauptverhandlung, sondern allein
der Inhalt des mündlichen Vortrags, dessen wesentliche Punkte das
Tatgericht in den Urteilsgründen festzustellen hat. Allein diese Feststellungen
sind Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung (s. die Nachweise
bei LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 78, Fn. 261). Anders
liegt es nur, wenn der Wortlaut der schriftlichen Einlassung durch das
Gericht im Wege des förmlichen Urkundsbeweises (§ 249 StPO) in die
Hauptverhandlung eingeführt wird, worauf der Angeklagte indessen
keinen Anspruch hat. Nur in diesem Falle ist dem Revisionsgericht eine
Kenntnisnahme des genauen Wortlauts des Schriftstücks und damit der
Einlassung ohne unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung
möglich. Danach wäre der Senat hier nur im Wege nicht statthafter Rekonstruktion
der Hauptverhandlung in der Lage, die Richtigkeit des Revisionsvorbringens
über Reihenfolge und Inhalt der Geständnisse der
Angeklagten zu prüfen; denn deren schriftliche Einlassungen sind nicht
im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt
worden. In den somit allein maßgeblichen Urteilsgründen findet der
diesbezügliche Revisionsvortrag dagegen keine Stütze.
Becker Pfister Hubert
Schäfer RiBGH Mayer befindet
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 38/07
vom
27. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. Februar 2007 einstimmig

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 8. November 2006 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Revision des Angeklagten U. rügt als eine Verletzung von § 261 StPO, das Landgericht habe seiner Beweiswürdigung eine Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt, die dieser nicht abgegeben habe. Die Beanstandung bleibt ohne Erfolg, da der Verfahrensverstoß nicht bewiesen ist.
Nach dem durch die Sitzungsniederschrift bestätigten Vortrag der Revision hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung in der Form geäußert, dass sein Verteidiger für ihn eine Erklärung abgegeben und er sodann erklärt hat, dies sei richtig so. Später hat der Verteidiger "die Erklärung des Angeklagten U. zur Sache" überreicht, die als Anlage zum Protokoll genommen wurde. Dadurch ist über den Wortlaut der Erklärung kein Beweis erhoben und dieser damit nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden. Vielmehr wurde Gegenstand der Hauptverhandlung lediglich der mündliche Vortrag durch den Verteidiger und die zustimmende Erklärung des Angeklagten. Eine Überprüfung , ob die zusammenfassende Darstellung dieser Einlassung in den Urteilsgründen zutreffend und vollständig ist, ist dem Senat ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich (BGH NStZ 2004, 163; 2004, 392; ebenso Park StV 2001, 589, 592).
Nur wenn das Gericht die Verlesung dieses Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt worden und hätte von der Revision als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden können (vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.). Der Senat weist erneut darauf hin, dass ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angeklagten als Urkunde zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die gerichtliche Verlesung einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden kann (BGH NStZ 2000, 439). Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgt die Vernehmung eines Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten (BGH NStZ 2004, 392 m. w. N.).
Winkler Miebach Pfister Becker Hubert
3
Dabei dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig, das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH aaO). Auch muss der Tatrichter nicht für alle Feststellungen einen Beleg erbringen (BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279 f. mwN). Er ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich aber verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01). Insofern beurteilt sich die Erörterungsbedürftigkeit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme; (nur) mit Umständen, die im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch beweiserheblich waren, muss sich der Tatrichter im Urteil auseinandersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 – 1 StR 183/00, NStZ-RR 2001, 174 f.; Urteil vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05). Es ist deshalb regelmäßig überflüssig, nach den tatsächlichen Feststellungen sämtliche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweismittel, auf denen das Urteil beruhen soll, aufzuzählen; dies kann die Würdigung der Beweise nicht ersetzen (so bereits BGH, Beschluss vom 17. Oktober 1996 – 1 StR 614/96) und stellt lediglich eine vermeidbare Fehlerquelle dar, da sie Anlass zu Rügen nach § 261 StPO geben kann (BGH, Beschluss vom 17. November 1999 – 3 StR 385/99, NStZ 2000, 211).

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 455/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. November 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 7. August 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Auf Anfrage des nicht revidierenden Mitangeklagten begleitete der Angeklagte diesen im Januar 2009 bei einer Fahrt von Utrecht nach Düsseldorf. Den Zweck der Fahrt - den Transport im Fahrzeug versteckter 827 Gramm Kokain - sowie den Grund seiner Bitte - sein Sicherheitsgefühl durch die Gesellschaft des ihm seit der Kindheit bekannten Angeklagten zu steigern - hatte der Mitangeklagte dem Angeklagten vor Fahrtantritt nicht mitgeteilt; statt dessen hatte er ihm in Aussicht gestellt, in Düsseldorf gemeinsam auf seine Kosten auszuge- hen sowie eventuell "leichte Mädchen" zu besuchen. Erst während der Fahrt auf der Autobahn, etwa 30 Fahrminuten von der Grenze zu Deutschland entfernt, informierte der Mitangeklagte den als Beifahrer neben ihm sitzenden Angeklagten darüber, dass sich im Fahrzeug Kokain befinde, welches er in Düsseldorf übergeben werde. Der Angeklagte nahm dies zur Kenntnis und stellte das Vorhaben des Mitangeklagten nicht in Frage. Durch die Begleitung des Angeklagten fühlte sich dieser bei der Einreise unterstützt. Der Angeklagte wusste, dass er den Mitangeklagten "durch seine Anwesenheit und freundschaftliche Begleitung bei der Einfuhr unterstützte und bestärkte" und wollte dies auch. Menge, Wirkstoffgehalt und die Bestimmung des Kokains zum gewinnbringenden Weiterverkauf nahm der Angeklagte im Hinblick auf den versprochenen Abend in Düsseldorf billigend in Kauf.
4
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Als der Angeklagte in Utrecht in das Fahrzeug stieg, um den Mitangeklagten nach Düsseldorf zu begleiten, und dadurch objektiv zu einer Steigerung dessen Sicherheitsgefühls während der Fahrt beitrug, hatte er noch keinen Vorsatz, durch seine Präsenz im Fahrzeug den Mitangeklagten bei der Verwirklichung von dessen Betäubungsmittelstraftat zu unterstützen. Allein dass er einen entsprechenden Vorsatz später während der Fahrt aufgrund der erlangten Informationen fasste, begründet seine Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht (BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; BGH NStZ 1983, 452). Eine solche käme vielmehr nur in Betracht, wenn er nach Kenntnis von dem wahren Zweck der Fahrt die weitere Tatbestandsverwirklichung des Mitangeklagten durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten gefördert hätte; denn die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (BGH NStZ 1993, 233, 385; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 827 f.). An einem solchen Tatbeitrag fehlt es indes.
5
a) Ein aktives Tun des Angeklagten zur Unterstützung des Mitangeklagten ist nicht festgestellt. Ein solches liegt nicht allein darin, dass der Angeklagte die Fahrt nach Kenntnisnahme von deren Zweck als Beifahrer fortsetzte. Anders als der ursprünglich nicht eingeweihte Lenker eines Kraftfahrzeuges, der weiterfährt, nachdem er die Vornahme einer strafbaren Handlung in dem Fahrzeug bemerkt hat und diese durch die wahrnehmbare körperliche Tätigkeit der stetigen Einwirkung auf den Antriebs- und Lenkmechanismus des Fahrzeugs fördert (BGH VRS 61, 213 f.), entfaltet der passiv bleibende Beifahrer lediglich durch die weitere Mitfahrt keine vergleichbare Aktivität, die als Unterstützungshandlung durch positives Tun gewertet werden könnte.
6
Zwar ist anerkannt, dass Beihilfe auch durch bloße Anwesenheit im Sinne eines "Dabeiseins" oder "Zugegenseins" bei der Haupttat geleistet werden kann, wenn dadurch die Tatbegehung gefördert oder erleichtert wird (offengelassen in BGH StV 1982, 516 f., bejahend BGH StV 1982, 517, 518 jeweils m. Anm. Rudolphi; Weber aaO Rdn. 829). Jedoch setzt jede Beihilfe durch positives Tun - auch die so genannte psychische - einen durch aktives Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (BGHR § 27 StGB Hilfeleisten

14).

7
Einen solchen hat der Angeklagte nicht geleistet. Er verhielt sich nach den Feststellungen des Landgerichts völlig passiv. Weder billigte er gegenüber dem Angeklagten ausdrücklich den Betäubungsmitteltransport noch nahm er aktiv Handlungen vor, die zumindest als dessen konkludente Billigung verstanden werden konnten.
8
b) Danach kann dem Angeklagten nur angelastet werden, dass er nach Kenntnisnahme vom wahren Zweck der Fahrt den Mitangeklagten nicht zum Anhalten aufforderte und aus dem Fahrzeug ausstieg, und damit der Schwer- punkt der Vorwerfbarkeit allein an ein Unterlassen anknüpfen. Dieses ist jedoch nicht strafbar, weil den Angeklagten keine Garantenpflicht traf, die Betäubungsmitteleinfuhr zu verhindern oder sich von ihr räumlich oder in der Sache zu distanzieren (vgl. BGH StV 1982, 516, 517).
9
3. Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass im Rahmen einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen zu einer früheren Kenntnis des Angeklagten von dem Zweck der Fahrt getroffen werden können, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 156/10
vom
22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Das Verfahren wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die Geiselnahme und die vier der Verurteilung zugrunde liegenden Taten der Vergewaltigung beschränkt. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 9. Oktober 2009 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 4. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem Rechtsmittel eine Aufhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten. Sie erhebt die allgemeine Sachrüge und wendet sich mit Einzelausführungen dagegen, dass das Landgericht nur von einer einzigen Tat im Rechtssinne ausgegangen ist und die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Auch die Nebenklägerin rügt die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den einzelnen Vergewaltigungstaten. Die Rechtsmittel führen sämtlich nur zur Änderung des Schuldspruchs, bleiben aber im Übrigen erfolglos. Die Revision des Angeklagten wendet sich allein gegen die Strafhöhe. Sie hat keinen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte in den Morgenstunden des 7. Mai 2009 die ihm bis dahin unbekannte sechzehnjährige Schülerin S. auf deren Weg zur Schule. Er bedrohte sie mit einem Messer, legte ihr eine Seilschlinge um den Hals und verbrachte sie gewaltsam in seine nahe gelegene Wohnung. Dort hielt er das Mädchen entsprechend seinem zuvor gefassten Plan fest. Er drohte ihr unter Vorhalten des Messers mit dem Tode, falls sie ihm nicht zum Willen sei, und fesselte sie zeitweise auch mit Handschellen und der Seilschlinge. Das hierdurch völlig verängstigte Opfer zwang er - wie von ihm von Anfang an beabsichtigt - im Verlauf dieses und der beiden folgenden Tage zu sexuellen Handlungen, bei denen es zum Geschlechtsverkehr und teilweise zum Oralverkehr kam und der Angeklag- te auch jeweils versuchte, den Analverkehr auszuüben. Im Einzelnen kam es bereits während des ersten Tages zu drei, an den beiden Folgetagen jeweils zu einem mehrstündigen Übergriff. Dabei drohte der Angeklagte dem Mädchen stets mit der Tötung, bei der ersten Tat hielt er ihr dabei das Messer entgegen. Zwischen dem zweiten und dritten Übergriff fesselte er sein Opfer und verbrachte es zeitweise auf den Dachboden. Die Nacht musste es neben ihm im Bett verbringen. Zur Verhinderung der Flucht schloss der Angeklagte das Zimmer ab. Auch am zweiten Tag fesselte er das Mädchen, als er für einige Zeit außer Haus gehen wollte. Nach zwei weiteren Nächten gelang der Nebenklägerin am Vormittag des vierten Tages die Flucht, nachdem der Angeklagte die Wohnung hatte eilig verlassen müssen und dabei im Glauben, sein Opfer werde nunmehr allein unter der Drohung mit Rache im Hause zurückbleiben, auf eine Fesselung verzichtet hatte.
3
Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Geiselnahme gemäß § 239b Abs. 1 1. Alt. StGB sowie als vier Taten der Vergewaltigung beurteilt (die erste Tat gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB; drei weitere Taten gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB; der fünfte festgestellte Übergriff - der dritte im Verlauf des ersten Tages - war nach Auffassung des Landgerichts nicht Gegenstand der Anklage). Diese seien "als eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zu betrachten", wobei das Dauerdelikt der Geiselnahme die während seiner Begehung verwirklichten weiteren Straftaten zur Tateinheit verklammere. Es hat die Strafe dem Strafrahmen des § 239b Abs. 1 StGB (fünf Jahre bis 15 Jahre) entnommen und unter Berücksichtigung der im Tatzeitraum begangenen Vergewaltigungen eine Strafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verhängt. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht abgesehen, da die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 2 StGB nicht vorlagen.

