Bundesgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2009 - 1 StR 167/09

bei uns veröffentlicht am09.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 167/09
vom
9. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. Dezember 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Oktober 2008 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu 60,-- Euro verurteilt, der Einzelstrafen von 150, 120, 140 und 90 Tagessätzen zu Grunde lagen. Wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung hat das Landgericht 60 Tagessätze der Gesamtgeldstrafe für vollstreckt erklärt. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagte war Gesellschafterin der in E. geschäftsansässigen Br. B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH). Geschäftsgegenstand des Unternehmens war der An- und Verkauf von Branntwein und sonstigen alkoholischen Getränken. Geschäftsführer der Gesellschaft war der Ehemann der Angeklagten, der zwischenzeitlich verstorbene P. B. .
Die Angeklagte arbeitete im Unternehmen mit und war für die Buchführung zuständig.
4
In den Jahren 1999 bis 2002 kaufte die B. GmbH von dem anderweitig wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilten L. in insgesamt 331 Einzelgeschäften 146.247 Liter reinen Alkohols an, der in den diesbezüglichen Ankaufsbelegen wahrheitswidrig als Tresterbranntwein deklariert wurde. Tatsächlich handelte es sich um Branntwein, der von dem anderweitig wegen Steuerhinterziehung verurteilten W. aus Zucker und Hefe in einer „Geheimbrennerei“ (UA S. 18) gewonnen worden war, ohne dass W. die erforderlichen Steueranmeldungen abgegeben hatte. Dadurch war Branntweinsteuer in Höhe von 1.905.596,-- Euro hinterzogen worden.
5
Beim Ankauf des unversteuerten Branntweins wirkte die Angeklagte im Einvernehmen mit ihrem Ehemann arbeitsteilig regelmäßig dergestalt zusammen , dass dieser den Branntwein aus den Transportbehältnissen des Lieferanten abpumpte, die angelieferten Mengen und deren Alkoholgehalt bestimmte und diese Werte auf einem Notizzettel vermerkte. Anhand dieser Notizen erstellte sodann die Angeklagte den Ankaufsbeleg, berechnete den Kaufpreis und zahlte diesen an L. aus. Hierbei nahm die Angeklagte billigend in Kauf, dass es sich bei L. s Lieferungen um illegal hergestellten und unversteuerten Branntwein handelte. Gleichwohl wirkte sie bei den Ankäufen mit, um der B. GmbH und somit sich selbst durch den gewinnbringenden Weiterverkauf des Branntweins eine ständige Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
6
2. Die Strafkammer hat der Angeklagten im Tatzeitraum lediglich die Einzelankäufe der B. GmbH bei dem Lieferanten L. zugerechnet, für die die Angeklagte entsprechende Ankaufsbelege selbst unterzeichnet hatte. Dabei hat das Landgericht die Ankäufe eines Kalenderjahres jeweils zu einer Tat der Steuerhehlerei zusammengefasst, um so die jährlichen Mengen Branntwein, die der Zeuge L. aus rechtmäßiger Quelle bezogen und neben dem unversteuerten Branntwein geliefert hatte, in Abzug bringen zu können.

II.

