Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2000 - XII ZB 193/00

bei uns veröffentlicht am06.12.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 193/00
vom
6. Dezember 2000
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn,
Dr. Hahne, Gerber und Sprick

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2000 aufgehoben. Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Wert: 135.134 DM.

Gründe:


I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 15. Juni 2000 wurde der Beklagte zur Zahlung von 64.484,91 DM nebst Zinsen und zur Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen an die Klägerin verurteilt. Das Urteil wurde dem Beklagten am 12. Juli 2000 zugestellt. Am 14. August 2000 (Montag) beantragte er durch seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, reichte einen Prozeßkostenhilfeantrag mit Unterlagen ein und erklärte, für den
Fall der Prozeßkostenhilfegewährung werde zwecks Durchführung des Berufungsverfahrens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden unter gleichzeitiger Nachholung der Berufungseinlegung und deren Begründung ; einstweilen werde auf den Sachvortrag erster Instanz Bezug genommen. Durch Beschluß vom 12. September 2000, dem Beklagten zugestellt am 18. September 2000, wies das Oberlandesgericht den Prozeßkostenhilfeantrag zurück, weil er keine Begründung enthalte und nicht, wie erforderlich, zumindest in Grundzügen erkennen lasse, weshalb, in welchen Punkten und in welchem Umfang der Beklagte das ihn beschwerende Urteil angreifen wolle. Am 14. September 2000 reichte der Beklagte durch seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zur Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs bei dem Oberlandesgericht einen Entwurf einer Berufungsschrift nebst Begründung ein. Mit Schriftsatz vom 29. September 2000, beim Oberlandesgericht eingegangen am 2. Oktober 2000, legte der Beklagte, vertreten durch den bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten, Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist; zugleich erhob er Gegenvorstellung gegen den Beschluß vom 12. September 2000, legte eine vorläufige Berufungsbegründung vor und beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Das Oberlandesgericht wies durch Beschluß vom 11. Oktober 2000 - unter Bezugnahme auf den Beschluß vom 12. September 2000 - die gegen letzteren gerichtete Gegenvorstellung sowie den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der am 3. November 2000 eingelegten (sofortigen) Beschwerde.

II.

Die nach §§ 519 b, 547, 238 Abs. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§§ 569, 577 ZPO) sofortige Beschwerde ist auch sachlich begründet. 1. Die am 2. Oktober 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangene Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ist zwar nicht rechtzeitig innerhalb eines Monats nach der am 12. Juli 2000 erfolgten Zustellung des Urteils eingelegt worden (§ 516 ZPO) und war damit verspätet. 2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten jedoch zu Unrecht die (rechtzeitig, § 234 ZPO) beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt. Der Beklagte war entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ohne eigenes oder ihm zuzurechnendes Verschulden seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist ein Rechtsmittelführer, der - wie hier der Beklagte - vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag solange als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen mußte, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozeßkostenhilfegesuch entschieden werden konnte (vgl. Senatsbeschluß vom 11. November
1992 - XII ZB 118/92 = BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 7 = NJW 1993, 732 ff m.w.Nachw.). Das war hier nach den vorgelegten Unterlagen der Fall. Der Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten erfüllte entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts die an ihn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu stellenden sachlichen Anforderungen. Dazu hat der Senat in dem erwähnten Beschluß vom 11. November 1992 ausdrücklich entschieden , daß eine sachliche Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs für ein beabsichtigtes Rechtsmittel zwar zweckmäßig und erwünscht ist, jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen von der mittellosen Partei nicht verlangt werden kann. Daran ist festzuhalten. Die Senatsentscheidung vom 11. November 1992 betraf entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ersichtlich keinen Einzelfall, sondern sie enthielt allgemeingültige grundsätzliche Ausführungen , wie insbesondere die Hinweise auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung mittelloser und bemittelter Parteien deutlich machen. Soweit das Oberlandesgericht für erforderlich hält, daß sich aus einer Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs zumindest in groben Zügen ergeben müsse, in welchen Punkten das anzufechtende Urteil angegriffen werden solle, und in welchen Punkten das Streitverhältnis als endgültig beigelegt betrachtet werden könne, rechtfertigt dies keine von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende Beurteilung. Wenn und s oweit die Prozeßkostenhilfe , wie im vorliegenden Fall, uneingeschränkt beantragt wird, besteht - mangels abweichender Anhaltspunkte - kein begründeter Anlaß für die Annahme , einzelne Streitpunkte sollten als endgültig bereinigt behandelt werden. In diesem Fall will der Rechtsmittelführer das anzufechtende Urteil vielmehr erkennbar - nach Maßgabe seines in der Vorinstanz verfolgten Begehrens - in
vollem Umfang zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht stellen. Dieses ist danach gehalten, aufgrund einer zwar nicht erschöpfenden, aber doch eingehenden Prüfung des gestellten Antrags die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu prüfen (vgl. Senatsbeschluß vom 11. November 1992 aaO). Die Auffassung des Oberlandesgerichts läuft demgegenüber darauf hinaus, daß einem Rechtsmittelführer in sachlich und rechtlich einfach liegenden Fällen, in denen er ohne sachkundige Hilfe sein Begehren selbst formulieren kann, die begehrte Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist; demgegenüber würde der mittellosen Partei in schwierigen Fällen, in denen es etwa "um eine Mehrzahl von Klageansprüchen (Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung und Räumung) sowie um eine Vielzahl zur Aufrechnung gestellter Gegenansprüche" geht (so OLG-Beschluß vom 12. September 2000), die beantragte Prozeßkostenhilfe verweigert, obwohl die Partei in diesen Fällen gerade in besonderem Maße auf juristischen Beistand angewiesen ist. Das ist mit Art. 3 GG nicht zu vereinbaren. 3. Da der Beklagte demnach ohne ein ihn treffendes Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert war, ist ihm antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung zu gewähren. Diese Entscheidung kann der Bundesgerichtshof als Beschwerdegericht treffen (vgl. BGH Beschluß vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00 = NJW-RR 2000, 1590).
Mit der Bewilligung der Wiedereinsetzung wird der die Berufung verwerfende Beschluß des Oberlandesgerichts gegenstandslos, was durch dessen Aufhebung klargestellt wird.
Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Sprick