I. Revision der Staatsanwaltschaft
4
Die Revision führt lediglich zur Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten ergeben.
5
1. Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten und einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Einlassung des Angeklagten gefolgt ist, er habe die dauerhafte Einsperrung der Nebenklägerin von Anfang an geplant, um diese wiederholt sexuell missbrauchen zu können.
6
2. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Nebenklägerin entführt , um sie in seiner Wohnung durch Todesdrohung zur Duldung der darauf folgenden sexuellen Übergriffe zu nötigen, § 239b Abs. 1 1. Alt. StGB (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350). Daneben hat der Angeklagte die Nebenklägerin im Verlauf der mehrtägigen Geiselnahme bei insgesamt fünf Gelegenheiten jeweils durch Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für das Leben zum Beischlaf und ähnlichen, das Opfer besonders erniedrigenden sexuellen Handlungen genötigt (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB). Die eingesetzte Gewalt bestand darin, dass er das Opfer über den gesamten Tatzeitraum eingesperrt hatte, um sie am Weglaufen zu hindern und damit die sexuellen Übergriffe zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1993 - 1 StR 739/93, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 10; BGH, Urteil vom 9. März 1993 - 5 StR 1/93, NStZ 1993, 340; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 1998 - 4 StR 347/98, NStZ 1999, 83; BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42).
7
In jedem dieser Fälle hat der Angeklagte bei der Tat ein Messer als Drohmittel verwendet (§ 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB). Zwar ist nur für den ersten sexuellen Übergriff festgestellt, dass der Angeklagte mit dem Messer ausdrücklich drohte, indem er das Opfer fragte, ob er es "immer noch halten müsse", und es sodann auf die unmittelbar neben dem Bett stehende Kommode legte. Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich indes, dass er in den weiteren Fällen mit dem Einsatz des Messers, welches während sämtlicher Übergriffe an diesem Ort verblieb, jeweils konkludent drohte und das Opfer dies auch entsprechend der Vorstellung des Angeklagten als Drohung empfand.
8
3. Auch die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses durch das Landgericht hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
9
a) Bei jedem der Übergriffe zwang der Angeklagte die Nebenklägerin jeweils zur Vornahme oder Duldung verschiedener sexueller Handlungen. Wegen des unmittelbaren Ineinanderübergehens der abgenötigten Handlungen und des fortdauernd eingesetzten Nötigungsmittels liegt dabei in jedem Fall trotz der Mehrheit der abgenötigten Handlungen nur eine Tat der besonders schweren Vergewaltigung vor.
10
b) Für das Verhältnis der Vergewaltigungstaten zueinander gilt Folgendes :
11
aa) Zwischen den vier Taten besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits deshalb Tateinheit, weil die objektiven Ausführungshandlungen teilweise identisch sind. Alle Vergewaltigungen sind mittels eines einheitlichen, durchgehend und ohne Zäsuren im Geschehensablauf eingesetzten Nötigungsmittels, nämlich der Einsperrung des Opfers zu dem Zweck, sexuelle Übergriffe an ihm vornehmen zu können, begangen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1993 - 1 StR 739/93, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 10; BGH, Urteil vom 9. März 1993 - 5 StR 1/93, NStZ 1993, 340; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 1998 - 4 StR 347/98, NStZ 1999, 83; BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 15/05; LK-Rissing-van Saan, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN).
12
bb) Da somit schon unter dem Aspekt der rechtlichen Handlungseinheit nur eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vorliegt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die verschiedenen vom Angeklagten begangenen Gesetzesverletzungen auch unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit oder der Klammerwirkung eines durchgängig verwirklichten Dauerdelikts zur Tateinheit verbunden werden. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin gegen die Rechtsfigur der Tateinheit aufgrund Klammerwirkung erhobenen Einwände bemerkt der Senat lediglich, dass auch dieser Fall keinen Anlass geben könnte, hiervon Abstand zu nehmen (vgl. zum Zusammentreffen von Vergewaltigung mit Geiselnahme insoweit BGH, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 StR 338/08, bei Pfister, NStZ-RR 2009, 361, 365 Nr. 35; BGH, Urteil vom 8. November 2007 - 3 StR 320/07, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 10). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin können die während der Geiselnahme begangenen Straftaten im Schuldspruch voll - nämlich als durch "in mehreren tat- einheitlich zusammentreffenden Fällen" begangen - erfasst werden. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt dargelegt, dass auch bei der Bestrafung eine Berücksichtigung der weiteren Taten möglich ist - wie nicht zuletzt die hohe, an die Höchstgrenze einer zeitigen Freiheitsstrafe heranreichende Strafe beweist, die das Landgericht gegen den noch jungen, bislang nicht bestraften Angeklagten verhängt hat.
13
cc) Da alle Vergewaltigungen nur eine Tat im materiellen Sinn darstellen, sind sie sämtlich auch Gegenstand der Anklage (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 264 Rn. 6 mwN). Das Landgericht wäre deshalb im Rahmen seiner Kognitionspflicht gehalten gewesen, den Angeklagten nach Erteilung eines rechtlichen Hinweises auch wegen des fünften - erst durch die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zutage getretenen - Übergriffs abzuurteilen. Um die Anklage zu erschöpfen, hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts insoweit eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorgenommen.
14
c) Zu der (besonders schweren) Vergewaltigung steht die Geiselnahme in Tateinheit. Die objektiven Ausführungshandlungen sind auch hier teilweise identisch. Die bei der Entführung des Opfers angewendete Gewalt und das Verbringen an einen Ort, an dem es dem ungehemmten Einfluss des Täters weiterhin ausgesetzt war, war zugleich Teil der Gewalt, mit der der Angeklagte sodann die sexuellen Handlungen erzwang (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2003 - 2 StR 421/02).
15
d) Zur Klarstellung des begangenen Unrechts (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 198) sind im Schuldspruch die einzelnen Übergriffe als tateinheitlich zusammentreffende Fälle der beson- ders schweren Vergewaltigung zu bezeichnen. Dies ist für die Fälle der gleichartigen Tateinheit anerkannt (vgl. Meyer-Goßner, aaO § 260 Rn. 26). Für die Fälle mehrfacher Verwirklichung des Vergewaltigungstatbestands im Wege fortlaufender Gewaltanwendung kann nichts anderes gelten. Der Senat hat deshalb den Schuldspruch entsprechend geändert.
16
4. Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
17
5. Zutreffend hat das Landgericht auch von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen.
18
Die formellen Voraussetzungen, unter denen das Gesetz die Maßregelverhängung ermöglicht, liegen nicht vor. In Betracht käme bei dem unbestraften Angeklagten die Anordnung allein nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuleitungsschrift ausführlich dargelegt hat, setzen nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur beide Varianten allerdings voraus, dass der Täter drei bzw. zwei rechtlich selbständige Taten begangen haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1951 - 2 StR 415/51, BGHSt 1, 313, 316; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2001 - 3 StR 458/01, NStZ 2002, 313; LK-Rissing-van Saan/ Peglau, 12. Aufl., § 66 Rn. 81 mwN). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Hierfür sprechen der Wortlaut der Vorschrift, die Systematik des Strafgesetzbuchs, die Gesetzgebungsgeschichte und auch der Sinn und Zweck der Norm.
19
a) § 66 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Angeklagte drei vorsätzliche Straftaten begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB fordert, dass der Angeklagte zwei Straftaten aus dem Katalog des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird. Bereits der Wortlaut ("Taten") deutet darauf hin, dass der Angeklagte jeweils mehrere rechtlich selbständige Taten begangen haben muss.
20
b) Hierfür spricht auch der Vergleich mit anderen Vorschriften. So wird in § 53 Abs. 1 StGB der Begriff "mehrere Straftaten" für die Bezeichnung mehrerer selbständiger Taten verwendet, bei deren gleichzeitiger Aburteilung eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Auch der Begriff des "Verwirkens" wird vom Gesetz hier gebraucht für die Bezeichnung der Festsetzung einer Einzelstrafe für eine selbständige Tat als Grundlage der Gesamtstrafenbildung. Demgegenüber beschreibt § 52 Abs. 1 StGB die tateinheitliche Begehung von Straftaten als die Verletzung mehrerer Strafgesetze oder die mehrmalige Verletzung desselben Strafgesetzes jeweils durch eine Handlung. In diesen Fällen wird nur auf eine Strafe "erkannt". Nach der Gesetzessystematik verweisen § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB somit auf § 53 Abs. 1 und nicht auf § 52 Abs. 1 StGB.
21
c) Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte. Das zweispurige Sanktionensystem - und damit auch die Sicherungsverwahrung - fanden Eingang in das Strafgesetzbuch durch das "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" vom 24. November 1933 (RGBl. I S. 995 - Gewohnheitsverbrechergesetz). Dieses sah für "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" in § 20a RStGB eine Strafschärfung und in § 42e RStGB die obligatorische Anordnung der Sicherungsverwahrung vor. § 20a Abs. 2 RStGB knüpfte die Einstufung eines Angeklagten als "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" an die Begehung von mindestens drei Taten. Dabei musste es sich - um die Bezeichnung als "Gewohnheitsverbrecher" zu rechtfertigen - um drei selbständige Taten handeln. Hiervon ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit jeher ausgegangen. Deshalb sind Einzelakte einer fortgesetzten Handlung auch nicht als vorsätzliche Taten im Sinne des § 20a Abs. 2 StGB angesehen worden (BGH, Urteil vom 21. September 1951 - 2 StR 415/51, BGHSt 1, 313, 314). Auch bei der Reform des Rechts der Sicherungsverwahrung durch das 1. StrRG zum 1. April 1970 ist § 42e Abs. 2 StGB, die Vorschrift, die Sicherungsverwahrung ohne vorangegangene Verurteilung und Strafverbüßung ermöglichte, als Ausnahmevorschrift für besonders gelagerte Fälle, der Begehung mehrerer selbständiger Taten, angesehen worden (vgl. Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4094 S. 20 f.). Auch bei der Ausdehnung der Sicherungsverwahrung durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten im Jahr 1998 hat sich hieran nichts geändert. Auch § 66 Abs. 3 StGB folgt der bis dahin bekannten Differenzierung bei den formellen Voraussetzungen in Täter mit Vorstrafe und Vorverbüßung (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StGB) und solche mit einer Mehrzahl von selbständigen Taten, bei denen auf die Vorverurteilung und Vorverbüßung verzichtet werden kann (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB). Überlegungen, schon nach Begehung von nur einer Tat im Rechtssinn ohne vorangegangene Verurteilung und Strafverbüßung die Sicherungsverwahrung zu ermöglichen, sind nicht angestellt worden (vgl. die Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. Schöch und Prof. Dr. Weigend, Protokoll der 93. Sitzung des Rechtsausschusses am 8. September 1997, S. 10, 22). Eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung ist erst im Zusammenhang mit der Schaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung diskutiert worden. Die im Gesetzgebungsverfahren angehörten Sachverständigen haben sich eindeutig dagegen ausgesprochen und ausgeführt, dass die Reduzierung auf eine Tat als formelle Voraussetzung der Sicherungsverwahrung zu einer erheblichen Unsicherheit bei der Feststellung der materiellen Voraussetzungen - Hang und Gefährlichkeit - führen würde (vgl. die Stellungnahmen der Sachverständigen PD Dr. Kinzig, Prof. Dr. Leygraf und Dr. Schäfer, Protokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses am 5. Mai 2004, S. 14, 15 ff., 22).
22
d) Wegen ihrer grundsätzlich unbeschränkten Dauer greift die Sicherungsverwahrung wie keine andere Sanktion in das Freiheitsgrundrecht ein. Sie ist deshalb - ungeachtet der Ausweitungen ihres Anwendungsbereichs in den vergangenen 15 Jahren - eine Maßregel mit ultima-ratio-Charakter. Die Vorschriften sind daher grundsätzlich eng auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1999 - 3 StR 209/99, BGHR StGB § 66 Abs. 3 i.d.F. 6. StrRG Katalogtat 1). Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hängt von einer Gefährlichkeitsprognose ab. Die dieser innewohnenden Unsicherheiten sind hinzunehmen, solange die Prognose auf hinreichender Sachverhaltsaufklärung beruht und sich auf ein sorgfältig substantiiertes Prognosegutachten stützt. Dabei hängt die Qualität der Prognose entscheidend von der Breite der Prognosegrundlage ab. Die Prognose verliert an Plausibilität, wenn sie nur einen schmalen Ausschnitt der Wirklichkeit zur Grundlage hat (BVerfGE 109, 190 Rn. 180 f.). Mit jeder weiteren Absenkung der formellen Voraussetzungen ginge eine Verringerung der Tatsachengrundlage für die notwendige prognostische Einschätzung der Gefährlichkeit eines Angeklagten sowie für die Feststellung eines bei ihm vorliegenden Hangs zur Begehung erheblicher Straftaten einher.
23
e) Zuletzt führt auch die Überlegung, es dürfe nicht von unerheblichen Abweichungen im Tatgeschehen abhängen, ob Tatmehrheit mit der Folge möglicher Sicherungsverwahrung oder Tateinheit anzunehmen sei, zu keinem anderen Ergebnis. Denn in Fällen, bei denen die (tatmehrheitlich begangenen) Taten in einem sehr engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen, versteht es sich nicht von selbst, dass diese von einander trennbare Lebenssachverhalte darstellen, die jeder für sich als eine der erforderlichen Symptomtaten gewertet werden können und jeweils als selbständige Grundlage für die Prognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB i. V. m. § 66 Abs. 2 StGB in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2001 - 3 StR 458/01, NStZ 2002, 313).
24
f) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht einen Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie eine darauf beruhende Gefährlichkeit des Angeklagten - möglicherweise beeinflusst dadurch, dass es zutreffend die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung für nicht gegeben erachtet hat - nur unzureichend dargelegt hat. Es fehlt jede Erklärung, warum sich bei dem Angeklagten ein eingeschliffenes Verhaltensmuster im Hinblick auf Sexualdelikte ausgebildet haben sollte. Der jetzt 28-jährige Angeklagte ist strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Sein Lebenslauf ist unauffällig verlaufen. Beeinträchtigungen des privaten oder beruflichen Bereichs sind ebenso wenig festgestellt wie Reaktionen der Außenwelt, die dem Angeklagten Gelegenheit gegeben hätten, sein Persönlichkeitsmuster als stabil und eingeschliffen aufrechtzuerhalten.
II. Revision der Nebenklägerin
25
Die Revision der Nebenklägerin, die sich zulässig nur gegen die Beurteilung der Konkurrenzfragen durch das Landgericht wenden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 1 StR 492/99, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 9), bleibt aus den zur Revision der Staatsanwaltschaft insoweit genannten Gründen - von der Änderung des Schuldspruchs abgesehen - erfolglos.

III. Revision des Angeklagten
26
Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Eine Überprüfung des allein angegriffenen Rechtsfolgenausspruchs hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung der Beanstandungen der Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

22
aa) Die jeweilige Bemächtigungslage wurde nicht durch eine zumindest teilidentische Handlung der Angeklagten begründet. Die Nebenklägerin T. wurde am 14. August 2006 überwältigt, die Nebenklägerin E. am 12. September 2006.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 119/13
vom
19. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. September 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Herr
als Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 26. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (nach der Urteilsformel des schriftlichen Urteils: wegen versuchter räuberischer Erpressung) unter Einbeziehung einer Vorstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der Nebenkläger mit der Sachbeschwerde und verfolgt das Ziel, dass der Angeklagte auch wegen - jeweils gemeinschaftlich begangenen - erpresserischen Menschenraubes (§ 239a Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) verurteilt wird. Das Rechtsmittel ist begründet.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die anderweitig verfolgten B. , N. , D. und Y. Y. sowie ein unbekannt gebliebener Tatgenosse entführten den Nebenkläger am 8. Juli 2003 gegen 18:15 Uhr aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes auf Veranlassung und Anweisung des A. Y. von I. zu dem "bordellartigen Betrieb" namens "H. " in der Nähe von M. . Hintergrund dieser Aktion waren Vorwürfe des Nebenklägers gegen den Angeklagten und die Familie des A. Y. im Internet, die er dort unter anderem als "KurdenMafia" bezeichnet hatte. A. Y. hatte daher beschlossen, den Nebenkläger durch seine Brüder entführen zu lassen, um ihn einzuschüchtern und unter Ausnutzung der Einschüchterung zu veranlassen, die verunglimpfende Veröffentlichung im Internet zu löschen.
4
Als der später informierte Angeklagte gegen Mitternacht in der "H. " hinzukam, sah er, dass der Nebenkläger blutende Verletzungen hatte; ihm war klar, dass dieser nicht freiwillig, sondern unter Gewalteinwirkung durch die gesondert Verfolgten zur "H. " gebracht worden und dort nur aufgrund der fortgesetzten Bewachung geblieben war.
5
Als der Nebenkläger den Angeklagten darauf hinwies, dass die Polizei schon von der Entführung informiert worden sei, entschlossen sich der Angeklagte und der bereits zuvor gegen 21:00 Uhr eingetroffene A. Y. , das Lokal zu verlassen und mit dem Nebenkläger in Richtung Süden zu fahren, um ihn weiter einzuschüchtern, einen möglicherweise noch zu erwartenden Widerstand zu brechen sowie auf diese Weise ihre Forderungen gegen den Nebenkläger durchzusetzen. Der Angeklagte hatte dabei insbesondere die Absicht , den Nebenkläger zur Zahlung eines Betrages zwischen 150.000 und 170.000 € als "Wiedergutmachung" zu zwingen, da er meinte, sich wegen des Verhaltens des Nebenklägers, das ihn seiner Auffassung nach in der Ausübung seiner Geschäfte beeinträchtigt und finanziell geschädigt hatte, rächen zu müssen. Dabei war ihm bewusst, dass er tatsächlich keine Forderung gegen den Nebenkläger geltend machen konnte, die von der Rechtsordnung anerkannt werden würde. Der Angeklagte und A. Y. veranlassten den Nebenkläger unter Ausnutzung seiner aufgrund der vorangegangenen Entführung bedrängten Lage, in den Pkw des Angeklagten einzusteigen. Die gesondert verfolgten B. und A. Y. setzten sich auf dem Rücksitz rechts und links neben den Nebenkläger, der Beifahrersitz blieb unbesetzt. Der Angeklagte forderte in Ausführung des zuvor gefassten Planes während der anschließenden Fahrt zur Autobahn und im Weiteren auf der BAB 7 in Richtung Süden bis zur Raststätte Hi. von dem Nebenkläger mehrfach eine notariell beglaubigte Erklärung des Inhalts, dass er die Internetveröffentlichung rückgängig machen und ihm eine finanzielle Entschädigung zahlen werde. Der Nebenkläger erklärte sich schließlich unter dem Druck der Situation bereit, die von dem Angeklagten geforderte Erklärung abzugeben. Dies sollte in F. geschehen, da der Nebenkläger angab, dort ein Büro zu haben.
6
In der Nähe von F. brach der Angeklagte die - inzwischen mit einem anderen Fahrzeug fortgesetzte - Fahrt schließlich ab, da er mit einem Zugriff der Polizei rechnete. Der Angeklagte einigte sich sodann mit dem Nebenkläger , dass dieser die Internetveröffentlichung rückgängig mache und eine Zahlung in Höhe von 170.000 € leiste, sodann werde man sich gegenseitig nicht mehr behelligen. Da der Nebenkläger weiter äußerte, dass man zur Erfüllung der Forderungen nicht mehr weiter fahren müsse, sondern er dies nach seiner Ankunft in Ha. erledigen werde und die Polizei die Fahrzeuginsassen zur Rückkehr aufgefordert hatte, kehrten der Angeklagte und die weiteren Beteiligten mit dem Nebenkläger nach Ha. zurück und setzten ihn vor der Polizei in L. ab. Dabei war der Angeklagte davon überzeugt, dass das massive Vorgehen der früheren Mitangeklagten bei der Entführung und die erlittenen Verletzungen ganz sicher dazu führen würden, dass der Nebenkläger den Forderungen nachkäme. Der - erheblich verletzte - Nebenkläger leistete die Zahlung an den Angeklagten indes nicht.
7
2. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes (§ 239a Abs. 1 StGB) oder Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe zwar eine Geldforderung an den Nebenkläger gestellt. Er habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch an der Entführung nicht mitgewirkt, sondern sei erst später hinzugekommen und habe dann die nicht von ihm, sondern von anderen geschaffene Lage des Nebenklägers ausgenutzt, um von diesem die Zahlung von 170.000 € zu verlangen. Nach § 239a StGB strafbar sei (aber) nur, wer die von ihm selbst geschaffene Lage ausnutzt. Habe ein Dritter diese Lage herbeigeführt oder haben vom Täter unabhängige Umstände das Opfer in seine Hand gegeben, so genüge es nicht, wenn der Täter diese Situation zu einer Erpressung nutzt. Die Entführung oder das Sich-Bemächtigen brauchten zwar nicht eigenhändig ausgeführt werden. Die Entführung, die von den früheren Mitangeklagten begangen worden sei, könne dem Angeklagten aber nicht nach den Regeln der Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft zugerechnet werden, da er selbst kein Tatbestandsmerkmal verwirklicht und auch keinen entsprechenden Vorsatz gehabt habe.
8
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar scheidet nach den getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Geiselnahme nach einer der beiden Alternativen des § 239b Abs. 1 StGB im Ergebnis jedenfalls deswegen aus, weil gegen den Nebenkläger keine qualifizierte Drohung im Sinne dieser Vorschrift gerichtet werden sollte bzw. gerichtet wurde.
Indes hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 1 StGB) rechtsfehlerhaft verneint.
9
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht allerdings ausgeführt , dass die Tatvariante des § 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht in der Weise verwirklicht werden kann, dass der Täter die durch einen Dritten mittels Entführung oder in sonstiger Weise begründete Bemächtigungslage des Opfers lediglich zu einer Erpressung ausnutzt. Allein hierauf beschränkt sich indes die tatbestandliche Einschränkung der Vorschrift. Sie mag daher einer Verwirklichung des erpresserischen Menschenraubs in der Form entgegen stehen, dass dem (gegebenenfalls nur als "Trittbrettfahrer": vgl. MüKoStGB/Renzikowski, 2. Aufl., § 239a Rn. 60 mwN) später durch erpresserische Handlungen in das Geschehen eingreifenden Täter die von Dritten zuvor begründete und weiter aufrecht erhaltene Bemächtigungslage über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet wird (so etwa Immel, Die Gefährdung von Leben und Leib durch Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB), 2001, S. 325; vgl. demgegenüber bei zwar nicht eigenhändiger, aber mittäterschaftlicher Begründung der Bemächtigungslage durch den später aktiv Eingreifenden: BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2000 - 2 StR 379/00, NStZ 2001, 247 f.; bei Begründung der Bemächtigungslage in mittelbarer Täterschaft: Schönke /Schröder-Eser/Eisele, StGB, 28. Aufl., § 239a Rn. 21; Renzikowski aaO). Sie schließt es indes nicht aus, dass der später Hinzutretende § 239a Abs. 1 StGB in anderer Weise verwirklicht. Dazu gilt:
10
Befindet sich das Opfer bereits in der Gewalt von Dritten, die dieses entführt oder sich seiner in sonstiger Weise bemächtigt haben, so kommt durchaus in Betracht, dass ein sich erst danach an dem Geschehen beteiligender Täter eigenständig Gewalt über das Opfer erlangt. So liegt es jedenfalls dann, wenn er durch sein Eingreifen die Situation des Opfers qualitativ ändert und über das Fortbestehen der Bemächtigungslage nunmehr maßgeblich selbst bestimmt (vgl. Renzikowski aaO Rn. 34 und 60). Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen sich das Opfer aufgrund anderer Umstände bereits in einer hilflosen Lage befindet und sich der Täter dies zunutze macht, um das Opfer in seine Gewalt zu bringen (vgl. Renzikowski aaO). Tut er dies in der Absicht , die so gewonnene Herrschaft über das Opfer zu dessen Erpressung auszunutzen , so verwirklicht er in beiden Fallgestaltungen den Tatbestand des § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB.
11
So lag es hier. Nach dem Eintreffen des Angeklagten in der "H. " entschieden nicht mehr die ursprünglichen Entführer darüber, wie mit dem Nebenkläger verfahren werden sollte. Vielmehr bestimmten nunmehr der Angeklagte und A. Y. , dass der Nebenkläger im Pkw des Angeklagten von der "H. " abtransportiert wurde und beide brachten den Nebenkläger in dem Fahrzeug in ihre Gewalt; der Angeklagte bestimmte das FahrzielF. und machte sich dorthin mit dem Nebenkläger auf den Weg. Er entschied später auch über die Freilassung des Nebenklägers. Damit hat er sich des Nebenklägers in der "H. " selbst bemächtigt im Sinne des § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB.
12
b) Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts scheitert eine Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs auch nicht notwendig daran, dass es an dem erforderlichen funktionalen, zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage des Nebenklägers und der vom Angeklagten ins Auge gefassten Erpressung (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 239a Rn. 4a mwN) deshalb fehlt, weil nach der Vorstellung des Angeklagten der Nebenkläger die ihm abzupressende vermögenswerte Leistung erst nach Beendigung der Bemächtigungslage erbringen sollte. Zwar trifft dies ersichtlich auf die vom Angeklagten erstrebte Zahlung von 150.000 bis 170.000 € zu. Indes wollte der Angeklagte den Nebenkläger auch zu der Abgabe eines entsprechenden, notariell beglaubigten Schuldanerkenntnisses nötigen , und die Feststellungen lassen es jedenfalls möglich erscheinen, dass der Nebenkläger diese Erklärung nach dem ursprünglichen Plan des Angeklagten noch während des Andauerns der Bemächtigungslage in F. abgeben sollte. Durch die Abgabe eines schriftlichen Anerkenntnisses einer nicht bestehenden Verbindlichkeit (Schuldschein) kann indes bereits ein Vermögensnachteil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB begründet werden (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394 ff.; zur Notwendigkeit einer konkreten Schadensermittlung s. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3215; vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., NJW 2012, 907, 915 ff.).
13
3. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt auf die Sachbeschwerde des Nebenklägers zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Demgemäß kann auch die ausgesprochene Kompensationsentscheidung nicht bestehen bleiben.
14
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision des Nebenklägers hat demgegenüber keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§ 301 StPO entsprechend; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 301 Rn. 2).
15
Der neue Tatrichter wird mit Blick auf die nach den bisherigen Feststellungen vom Angeklagten erlittene Freiheitsentziehung in der Schweiz (UA S. 8) gegebenenfalls eine Anrechnungsentscheidung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB zu treffen haben.
Becker Hubert Schäfer RiBGH Mayer befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 239/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer,
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten C. M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 12. Dezember 2008, soweit es die Angeklagten B. und C. M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Jugendkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten C. M. zu einer gesonderten Jugendstrafe (§ 31 Abs. 3 JGG) von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafen jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
2
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Hinsichtlich des Angeklagten B. beanstandet sie ferner das Verfahren. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten auch wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Geldwäsche, Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung sowie die Verhängung höherer Strafen.
3
Die Revisionen haben schon mit der Sachrüge Erfolg. Die Verfahrensrüge bedarf daher keiner näheren Erörterung.

I.


4
Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte B. und der frühere Mitangeklagte W. am Abend des 13. Dezember 2006 den ihnen als Drogenhändler bekannten S. in dessen Wohnung im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses auf und erwarben von ihm Haschisch zum Eigenverbrauch. Auf dem Heimweg lehnte der Angeklagte B. den Vorschlag des Mitangeklagten W. ab, S. das möglicherweise aus Drogengeschäften stammende Bargeld, das sie auf dem Tisch in der Wohnung hatten liegen sehen, gewaltsam wegzunehmen. In der darauf folgenden Nacht traf sich der Angeklagte B. in seiner Wohnung mit seinem gesondert verfolgten Bruder M. , dem Angeklagten C. M. und dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Wi. . Sie fassten den Entschluss , S. auszurauben. Gegen 2.00 Uhr nachts gelangten sie durch die nicht verschlossene Haustür in das Wohnhaus. Dort setzten sie absprachegemäß ihre Sturmmasken auf und drückten gemeinsam "unter einigem Kraftaufwand" die Tür zu der Wohnung auf, in der S. auf einer Couch im Wohnzimmer schlief. Einer der Täter forderte den durch die Geräusche wach gewordenen S. auf, sich ruhig zu verhalten, sonst würden er und auch sein Hund "abgestochen". Danach befragt, wo das Bargeld sei, deutete S. , der wegen der Übermacht der Angreifer und der Drohung keinen Widerstand wagte, mit der Hand auf den Wohnzimmertisch. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung wurde eine Haschischplatte im Wert von etwa 400 Euro entdeckt, die Wi. an sich nahm. Der Angeklagte C. M. steckte das auf dem Wohnzimmertisch liegende Bargeld im Wert von 150 Euro ein. M. B. nahm eine Playstation an sich. Ferner wurden ein MP3-Player und eine Kamera entwendet. Nach dem Verlassen der Wohnung trennten sich die Täter und trafen sich später in der Wohnung des Angeklagten B. , wo sie die Beute untereinander verteilten. Die Haschischplatte konsumierten sie gemeinsam.

II.


5
Die Verurteilungen der Angeklagten B. und C. M. können nicht bestehen bleiben, weil die Schuldsprüche sachlich-rechtliche Fehler zum Vorteil der Angeklagten aufweisen.
6
1. Das Landgericht hat die den Angeklagten zur Last gelegte Verwendung eines Messers als Drohmittel mit rechtsfehlerfreien Erwägungen als nicht erwiesen angesehen und die Angeklagten deshalb, was von der Revision auch nicht beanstandet wird, nicht wegen schweren Raubes, sondern wegen Raubes verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet jedoch zu Recht, dass das Landgericht damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat, die gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (vgl. BGHSt 25, 72, 75; BGH NStZ 1999, 415; 2008, 471, 472). Dies stellt einen sachlichrechtlichen Mangel des Urteils dar (vgl. BGH NStZ 1983, 174, 175). Dass die den Angeklagten zur Last gelegte Tat im Anklagesatz lediglich als schwerer Raub bezeichnet wurde und dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten nur wegen Raubes beantragte, änderte nichts an der umfassenden Kognitionspflicht des Landgerichts. Dass eine wirksame Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154 a StPO auf diese Gesetzesverletzungen erfolgt ist, lässt sich weder der Anklageschrift noch sonst den Akten entnehmen.
7
2. Das Landgericht hätte demgemäß eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen folgender Gesetzesverletzungen prüfen müssen:
8
a) Der frühere Mitangeklagte Wi. , der durch das insoweit nicht angefochtene Urteil nur wegen Raubes verurteilt worden ist, hat mit der Wegnahme der Haschischplatte zugleich auch den Straftatbestand des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht (vgl. Körner BtMG 6.Aufl. § 29 Rn. 1352 m.N.), möglicherweise aber auch den Verbrechenstatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, in dem der Vergehenstatbestand des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln aufgeht (BGH StraFo 2005, 82, 83). Dass es sich um eine nicht geringe Menge Haschisch handelte, liegt im Hinblick auf den festgestellten Wert der Platte von etwa 400 Euro jedenfalls nicht fern. Es hätte deshalb der Prüfung bedurft, ob der gemeinsame Tatentschluss , dem Geschädigten das in seiner Wohnung vermutete Bargeld und andere mitnehmenswerte Gegenstände wegzunehmen und die Beute anschließend zu verteilen, auch möglicherweise in der Wohnung verwahrte Betäubungsmittel umfasste und die Angeklagten demgemäß auch hinsichtlich des Sichverschaffens und des Besitzes der Haschischplatte mittäterschaftlich handelten und das Haschisch bis zu dessen Verbrauch in Mitgewahrsam hatten (vgl. BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 10; MünchKommStGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 954; Weber BtMG 3. Aufl. § 29 Rn. 1222). Dies liegt im Hinblick darauf , dass die Angeklagten im Tatzeitraum Haschisch konsumierten und dass sie auch das erbeutete Haschisch gemeinsam verbrauchten, nahe. Hierzu, insbesondere auch zum Wirkstoffgehalt des Haschisch, hätte es daher weiterer Feststellungen bedurft. Dass diese noch getroffen werden können, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.
9
b) Nach den Feststellungen haben die Angeklagten mit dem Eindringen in die Wohnung des Geschädigten zudem mittäterschaftlich den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB verwirklicht, der zu dem nachfolgenden Raub in Tateinheit steht. Der gemäß § 123 Abs. 2 StGB erforderliche Strafantrag ist von dem in seinem Hausrecht verletzten Geschädigten form- und fristgerecht gestellt worden. Der Geschädigte hat unmittelbar nach dem Überfall die Polizei gerufen und ist noch in der Nacht polizeilich als Zeuge vernommen worden. Er hat sowohl die Vernehmungsniederschrift als auch die von einem weiteren Beamten des Kriminaldauerdienstes aufgenommene Strafanzeige unterschrieben. Der damit gegenüber der Verfolgungsbehörde erklärte Wille zur Strafverfolgung genügt den inhaltlichen Anforderungen an einen Strafantrag (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 158 Rdn. 4 m.N.).
10
c) Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht dagegen nicht gehalten, sich der Frage zuzuwenden, ob die Angeklagten sich mit der Wegnahme des möglicherweise aus Drogengeschäften stammenden Bargeldes auch wegen (versuchter) Geldwäsche strafbar gemacht haben. Sinn und Zweck der hier allein in Betracht kommenden Straftatbestände des § 261 Abs. 2 StGB ist es, den Vortäter dadurch gegenüber der Umwelt zu isolieren, dass der aus einer der in Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift genannten Straftaten herrührende Gegenstand „praktisch verkehrsunfähig“ gemacht werden soll (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 27). Wird dem Vortäter ein solcher Gegenstand (gewaltsam) weggenommen , fehlt es am inneren Zusammenhang mit der Ächtung des Tatobjekts und dem Isolierungszweck des § 261 Abs. 2 StGB (vgl. Stree in Schönke /Schröder StGB 27. Aufl. § 261 Rdn. 13). Demgemäß ist der Raub eines sol- chen Gegenstandes kein Sichverschaffen im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift (BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 261 Rdn. 24 m.w.N.). Für das Verwahren und Verwenden eines dem Vortäter geraubten Gegenstandes kann nichts anderes gelten.
11
d) Soweit nach den Feststellungen eine tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener Sachbeschädigung unterblieben ist, kann dahinstehen, ob Verletzter neben dem Eigentümer auch derjenige ist, der, wie der Geschädigte als Mieter, ein unmittelbares obligatorisches Recht an der beschädigten Sache, hier der Wohnungstür, hat (zum Streitstand vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 303 c Rdn. 3). Ob zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils der gemäß § 303 c StGB erforderliche Strafantrag vorlag, ist nunmehr ohne Belang, weil der Generalbundesanwalt „rein vorsorglich“ das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat und die Sache nach der aus anderen Gründen gebotenen Zurückverweisung insgesamt neu zu verhandeln ist.

III.


12
1. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagten B. und C. M. betrifft, auch soweit sie des Raubes schuldig gesprochen worden sind. Eine Teilaufhebung, wie sie die Staatsanwaltschaft ursprünglich mit ihrer Revisionsbegründungsschrift beantragt hat, scheidet aus, weil der Raub und die aus den vorgenannten Gründen möglicherweise von den Angeklagten verwirklichten Gesetzesverletzungen materiell -rechtlich eine Tat bilden (vgl. BGH NStZ 1997, 276). Demgemäß ist die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung der Revision unwirksam und damit unbeachtlich.
13
2. Infolge der Aufhebung der Verurteilungen müssen die Strafen neu zugemessen werden. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts verwiesen.
14
3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 258/13
vom
24. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 27. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Tatkomplex II. 1 freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung sowie der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz freigesprochen. Mit ihrer - nachträglich auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung beschränkten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte am 3. August 2012 gegen 0.50 Uhr eine mit einem Brandbeschleuniger gefüllte und einer Zündvorrichtung versehene Bierflasche (Molotow-Cocktail) in Richtung des geöffneten Fensters zum Zimmer der T. . Dabei nahm der Angeklagte, der zutreffend davon ausging, dass die Zeugin schlafend in ihrem Zimmer lag, deren möglichen Tod ebenso in Kauf wie einen durch die beabsichtigte Explosion verursachten Wohnungsbrand, der weitere Personen gefährden könnte. Der Brandsatz verfehlte allerdings sein Ziel, so dass die Flasche an der an das Fenster angrenzenden Hauswand abprallte und zunächst auf das Fensterbrett und dann auf den Erdboden fiel, wo sie zerbarst, ohne dass eine Detonation ausgelöst wurde. Einen von vornherein für den Fall des Fehlgehens des ersten Wurfes mitgeführten zweiten Brandsatz brachte der Angeklagte nicht mehr zum Einsatz. Vielmehr verließ er den Tatort. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung gewertet. Von dem unbeendeten Versuch sei der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten, weshalb er freizusprechen sei.
3
Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/Kuckein, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
4
Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN).
Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 264 Rn. 10; KK/Kuckein, aaO Rn. 10).
5
Dies hat das Landgericht unterlassen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte mit zwei selbstgebauten "Molotow-Cocktails" zu dem von der Zeugin T. bewohnten Haus begeben. Die Strafkammer hätte deshalb prüfen und entscheiden müssen, ob er damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. WaffG (vgl. Steindorf/Heinrich/Papsthart-Heinrich, Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 WaffG Rn. 3 f.) erfüllt hat. Dass diese Strafvorschrift in der - unverändert zugelassenen - Anklage nicht aufgeführt war, änderte an der Kognitionspflicht des Landgerichts nichts (§ 264 Abs. 2 StPO).
6
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
7
Der neue Tatrichter wird den festzustellenden Sachverhalt wiederum unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben.
Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 479/16
vom
26. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen
ECLI:DE:BGH:2017:260117U3STR479.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Dr. Berg als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 31. Mai 2016, soweit es die Angeklagte M. W. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den mitangeklagten Ehemann der Angeklagten hat es wegen Mordes in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen "in einem besonders schweren Fall" und mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich, soweit es die Angeklagte betrifft, das die Verletzung sachlichen Rechts rügende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie die auf die nicht weiter ausgeführte Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten.

I.


2
Nach den Feststellungen entwickelte der Ehemann der Angeklagten bald nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes eine heftige Eifersucht gegen das Kind, da es ihm die "Frau gestohlen" habe und er für sie nicht mehr im Mittelpunkt stand. Gleichzeitig sah er sich mit der Versorgung des Säuglings, die er meist in der Nacht übernahm, überfordert und durch die Ratschläge und Vorgaben seiner Frau bevormundet. Aus Eifersucht und Frustration, die zunehmend mit Wut gepaart waren, begann er spätestens ab dem 15. Oktober 2015 dem zu diesem Zeitpunkt 14 Tage alten Kind Schmerzen und Verletzungen zuzufügen, wobei er der Angeklagten für sichtbare Verletzungen harmlose Erklärungen lieferte. Auch in der Nacht zum 21. Oktober 2015 übernahm der Mitangeklagte die Versorgung seines Sohnes und begab sich deshalb mit ihm gegen 23.00 Uhr in das Wohnzimmer, während die Angeklagte im angrenzenden Schlafzimmer verblieb. Als er das Kind nach dem Füttern und Wickeln hochhob, glitt es ihm aus der Hand und schlug mit dem Kopf auf den Wohnzimmertisch, worauf es laut zu schreien begann. Da es dem Mitangeklagten nicht gelang, seinen Sohn zu beruhigen, beschloss er gegen Mitternacht, diesen zu töten. Zuvor nahm er über annähernd drei Stunden mehrfach Misshandlungen des Säuglings vor, indem er sich mit vollem Gewicht auf den Kopf des bäuchlings auf einem Kissen liegenden Kindes setzte und dieses, nachdem es zunächst verstummt war, dann aber wieder zu schreien angefangen hatte, mehrere Male heftig schüttelte. Auch dies führte dazu, dass das Kind eine Zeitlang ruhig wurde, bevor es wieder zu weinen begann. Schließlich missbrauchte der Mitangeklagte den Säugling sexuell, indem er seinen erigierten Penis einige Zentimeter weit in dessen Anus einführte. Obwohl die Angeklagte wiederholt das laute Geschrei des Kindes im angrenzenden Wohnzimmer hörte und erkannte, dass der Mitangeklagte dieses "quälte", gab sie sich schlafend und griff nicht ein, um ihrem Mann zu suggerieren, dass sie ihm vertraue. Dagegen traute sie ihm in Wahrheit nicht, sondern nahm zur Erreichung des genannten Zwecks billigend in Kauf, dass er dem Säugling wiederholt Schmerzen zufügte. Der Mitangeklagte, der sich durch das Nichteingreifen der Angeklagten in seinem Tötungsentschluss bestärkt sah, setzte diesen kurz vor 3.00 Uhr um, indem er das Kind mit beiden Händen an der Hüfte packte und seinen Kopf zweimal gegen die Kante des hölzernen Tisches schlug, so dass es alsbald verstarb. Dass die Angeklagte, die im angrenzenden Schlafzimmer die Schreie ihres Sohnes vernahm, es für möglich hielt, ihr Mann werde diesen töten oder durch die körperlichen Misshandlungen in die Gefahr des Todes bringen, konnte das Landgericht nicht feststellen.

II.


