Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - XII ZB 280/11

bei uns veröffentlicht am11.12.2013
vorgehend
Amtsgericht Kassel, XVII K 639/10, 01.07.2010
Landgericht Kassel, 3 T 492/10, 20.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 280/11
vom
11. Dezember 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ob einem Betroffenen auch dann, wenn ein Regelfall nach § 276 Abs. 1
Satz 2 FamFG nicht vorliegt, ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, hängt
vom Grad der Krankheit oder Behinderung sowie von der Bedeutung des jeweiligen
Verfahrensgegenstands ab (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
13. November 2013 - XII ZB 339/13 - juris).

b) In Betreuungssachen steht das Verschlechterungsverbot einer Erweiterung
des Aufgabenkreises im Beschwerdeverfahren entgegen, wenn allein der Betroffene
gegen die Bestellung des Betreuers Beschwerde eingelegt hat.
BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 280/11 - LG Kassel
AG Kassel
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Der Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 20. Oktober 2010 gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen. Verfahrenswert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Mit Beschluss vom 1. Juli 2010 wurde für die Betroffene auf Anregung des Gesundheitsamts eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung und Vertretung in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten angeordnet und eine Betreuerin bestellt. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Person der Betreuerin ausgetauscht und die Betreuung auf die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, die Entscheidung über die Unterbringung und die Vertretung in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten beschränkt. Einen Verfahrenspfleger haben weder das Amts- noch das Landgericht bestellt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Betroffene die Aufhebung der Betreuung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
3
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass das amtsgerichtliche Verfahren den gesetzlichen Vorgaben gerecht geworden sei. In der Sache sei das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Betroffene aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung daran gehindert sei, ihre Angelegenheiten sachgerecht selbst zu erledigen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Potthoff leide sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer psychotischen Krise aus dem paranoiden Formenkreis. Krankheitsbedingt sei die Betroffene in der Bildung eines freien Willens erheblich eingeschränkt.
4
Allerdings sei die Anordnung der Betreuung nur für die Aufgabenkreise gerechtfertigt, in denen diese erforderlich sei. Ein Bedürfnis für die Betreuung im Aufgabenkreis der allgemeinen Aufenthaltsbestimmung sei nicht zu Tage getreten. Dem beabsichtigten Umzug der Betroffenen habe die Betreuerin nicht widersprochen. Aufgrund des Umzugs sei aber inzwischen die Notwendigkeit für einen Betreuerwechsel eingetreten.
5
2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass weder das Amts- noch das Beschwerdegericht der anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt haben.
6
a) Nach § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Liegt eines der Regelbeispiele des § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor, so ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich.
7
b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, war das Beschwerdegericht jedoch nicht bereits nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG verpflichtet, der Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen.
8
Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers zwingend erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf ist. Diese Voraussetzungen lagen zwar im Verfahren vor dem Amtsgericht vor, weil der erstinstanzliche Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen ließ (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 11 ff.; vom 28. September 2011 - XII ZB 16/11 - FamRZ 2011, 1866 Rn. 9 und vom 7. August 2013 - XII ZB 223/13 - FamRZ 2013, 1648 Rn. 11). Denn der sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamts hatte eine Betreuung der Betroffenen in den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge einschließlich Unterbringungsmaßnahmen, Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden , Versicherungen und anderen Institutionen, Haus- und Wohnungsangele- genheiten und Vermögensangelegenheiten angeregt, woraufhin das Amtsgericht den Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens "zur Frage der Betreuungseinrichtung sowie der Unterbringung" beauftragt hatte, ohne eine Einschränkung auf einzelne Aufgabenbereiche vorzunehmen. Nach dem Umfang der amtsgerichtlichen Ermittlungen war jedenfalls bei ex-ante-Betrachtung davon auszugehen, dass die von der anzuordnenden Betreuung erfassten Aufgabenkreise in ihrer Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung der Betroffenen umfassen und die einzelnen, verbliebenen Befugnisse der Betroffenen in ihrer konkreten Lebenssituation keinen nennenswerten eigenverantwortlichen Handlungsspielraum mehr belassen würden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 13; vom 28. September 2011 - XII ZB 16/11 - FamRZ 2011, 1866 Rn. 9 und vom 7. August 2013 - XII ZB 223/13 - FamRZ 2013, 1648 Rn. 11). Dass das Amtsgericht die Betreuung letztlich nur für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit , Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung und Vertretung in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten angeordnet hat, lässt die Erforderlichkeit der Verfahrenspflegerbestellung nicht mehr rückwirkend entfallen.
9