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

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(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 8/00
vom
24. Mai 2000
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2000 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der X. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 1999 gewährt.
Beschwerdewert: 74.167 DM

Gründe


I.


Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung sowie wegen fehlerhafter Beratung beim Kauf einer Eigentumswohnung Schadensersatz. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Am
letzten Tag der Berufungsfrist reichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beim Berufungsgericht einen Schriftsatz vom 16. Juni 1999 ein, der mit "Berufung" überschrieben ist und in dem es heißt:
"In dem Rechtsstreit ... (volles Rubrum) lege ich namens und in Vollmacht der von mir vertretenen Klägerin Berufung gegen das am 11. Januar 1999 verkündete Urteil des Landgerichts ... ein. Die Einlegung der Berufung wird von der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Klägerin und Berufungsklägerin abhängig gemacht. In der Anlage überreiche ich den Prozeßkostenhilfeantrag meiner Mandantin nebst Anlagen für das Gericht. Die exakten Anträge für die Berufung und die Berufungsbegründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Das Gericht wird höflich darum ersucht, für die Begründung des Prozeßkostenhilfeantrags dem Unterzeichner einen Schriftsatznachlaß von zwei Wochen zu gewähren."
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 1999, bei Gericht eingegangen am 1. Juli 1999, erfolgte eine Berufungsbegründung. Nachdem das Oberlandesgericht der Klägerin durch Beschluß vom 3. Dezember 1999, der dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 10. Dezember 1999 zugestellt wurde, Prozeßkostenhilfe bewilligt hatte, hat es durch den angefochtenen Beschluß vom 27. Januar 2000 die Berufung als unzulässig verworfen. Es hat den Schriftsatz der Klägerin vom 16. Juni 1999 nur als Antrag auf Prozeßkostenhilfe angesehen und deshalb nach der Gewährung von Prozeßkostenhilfe innerhalb einer Frist von zwei Wochen einen Wiedereinsetzungsantrag, verbunden mit der Einlegung einer Berufung und deren Begründung, für notwendig gehalten. Für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen fehlten die Voraussetzungen. Die Klägerin vertritt dagegen in ihrer sofortigen Beschwerde die Auffassung, mit ihrem Schriftsatz vom 16. Juni 1999 bereits eine unbedingte Berufung eingelegt und sich lediglich die weitere Durchführung des Berufungsverfahrens für den Fall der Verweigerung von Prozeßkostenhilfe vorbehalten zu haben.

II.