3
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft
4
a) Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Sie hat schon deshalb Erfolg, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Diese gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57). Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
5
So liegt es hier. Das Landgericht hat das Vorliegen einer Qualifikation nach § 225 Abs. 3 StGB nur dahingehend geprüft, ob die Angeklagte durch ihr Unterlassen den Säugling in die Gefahr des Todes gebracht hat (§ 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 StGB). Hingegen hat es nicht erörtert, ob die Angeklagte den Verbrechenstatbestand gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB - durch Unterlassen - verwirklicht hat, obwohl nach den Feststellungen das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift in Betracht kommt. Im Einzelnen:
6
aa) Der Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat, also durch einen Angriff im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB, in die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung bringt (vgl. S/SStree /Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 225 Rn. 19 ff.). Entscheidend ist, dass eine der in § 225 Abs. 1 StGB umschriebenen tatbestandlichen Handlungen die naheliegende Möglichkeit begründet, sie werde zu den in den Alternativen des § 225 Abs. 3 StGB genannten Weiterungen führen (vgl. LK/Hirsch, StGB, 11. Aufl., § 225 Rn. 24). Schwere Gesundheitsbeschädigungen im Sinne des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB sind dabei solche Folgen der Misshandlung, die mit einer anhaltenden nachhaltigen Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit verbunden sind oder in einer lebensbedrohenden, qualvollen oder ernsten und langwierigen Krankheit bestehen. Handelt es sich um eine Unterlassungstat, so begründet der Täter die tatbestandlich vorausgesetzte konkrete Gefahr einer solchen Gesundheitsbeschädigung, wenn er deren Entstehen durch sein Eingreifen hätte abwenden können. In subjektiver Hinsicht ist bezüglich der Verursachung der tatbestandlichen Gefahren des qualifizierten Falles (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 3 Gefahr 1).
7
bb) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 StGB wegen Fehlens der subjektiven Voraussetzungen nicht als erfüllt angesehen, weil die Angeklagte mit der - tatsächlich gegebenen - Gefahr tödlicher Verletzungen des Kindes durch ihren Ehemann nicht gerechnet habe. Indessen hat es nicht geprüft, ob die Angeklagte, als sie die von ihr in Kauf genommenen Misshandlungen des Kindes durch ihren Ehemann nicht unterband, jedenfalls mit der konkreten Gefahr schwerer Gesundheitsbeschädigungen im Sinne des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB rechnete. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil das später getötete Kind nach den Feststellungen erst 19 Tage alt war und im Hinblick auf die Konstitution und besondere Verletzlichkeit eines so jungen Säuglings schon bei nicht allzu gravierenden Verletzungshandlungen erhebliche körperliche Folgen eintreten können. Vor diesem Hintergrund hätte gegebenenfalls auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Betracht gezogen werden müssen.
8
b) Da das Urteil bereits deshalb der Aufhebung unterliegt, kann dahinstehen, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht auf eine Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen erkannt hat.
9
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird - wenn auch er einen Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht sollte feststellen können - zu prüfen haben, ob möglicherweise eine Bestrafung auch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) durch Unterlassen in Betracht kommt. Insoweit gilt:
10
Die Möglichkeit, § 227 StGB aufgrund einer Körperverletzung durch Unterlassen zu verwirklichen, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGH, Urteil vom 22. November 2016 - 1 StR 354/16, NJW 2017, 418, 419 f. mwN). Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Rechtsauffassung des 4. Strafsenats, eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen komme nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird (BGH, Urteil vom 20. Juli 1995 - 4 StR 129/95, NStZ 1995, 589, 590), in dieser Allgemeinheit gefolgt werden könnte (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2006 - 3 StR 244/06, StraFo 2006, 466 f.; Urteil vom 22. November 2016 - 1 StR 354/16, NJW 2017, 418, 420). Denn auch nach der Auffassung des 4. Strafsenats ist dieser Zusammenhang zwischen dem Unterlassen und der tödlichen Folge jedenfalls dann gegeben, wenn dem unterlassenden Garanten anzulasten ist, die zum Tode führenden Gewalthandlungen des aktiv Handelnden nicht verhindert zu haben (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1995 - 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 117 ff.; vom 20. Juli 1995 - 4 StR 129/95, NStZ 1995, 589, 590).
11
Hier hat das Landgericht das Vorliegen einer Körperverletzung mit Todesfolge in subjektiver Hinsicht verneint, da die Angeklagte nicht die Vorstellung gehabt habe, dass der Mitangeklagte Körperverletzungen vornahm, die das Kind in die Gefahr des Todes brachten. Dem hat die Strafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegt, wonach zur Erfüllung des Tatbestandes des § 227 StGB der Vorsatz des Unterlassungstäters sich auf solche Körperverletzungen des aktiv Handelnden beziehen muss, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 118). Die Urteilsgründe lassen indes zweifelhaft erscheinen, ob das Landgericht hierbei hinreichend bedacht hat, dass sich der Vorsatz des Garanten bei einer Unterlassungstat nach § 227 StGB nur auf die Eignung der Körperverletzungshandlung, die Todesgefahr zu begründen, beziehen muss, nicht dagegen auf den Tod des Opfers als Ergebnis des Körperverletzungserfolgs. Hinsichtlich der tödlichen Folge genügt in subjektiver Hinsicht Fahrlässigkeit (§ 18 StGB). Die qualifizierende Tatfolge muss daher lediglich vorhersehbar sein. Für deren Vorhersehbarkeit reicht es aus, dass der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte erkennen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310).
12
Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen nach §§ 13, 222 StGB käme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen hier schon dann in Betracht, wenn die Angeklagte aufgrund ihrer akustischen Wahrnehmungen hätte erkennen können, dass der Mitangeklagte im Begriff war, den gemeinsamen Sohn zu töten.
13
2. Die Revision der Angeklagten
14
Dagegen ist dem Rechtsmittel der Angeklagten der Erfolg zu versagen. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb schon unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 StPO. Auch die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler nicht aufgedeckt. Der Schuldspruch wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen unterliegt keiner rechtlichen Beanstandung. Insbesondere belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils die vom Landgericht angenommene Tatbestandsalternative des "Quälens" im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB durch Unterlassen in objektiver und subjektiver Hinsicht.
15
a) Quälen im Sinne dieser Vorschrift bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender (erheblicher) Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art. Es wird im Allgemeinen durch mehrere Tathandlungen bewirkt, wobei oft erst die ständige Wiederholung mehrerer Körperverletzungshandlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB erfüllen, den besonderen Unrechtsgehalt des Quälens verwirklichen (BGH, Urteile vom 30. März 1995 - 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 115; vom 17. Juli 2007 - 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 306). Ob sich mehrere Körperverletzungen zu einer als Quälen zu bezeichnenden Tathandlung zusammenfügen, ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden. Dabei sind räumliche und situative Zusammenhänge, zeitliche Dichte oder eine sämtliche Einzelakte prägende Gesinnung mögliche Indikatoren (BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 - 4 StR 11/15, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Misshandlung 1; vom 20. März 2012 - 4 StR 561/11, NStZ 2013, 466, 467). Die zugefügten Schmerzen oder Leiden müssen über die typischen Auswirkungen einzelner Körperverletzungshandlungen hinausgehen. Ist dies der Fall, so kann Quälen auch durch Unterlassen begangen werden (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli2003 - 4 StR 190/03, NStZ 2004, 94 f.; vom 23. Juli 2015 - 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Tathandlungen 1). In subjektiver Hinsicht, in der bedingter Vorsatz genügt (BGH, Urteil vom 4. August 2015 - 1 StR 624/14, NStZ 2016, 95, 97), ist es erforderlich, dass der Täter den Vorsatz hat, dem Opfer erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die typischen Auswirkungen hinausgehen, die mit der aktuellen Körperverletzungshandlung verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2012 - 4 StR 561/11, NStZ 2013, 466, 467 mwN; Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Tathandlungen 1).
16
b) Vorliegend standen die mehrfachen, innerhalb eines Zeitraums von wenigen Stunden vorgenommenen gravierenden Verletzungshandlungen des Ehemanns der Angeklagten in einem engen zeitlichen und - bedingt durch dessen Übernahme der Versorgung des Säuglings in dieser Nacht - situativen Zusammenhang, der den Übergriffen ein besonderes Gepräge gab, so dass die dem Säugling wiederholt zugefügten erheblichen Schmerzen über die typischen Auswirkungen der einzelnen Verletzungshandlungen hinausgingen und sich als Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB darstellten. Die Feststellungen tragen auch die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagte es wegen des heftigen Geschreis ihres Kindes für möglich hielt, dass der Mitangeklagte den Säugling in diesem Sinne quälte, was sie aufgrund ihrer Garantenstellung zu unterbinden verpflichtet war. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann entnommen werden, dass die am Ort des Geschehens nicht anwesende Angeklagte aufgrund ihrer akustischen Wahrnehmungen nicht nur von situativ bedingten einzelnen Verletzungshandlungen ausging, sondern damit rechnete, dass der Mitangeklagte dem Säugling wiederholt erheblich wehtat, was sie hinnahm, um ihrem Mann zu zeigen, dass sie ihm vertraue. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts den Umstand, dass das Kind phasenweise still war, dahin missdeutete, dass dieses sich zwischendurch immer wieder beruhigt hatte, weil es über die vorangegangenen Schmerzen hinweggekommen war. Denn selbst wenn die Schmerzen aus ihrer Sicht immer wieder abklangen, stellte die wiederholte Misshandlung des Säuglings ein in sich geschlossenes Geschehen dar, in dem diesem immer wieder Leiden zugefügt wurde. Damit ist jedenfalls ein bedingter, auf die Zufügung über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehender Schmerzen gerichteter Vorsatz festgestellt.
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 5 8 / 1 5
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. August 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der nicht revidierende Mitangeklagte G. 211,9 Gramm Kokain sowie 755,2 Gramm Cannabisharz zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Er versteckte die Drogen an ver- schiedenen Stellen in seiner Wohnung, wo sie am 24. Oktober 2013 bei einer Wohnungsdurchsuchung aufgefunden wurden. In der Wohnung nächtigte zu diesem Zeitpunkt neben weiteren Personen auch der Angeklagte. Er hatte sich schon zuvor auf Bitten des G. bereit erklärt, einen Teil des Straßenverkaufs zu übernehmen und zu diesem Zweck 10 Kokain-Briefchen mit insgesamt 8,69 Gramm Kokain in seinem Schrankfach im Schlafzimmer gelagert.
3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Zwar habe er Kenntnis davon gehabt, dass G. Betäubungsmittel in der Wohnung gelagert habe, die er verkaufen wollte. Er habe G. aber weder unterstützt noch dies vorgehabt.

II.

4
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
1. Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob diesem dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZRR 2004, 238; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928). So liegt es hier:
7
Dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, einen Teil des Straßenverkaufs zu übernehmen, steht zur Überzeugung des Landgerichts aufgrund des Umstands fest, dass 10 Kokain-Briefchen in einer Schrankabtrennung gefunden wurden, in der sich auch der Ausweis des Angeklagten befand. Die Einlassung des Angeklagten sowie des Wohnungsinhabers G. , es habe keine feste Zuteilung der Schrankabtrennungen gegeben, hat das Gericht als reine Schutzbehauptung bewertet, die lebensfremd erscheine.
8
Diese Überzeugungsbildung des Landgerichts ist lückenhaft. Das Landgericht ist offenkundig davon ausgegangen, dass in einer Wohnung vorhandene Schrankfächer nach allgemeiner Lebenserfahrung den einzelnen Nutzern einer Wohnung fest zugeteilt werden. Schon das Bestehen eines solchen Erfahrungssatzes erscheint zweifelhaft. Jedenfalls aber hätte sich das Gericht mit tatsächlichen Umständen auseinandersetzen müssen, die einen solchen Erfahrungssatz hier in Frage stellen können. Solche Umstände waren vorliegend gegeben , denn zum Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung hielten sich in der Wohnung neben dem Angeklagten und dem Wohnungsinhaber G. regelmäßig noch drei weitere Personen auf. Die Küche war provisorisch eingerichtet, alle fünf Personen schliefen auf am Boden liegenden Matratzen. Der Schrank, in dem sich die Kokain-Briefchen befanden, bestand aus vier Abtrennungen. Für die Strafkammer bestand daher hinreichend Anlass, insbesondere die vorgefundene Wohnsituation sowie die Existenz von nur vier Schrankabtrennungen für fünf Personen in die Beweiswürdigung einzustellen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht schon unter Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre.
9
2. Dessen ungeachtet tragen die landgerichtlichen Feststellungen auch nicht den Schuldspruch, denn hinsichtlich der Beihilfehandlung des Angeklagten fehlen ausreichende Feststellungen zum äußeren und inneren Tatgeschehen.
10
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN).
11
Feststellungen dazu hat das Landgericht nicht getroffen. Die knappen Ausführungen, der Angeklagte habe sich an dem späteren Verkauf der 10 Kokain -Briefchen beteiligen wollen, belegen für sich genommen keine tatsächlich erfolgte Förderung oder Erleichterung der Haupttat. Zwar kann eine Haupttat in Ausnahmefällen auch schon durch das bloße Bereiterklären späterer Unterstützung gefördert oder erleichtert werden. Aber auch die Voraussetzungen einer solchen psychischen Beihilfe sind nicht belegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte den Haupttäter G. durch seine Zusage, ihm beim späteren Abverkauf zu unterstützen, in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm ein erhöhtes Sicherheitsgefühl gegeben hätte.
12
Eine bloß versuchte Beihilfe ist demgegenüber straflos. Auch eine Verurteilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) käme nur dann in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten täterschaftliche Qualität erreichen sollte. Ist seine Mitwirkung - wie hier - im Falle der Durchführung nur als die eines Gehilfen zu werten, bleibt er insoweit straffrei (Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - 2 StR 315/01, NStZ-RR 2002, 74,

75).

13
Da indes nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein neuer Tatrichter noch ergänzende Feststellungen zur Beihilfehandlung des Angeklagten - jedenfalls aber zu den Voraussetzungen eines möglichen Besitzes von Betäubungsmitteln - treffen kann, verweist der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Tatgericht zurück. Fischer Eschelbach Ott RiBGH Zeng ist wegen Bartel Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 344/15
vom
4. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040216B1STR344.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2014
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei schuldig ist, sowie
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die weiteren Mitangeklagten hat es jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied der Gruppierung „Red Legion“, die am Tatabend aus mindestens 26 Personen bestand. Diese der „Red Legion“ zugehörigen Personen hattenelf Angehörige der gegnerischen Gruppierung „Black Jackets“ aus einer Bar gelockt und umstellt , um sie ohne Vorwarnung in Überzahl plötzlich und brutal anzugreifen und erheblich zu verletzen. Nachdem der neben dem Angeklagten stehende A. den Anführer der gegnerischen Gruppierung mit dem Messer angegriffen und ihm zwei Stiche in den Bauch versetzt hatte, begann „explosionsartig“ der Angriff. Der Angeklagte, der den Einsatz des Messers gesehen hatte, blieb bis zum Ende des Kampfgeschehens bei den Angreifern. Konkrete Angriffshandlungen des Angeklagten konnten nicht festgestellt werden. Der Angeklagte erlitt jedoch im Zuge seiner Verwicklung in Kampfhandlungen selbst eine Stichverletzung.
4
Ein weitergehender Tatplan der Angreifer, der das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen umfasste und sich darauf erstreckte, mit diesen die Gegner lebensgefährlich zu verletzen oder zu töten, konnte nicht festgestellt werden. Jedem Angreifer war aber bewusst, dass es bei den Angegriffenen auch zu tödlichen Verletzungen kommen könnte.
5
Tatsächlich wurde im Rahmen des Kampfgeschehens ein Mitglied der „Black Jackets“ durch Stiche mit einem Messer getötet. Wer das Messer auf diese Weise eingesetzt hatte, der genaue Zeitpunkt im Kampfgeschehen, die zeitliche Abfolge und die sonstigen Umstände der Messerstiche konnten nicht aufgeklärt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob der Angreifer, der die tödlichen Messerstiche gesetzt hatte, zuvor den Messerangriff des Angeklagten beobachtet hatte.
6
Die Strafkammer hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, der Angeklagte müsse sich die tödlichen Messerstiche als Mittäter zurechnen lassen. Er sei bei dem Aufspüren der „Black Jackets“ und deren Herausholen aus der Bar an vorderster Stelle und Sprecher gewesen und habe den Handlungsablauf federführend gestaltet. Er habe ein erhebliches Interesse an der Konfrontation gehabt. Ihm sei bewusst gewesen, dass A. das Messer im Laufe der Auseinandersetzung möglicherweise erneut in lebensgefährlicher Weise einsetzen würde und dass auch weitere Tatgenossen bewaffnet sein oder ansonsten von tödlicher Gewalt Gebrauch machen könnten. Trotz dieser Erkenntnis habe er bewusst und willentlich an den weiteren Kampfhandlungen teilgenommen, hierdurch mögliche tödliche Folgen auf Seiten des Gegners billigend in Kauf genommen und dies durch seine Mitwirkung auch unterstützt.