7
1. Soweit die Revision die Verletzung formellen Rechts rügt, weil sich die Strafkammer einerseits nicht an eine Wahrunterstellung, mit der ein Beweisantrag zurückgewiesen worden war, gehalten und weil sie unter Verstoß gegen § 261 StPO eine in der Hauptverhandlung verlesene Urkunde nicht hinreichend erörtert habe, bleibt die Revision aus den vom Generalbundesanwalt, auch schon in seiner Antragsschrift vom 31. August 2009, zutreffend dargelegten Gründen erfolglos.
8
2. Weiter rügt die Revision, die Strafkammer habe einen in entsprechender Anwendung von § 265 StPO gebotenen Hinweis unterlassen. Im Urteil sei nämlich festgestellt worden, dass der Zeuge L. den illegal hergestellten Branntwein allein von dem Zeugen W. erworben habe. Demgegenüber war in der Anklage noch davon die Rede, dass L. , der stets einräumte , dass der gesamte von ihm an die B. GmbH gelieferte Branntwein nicht versteuert war, einen Teil des Branntweins seinerseits von einem unbekannten Vortäter erhalten habe.
9
Auch diese Rüge ist unbegründet. Im Hinblick auf die von der Revision geltend gemachten tatsächlichen Gesichtspunkte war eine aus entsprechender Anwendung von § 265 StPO folgende Hinweispflicht nicht gegeben. Eine solche besteht vielmehr grundsätzlich nur dort, wo – wie in den Fällen einer Änderung der Tatzeit, der Tatbeteiligten, des Tatopfers oder der Tathandlung – die Abweichung solche Tatsachen betrifft, in denen die Merkmale des gesetzlichen Straftatbestandes gefunden werden (BGH StV 1988, 472, 473; NStZ 2000, 48, 49). Soweit es um Änderungen der Tatbeteiligten geht, handelt es sich etwa um Fälle, in denen das Gericht – anders als angeklagt – nicht von eigenhändiger Täterschaft oder von anderer unmittelbarer Tatbeteiligung ausgegangen ist (BGH, Beschl. vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 476/76 = MDR 1977, 108 f.; BGH MDR 1980, 107 f.; BGH NStZ-RR 2002, 98).
10
Eine solche oder eine damit vergleichbare Abweichung liegt hier nicht vor. Die Frage, ob W. oder jemand anders hinsichtlich eines Teils der abgeurteilten Mengen Vortäter des Vortäters der Steuerhehlerei der Angeklagten ist, führt nicht dazu, dass die Tat aufgrund der Abweichung eine andere, in ihrem Wesen von der angeklagten Tat verschiedene Verwirklichung des identischen Strafgesetzes darstellt (vgl. BGH, Beschl. vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 476/76). Der der Angeklagten gegenüber erhobene Schuldvorwurf betrifft den Ankauf illegal hergestellten Branntweins, für den keine Branntweinsteuer gezahlt worden war. Dieser wurde vom Zeugen L. , der insoweit als Zwischenhehler aufgetreten ist (vgl. Jäger in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht , 7. Aufl. § 374 AO, Rdn. 8), an die B. GmbH verkauft. Im Hinblick auf dieses Tatgeschehen enthält das Urteil ebenso wenig eine Abweichung zur Anklage wie im Hinblick auf die Menge des angekauften Branntweins.
11
Die maßgeblichen Feststellungen in diesem Zusammenhang hat das Landgericht aufgrund einer in revisionsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung getroffen, nachdem es zu einer von der Anklage abweichenden Aussage des Zeugen L. gekommen war. Dass es zu der abweichenden Aussage des Zeugen kam, wurde von der Revision bereits in der Begründungsschrift vorgetragen und in der Revisionshauptverhandlung bestätigt. Dieser Verfahrensgang bestätigt aber zusätzlich, dass die Strafkammer nicht gegen eine sie in diesem Zusammenhang treffende Hinweispflicht verstoßen hat. Denn die verfahrensgegenständliche Abweichung erweist sich lediglich als Konkretisierung des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne, mit der ein Angeklagter zu rechnen hat und die ihn grundsätzlich nicht überraschen kann, wenn er die Verhandlung verfolgt, deren Beweisergebnis die Feststellung dieser Konkretisierung rechtfertigt (BGH NStZ 2000, 48 f. m.w.N.). Allein der Umstand, dass in der Hauptverhandlung angefallene neue Erkenntnisse zum Vortäter des Vortäters – je nach den Umständen des Falles – neue Möglichkeiten der Verteidigung eröffnen können, führt nicht dazu, dass diese neuen Erkenntnisse eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen würden.
12
3. Zuletzt macht die Revision geltend, dass das Landgericht unter Verstoß gegen § 261 StPO im Selbstleseverfahren eingefügte Urkunden fehlerhaft gewürdigt habe.
13
a) Die Revision teilt zur Begründung der Rüge den Inhalt von vier Ankaufsbelegen mit, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Branntwein von dem Zeugen L. durch die B. GmbH erstellt wurden. Die Unterschriften auf drei der vier Belege unterscheiden sich nach Auffassung der Revision „so evident von dem Schriftbild der Unterschriften, die die Strafkammer der Angeklagten zugeordnet hat, dass die Strafkammer jedenfalls ohne weitere Be- weiswürdigung gehindert war, diese Unterschriften auch der Angeklagten zuzuordnen“.
14
b) Der Senat braucht der Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge nicht näher nachzugehen (vgl. insoweit einerseits BGHSt 29, 18, 21; andererseits BGH NStZ 2007, 115, 116), da das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß nicht beruhen kann.
15
Soweit das Landgericht der Angeklagten den Ankauf von Branntwein in den drei Einzellieferungen, die mit den fraglichen Ankaufsbelegen dokumentiert wurden, nicht rechtsfehlerfrei zugeordnet haben sollte, hätte sich die Menge des von der Angeklagten angekauften Branntweins um 1.480 Liter reinen Alkohols und demnach die hinterzogenen Steuern um fast 20.000,-- Euro verringert. Der Schuldspruch wäre hiervon nicht berührt. Angesichts der verbleibenden Alkoholmenge von fast 43.000 Litern, die im fraglichen Tatzeitraum (Geschäftsjahr 2001) unter Mitwirkung der Angeklagten angekauft wurde, dem insoweit perpetuierten Steuerschaden von 547.000,-- Euro und der für dieses Geschäftsjahr verhängten Einzelgeldstrafe, kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer unter Zugrundelegung des nur unwesentlich geringeren Schuldumfangs zu einer noch milderen Einzelstrafe zu Gunsten der Angeklagten gelangt wäre.

III.