Zwar wirkt die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der ersten Instanz nach § 276 Abs. 5 FamFG auch in der Beschwerdeinstanz fort. Das Beschwerdegericht kann deswegen einen bereits bestellten Verfahrenspfleger zum Verfahren hinzuziehen, ohne selbst eine Neubestellung vornehmen zu müssen. Ist in erster Instanz die Bestellung eines Verfahrenspflegers aber zu Recht oder (wie hier) verfahrensfehlerhaft unterblieben, hat das Beschwerdegericht für die Beschwerdeinstanz das Vorliegen der Voraussetzungen des § 276 Abs. 1 FamFG erneut zu prüfen. Denn das Beschwerdegericht tritt in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeent- scheidung über die Sache neu (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 10 und vom 21. November 2012 - XII ZB 306/12 - FamRZ 2013, 211 Rn. 11). Dabei ist die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts jedoch durch den Beschwerdegegenstand begrenzt; das Beschwerdegericht darf nur insoweit über eine Angelegenheit entscheiden, wie sie in der Beschwerdeinstanz angefallen ist (Keidel/Sternal FamFG 17. Aufl. § 69 Rn. 25; Bork/Jacoby/Schwab/Müther FamFG 2. Aufl. § 69 Rn. 13; MünchKommFamFG /Fischer 2. Aufl. § 69 Rn. 13; Prütting/Helms/Abramenko FamFG 3. Aufl. § 69 Rn. 3; Fröschle/Guckes Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren § 69 FamFG Rn. 3; BeckOK FamFG/Gutjahr [Stand: 1. Oktober 2013] § 69 Rn. 45; Johannsen/Henrich/Althammer Familienrecht 5. Aufl. § 69 FamFG Rn. 4.7; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 293 Rn. 3; HK-BUR § 293 FamFG Rn. 44; Bienwald/Sonnenfeld Betreuungsrecht 5. Aufl. § 293 Rn. 21; Jurgeleit/Stauch Betreuungsrecht 3. Aufl. § 303 FamFG Rn. 89; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. Oktober 2009] § 293 FamFG Rn. 7; a.A. OLG Hamm FamRZ 1995, 1519, 1521; zur besonderen Situation im Sorgerechtsverfahren vgl. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - XII ZB 42/07 - FamRZ 2008, 45, 48).
10
Die Entscheidungskompetenz des Landgerichts war hier auf die Anordnung der Betreuung für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung , Entscheidung über die Unterbringung und Vertretung in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten begrenzt, weil das Amtsgericht die Betreuung nur insoweit angeordnet hatte. Eine Erweiterung des Aufgabenkreises im Beschwerdeverfahren wäre von vornherein wegen des Verschlechterungsverbots unzulässig gewesen, weil allein die Betroffene gegen die Bestellung der Betreuerin Beschwerde eingelegt hatte (Keidel/Sternal FamFG 17. Aufl. § 69 Rn. 25; Bork/Jacoby/Schwab/Müther FamFG 2. Aufl. § 69 Rn. 13; Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 69 Rn. 6; MünchKomm- FamFG/Fischer 2. Aufl. § 69 Rn. 29). Die Anordnung einer Betreuung für die in der Beschwerdeinstanz betroffenen Aufgabenkreise ist aber nicht mehr mit der Anordnung einer Betreuung im Ganzen im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG vergleichbar.
11
c) Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers im Beschwerdeverfahren ergab sich aber aus der Generalklausel des § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ob es auch dann, wenn keiner der in § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG genannten Regelfälle vorliegt, eines Verfahrenspflegers bedarf, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab (Senatsbeschluss vom 13. November 2013 - XII ZB 339/13 - juris Rn. 10). Das Gericht hat hierzu eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen eröffnet ist (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 276 Rn. 3). Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, umso dringender erforderlich ist die Bestellung des Verfahrenspflegers (Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 276 Rn. 11; HK-BUR/Bauer [Stand: September 2009] § 276 FamFG Rn. 79).
12
Gemessen hieran war das Landgericht verpflichtet, der Betroffenen für das Beschwerdeverfahren einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist die Betroffene zu einer freien Willensbildung in Bezug auf die Betreuung nicht in der Lage. Sie leidet an einer psychotischen Krise aus dem paranoiden Formenkreis, die mit einem vollkommenen Verlust der Kritikfähigkeit gegenüber der eigenen Situation verbunden ist. Auch wenn mit der Betroffenen ein Gespräch ohne weiteres möglich ist, ist sie nach den Feststellungen des Landgerichts nicht in der Lage, auf konkrete Fragen eine einfache und verständliche Antwort zu geben. Damit liegen gravierende Beeinträchtigungen der Betroffenen vor, die sie daran hindern, ihre Rechte im Betreuungsverfahren ausreichend wahrzunehmen. Denn es ist ihr nicht möglich, ihre Einwendungen mit einer differenzierten Begründung vorzutragen.
13
In Anbetracht der Bedeutung des konkreten Verfahrensgegenstandes im Beschwerdeverfahren führt diese Beeinträchtigung der Betroffenen dazu, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers zwingend geboten war. Denn die zur Prüfung im Beschwerdeverfahren angefallene Betreuung für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Unterbringung und Vertretung in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten greift erheblich in die Rechte der Betroffenen ein.
14
d) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf der Nichtbestellung des Verfahrenspflegers. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das Landgericht nach Hinzuziehung eines Verfahrenspflegers aufgrund dessen Stellungnahme zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
15
3. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Sollten sich die hier angefochtenen Beschlüsse durch eine Folgeentscheidung erledigt haben, wird das Landgericht den am 14. November 2013 vorsorglich gestellten Antrag nach § 62 FamFG zu bescheiden haben. Andernfalls wird es einen Verfahrenspfleger zu bestellen und nach dessen Stellungnahme erneut zu entscheiden haben.
Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger RiBGH Guhling hat Urlaub und kann deswegen nicht unterschreiben. Dose
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 01.07.2010 - 781 XVII K 639/10 -
LG Kassel, Entscheidung vom 20.10.2010 - 3 T 492/10 -