II.

7
Der zu der rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen tateinheitlich hinzutretende Schuldspruch wegen Mordes hat keinen Bestand.
8
1. Die tödlichen Stiche können dem Angeklagten auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden.
9
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f. und vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Voraussetzung für die Zurechnung späteren fremden Handelns als eigenes mittäterschaftliches Tun ist ein zumindest konkludentes Einvernehmen der Mittäter.
10
An dieser Zurechnungsgrundlage fehlt es. Die Tathandlung des Angeklagten wurde nach den Feststellungen nicht von einem gemeinsamen Tatplan hinsichtlich des Mitführens von Waffen und der Tötung eines Gegners getragen. Sie ist auch nicht Teil einer späteren konkludenten Erweiterung des Tatplans durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Angeklagten mit dem für die tödlichen Stiche verantwortlichen Angreifer.
11
Der vor Beginn des Kampfgeschehens gefasste gemeinsame Tatplan sah keine Bewaffnung und keine Tötung der Gegner vor. Für den Angeklagten, der den Einsatz des Messers durch A. beobachtet, ist dessen Handeln ein Exzess. Feststellungen über eine Erweiterung des Tatplans unter Einbindung des die tödlichen Stiche setzenden Angreifers sind nicht getroffen worden. Eine mögliche einseitige Zustimmung des Angeklagten zur todbringenden Verwendung mitgeführter Messer durch andere Angreifer würde ohnehin nicht genügen. Ein zumindest konkludentes wechselseitiges Einvernehmen hätte zunächst vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die das Kampfgeschehen eröffnende Messerattacke und eine hierauf bezogene Billigung durch den Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat. Dies alles ist nicht festgestellt. Damit entbehrt der Schluss des Landgerichts, auch der tödliche Messerstich sei aufgrund einer konkludenten Erweiterung des ursprünglichen Tatplans dem Angeklagten zuzurechnen, einer tragfähigen Grundlage.
12
2. Eine Verurteilung wegen Beihilfe scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ebenfalls aus.
13
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZRR 2015, 343, 344; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.
14
Auch eine psychische Beihilfe scheidet aus. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung dazu nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN). Die Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB kann zwar auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Das hätte vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende den Angeklagten und dessen Billigung eines Tötungsdelikts wahrgenommen hat und dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm zumindest ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde. Beides ist indes nicht festgestellt. Nach der umfassenden und besonders sorgfältigen Beweiswürdigung ist auszuschließen, dass das Landgericht noch weitere Feststellungen treffen könnte.
15
3. Der Angeklagte war nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer Mittäter der begangenen gefährlichen Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen.
16
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen auch einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), der nach dem Wegfall der Verurteilung wegen Mordes nicht mehr zurücktritt.
17
Die tödlichen Messerstiche wurden durch die vorsätzlich begangene, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung verursacht. Nach den Feststellungen erfolgten sie im Rahmen des Kampfgeschehens, das durch einen plötzlichen Angriff der äußerst aggressiv gestimmten und sich in Überzahl befindenden Angreifer eröffnet worden war, nachdem sie ihre Gegner umzingelt hatten. Darin war die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang angelegt. Der hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge erforderlichen Vorhersehbarkeit steht dabei nicht entgegen, dass der Angeklagte vor dem Beginn des Kampfgeschehens nichts von dem Mitführen eines Messers gewusst hatte. Denn es reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310).
18
Der Angeklagte hat sich darüber hinaus auch wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
19
4. Der Senat konnte den Schuldspruch entsprechend ändern (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär
24
aa) Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings selbst bei deren Billigung nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN sowie BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 419/15 Rn. 11 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 135/13
vom
10. Oktober 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Dezember 2012 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Ihm war vorgeworfen worden, im Zustand der Schuldunfähigkeit eine gefährliche Körperverletzung und eine versuchte schwere Brandstiftung begangen zu haben. Der Beschuldigte soll unter dem Einfluss einer exazerbierten paranoiden Schizophrenie eine 82-jährige demenzkranke Frau zu Boden gestoßen, sie mit den beschuhten Füßen getreten und in seiner Wohnung einen Vorhang in Brand gesetzt haben. Aufgrund der Erkrankung seien in Zukunft von ihm weitere schwerwiegende Aggressionshandlungen und Brandstiftungen zu erwarten. Gegen die Ablehnung der Unterbringung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen leidet der zur Tatzeit 47 Jahre alte Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Im Jahr 1988 hielt er sich erstmals freiwillig für mehrere Monate in einem psychiatrischen Krankenhaus auf. Anfang des Jahres 1999 wurde für ihn eine gesetzliche Betreuung eingerichtet. In der Folgezeit kam es bei dem Beschuldigten bis August 2007 immer wieder zu freiwilligen Klinikaufenthalten und Einweisungen nach Betreuungsrecht. Teilweise gingen den Einweisungen auch Polizeieinsätze voraus. Zwei gegen den Beschuldigten in den Jahren Jahr 2001 und 2002 wegen Sachbeschädigung , Bedrohung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Beleidigung, Körperverletzung und Volksverhetzung eingeleitete Ermittlungsverfahren wurden jeweils wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aus dem gleichen Grund stellte die Staatsanwaltschaft im April 2004 ein gegen ihn wegen des Verdachts des Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren ein.
3
Am 1. Dezember 2008 bezog der Beschuldigte eine eigene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Anbindung an eine Betreuungseinrichtung. Die erforderlichen Medikamente bekam er durch eine Klinikambulanz verabreicht. Zu stationären Behandlungen kam es in der Folgezeit nicht mehr. Ab Anfang des Jahres 2010 nahm er an einer ABM-Maßnahme teil. Obgleich der Beschuldigte Anfang 2011 seinen Arbeitsplatz gekündigt, den Kontakt zu der Betreuungseinrichtung abgebrochen und die Medikation abgesetzt hatte, kam es zunächst nicht zu Auffälligkeiten.
4
Der Beschuldigte wohnt seit Ende des Jahres 2008 auf der gleichen Etage mit der jetzt 82 Jahre alten Rentnerin R. W. . Er ging mit FrauW.
des Öfteren spazieren, übernahm für sie das Wäschewaschen und die Einkäufe. Hierfür erhielt er von ihr deren Bankkarte und die zugehörige Geheimzahl. R. W. litt spätestens seit Ende des Jahres 2010 an seniler Demenz und stand deshalb seit Anfang des Jahres 2011 unter gesetzlicher Betreuung. Der Beschuldigte erkannte die Erkrankung nicht und empfand ihre sich häufenden Bitten um Gefälligkeiten als aufdringlich. Nachdem R. W. Ende 2011 im Auftrag ihrer Betreuerin die Bankkarte zurückgefordert hatte, kam es am 15. Januar 2012 in ihrer Wohnung zu einem Streit zwischen dem Beschuldigten und ihrer Tochter M. W. . In dessen Verlauf forderte der sich zu Unrecht verdächtigt fühlende Beschuldigte in aggressivem Ton Geld für seine Tätigkeiten und riss ein Telefon aus der Wand.
5
Am 17. Januar 2012 stritt der Beschuldigte aus einem nicht mehr aufklärbaren Grund mit R. W. in ihrer Wohnung. Dabei versetzte er ihr – Verletzungenbilligend in Kauf nehmend – einen Stoß, durch den sie zu Boden fiel. Anschließend kehrte er in seine Wohnung zurück. Frau W. erlitt durch den Sturz ein Hämatom im Bereich des linken Ellenbogens mit einer offenen Schürfung, multiple Hämatome im Bereich des linken Ober- und Unterarms , ein deutliches Monokelhämatom am linken Auge sowie Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule.
6
Als kurze Zeit später von einem Nachbarn alarmierte Polizeibeamte an der Tür zur Wohnung des Beschuldigten klopften und ihn lautstark baten, die Tür zu öffnen, lehnte er dies ab. Daraufhin wurde seine Wohnung umstellt. Nachdem in der Wohnung ein Feuerschein sichtbar geworden war, traten die Polizeibeamten die Wohnungstür ein. Zeitgleich sprang der Beschuldigte aus dem Fenster und wurde festgenommen. In der Wohnung brannte ein zweiteiliger Vorhang vor dem Fenster des Wohn-/Schlafbereichs. Der Brand konnte von einem Polizeibeamten mit dem Wasser aus einem zuvor von dem Beschuldigten im Badezimmer befüllten Wassereimer gelöscht werden. Durch das Feuer war der linke Teil des Vorhangs nahezu vollständig abgebrannt. Außerdem kam es zu Brandspuren auf einem Tisch, Einbrandspuren auf dem mit dem Estrich nicht fest verbundenen PVC-Boden und Rußanhaftungen an einem Heizkörper. Die Wohnung blieb zu Wohnzwecken nutzbar. Das Landgericht hat einen technischen Defekt als Brandursache ausgeschlossen. Ob der Brand von dem Beschuldigten fahrlässig oder vorsätzlich verursacht worden ist, hat es nicht sicher festzustellen vermocht. Es hat deshalb zu seinen Gunsten eine fahrlässige Brandverursachung angenommen.
7
Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil von Frau W. als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet. Die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB hat es mit der Begründung verneint, dass ein selbstständiges Weiterbrennen wesentlicher Gebäudeteile nicht festzustellen gewesen sei. Für eine versuchte schwere Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB) fehle es an dem erforderlichen Vorsatz. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB lägen nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer akuten Exazerbation der bei ihm seit vielen Jahren bestehenden und zuletzt medikamentös unbehandelten paranoiden Schizophrenie aufgehoben gewesen sei, doch könne ihm die für eine Unterbringung erforderliche Gefahrenprognose nicht gestellt werden.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
9
1. Die geltend gemachten Verfahrensrügen sind nicht zulässig erhoben.
10
a) Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, weil es bedeutsame, zum Inbegriff der Hauptverhandlung gewordene Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen KHK D. unerörtert gelassen hat, ist nicht mit einem dem Bestimmtheitserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Tatsachenvortrag unterlegt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 – 1 StR 586/73, BGHSt 25, 272, 274; Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 85 mwN). Die Revision führt dazu lediglich aus, es sei „da- von auszugehen“, dass der Zeuge KHK D. auch dazu gehört wurde,was der Beschuldigte ihm gegenüber berichtet hat. Dieser Wendung kann schon nicht die bestimmte Behauptung entnommen werden, der Zeuge habe in der Hauptverhandlung auch tatsächlich ausgesagt, dass sich der Beschuldigte ihm gegenüber in der von der Revision für beweiserheblich erachteten Weise geäußert hat.
11
Dessen ungeachtet scheitert die Rüge auch deshalb, weil eine Aussage des Zeugen KHK D. mit dem von der Revision für erörterungspflichtig erachteten Inhalt verfahrensrechtlich nicht bewiesen ist. Weder dem Protokoll noch dem Urteil kann etwas dazu entnommen werden. Einem anderweitigen Nachweis stünde das vom Revisionsgericht zu beachtende Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme entgegen (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 5 StR 40/09, NStZ-RR 2009, 180; Beschluss vom 3. September 1997 – 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 213 f.).
12
b) Die Beschwerde, das Landgericht habe sich nicht ausreichend mit den seiner Bewertung entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. zur Gefahrenprognose auseinandergesetzt und dadurch gegen seine Erörterungspflicht aus § 261 StPO verstoßen, dringt nicht durch, weil die zu ihrer Rechtfertigung vorgebrachten Tatsachen verfahrensrechtlich nicht bewiesen werden können.
13
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen nicht auszuschließen vermocht, dass der Beschuldigte bei Absetzen der erforderlichen Medikation wieder in einen Zustand geraten kann, in welchem er aufgrund einer erneuten Exazerbation seiner paranoiden Psychose seine Reaktionen nicht angemessen zu kontrollieren vermag. Soweit die Revision behauptet, der Sachverständige habe in der Hauptverhandlung weitere – inhaltlich abweichende – beweiserhebliche Ausführungen zur Gefahrenprognose des Beschuldigten gemacht, findet sich dafür weder in den Urteilsgründen noch im Protokoll eine Bestätigung. Einem anderweitigen Nachweis steht auch hier – wie der Generalbundesanwalt zu Recht ausgeführt hat – das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme entgegen.
14
2. Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
15
a) Die auf den Zweifelsgrundsatz gestützte Verneinung einer vorsätzlichen Brandlegung ist rechtlich bedenkenfrei.
16
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Vermag er – wiehier – Zweifel an einer (vorsätzlichen) Täterschaft des Beschuldigten nicht zu überwinden , ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lücken- haft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 StR 466/12, Rn. 10; Urteil vom 16. August 2012 – 3 StR 180/12, NStZ-RR 2013, 20; Urteil vom 20. Februar 2008 – 5 StR 564/07, NStZ-RR 2008, 180).
17
Daran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Überprüfung stand.
18
aa) Soweit die Revision meint, das Landgericht sei verpflichtet gewesen, das „frühere Einlassungsverhalten des Angeklagten“ im Urteil wiederzugeben, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Landgericht hat keine Feststellung getroffen oder Wertung vorgenommen, die ohne eine Kenntnis des Aussageverhaltens des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren nicht nachvollzogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Anhaltspunkte für die von der Revision vorgetragenen Widersprüche im Aussageverhalten des Beschuldigten, die der Darlegung und Erörterung bedurft hätten, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Der Verzicht auf die Wiedergabe der früheren Angaben in den Urteilsgründen verstößt daher nicht gegen die an dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zu messende Darstellungspflicht (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07, NStZ-RR 2008, 148, 149 f.).
19
bb) Die Annahme des Landgerichts, die Brandursache sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, beruht auf möglichen Schlussfolgerungen und einer Gesamtwürdigung aller im Urteil aufgeführten Indizien. Das Landgericht hat auch keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht gelassen, die eine andere Bewertung des Geschehens nahegelegt hätten. So ergeben die Urteils- gründe nicht, dass die hoch emotionale Auseinandersetzung mit der Zeugin R. W. vor dem Brandgeschehen eine aussagekräftige Indizwirkung für eine vorsätzliche Brandlegung hatte und deshalb in diesem Zusammenhang erörterungsbedürftig war. Soweit die Revision nähere „Feststellungen“ zur Plausibilität der Einlassung des Beschuldigten vermisst (Erforderlichkeit einer Kerzenbeleuchtung, Wegrollen der weiter brennenden Kerze usw.), ist die revisionsrechtliche Überprüfung – mangels erhobener Verfahrensrügen nach § 244 Abs. 2 StPO – auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils beschränkt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07, NStZ-RR 2008, 148, 149; vgl. Beschluss vom 17. März 1988 – 1 StR 361/87, BGHSt 35, 238, 241; Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 186 mwN). Da auch der angehörte Brandsachverständige das Umfallen einer Kerze als Brandursache nicht auszuschließen vermocht hat, kann kein durchgreifender Rechtsfehler darin gesehen werden, dass das Landgericht diese Form der Brandlegung als möglich in Betracht gezogen hat, ohne die Einlassung des Beschuldigten noch einer ins Einzelne gehenden Plausibilitätsüberprüfung zu unterziehen. Zudem durften die rechtsfehlerfrei festgestellten Löschanstrengungen des Beschuldigten als ein zusätzliches und aussagekräftiges Indiz gegen eine vorsätzliche Brandlegung herangezogen werden.
20
cc) Schließlich offenbart auch der Umstand, dass in den Urteilsgründen nicht näher mitgeteilt wird, warum der als Zeuge vernommene Brandermittler der Polizei KHK D. am Morgen nach dem Vorfall „aufgrund des Gesamt- sachverhalts“ von einer vorsätzlichen Brandlegung ausgegangen ist, keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Das Landgericht hat für die Beurteilung der Brandursache sachverständige Hilfe in Anspruch genommen und in Übereinstimmung mit dem Gutachten entschieden. Anders als bei der Abweichung von einem widerstreitenden weiteren Gutachten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 5 StR 372/05, NStZ 2006, 296 mwN) besteht im Fall der Abweichung von der Beurteilung einer Fachfrage durch einen Zeugen keine über die allgemeinen Grundsätze hinausgehende Darlegungspflicht.
21
b) Die Erwägungen mit denen das Landgericht eine die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigende Gefährlichkeitsprognose verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
22
aa) Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, Rn. 43). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, Rn. 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10 mwN).
23
bb) Das sachverständig beratene Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass es bei dem Beschuldigten zu erneuten Exazerbationen seiner paranoiden Schizophrenie kommt und er seine Reaktionen deshalb auch künftig nicht angemessen zu kontrollieren vermag. Es konnte aber nicht feststellen, dass von ihm deswegen in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Die Anlasstat sei aufgrund der geringen Intensität der Körperverletzungshandlung und des durch die beiderseitige Erkrankung geprägten schwierigen Verhältnisses zwischen dem Beschuldigten und der Zeugin nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Eine während der vorläufigen Unterbringung gegenüber Klinikmitarbeitern ausgesprochene Todesdrohung erfülle diese Voraussetzungen ebenfalls nicht, weil diese Äußerung von der besonderen Unterbringungssituation abhängig gewesen sei. Hinsichtlich der eingestellten Ermittlungsverfahren lasse sich nicht sicher sagen, ob der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Taten überhaupt begangen habe. Als prognosegünstig sei zu bewerten, dass der Beschuldigte trotz sich wiederholender Exazerbationen seiner Erkrankung seit 2001 nicht mehr straffällig und die Anlasstat maßgeblich von dem speziellen Verhältnis zu der Geschädigten mitbestimmt worden sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte in Zukunft Taten begehen werde , die den bisher begangenen Taten entsprechen, sei deshalb als gering zu bewerten. Schließlich bestehe auch kein Anlass zu der Annahme, dass der Beschuldigte in Zukunft Brandstiftungstaten begehen werde.
24
cc) Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Landgericht bei der Beurteilung des Zustands des Beschuldigten und der zu erwartenden Entwicklung seiner Erkrankung dem Sachverständigen gefolgt, dann aber aufgrund der allein ihm obliegenden rechtlichen Bewertung der Ergebnisse des Gutachtens (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 3 StR 52/06, NStZ-RR 2007, 74; Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3055; Urteil vom 26. April 1955 – 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 117 f. jeweils zu §§ 20, 21 StGB) zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Beschuldigten nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit defektbedingte Taten von Gewicht zu erwarten sind. Dabei hat es hinsichtlich der Bedrohung zu Recht auf die durch die vorläufige Unterbringung begründete Ausnahmesituation abgehoben (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, 170; MüKoStGB/ van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 63 mwN) und der länger währenden Straffreiheit des Beschuldigten trotz bestehenden Defekts eine erhebliche prognosegünstige Bedeutung beigemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 143; Schöch in: LK-StGB, 12. Aufl., § 63 Rn. 74 mwN). Entgegen der Meinung der Revision hat es auch nicht verkannt , dass schon die erste Straftat eine Gefährlichkeit des Täters begründen kann. Eines Eingehens auf die Frage, ob auch die Gefahr fahrlässiger Brandstiftungen eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag, bedurfte es nicht, weil das Landgericht dafür keine Anhaltspunkte gesehen hat. Angesichts der nur geringen Wahrscheinlichkeit für zukünftige mit der Anlasstat vergleichbare Taten, kann es dahinstehen, ob die Bewertung des Landgerichts, bei der Körperverletzung zum Nachteil der über 80 Jahre alten, als klein und gebrechlich beschriebenen Zeugin R. W. handele es sichnicht um eine der mittleren Kriminalität zuzuordnende Straftat, vertretbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; MüKoStGB/ van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 54 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Quentin