16
Auch die Sachrüge ist nicht begründet.
17
1. Mit ihren Angriffen auf die Beweiswürdigung zeigt die Revision keine Rechtsfehler auf. Die Schlüsse, die die Strafkammer auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zieht, sind – auch soweit sie sich auf innere Tatsachen beziehen – möglich. Widersprüche oder Lücken sind nicht gegeben. Im Übrigen beschränkt sich die Revision darauf, ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
18
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Danach hat die Angeklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann der B. GmbH den Branntwein verschafft. Hierbei nahm sie zumindest billigend in Kauf, dass die bei dessen Herstellung entstandene Branntweinsteuer hinterzogen worden war. Die Angeklagte handelte hierbei in (Dritt-)Bereich-erungsabsicht. Eine solche ist beim Ankauf bemakelter Ware zum Marktpreis gegeben, wenn die Ware – wie festgestellt – mit Gewinn weiterverkauft werden soll (BGH NStZ 1981, 147). Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Annahme, die Angeklagte habe hierbei gewerbsmäßig gehandelt. Auch wenn die Einnahme mittelbar erzielt wird, ist gewerbsmäßiges Handeln gegeben (vgl. Jäger in Klein AO 10. Aufl. § 373 Rdn. 17 m.w.N.).
19
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt zwar daraufhin, dass grundsätzlich jede Ankaufshandlung bemakelter Gegenstände i.S.v. § 374 AO eine selbstständige Tat in materieller Hinsicht darstellt. Die Angeklagte ist jedoch dadurch, dass die Strafkammer die Ankaufshandlungen eines Geschäftsjahres zu jeweils einer Tat zusammengezogen hat, nicht beschwert. Der Senat kann im Hinblick auf die verhängten Einzelstrafen ausschließen, dass das Urteil ohne den Rechtsfehler für die Angeklagte günstiger ausgefallen wäre (vgl. § 374 Abs. 1 Alt. 2 AO i.V.m. § 373 Abs. 1 aF, § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB).
20
3. Auf der Grundlage der im Urteil getroffenen Feststellungen ist auch der Schuldumfang rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Senat teilt nicht die Auffassung , aufgrund der Sachrüge habe er die Vereinbarkeit des Urteils mit sich bei den Sachakten befindlichen Ankaufsbelegen zu überprüfen. Eine Verfahrensrü- ge ist insoweit nicht erhoben. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Verfahrensrüge , die mit der Begründung erhoben wurde, die Unterschrift auf den dort mitgeteilten Ankaufsbelegen sei fehlerhaft gewürdigt worden (vgl. oben II. 3.).
21
Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts auf die Sachrüge sind die Urteilurkunde und die Abbildungen, auf die nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird. Alle anderen Erkenntnisquellen sind dem Revisionsgericht grundsätzlich verschlossen. Den Akteninhalt darf das Revisionsgericht in der Regel bei der Prüfung der Sachrüge nicht berücksichtigen (Kuckein in KK StPO § 352 Rdn. 16 m.w.N.). Etwas anderes gilt zwar dann, wenn Aktenteile durch eine zulässige Verfahrensrüge zum Gegenstand des Revisionsvortrags gemacht wurden (vgl. BGH, Urt. vom 16. Oktober 2006 – 1 StR 180/06; Urt. vom 23. Januar 2003 – 4 StR 412/02; NJW 1986, 1699, 1700; StV 1993, 176, 177). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Mit der unter II. 3. dargestellten Verfahrensrüge macht die Revision lediglich vier von über 350 Ankaufsbelegen zum Gegenstand ihres Vortrags.
22
Anderes ergibt sich auch nicht aus einem Urteil des Senats vom 17. Dezember 1968 (1 StR 161/68; BGHSt 22, 282). Dort war ein Buch, dessen Verfasser die öffentliche Billigung von Straftaten vorgeworfen worden war, im Zuge einer Verfahrensrüge Gegenstand des Revisionsvortrags. Infolge dessen konnte der Senat den Inhalt des gesamten Buches auch bei Prüfung der Sachrüge zur Kenntnis nehmen (BGHSt aaO 289), da es sich um ein einheitliches Beweismittel handelte. Demgegenüber stellen die verfahrensgegenständlichen Ankaufsbelege jeweils für sich eine eigenständige Urkunde dar. Nur soweit diese mit einer Verfahrensrüge in das Revisionsverfahren eingeführt worden ist, kann sie auch im Rahmen der Sachrüge berücksichtigt werden. Die Tatsache, dass die einzelnen Urkunden aufgrund einer einheitlichen Anordnung nach § 249 Abs. 2 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt worden sind, ändert an deren Eigenständigkeit nichts.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

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(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst s

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.

(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 180/06
vom
16. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. Oktober 2006 in der Sitzung am 16. Oktober 2006, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 6. Oktober 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten am 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12. August 1998. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat nunmehr das Landgericht Mannheim das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 1998 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit Rügen der Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung der Strafkammer ist nicht frei von Rechtsfehlern. Erfolg hat auch eine Verfahrensrüge (Verstoß gegen § 261 StPO) der Nebenklägerin. Auf die weiteren Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

I.