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(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

11
aa) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, dass die Betreuung nach der Erweiterung um die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Wohnungsangelegenheiten im Ergebnis alle Angelegenheiten im Sinne von § 276 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG umfasse. Dem ist insoweit zu folgen, als dass jedenfalls der Verfahrensgegenstand eine umfassende Betreuung in diesem Sin- ne als möglich erscheinen lässt und schon von daher die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich ist.
9
aa) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegenstand spricht, dass die vom Gericht getroffene Maßnahme die Betreuung auf Aufgabenkreise erstreckt, die in ihrer Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Be- troffenen umfassen und damit in die Zuständigkeit des Betreuers fallen. Selbst wenn dem Betroffenen nach der Entscheidung letztlich einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung verblieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines Verfahrenspflegers, wenn die verbliebenen Befugnisse den Betroffenen in seiner konkreten Lebenssituation keinen nennenswerten eigenverantwortlichen Handlungsspielraum belassen (Senatsbeschluss vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 13).
11
aa) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, dass die Betreuung nach der Erweiterung um die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Wohnungsangelegenheiten im Ergebnis alle Angelegenheiten im Sinne von § 276 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG umfasse. Dem ist insoweit zu folgen, als dass jedenfalls der Verfahrensgegenstand eine umfassende Betreuung in diesem Sin- ne als möglich erscheinen lässt und schon von daher die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

11
Unterlässt das Erstgericht - wie im vorliegenden Fall - diese zwingend gebotene Verfahrenshandlung, ist sie vom Beschwerdegericht nachzuholen. Denn im Beschwerdeverfahren findet nicht nur eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung statt. Das Beschwerdegericht tritt vielmehr in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 10).

(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.

(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.

(1) Für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers und die Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gelten die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.

(2) Einer persönlichen Anhörung nach § 278 Abs. 1 sowie der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses (§§ 280 und 281) bedarf es nicht,

1.
wenn diese Verfahrenshandlungen nicht länger als sechs Monate zurückliegen oder
2.
die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist.
Eine wesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers liegt insbesondere vor, wenn erstmals ganz oder teilweise die Personensorge oder eine der in § 1815 Absatz 2 oder in den §§ 1829 bis 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Aufgaben einbezogen wird.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Gericht von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll.