Die nach § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Klägerin hat zwar, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, die Berufungsfrist versäumt. Hiergegen ist ihr jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
1. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts hat die Klägerin unter dem 16. Juni 1999 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und nicht lediglich einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt. Anders kann die ausdrückliche Erklärung in dem Schriftsatz "lege ich Berufung ein" nicht verstanden werden. Dafür spricht zudem die Überschrift "Berufung" und das nur für eine Rechtsmitteleinlegung notwendige volle Rubrum. Die nachfolgende Einschränkung, die Einlegung der Berufung werde von der Gewährung von Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht, nimmt die Erklärung zur Einlegung eines Rechtsmittels trotz der gleichzeitigen Bitte um Schriftsatznachlaß für die Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs, auf die das Oberlandesgericht maßgeblich abstellt, nicht (vollständig) zurück, sondern stellt sie, wie in dem Fall BGHZ 4, 54 oder in den Fallgestaltungen der Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 1992 - V ZB 6/92 - VersR 1993, 713 und vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99 - NJW 1999, 2823, lediglich unter eine Bedingung. Das mag die Klägerin zwar, wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt , ebenfalls - in anderer Richtung - anders verstanden haben. Entscheidend ist aber allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar war. Spätere "klarstellende" Parteierklärun-
gen können dafür nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - NJW 1995, 2563, 2564; Beschluß vom 11. August 1998 - XII ZB 50/98 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung, unbedingte 4). Der Wortlaut der Berufungsschrift vom 16. Juni 1999, der auf die Einlegung der Berufung Bezug nimmt und diese an die Gewährung von Prozeßkostenhilfe knüpft, nicht lediglich die Durchführung des Berufungsverfahrens (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 aaO) und auch nicht etwa einen Wiedereinsetzungsantrag ankündigt (so in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1993 - XII ZR 142/92 - FamRZ 93, 1427), ist aber insoweit eindeutig. Als bedingte Berufungserklärung war das Rechtsmittel vom 16. Juni 1999 allerdings unzulässig (vgl. BGHZ 4, 54 f.; BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1992 aaO; vom 24. Juni 1999 aaO; a.A. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 518 Rn. 17).
2. Die unter dem 30. Juni 1999 erfolgte Berufungsbegründung der Klägerin ist indes als erneute Einlegung der Berufung anzusehen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 aaO; Beschluß vom 19. November 1997 - XII ZB 157/97 - NJW-RR 1998, 507). Der Schriftsatz entspricht - in Verbindung mit dem vorausgegangenen Berufungsschriftsatz vom 16. Juni 1999 - inhaltlich den Anforderungen des § 518 Abs. 2 ZPO an die Einlegung einer Berufung. Im Gegensatz zu diesem läßt er auch den unbedingten Willen der Klägerin zur Durchführung der Berufung erkennen, schon deswegen, weil er die Gewährung von Prozeßkostenhilfe nicht abwartet, außerdem auch auf die "unter dem 16. Juni 1999 eingelegte Berufung" verweist und jeden Hinweis auf eine Abhängigkeit des Rechtsmittels von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe vermeidet. Zu diesem Zeitpunkt war die Berufungsfrist (§ 516 ZPO) freilich abgelaufen, die
zweite Berufung darum nunmehr verspätet und deswegen gleichfalls unzulässig.
3. Wegen dieser Versäumung der Berufungsfrist muß der Klägerin jedoch gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Einer bedürftigen Partei, die innerhalb der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäßen Prozeßkostenhilfeantrag gestellt hat, ist nach der Entscheidung hierüber auf Antrag regelmäßig Wiedereinsetzung zu gewähren, da die Partei dann ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 233 ZPO; st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluß vom 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - NJW 1993, 732, 733; vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99 - NJW 1999, 2823); das gilt auch dann, wenn das zulässige Prozeßkostenhilfegesuch mit einer unwirksamen Berufungseinlegung verbunden wurde (BGH, Beschluß vom 24. Juni 1999 aaO) oder die Berufungsbegründung schließlich - unwirksam - ohne Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erfolgte (vgl. BGH, Beschluß vom 24. Juni 1999 - V ZB 19/99 - NJW 1999, 3271). Im Streitfall bedurfte es, was das Berufungsgericht nicht beachtet hat, eines (fristgebundenen ) Wiedereinsetzungsantrags indessen nicht, weil die Klägerin schon vor der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe mit ihrem - Berufung und Berufungsbegründung enthaltenden - Schriftsatz vom 30. Juni 1999 die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt hatte und die Gründe für die unverschuldete Fristversäumung aktenkundig waren. Diese vom Berufungsgericht unterlassene Entscheidung kann jetzt der Bundesgerichtshof als Beschwerdegericht treffen (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1992 aaO). Dadurch wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Berufungsgerichts gegenstandslos (BGHZ 98, 325, 328), was durch dessen Aufhebung klargestellt wird.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke