Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2019 - 1 StR 476/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Hohoff und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Leplow,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
die Nebenklägerin persönlich – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizhauptsekretärin – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Der Revisionsführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von zwei Monaten zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 3
- Als der Angeklagte in den Abendstunden des 3. Januar 1988 seine Wohnung verließ, hatte er bereits den Entschluss gefasst, eine Frau zu vergewaltigen. Zu diesem Zweck nahm er einen Schraubenzieher als Drohmittel mit.
- 4
- Spätestens nach Beendigung der sexuellen Handlungen fasste der Angeklagte den Entschluss, die Geschädigte zu töten. Er verband ihr mit einem eigens mitgeführten Tuch die Augen, fesselte ihre Hände mit einem ebenfalls mitgeführten Schal und stieg mit der Geschädigten aus dem Auto. Er führte sie ein Stück in den Wald und löste die Fesseln. Nachdem er aufgelacht und zu ihr gesagt hatte, ihr werde nichts passieren, stach er zwecks Verdeckung der zuvor begangenen Straftaten in Tötungsabsicht mehrfach mit dem Schraubenzieher auf ihren Oberkörper ein. Die schwer verletzte Geschädigte sank zu Boden. Der Angeklagte entfernte das Tuch von ihrem Kopf und ging zunächst zum Auto. Dann kam er jedoch zu der hilflos am Boden liegenden Geschädigten zurück, bemerkte, dass diese noch lebte und stach erneut mehrfach mit dem Schraubenzieher in Brust und Rücken, um sie zu töten. Sodann trat er gegen ihren Körper, um zu überprüfen, ob sie auch tatsächlich tot sei. Da die Geschädigte reglos war, ging er davon aus, sie sei tot. Er bedeckte ihren Körper mit Laub und fuhr mit ihrem Fahrzeug davon.
- 5
- Insgesamt fügte der Angeklagte der Geschädigten 18 Stichverletzungen zu, wovon einige Lunge und Brustfell perforierten. In der Achselregion wurde ein großes arterielles Gefäß vollständig durchtrennt. Die Verletzungen waren lebensbedrohlich. Sie erlangte nach einiger Zeit das Bewusstsein wieder und konnte sich zu einer wenig befahrenen Straße schleppen, wo sie gegen 5 Uhr nackt und blutüberströmt von einem zufällig dort vorbeikommenden Autofahrer aufgenommen und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Nur durch eine sofortige Notoperation konnte ihr Leben gerettet werden. Sie leidet bis heute unter den psychischen und physischen Folgen der Tat.
- 6
- 2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine voll erhaltene Schuldfähigkeit des schwer alkoholabhängigen Angeklagten zugrunde gelegt. Sie ist von der Verjährung der Vergewaltigung ausgegangen und hat den Angeklagten wegen der mit direktem Tötungsvorsatz in Verdeckungsabsicht geführten Stiche des versuchten Mordes für schuldig befunden. Strafrahmenverschiebungen hat es abgelehnt. Eine besondere Schwere der Schuld hat es ebenfalls abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat es verneint.
II.
- 7
- 1. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes ist nicht zu beanstanden.
- 8
- Die Beweiswürdigung zur Überführung des hinsichtlich der Vergewaltigungshandlungen geständigen Angeklagten, der sich im Übrigen auf eine Erinnerungslücke beruft, beruht auf einer sorgfältigen Gesamtwürdigung und ist nachvollziehbar dargestellt. Weder die Annahme von direktem Tötungsvorsatz noch von Verdeckungsabsicht zeigt Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat sich zur Begründung dessen mit den relevanten, auch gegenläufigen Aspekten auseinandergesetzt. Soweit die Revision beanstandet, sie hätte eine von ihr erwogene Panikreaktion mit dem Wunsch, sich einfach nur vom Tatort zu entfernen, erörtern müssen, ist dem nicht zu folgen. Dies gilt bereits deswegen, weil eine solche Panik des Angeklagten nicht den Feststellungen entspricht; zudem lässt sich die konkrete Vorgehensweise des Angeklagten, schon die Stiche selbst, insbesondere aber seine Rückkehr zu der bereits schwer verletzten Geschädigten mit dem Wunsch, den Tatort so schnell wie möglich zu verlassen, nicht vereinbaren. Zur Erörterung eines solchen fernliegenden Tatmotivs war das Landgericht nicht gehalten.
- 9
- 2. Auch der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
- 10
- a) Die Annahme voll erhaltener Schuldfähigkeit ist rechtsfehlerfrei. Hierbei hat das sachverständig beratene Landgericht darauf abgestellt, dass das Tatverhalten sich nicht situativ entwickelt habe, sondern von einer gewissen Vorbereitung gekennzeichnet gewesen sei. Bei der Tat selber habe der Angeklagte keine Ausfallerscheinungen gezeigt; vielmehr sei sein Leistungsverhalten unbeeinträchtigt gewesen, was insbesondere durch planvolles und zielgerichtetes Handeln zu Tage getreten sei. So sei es ihm nicht nur gelungen, in das Auto der Geschädigten zu klettern, auch habe er ihren Versuch, sich während der Fahrt aus dem Auto fallen zu lassen, durch einen gezielten Griff verhindern können. Er habe örtliche Orientierung bewiesen und sich trotz der Zeitdauer der detail- und variantenreichen Vergewaltigungshandlungen stets bestimmend und direktiv verhalten und hierzu präzise Anweisungen gegeben. Er habe klare Vorstellungen von den einzunehmenden Stellungen und Sexualpraktiken gehabt und diese auch durchgesetzt. Mit der Geschädigten habe er dabei situationsadäquat und in differenzierter Weise kommuniziert. Auch hinsichtlich der möglichen Tatentdeckung sei er vorausschauend vorgegangen, indem er Zigarettenreste eingesammelt und den Beifahrersitz des Fahrzeugs abgeklopft habe.