(4) Ist mit der Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1817 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 42/07
vom
17. Oktober 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel IIa-VO Art. 8 Abs. 1;
NRWSchulG §§ 34, 41;
NRWVerf Art. 8 Abs. 2
Weigern sich Eltern beharrlich, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten
Ersatzschule zuzuführen, um ihnen statt dessen selbst "Hausunterricht" zu erteilen,
so kann darin ein Missbrauch der elterlichen Sorge liegen, der das Wohl der Kinder nachhaltig
gefährdet und Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666 a BGB erfordert.
Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung von
Schulangelegenheiten in Verbindung mit der Anordnung einer Pflegschaft ist in solchen Fällen
im Grundsatz zur Abwehr der Gefahr geeignet und verhältnismäßig.
Ein vom Familiengericht bestellter Pfleger ist jedoch zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im
Einzelfall offenkundig ungeeignet, wenn er bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren
zum Pfleger bestellt worden war und in dieser Eigenschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen
hat, dass die Eltern ihre Kinder ins Ausland verbracht haben und ihnen dort nunmehr
- wie von ihren Eltern bezweckt - auf Antrag des Pflegers "Hausunterricht" erteilt wird.
Die gleichzeitige Bestellung eines solchen Pflegers stellt zwar die Rechtsmäßigkeit des teilweisen
Sorgerechtsentzugs und der Anordnung der Pflegschaft als solche nicht in Frage. Sie
ist, weil sie die Wirksamkeit dieser an sich sachgerechten Maßnahmen unterläuft, aber - für
sich genommen - rechtsfehlerhaft.
BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2007 - XII ZB 42/07 - OLG Hamm
AG Paderborn
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Oktober 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagnitz und Fuchs

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Februar 2007 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die teilweise Entziehung der elterlichen Sorge, die Anordnung der Pflegschaft für die betroffenen Kinder und die dem Pfleger zuerkannte Befugnis richtet, die Herausgabe der Kinder, notfalls mit Gewalt und mittels Betretens und Durchsuchung der elterlichen Wohnung, zu verlangen. Im Übrigen (Bestellung der Beteiligten zu 2 als Pfleger; Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts des Pflegers) wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 3000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten zu 1 sind die Eltern der minderjährigen Kinder D. und M. sowie deren jüngerer Schwester und weiterer älterer Geschwister. Sie sind gläubige Baptisten und - zusammen mit anderen Mitgliedern ihrer Glaubensgemeinschaft - als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Das Kind D. besuchte die ersten zwei Klassen der öffentlichen Grundschule. Im September 2004 - Beginn der dritten Grundschulklasse - haben die Eltern der Schule mitgeteilt, dass sie das Kind D. ebenso wie das Kind M. , das zu diesem Zeitpunkt eingeschult werden sollte, künftig zu Hause unterrichten würden, da die Erziehung und Bildung ihrer Kinder in der öffentlichen Grundschule mit ihren Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar seien. Gespräche mit Schulleitung , Bezirksregierung und Integrationsbeauftragtem führten ebenso wenig wie die rechtskräftige Verurteilung der Eltern zur Zahlung eines Bußgeldes von je 250 € dazu, dass die Eltern die Kinder zum Schulunterricht brachten. Ein Zwangsgeldverfahren wurde bislang nicht erfolgreich abgeschlossen. Die Eltern und andere Mitglieder ihrer Glaubensgemeinschaft streben die Gründung einer Ersatzschule an, die ihren religiösen Überzeugungen entspricht; eine Entscheidung im Verwaltungsverfahren steht aus.
2
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge in Schulangelegenheiten sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und auf die Beteiligte zu 2 als Pfleger mit der Maßgabe übertragen, dass im Falle einer notwendig werdenden Fremdunterbringung der Kinder keine Heimunterbringung, sondern eine Unterbringung in einer baptistischen Pflegefamilie erfolgen solle, welche die allgemeine Schulpflicht anerkenne und die Teilnahme der Kinder am Unterricht in einer öffentli- chen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule ermögliche; zugleich ist die Beteiligte zu 2 ermächtigt worden, die Herausgabe der Kinder mittels Gewalt zu erzwingen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
3
Die Kinder wurden im Juli/August 2005 mit Einwilligung der Beteiligten zu 2 nach W. in K. (Österreich) umgemeldet. Sie halten sich überwiegend dort auf und bewohnen gemeinsam mit ihrer Mutter, die ihren Wohnsitz nach wie vor in P. hat, mit ihrer jüngeren Schwester sowie mit Angehörigen einer anderen baptistischen Familie, die ebenfalls die Erfüllung der deutschen Schulpflicht verweigert (Parallelverfahren betr. die minderjährigen Kinder D. und M. – XII ZB 41/07), ein gemietetes Haus. Der Vater lebt mit den anderen minderjährigen Kindern weiterhin in P. und geht dort seiner Berufstätigkeit nach. Die Mutter besucht mit den Kindern D. und M. sowie mit deren jüngerer Schwester in den Ferien und an verlängerten Wochenenden die übrige Familie in P. . Sie will mit den Kindern nicht dauerhaft in Österreich bleiben, sondern nach einem für sie erfolgreichen Abschluss des vorliegenden Verfahrens nach P. zurückkehren. Die Beteiligte zu 2 hat bei den österreichischen Behörden die Gestattung erwirkt, dass die Kinder in Österreich Heimunterricht nach § 11 des österreichischen Schulpflichtgesetzes erhalten; der Unterricht wird ihnen anhand von österreichischem Lernmaterial von ihrer Mutter, die über keine einschlägige Vorbildung verfügt, erteilt. Ausweislich eines von der Externistenkommission der Adventistischen Volksschule B. erteilten Zeugnisses haben beide Kinder die Prüfung für ihre jeweilige Schulstufe der Volksschule bestanden.
4
Im Hauptverfahren hat das Amtsgericht die bereits mit der einstweiligen Anordnung getroffene Regelung über den teilweisen Entzug des Sorgerechts und dessen Übertragung auf die Beteiligte zu 2 aufrechterhalten. Die Gefahr für das Kindeswohl bestehe trotz der Beschulung der Kinder in Österreich insoweit fort, als bei einer Aufhebung der angeordneten Maßnahme mit einer Rückkehr der Kinder nach P. zu rechnen sei, ohne dass die Kinder dort die öffentlichen Schulen besuchen würden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 ihr Beschwerdebegehren weiter.