2
Dem Angeklagten H. W. wird vorgeworfen, seine Ehefrau A. , geborene Z. , von der er getrennt lebte, in den frühen Morgenstunden des 29. April 1997 - zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr - in deren Wohnung mit einem Schal stranguliert und so versucht zu haben, sie zu töten.
3
1. Die Strafkammer hat dazu Folgendes festgestellt:
4
A. W. , nach Scheidung der Ehe - und deshalb auch im Folgenden - wieder Z. , war am 7. März 1996 aus der ehelichen Wohnung in der B. straße in G. ausgezogen. Sie wohnte schließlich - seit Februar 1997 - in der Erdgeschosswohnung des elterlichen Reihenhauses in der E. straße in Bi. . Ihr Vater, Wo. Z. , übernachtete häufig in der darunter liegenden Einliegerwohnung. In dieser Souterrainwohnung hatten auch der Angeklagte und seine Frau zu Beginn ihrer Ehe kurzfristig - von September bis Weihnachten 1994 - gewohnt. Erneut hatte die Geschädigte dort unmittelbar nach der Trennung vorübergehend - von März bis Mai 1996 - Unterschlupf gefunden. Die Wohnungen sind durch die Kellertreppe verbunden.
5
Im Schlafzimmer der Erdgeschosswohnung hatte sich A. Z. in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1997 zu Bett begeben, einem Doppelbett in dem auch der damals zwei Jahre und einen Monat alte gemeinsame Sohn K. schlief. Spätestens kurz vor 2.18 Uhr betrat eine der Geschädigten bekannte männliche Person die Wohnung. Zugang hatte sich der Mann entweder mit Hilfe eines Schlüssels verschafft oder er war von A. Z. selbst eingelassen worden. Ein Einbruch scheidet aus. Im Wohnzimmer kam es zu einem Streit, in deren Verlauf der Mann laut und erregt drohte: „Ich bring’ dich um, ich schlag dich tot - mit mir kannsch du des nett machen!“ A. Z. erwiderte mit weinerlicher, wimmernder Stimme: „Was willsch’en von mir - i heb dir doch nix getan!" In dieser Zeit - so die Strafkammer - entschloss sich der Besucher , A. Z. , die sich zwischenzeitlich in ihr Schlafzimmer begeben hatte, zu töten. Der Mann zog sich zwei aus einer Plastiktüte entnommene Vinyleinweghandschuhe über und schlang einen Wollschal aus der Wohnung der Geschädigten um deren Hals, zog dessen Enden mindestens zwei Minuten lang kräftig zusammen, bis A. Z. , die sich wehrte, das Bewusstsein verlor. Der Täter schleppte sein Opfer in den Flur. Dann wurde er vom Vater der Geschädigten gestört, der an diesem Tag in der darunter befindlichen Einliegerwohnung übernachtete. Um 2.34 Uhr war er durch Poltergeräusche, als deren Ursache er Möbelrücken im Zusammenhang mit laufenden Renovierungsarbeiten seiner Tochter vermutete, geweckt worden und wollte sich bei seiner Tochter über diese nächtliche Störung beschweren, weshalb er die Treppe zur Erdgeschosswohnung hoch stieg. Dem Täter gelang es jedoch, die Kellertüre der Wohnung der Geschädigten zuzuschlagen und durch die Haupteingangstür der Erdgeschosswohnung unerkannt zu entkommen. Wo. Z. befreite seine Tochter von der Strangulation. A. Z. überlebte zwar. Aufgrund der zeitweisen Unterbrechung der Blutzufuhr und damit der Sauerstoffversorgung des Gehirns wurden dessen Nervenzellen jedoch dauerhaft so schwer und weitreichend geschädigt, dass sich die heutige Hirnfunktion im Wesentlichen auf vegetative Funktionen beschränkt.
6
Die Strafkammer vermochte sich nicht mit der für die Verurteilung notwendigen Sicherheit davon zu überzeugen, dass der Angeklagte der nächtliche Besucher und damit der Täter war.

II.


7
Zu den Grundlagen des Tatverdachts:
8
1. A. Z. konnte zur Aufklärung der Tat nichts mehr beitragen. Sie ist aufgrund der erlittenen Schädigungen nicht mehr in der Lage, Sachverhalte aufzunehmen, sinnvoll zu verarbeiten und hierauf zu reagieren. Kommunikation , sei es sprachlich, schriftlich oder auch nur mimisch ist mit ihr nicht mehr möglich.
9
2. Der zur Tatzeit zweijährige Sohn K. W. hat aus entwicklungspsychologischen Gründen (kindliche Amnesie) keine Erinnerung mehr an die damaligen Geschehnisse und entfiel damit für die Hauptverhandlung vor dem Landgericht ebenfalls als geeigneter Zeuge.
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3. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund folgender Erkenntnisse:
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A) Den Gründen des angefochtenen Urteils des Landgerichts Mannheim ist dazu zu entnehmen:
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a) Es war ein Mann, der A. Z. zu töten versuchte.
13
b) Der Täter war mit der Geschädigten bekannt. Eine Beziehungstat lag nahe. Die Geschädigte betrieb die Scheidung. In diesem Zusammenhang kam es zu Auseinandersetzungen, insbesondere über das Umgangsrecht des Angeklagten mit dem Sohn K. . Dies hätte Anlass zu auch körperlichen Angriffen geben können.

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c) Am Tatort fanden sich zwei Finger von Vinyleinweghandschuhen, einer im Bett von A. Z. , einer im Flur. Sie stammen von zwei Einweghandschuhen unterschiedlicher Größe, die der Täter bei der Tat trug, und wurden beim Kampf - das Doppelbett wurde verschoben - zwischen dem Täter und der Geschädigten abgerissen. Denn an der Außenseite beider Teile fanden sich ausschließlich DNA-Anhaftungen, die von der Geschädigten stammen. An der Innenseite der Fingerteile wurde jeweils eine DNA-Mischspur gesichert, die Merkmale von mehreren, auch unbekannten Personen enthalten. Nur die DNA des Angeklagten und der Geschädigten konnte in beiden Fingern festgestellt werden. In einem der abgerissenen Handschuhfinger (der im Flur) waren sämtliche Merkmale der DNA des Angeklagten zu finden.
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d) Der Angeklagte trägt wegen der Schmerzempfindlichkeit zweier teilamputierter Finger im Alltagsleben häufig Einwegplastikhandschuhe, über die er in seiner Wohnung auch in großer Zahl verfügte.
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e) Am Tatort fand sich im Flur eine Plastiktüte, stammend von der Stadtapotheke P. , darin ein olivfarbenes Dreieckshalstuch, ein Baumwolltaschentuch , ein Latexeinmalhandschuh, vier Vinyleinweghandschuhe, eine Zigarettenschachtel der Marke „Marlboro-Lights“ mit sieben Gramm Amphetamin, verpackt in sieben verschweißten Plastiktütchen, sowie eine rote Zigarettenschachtel der Marke „Marlboro“, die auf der Vorder- und Rückseite jeweils von Hand mit einem Kreuz markiert war und drei aufgeschnittene und wieder verklebte Folienbeutel aus Cellophan-Umverpackungen von Zigarettenschachteln enthielt. Das Dreieckshalstuch, das Baumwolltaschentuch und die Vinyleinweghandschuhe stammen - so wurde festgestellt - aus dem Haushalt des Angeklagten.