- 11
- Dies ist auch im Hinblick auf die Alkoholisierung des Angeklagten angesichts der Aussagekraft der herangezogenen psychodiagnostischen Leistungskriterien , die nicht nur motorische Fähigkeiten betreffen, tragfähig.
- 12
- b) Auch die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erweist sich als rechtsfehlerfrei.
- 13
- Die Strafzumessung und die Wahl des Strafrahmens sind Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 477/18, NStZ-RR 2019, 105 und vom 4. April 2019 – 3 StR 31/19 Rn. 15, jeweils mwN). Bei der Darstellung seiner Zumessungserwägungen ist das Tatgericht nur gehalten , die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Aus dem Umstand, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, das Tatgericht habe ihn nicht gesehen oder nicht gewertet (BGH, Urteil vom 4. April 2019 – 3 StR 31/19 Rn. 15 mwN). Einen durchgreifenden Rechtsfehler stellt es indes dar, wenn das Tatgericht bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erkennbar außer Betracht lässt (BGH aaO).
- 14
- Ein solcher Rechtsfehler liegt nicht vor. Das Landgericht hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens für die Frage der Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs zutreffende Rechtsmaßstäbe angewandt. Es hat diese aufgrund einer Gesamtschau der schuldrelevanten Umstände beantwortet und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie umfassend gewürdigt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. November 2017 – 2 StR 166/17, NStZ-RR 2018, 102, 103 mwN). So hat es vor allem auf die Aneinanderreihung glücklicher Umstände abgestellt, die eine Vollendung verhindert haben, so u.a. darauf, dass die Durchtrennung der Arterie, die unter normalen Umständen binnen weniger Minuten zum Tode geführt hätte, nur aufgrund des engen Stichkanals und der Bildung einer Thrombose an der Durchtrennungsstelle das Überleben sicherte, sowie auf das zufällige Vorbeikommen des rettenden Fahrzeugs auf der sonst um diese Tageszeit unbefahrenen Straße. Auch die Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Versuchs durch die Vielzahl der Stichverletzungen ist rechtsfehlerfrei. Denn anders als die Revision meint, ist diese dargelegte Gefährlichkeit nicht schon durch die Annahme des Versuchs eines Mordes abgegolten.
- 15
- Dass das Landgericht der so dargelegten besonderen Nähe zur Tatvollendung und der konkreten Gefährlichkeit des Versuchs – mithin den für die Strafrahmenverschiebung insbesondere beachtlichen Faktoren – gegenüber den für den Angeklagten sprechenden Umständen überwiegendes Gewicht beigemessen hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist auch kein relevanter Strafzumessungsfaktor unberücksichtigt geblieben. So hat das Landgericht in die Gesamtwürdigung zu seinen Gunsten vor allem die zum Tatzeitpunkt fehlenden Vorstrafen, die alkoholbedingte Enthemmung und das Teilgeständnis in den Blick genommen.
- 16
- Auch den Zeitablauf zwischen Tat und Urteil, der zu den Umständen gehört, die nach am Einzelfall orientierten Maßgaben Einfluss auf die Bemessung der Strafe gewinnen können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 – GSSt 2/17, BGHSt 62, 184 Rn. 25), hat das Landgericht ersichtlich in Betracht gezogen und als Umstand für die Strafzumessung nicht unberücksichtigt gelassen. So war dies einer der maßgeblichen Aspekte, mit denen die besondere Schwere der Schuld abgelehnt wurde. Die Berücksichtigung wird aber auch belegt durch die in die Gesamtwürdigung für die Frage der Strafrahmenverschiebung eingestellte Erwägung, dass die Geschädigte bis heute, „auch mehr als 30 Jahre nach der Tat“ unter gravierenden Folgen leidet. Dass das Landgericht den Einfluss des Zeitablaufs durch die fortdauernden Folgen für die Geschädigte relativiert gesehen hat (vgl. BGH aaO Rn. 30), hält sich im Rahmen des tatgerichtlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn aus strafzumessungsdogmatischer Sicht ist die Bedeutung des Zeitablaufs weder absolut, noch wird dadurch eine Regelwirkung begründet ; vielmehr ist eine generalisierende, die konkreten Einzelfallumstände außer Acht lassende Wertung mit den die Strafzumessung allgemein prägenden Grundsätzen und dem Wesen des zeitlichen Abstands zwischen Tat und Urteil als Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB nicht vereinbar (BGH aaO Rn. 31).
- 17
- Die vom Landgericht getroffene Wertung ist angesichts der Umstände dieses Einzelfalls auch nicht unvertretbar. So sind keine Aspekte ersichtlich, die das Landgericht unberücksichtigt gelassen hat und die insbesondere dazu geeignet wären, unter den Aspekten von Schuld und Spezialprävention die Tat in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen, als es bei schneller Ahndung der Fall gewesen wäre (BGH aaO Rn. 30; LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 240 mwN). So hat sich der Angeklagte, der seit der Tat neben Bagatelldelikten wegen Vergewaltigung und versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung bestraft worden ist, seit der Tat nicht straflos geführt ; auch handelt es sich bei der abzuurteilenden Tat nicht um eine einmalige Verfehlung.
- 18
- c) Die von der Revision beanstandete Versagung eines Härteausgleichs bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – 2 StR 403/09, BGHSt 55, 1, 3 ff.; Urteil vom 8. November 2018 – 4 StR 269/18 Rn. 19) erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei, da keine aus- zugleichende Härte vorliegt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2019 – 5 StR 479/18 Rn. 32).
- 19
- 3. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt hat aus dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen Bestand.
Hohoff Leplow
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.