II.

5
Das Rechtsmittel führt lediglich zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, hat aber im Übrigen keinen Erfolg.
6
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat das Familiengericht den Beteiligten zu 1 das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung von Schulangelegenheiten für ihre Kinder D. und M. gemäß §§ 1666, 1666 a BGB zu Recht entzogen und auf die Beteiligte zu 2 übertragen.
7
Das geistige und seelische Wohl der Kinder sei nachhaltig gefährdet, weil die Beteiligten zu 1 die für die Entwicklung der Kinder in einer pluralistischen Gesellschaft wichtige staatliche Schulerziehung ablehnten und verhinderten. Dabei könne dahinstehen, ob die Heimunterrichtung der Kinder eine hinreichende Wissensvermittlung gewährleiste; denn durch den gemeinsamen Schulbesuch sollten Kinder auch in das Gemeinschaftsleben hineinwachsen.
Es sei notwendig, Kinder auch anderen Einflüssen als denen des Elternhauses auszusetzen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt habe, könnten soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfänden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung seien.
8
Der Umstand, dass die Kinder sich derzeit in Österreich aufhielten und nach dem dortigen Recht die Schulpflicht durch Heimunterricht erfüllt werde, stehe nicht entgegen. Denn die Kinder teilten den Wohnsitz ihrer Eltern (§ 11 BGB), der für beide Elternteile weiterhin in Nordrhein-Westfalen begründet sei. Der Aufenthalt in Österreich sei, wie die Mutter selbst wiederholt erklärt habe, nur vorübergehender Natur; er begründe mangels Domizilwillens keinen Wohnsitz. Deshalb unterlägen die Kinder nach wie vor der Schulpflicht nach § 34 SchulG NRW, die eine Hausunterrichtung nicht zulasse. Eine Kindeswohlgefährdung sei auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beteiligte zu 2 selbst bei den österreichischen Behörden beantragt habe, dass die Kinder ihre Schulpflicht durch Heimunterricht nach österreichischem Recht erfüllen könnten. Denn mit diesem Antrag habe die Beteiligte zu 2 ersichtlich nur erreichen wollen , dass die Kinder zumindest in die Lage versetzt würden, in Österreich häuslichen Unterricht mit der Möglichkeit des Ablegens einer Prüfung nach § 11 Abs. 4 des österreichischen Schulpflichtgesetzes zu erhalten.
9
Durch die Schulpflicht seien die Grundrechte der Beteiligten zu 1 und der Kinder nicht verletzt. Wie das Bundesverfassungsgericht dargelegt habe, diene die Pflicht zum Besuch der staatlichen Grundschule dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags und sei zur Erreichung die- ses Ziels auch geeignet und erforderlich. Die mit dieser Pflicht verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Eltern stünden auch in angemessenem Verhältnis zu dem Gewinn, den die Erfüllung dieser Pflicht für den staatlichen Erziehungsauftrag und die hinter ihm stehenden Gemeinwohlinteressen erwarten ließen. Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren. Integration setze dabei auch voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen nicht verschlössen. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren, sei eine wichtige Aufgabe schon der Grundschule.
10
Die vom Familiengericht zur Durchsetzung der Schulpflicht angeordneten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig; geringere Eingriffe zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung kämen nicht in Betracht.
11
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand.
12
a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben, da die Kinder weiterhin in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 8 Abs. 1 EG-Verordnung Nr. 2201/2003, EuEheVO II = „Brüssel II a“). Das Oberlandesgericht hat zwar den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder nicht ausdrücklich erörtert. Aus seinen zum Wohnsitz getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch, dass der Schwerpunkt der Bindungen der Kinder, mithin ihr Daseinsmittelpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1975 - IV ZR 103/73 - FamRZ 1975, 272), weiterhin in Deutschland liegt.
13
b) Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Kinder weiterhin der Schulpflicht nach deutschem Recht unterliegen, da der insoweit maßgebende § 34 Schulgesetz NRW auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder abstellt, die Kinder den Wohnsitz ihrer Eltern teilen (§ 11 Satz 1 BGB) und dieser für beide Elternteile - nach den rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Oberlandesgerichts - weiterhin in P. begründet ist. Richtig ist ferner, dass das deutsche Schulrecht die Beteiligten zu 1 verpflichtet, ihre Kinder zur Befolgung der Schulpflicht anzuhalten (vgl. § 41 Abs. 1 Schulgesetz NRW i.V.m. Art. 8 Abs. 2 Landesverfassung NRW). Richtig ist außerdem, dass die beharrliche Weigerung der Beteiligten zu 1, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, sich als ein Missbrauch der elterlichen Sorge darstellt, der das Wohl der betroffenen Kinder nachhaltig gefährdet und Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666 a BGB erfordert. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit weder gegen die Schulpflicht noch - im Grundsatz - gegen familiengerichtliche Maßnahmen, mit denen die Schulpflicht nach Maßgabe der §§ 1666, 1666 a BGB durchgesetzt werden soll. Auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts und die dort ausführlich wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird verwiesen. Danach sind die Eltern auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder –methoden der Schule den Glaubensüberzeugungen der Eltern entgegenstehen. Dies gilt jedenfalls solange, als der Staat seinen Erziehungsauftrag im Sinne der Vorgaben des Grundgesetzes verantwortungsvoll wahrnimmt; Gegenteiliges ist hier nicht ersichtlich.
14
Das Oberlandesgericht durfte auch zu Recht davon absehen, den von den Beteiligten zu 1 angebotenen Zeugenbeweis über deren Behauptung zu erheben, die Erfahrungen mit dem Unterricht in Gemeindeschulen sowie mit dem (Haus-) Unterricht der „D. F. “ oder der „P. - S. “ hätten keine Kindeswohlgefährdungen zutage gebracht. Der Unterricht in Gemeindeschulen ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Vor- und Nachteile von Hausunterricht sind, wie das Oberlandesgericht zu Recht bemerkt, nicht einem Zeugenbeweis, sondern allenfalls einem Sachverständigenbeweis zugänglich. Der Erhebung eines solchen Sachverständigenbeweises bedurfte es jedoch nicht, da sich die vom Oberlandesgericht - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - geschilderten Vorzüge eines nicht hausgebundenen Unterrichts ebenso wie die relativen Nachteile eines Hausunterrichts dem tatrichterlichen Sachverstand ohne weiteres erschließen und sich zudem mit der Einschätzung des deutschen Schulgesetzgebers wie auch des Bundesverfassungsgerichts decken.
15
c) Frei von Rechtsfehlern sind auch der teilweise Entzug des Sorgerechts und die Anordnung einer Pflegschaft. Diese Maßnahmen sind im Grundsatz geeignet, dem Missbrauch der elterlichen Sorge durch die Beteiligten zu 1 entgegenzuwirken. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung von Schulangelegenheiten schafft in Verbindung mit der Anordnung der Pflegschaft die Voraussetzungen dafür, dass die Kinder durch geeignete Maßnahmen eines Pflegers zum Besuch einer öffentlichen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule in Deutschland angehalten werden und Schaden von den Kindern, wie er von einem fortgesetzten ausschließlichen Hausunterricht durch die Mutter zu besorgen ist, abgewendet wird. Es ist rechtsbedenkenfrei und im Hinblick auf die gezeigte Widersetzlichkeit der Eltern sogar naheliegend, dass ein solcher Pfleger - wie im Beschluss des Familiengerichts auch geschehen - ermächtigt wird, die Herausgabe der Kinder notfalls unter Einsatz von Gewalt und mittels Betreten und Durchsuchung der elterlichen Wohnung sowie unter Inanspruchnahme der Hilfe des Gerichtsvollziehers oder der Polizei zu erzwingen. Mildere Mittel, die Kinder vor dem Missbrauch der elterlichen Sorge wirksam zu schützen und den staatlichen Erziehungsauftrag im wohlverstandenen Kindesinteresse durchzusetzen, stehen - wie vom Oberlandesgericht zutreffend dargelegt - nicht zur Verfügung. Der teilweise Sor- gerechtsentzug und die Anordnung der Pflegschaft stehen zu dem mit diesen Maßnahmen verfolgten Kindesinteresse auch nicht außer Verhältnis; sie sind in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes geboten.
16
d) Rechtlich zu beanstanden ist allerdings, dass das Familiengericht die Beteiligte zu 2 zum Pfleger bestellt hat. Denn dieser Pfleger ist nicht geeignet, den Gefahren für das Kindeswohl im vorliegenden Fall effektiv zu begegnen.
17
Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, einen geeigneten Pfleger auszuwählen. Die Auswahlentscheidung ist deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt nachprüfbar, insbesondere dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Auswahlentscheidung einbezogen hat. Das ist hier offenkundig nicht der Fall. Denn das Familiengericht hat die Erfahrungen, die es im vorangegangenen einstweiligen Anordnungsverfahren aus der Tätigkeit der Beteiligten zu 2 als Pfleger der Kinder hätte gewinnen müssen, unberücksichtigt gelassen.