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f) An den Enden des zur Strangulierung verwendeten Wollschals fanden sich DNA-Mischspuren. Auch hier kommt der Angeklagte als Miturheber in Betracht.
18
g) An einer Jeanshose der Geschädigten, die am Tatort - im Flur auf dem Boden liegend - sichergestellt wurde, fand sich eine DNA-Mischspur. Der Angeklagte kommt als Mitverursacher in Betracht.
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h) Als die Wohnung des Angeklagten am Tattag durchsucht wurde, fanden sich im Badezimmer - in der Badewanne ausgebreitet - ein T-Shirt und eine Jogginghose, die noch nass waren.
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i) Während des Ermittlungsverfahrens legte der Angeklagte am 13. Mai 1997 den Ermittlungsbeamten der Polizei gegenüber ein pauschales Geständnis ab. Zu Einzelheiten befragt verwickelte er sich allerdings in Widersprüche. Der Angeklagte widerrief sein Geständnis alsbald wieder, es habe sich um ein „Gefälligkeitsgeständnis“ gehandelt, zu dem Mitgefangene ihm geraten hätten.
21
j) Des weiteren ergaben sich während der - neuen - Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim folgende belastende Aspekte:
22
aa) Der Angeklagte behauptete (erstmals), er habe seinen Sohn an dessen zweitem Geburtstag am 6. März 1997 in der E. straße besucht. Dieser Besuch sei harmonisch verlaufen. Er habe mit K. gespielt und mit ihm unter anderem - zusammen mit A. Z. - Blumenzwiebeln im Garten des Anwesens gepflanzt. Bei dieser Gelegenheit habe er wie üblich zum Schutz seiner kälteempfindlichen, teilamputierten Finger Einmalhandschuhe getragen. Diese habe er anschließend im Anwesen E. straße auf dem gemauerten Grill der Terrasse zurückgelassen. Dieser Besuch fand nach den Feststellungen des Landgerichts tatsächlich nicht statt. K. war an seinem zweiten Geburtstag krank, da er tags zuvor eine Erdnuss verschluckt hatte, die im Krankenhaus aus dem linken Hauptbronchus entfernt worden war.
23
bb) Darüber hinaus hat der Angeklagte Teile seiner Einlassung vor dem Landgericht Karlsruhe wahrheitswidrig widerrufen. So stellte er beispielsweise erstmals in der neuen Hauptverhandlung in Abrede, jemals ein olivfarbenes Dreieckshaltstuch, wie es am Tatort in der weißen Kunststofftüte aufgefunden wurde, besessen zu haben. Dies ist nach den Feststellungen der Strafkammer widerlegt.
24
B) Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der in den Urteilsgründen zwar nicht erwähnt ist, dem Revisionsgericht aber in der Revisionsbegründungsschrift der Nebenklägerin mitgeteilt wird. Danach war Gegenstand der Hauptverhandlung das im Internet veröffentlichte Dokument „H. s Tagebuch“ (eingeführt im Wege des Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO), unter anderem mit folgendem Eintrag zum Inhalt eines beschlagnahmten Briefs des Angeklagten an seine damalige Freundin:
25
„Samstag, 03.05.1997 1. Brief an C. (beschlagnahmt) Ich hoffe Du bekommst diesen Brief, wenn es auch über Umwege ist. Scheiß egal. Die wollen mich verurteilen wegen 1. Einbruch, 2. versuchter Mord mit einem B-W-Schal, 3. Drogen. Alle roten Pullis sind sichergestellt worden. Wenn sie sagt, „ja, er war’s“ bin ich für Jahre im Knast. Gestern Mittag habe ich nichts zu essen bekommen (wegen der Fahrt von P nach He. ). Abends, Wurst mit trockenem Brot." (Unterstreichung nur in der Revisionsbegründung)
26
Die Mitteilung dieses Sachverhalts erfolgt zwar im Zusammenhang mit Ausführungen zur Sachrüge. Der Sache nach ist dies jedoch eine - zulässig erhobene - Rüge der Verletzung des § 261 StPO (Inbegriffsrüge).

III.