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 132/02
vom
14. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Juni 2002 gemäß
§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 30. Oktober 2001 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall C II. 23 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Unterschlagung im Fall C II. 23 der Urteilsgründe entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1. Die auf Antrag des Generalbundesanwalts erfolgte Teileinstellung des Verfahrens im Fall C II. 23 der Urteilsgründe läût die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Unterschlagung und die dafür verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten entfallen. Angesichts der verbleibenden 22 Einzelstrafen kann der Senat indes ausschlieûen, daû die Strafkammer ohne Berücksichtigung der weggefallenen Einzelstrafe auf eine niedrigere als die - ohnehin maûvolle - Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten erkannt hätte.
2. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil gibt dem Senat jedoch Anlaû zu folgenden Hinweisen:

a) Die "groûzügige" Zubilligung verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln begründet für sich allein noch keine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Derartige Folgen sind bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuû zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder wenn der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt wird (BGHR StGB § 21 BtMAuswirkungen 12 m. w. N.; BGH NStZ 2002, 31). Hierzu hat das Landgericht keine zureichenden Feststellungen getroffen. Psychodiagnostische Beweisanzeichen für Entzugserscheinungen oder Hinweise auf eine akute Intoxikation
bei Begehung der Straftaten sind für die abgeurteilten Fälle nicht dargelegt (vgl. UA S. 167).

b) Selbst wenn die Anwendung des § 21 StGB in den Einzelfällen gerechtfertigt gewesen wäre, hätte die Strafkammer die Vorschrift des § 21 StGB "mit der dort vorgegebenen Strafmilderungsmöglichkeit" (UA S. 166) nicht erneut bei der Bildung der Gesamtstrafe anwenden dürfen. Die Milderungsmöglichkeit nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB führt lediglich dazu, daû der Strafrahmen für die betreffende Einzelstrafe ermäûigt wird. Dagegen bleibt der Rahmen des § 54 Abs. 1 und 2 StGB für die Bildung der Gesamtstrafe unverändert. Lediglich bei der zusammenfassenden Bewertung des gesamten Schuldumfanges aller Taten im Rahmen der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGHSt 24, 268, 270) wird auch der Umstand einer verminderten Schuldfähigkeit Bedeutung erlangen.

c) Der durch die Besonderheiten des Falles nicht gebotene auûerordentliche Umfang der Entscheidungsgründe von 168 Seiten gibt Anlaû zu dem Hinweis , daû nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe neben den für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, nur solche Feststellungen enthalten müssen, die zum Verständnis und zur Beurteilung der Tat notwendig sind. Überflüssige Ausführungen zum Randgeschehen machen die Darstellung unübersichtlich und können die Gefahr sachlichrechtlicher Mängel begründen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts , sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in denen eine Straftat gesehen werden kann. Mit der Beweiswürdigung soll der Tatrichter - unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten - lediglich belegen, warum er bestimmte bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. So ist es beispielsweise nicht erfor-
derlich, die der Feststellung von Betäubungsmittelgeschäften vorausgehenden Telefonüberwachungsmaûnahmen in allen Einzelheiten zu schildern und über mehrere Seiten den Inhalt der geführten Telefongespräche wörtlich wiederzugeben.
VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf ist infolge Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Miebach Miebach Winkler Pfister Becker