18
Vor Erlass der angefochtenen Entscheidung hatte die Beteiligte zu 2 als Pfleger der Kinder deren Ummeldung nach Österreich - mit Wissen des Familiengerichts - zugestimmt und damit deren Verbringung dorthin erst ermöglicht. Die Ummeldung der Kinder nach Österreich verfolgte nach dem erklärten Willen der Beteiligten zu 1 den Zweck, die Kinder der deutschen Schulpflicht zu entziehen und ihnen den in Österreich zulässigen Hausunterricht durch die Mutter angedeihen zu lassen. Die Möglichkeit, die Kinder in Österreich dem Hausunterricht durch die Mutter zuzuführen, hat die Beteiligte zu 2 sodann - ebenfalls mit Wissen des Familiengerichts - durch eine entsprechende Antragstellung bei den österreichischen Behörden selbst eröffnet. Damit ist der Erfolg eingetreten, den die Beteiligten zu 1 von vornherein erstrebt haben, nämlich die häusliche Unterrichtung der Kinder durch die Mutter – dies allerdings nicht in Deutschland , sondern in Österreich.
19
Es ist nicht ersichtlich, dass der angefochtene - im Hauptverfahren ergangene - Beschluss des Familiengerichts, soweit er der Beteiligten zu 2 das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Sorgerecht in Schulangelegenheiten überträgt, an dieser von der Beteiligten zu 2 selbst herbeigeführten Situation etwas ändert. Diese Sicht teilt im Ansatz offenbar auch das Familiengericht, das eine Kindeswohlgefährdung deshalb für weiterhin gegeben hält und die teilweise Entziehung deshalb für nach wie vor notwendig erachtet, weil anderenfalls „mit einer Rückkehr der Kinder nach P. zu rechnen ist, ohne dass diese dann hier die öffentlichen Schulen besuchen werden“. Damit wird indes verkannt , dass das Wohl der Kinder nicht deshalb gefährdet ist, weil sie in Deutschland keine öffentliche Schule besuchen, sondern weil sie - obschon sie der deutschen Schulpflicht unterliegen - überhaupt keine öffentliche Schule besuchen. Der Gefahr für das Kindeswohl kann deshalb auch nicht dadurch begegnet werden, dass die Kinder möglichst an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert werden; Ziel einer auf §§ 1666, 1666 a BGB gestützten Maßnahme kann es vielmehr nur sein, die Kinder zum Besuch einer öffentlichen Schule anzuhalten. Dieses Ziel kann zwar grundsätzlich mit dem vom Familiengericht vorgenommenen teilweisen Sorgerechtsentzug und der Anordnung einer Pflegschaft erreicht werden – dies allerdings nur dann, wenn der mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht und der Sorge für Schulangelegenheiten der Kinder betraute Pfleger willens und in der Lage ist, den Besuch der Kinder in einer öffentlichen Schule durchzusetzen, oder wenn er erforderlichenfalls durch geeignete Weisungen des Familiengerichts hierzu angehalten wird.
20
An geeigneten Weisungen hat es das Familiengericht - in Kenntnis des Verhaltens des Pflegers - bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren fehlen lassen; auch im Hauptverfahren hat es solche Weisungen offenbar für nicht angezeigt erachtet. Da die Beteiligte zu 2 bereits vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der Schulpflicht getroffen und - im Gegenteil - die Voraussetzungen für eine Hausunterrichtung der Kinder in Österreich überhaupt erst geschaffen hat, erscheint die Bestellung der Beteiligten zu 2 als Pfleger - bei gleichzeitigem Fehlen entsprechender Weisungen des Familiengerichts - zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in diesem Einzelfall offenkundig ungeeignet, den Gefahren für das Wohl der Kinder zu begegnen. Die Bestellung eines offenkundig ungeeigneten Pflegers stellt die Rechtmäßigkeit des teilweisen Sorgerechtsentzugs und der Anordnung der Pflegschaft zwar als solche nicht in Frage; sie ist, weil sie die Wirksamkeit dieser an sich sachgerechten Maßnahmen unterläuft, aber für sich genommen rechtsfehlerhaft.
21
e) Soweit das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Pflegers dahin eingeschränkt hat, dass die Kinder für den Fall einer notwendig werdenden Fremdunterbringung nicht in einem Heim, sondern nur bei einer baptistischen Pflegefamilie untergebracht werden dürfen, stützt sich diese Einschränkung - ausweislich der vom Familiengericht gegebenen Begründung - auf die besonderen Verhältnisse und Möglichkeiten in P. . Sie ist ersichtlich auf die Beteiligte zu 2 als Pfleger zugeschnitten und deshalb nicht geeignet und bestimmt, auch andere Pfleger in der Wahrnehmung ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts zu binden. Diese Beschränkung teilt deshalb das rechtliche Schicksal der Bestellung der Beteiligten zu 2 als Pfleger und bedarf deshalb erneuter Überprüfung.