27
Die Beweiswürdigung der Strafkammer:
28
1. Die Strafkammer hat die oben genannten unter II. 3. A aufgeführten Indizien entweder nicht bestätigt gesehen und im Übrigen als nicht ausreichend zur Überzeugungsbildung hinsichtlich einer Täterschaft des Angeklagten bewertet.
29
a) Die Strafkammer hat insbesondere ausgeschlossen, dass der Täter - dies müsste dann der Angeklagte gewesen sein - die Plastiktüte, aus der er die Einweghandschuhe entnahm, in der Tatnacht mitbrachte, „es war nicht der Angeklagte , der diese Tüte in das Tatortanwesen brachte“. Das Landgericht ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass A. Z. die weiße Plastiktüte - derartige Tüten wurden von der Stadtapotheke P. ab Juni 1995 ausgeteilt - mit den vom Angeklagten stammenden Gegenständen, nämlich dem Dreieckstuch, dem Taschentuch sowie den Einweghandschuhen, bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung im März 1996 mitnahm, also schon vor der Tat bei sich verwahrt hatte, und dass sie selbst dann die beiden Zigarettenschachteln und das Amphetamin in die Tüte legte. Denn die Zigarettenschachteln stammten - so hat die Strafkammer festgestellt - nicht vom Ange- klagten, sondern von der Geschädigten, die eine der Schachteln mit einem Kreuz markiert hatte. Dies schließt das Landgericht aus den Bekundungen von Zeugen, wonach die Geschädigte zuweilen Haschisch und Marihuana konsumiert , entsprechend markierte Zigarettenschachteln „zur Aufbewahrung weicher Drogen genutzt“ und „noch im Jahre 1994 gelegentlich Zigarettenschachteln mit einem Kreuz markiert“ habe. Außerdem „war die markierte Zigarettenpackung vom Tatort erst sieben Monate nach der Trennung der Eheleute W. - im Oktober 1996 - in den Handel gelangt“. „Die Kammer hat weiter keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren, nichts gewusst zu haben , auf sonstige Weise in den Besitz der von A. Z. markierten Zigarettenschachteln gekommen sein könnte". Die Strafkammer hat dann noch ausgeschlossen , dass der Angeklagte das in der Tüte befindliche Amphetamin „unterschieben“ wollte, um anschließend nach einer „inszenierten“ Aufdeckung eines vermeintlichen Betäubungsmittelbesitzes seiner Frau im Scheidungsverfahren die von ihm gewünschte Ausweitung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn zu erreichen, zumal es hierzu keines nächtlichen Besuches bedurft hätte.
30
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren, die vom Angeklagten stammten bzw. herrühren können, hat die Strafkammer jeweils angenommen, dass der Angeklagte diese Spuren zu anderer Zeit ohne Bezug zur Tat hinterlassen haben kann. Die Einweghandschuhe konnte er schon früher benutzt haben. Mit dem Wollschal und mit der Jeanshose konnte er aufgrund familiärer Kontakte ebenfalls auf andere Art und Weise vorher in Berührung gekommen sein.
31
c) Da die in den abgerissenen Fingerteilen der Einweghandschuhe sichergestellte DNA-Mischspur Merkmale von drei beziehungsweise vier Men- schen, darunter von einer nicht bekannten Person enthalte und zudem nicht jede Berührung zur Hinterlassung von Hautpartikeln führen müsse - so die sachverständig beratene Strafkammer -, kommen weitere, auch unbekannte Personen als Täter in Betracht.
32
d) Einen Schlüssel zur einmal auch von ihm genutzten Wohnung in der E. straße hatte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht mehr.
33
e) Die - wechselnde - Erklärung des Angeklagten zu den nassen Kleidungsstücken in der Badewanne (Hantieren mit Heizöl oder Duschen) nimmt die Strafkammer hin.
34
f) Im Aussageverhalten des Angeklagten - behaupteter Besuch beim Sohn K. in der E. straße , Widerruf von Angaben in der ersten Hauptverhandlung - sieht die Strafkammer sein Bestreben, einer erneuten - falschen - Verurteilung zu entgehen, weshalb er auch Zuflucht zu falschen Einlassungen genommen haben mag.
35
g) Dem im Mai 1997 abgelegten und dann widerrufenen Pauschalgeständnis maß die Strafkammer keine belastende Beweisbedeutung zu. Die ergänzenden Angaben des Angeklagten zum Tatgeschehen waren falsch oder widersprüchlich. Das Landgericht folgt der Einlassung des Angeklagten, dass er dieses falsche Geständnis seinerzeit abgegeben habe, „weil er endlich Ruhe vor den Ermittlungsbehörden habe haben wollen und im Übrigen auf ein mildes Urteil gehofft habe“.
36
2. Mit dem Inhalt des in „H. s Tagebuch“ zitierten Brief, d.h. mit dem Satz „Wenn sie sagt, 'ja, er war’s' bin ich für Jahre im Knast“, hat sich die Strafkammer mit keinem Wort auseinandergesetzt, sie hat ihn nicht erwähnt.

IV.


37
1. Die Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.
38
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigesprochen wird, weil das Instanzgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Der Prüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NJW 2005, 1727; BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03 -; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BGH NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147, 148).
39
Gemessen an diesen Grundsätzen zeigen sich durchgreifende Mängel in der Beweiswürdigung des Landgerichts:
40
a) Die Strafkammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Täter während der verbalen Auseinandersetzung spontan zur Tötung von A. Z. entschlossen hat. Mit der Möglichkeit einer schon früher geplanten, jedenfalls für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände schon zuvor ins Auge gefassten Tat, setzt sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung nicht auseinander. Die Erörterung dieser Variante hätte sich jedoch aufgedrängt. Denn konkrete Anhaltspunkte für eine Spontantat hat die Strafkammer nicht festgestellt. Allein aus der ausgestoßenen Drohung „Ich bring’ dich um, ich schlag dich tot - mit mir kannsch du des nett machen!“ kann dies jedenfalls nicht geschlossen werden. Demgegenüber kann die Verwendung von Einweghandschuhen nach der Bewertung durch den Sachverständigen KHK D. in seiner Fallanalyse in den vom Landgericht festgestellten Tatablauf nicht ohne weiteres eingepasst werden. Der Charakter der Tat als eskaliertes soziales Geschehen spreche dagegen, dass der Täter Handschuhe überlegt vor dem Angriff auf das Opfer angelegt habe. Dies liegt an sich auf der Hand. Gleichwohl meint das Landgericht lapidar: „Diesem - keinesfalls zwingenden - Schluss des Sachverständigen schließt sich die Kammer jedoch aufgrund der bereits dargelegten Beweisergebnisse nicht an“. Die gebotene Erörterung der zumindest ebenso nahe liegenden Möglichkeit einer geplanten Tat hätte jedoch die übrigen Beweisumstände in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen können.
41
b) In der Konsequenz dieser verkürzten Sichtweise unterlässt das Landgericht die gebotene Erörterung eines weiteren Punktes: Die Strafkammer schließt zwar - von ihrem Standpunkt aus - ohne Rechtsfehler aus, dass der Angeklagte die Absicht hatte, der Geschädigten die Amphetamine mitten in der Nacht „unterzuschieben“, um so Vorteile im Streit um das Umgangsrecht mit K. zu gewinnen. Das Landgericht erörtert aber nicht die bei einer geplanten Tat nahe liegende Möglichkeit, dass mit dem Betäubungsmittel eine falsche Spur hinsichtlich des potentiellen Täterkreises gelegt werden sollte.
42
c) Grundlage der verkürzten Sicht der Strafkammer ist, dass sie „aufgrund der mit einem Kreuz markierten Marlboroschachtel [davon ausgeht], dass sich die am Tatort sichergestellte weiße Kunststofftüte der Stadtapotheke P. früher im Besitz von A. Z. befand“; „es war nicht der Angeklagte , der diese Tüte in der Tatnacht in das Tatortanwesen brachte“. Die Feststellung , die Zigarettenschachteln und das Amphetamin stammten von A. Z. , beruht jedoch ihrerseits auf einer fehlerhaften (lückenhaften) Beweiswürdigung , da wesentliche Aspekte unerörtert geblieben sind.
43
Für die Strafkammer folgt der Besitz der Geschädigten an den Zigarettenschachteln und am Amphetamin aus den Angaben von Zeugen, wonach A. Z. Rauschmittel konsumierte und dieses in mit Kreuzen gekennzeichneten Zigarettenschachteln verwahrte. Erwähnt, aber nicht in die Beweiswürdigung einbezogen hat die Strafkammer, dass die entsprechenden Beobachtungen spätestens im Jahre 1994/Januar 1995 endeten und sich die Bekundungen , soweit sie glaubhaft waren, nur auf den - gelegentlichen - Konsum von Marihuana und Haschisch bezogen, nicht aber auf Amphetamine. Mit der Variante, der Angeklagte könnte in Kenntnis der (früheren) Übung seiner Frau die Zigarettenschachtel - als Täter - zu Täuschungszwecken selbst entspre- chend vorbereitet haben, setzt sich die Strafkammer bei weitem nicht erschöpfend auseinander: „Die Kammer hat weiter keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren nichts gewusst zu haben, auf sonstige Weise in den Besitz der von A. Z. markierten Zigarettenschachteln gekommen sein könnte.“ Die - nur nebenbei erwähnte - Einlassung des Angeklagten, er habe die Angewohnheit seiner Frau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren, nicht gekannt, hätte den Feststellungen nicht ohne genaueres Hinterfragen zugrunde gelegt werden dürfen. Denn das Gegenteil liegt nahe, wenn diese Gewohnheit selbst im Bekanntenkreis nicht verborgen blieb. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten allein seinen Angaben folgend eher fern liegende Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind. In diesem Zusammenhang hätte es auch nahe gelegen, den Fragen nachzugehen, ob der Angeklagte selbst Betäubungsmittel konsumierte, ob er in den Wochen vor der Tat Kontakt zu Betäubungsmittelhändlern hatte, ob er rauchte, gegebenenfalls welche Marke. Fanden sich Zigarettenschachteln in der Wohnung des Angeklagten, waren - gegebenenfalls - bei diesen dann die Cellophan-Umverpackungen noch vorhanden? Nutzte er sie als Behältnisse auch für andere Dinge?
44
Dass die Geschädigte, sofern sie die Plastiktüte bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung mitnahm, damit dann noch zwei Mal umzog, bewertet die Strafkammer ebenfalls nicht.
45
d) Die Strafkammer würdigt weiter nicht, dass es außer dem Angeklagten und dem Tatopfer keine Person gibt, die Spuren an den Innenseiten beider ab- gerissener Fingerteile, die von beiden Einmalhandschuhen stammen, hinterlassen hat.
46
e) Dass die vom Täter verwendeten Vinyleinmalhandschuhe aus einer vom Tatopfer selbst in ihrer Wohnung verwahrten Kunststofftüte entnommen worden seien, folgert die Strafkammer auch daraus, dass sich A. Z. zuordenbare DNA-Spuren an der Innenseite der aufgefundenen Fingerteile fanden. „Dies lasse den Schluss zu, …. dass das Opfer die Handschuhe bereits vor der Tat in Besitz gehabt und selbst getragen habe.“ Dies ist zwar für sich betrachtet ein grundsätzlich möglicher und dann revisionsrechtlich hinzunehmender Schluss. Hier hätte es aber der Erörterung bedurft, warum die Strafkammer damit inzident die bloße Verschleppung von Hautepithelzellen des Opfers ausschließt, eine Möglichkeit, die sie hinsichtlich der DNA-Spuren anderer Personen in den Fingerteilen selbst anspricht.
47
f) Selbst wenn es sich um eine Spontantat handelte und die Tüte, aus der der Täter die Einweghandschuhe entnahm, sich schon längere Zeit im Besitz der Geschädigten befand, war dem Angeklagten die Existenz der Plastikhandschuhe in der Tüte jedenfalls bekannt, während dies bei anderen potentiellen Tätern eher fern liegt. Ihm war damit ein rascher Zugriff am ehesten möglich. Dies könnte auch bei einer Spontantat für seine Täterschaft sprechen, was jedenfalls der Erörterung bedurft hätte.
48
g) Bei der Bewertung der in der Badewanne des Angeklagten am 29. April 1997 vorgefundenen Kleidungsstücke lässt die Strafkammer unerörtert, dass der Nässegrad zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur schwer mit seiner ursprünglichen Einlassung vereinbar ist, wonach er diese am Tag vor der Tat (bis 16.00 Uhr) wegen Heizölgeruchs „oberflächlich ausgewaschen“ hat. Vor diesem Hintergrund könnte die neue, in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim vorgetragene Einlassung, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er die Kleidungsstücke ausgewaschen habe oder ob sie, nachdem er sie wegen ihres Geruchs in die Badewanne gelegt hatte, beim Haare waschen oder Duschen nass geworden sind, in einem anderen Licht erscheinen. Auch dies hätte der Erörterung bedurft.
49
2. Erfolg hat neben der Sachrüge - rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung - auch die von der Nebenklägerin - der Sache nach - zulässig erhobene Formalrüge der Verletzung des § 261 StPO, Nichtverwertung des gemäß § 249 Abs. 2 StPO als Inhalt von „H. s Tagebuch“ eingeführten Briefes (Original in Ordner III Seite 139) des Angeklagten, den er „über Umwege“ an seine Freundin C. schicken wollte. Mit der Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden , dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei (BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 30; Wahl, Prüfung des rechtlichen Gehörs durch das Revisionsgericht, Sonderheft G. Schäfer S. 73 f.). Dass der Beschwerdeführer seine Beanstandung im Zusammenhang mit seinen Darlegungen zur Sachrüge und ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 261 StPO vorgetragen hat, ist unerheblich. Denn ein Irrtum in der Bezeichnung der Rüge als Sach- oder Verfahrensrüge ist unschädlich, vorausgesetzt, dass der Inhalt der Begründungsschrift - wie hier - deutlich erkennen lässt, welche Rüge gemeint ist. Entscheidend ist die wirkliche rechtliche Bedeutung des Revisionsangriffs, wie er dem Sinn und Zweck des Revisionsvorbringens zu entnehmen ist; eine Bezeichnung der verletzten Gesetzesvorschrift ist nicht erforderlich (vgl. BGHSt 19, 273, 275, 279; BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 - 5 StR 62/06 - Rdn. 7; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 72; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 19; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 344 Rdn. 10). In der Revisionsbegründung werden die tatsächlichen Grundlagen zu dieser Rüge umfassend vorgetragen. Dies genügt den Anforderungen des § 344 Abs.2 Satz 2 StPO. Weitergehender Ausführungen bedarf es nicht (§ 352 Abs. 2 StPO). In der Revisionshauptverhandlung hat der Nebenklägervertreter auf Nachfrage bestätigt, dass er mit seiner Revisionsbegründung die fehlende Verwertung des verlesenen Tagebuchabschnitts beanstanden wollte - Rüge der Verletzung des § 261 StPO -.
50
Mit diesem Beweismittel von erheblichem Gewicht, mit dem entscheidenden Satz dieses Briefes „Wenn sie sagt, 'ja ich war’s’ bin ich für Jahre im Knast.“ hätte sich die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen. Denn Anhaltspunkte dafür, die Geschädigte könnte den Angeklagten zu Unrecht belasten, wenn er nicht der Täter ist, und dass sie damit den wahren Angreifer vor Verfolgung schützen wollte, sind nach dem Inhalt der Urteilsgründe nicht ersichtlich, auch nicht dafür, dass der Angeklagte dies hätte befürchten müssen. Diese schriftliche Äußerung des Angeklagten könnte auch sein widerrufenes Pauschalgeständnis während seiner polizeilichen Vernehmung in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dies hätte dann jedenfalls der Erörterung bedurft, wobei dann auch das sonstige Aussageverhalten (Offenbarung von Täterwissen?) zu bewerten gewesen wäre.
51
Dass die Beweisbedeutung dieses den Angeklagten erheblich belastenden Satzes im Lauf der Hauptverhandlung vor der Strafkammer für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich entfallen sein könnte, so dass es einer Erörterung in den Urteilsgründen nicht mehr bedurft hätte, kann bei der Bedeutung dieses Beweismittels hier ausgeschlossen werden.
52
3. Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler anders entschieden hätte. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Nack Wahl Boetticher
Hebenstreit Graf

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.