III.

22
Im Ergebnis sind deshalb die teilweise Entziehung des Sorgerechts und die Anordnung einer Pflegschaft als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Deshalb war die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen diese Maßnahmen richtet, zurückzuweisen.
23
Die teilweise Entziehung des Sorgerechts und die Anordnung einer Pflegschaft können die Kindeswohlgefährdung aber letztlich nur dann abwenden , wenn durch die Auswahl eines geeigneten Pflegers oder durch geeignete Weisungen des Familiengerichts an den Pfleger sichergestellt wird, dass der Schulpflicht der Kinder und der Verantwortung der Eltern für deren Einhaltung Geltung verschafft werden kann. Dies gilt, solange deutsches Recht - auch Schulrecht - Anwendung findet, unabhängig davon, ob die Kinder sich in Deutschland oder in Österreich aufhalten. Daran fehlt es bislang.
24
Der angefochtene Beschluss war daher hinsichtlich der vom Familiengericht vorgenommenen Bestellung der Beteiligten zu 2 als Pfleger und der auf ihn zugeschnittenen Beschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufzuheben. Die Sache war insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es durch die Bestellung eines anderen, geeigneten Pflegers oder durch detaillierte Weisungen sicherstellt, dass die Schulpflicht der Kinder entsprechend dem offenkundigen Zweck der Pflegerbestellung und im recht verstandenen Interesse des Kindeswohls durchgesetzt wird. Das Verbot der reformatio in peius hindert eine solche Abänderung oder Ergänzung der familiengerichtlichen Entscheidung nicht, da im Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB die Dispositionsmaxime nicht gilt und deshalb vom Rechtsmittelführer im Interesse des Kindeswohls auch eine Schlechterstellung hinzunehmen ist (BayObLG FamRZ 1985, 635, 636; Keidel/Kahl Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 19 Rdn. 115). Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Fuchs
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 07.03.2006 - 8 F 811/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.02.2007 - 6 UF 51/06 -

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

10
b) Ob es auch dann, wenn keiner der in § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG aufgeführten Regelfälle vorliegt, eines Verfahrenspflegers bedarf, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes ab (BT-Drucks. 11/4528 S. 171; allgemeine Meinung, vgl. etwa BayObLG FamRZ 2003, 1044; HK-BUR/Bauer [Stand: Dezember 2010] § 276 FamFG Rn. 71; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. Oktober 2005] § 67 FGG Rn. 5; Brosey in Bahrenfuss FamFG § 276 Rn. 3; SchulteBunert /Weinreich/Rausch FamFG 3. Aufl. § 276 Rn. 4; MünchKommFamFG/ Schmidt-Recla 2. Aufl. § 276 FamFG Rn. 5; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/ Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 276 FamFG Rn. 29). Das Gericht hat hierzu eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen eröffnet ist (vgl. Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 276 Rn. 3; SchulteBunert /Weinreich/Rausch FamFG 3. Aufl. § 276 Rn. 4).

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.