Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2013 - XI ZR 90/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.
- 2
- Die Beklagte, der das Berufungsurteil am 27. Januar 2012 zugestellt worden ist, hat ausweislich ihres Wiedereinsetzungsgesuchs Ende Januar 2012 und Anfang Februar 2012 fernmündlich zweimal mit ihrem Prozessbevollmächtigten Kontakt aufgenommen, um ein Vorgehen gegen das Berufungsurteil zu erörtern. Sie hat anlässlich eines dritten Telefonats am 27. Februar 2012 um die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gebeten. Ihr Prozessbevollmächtigter hat dieser Bitte am gleichen Tag entsprochen. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Verfügung des Vorsitzenden bis zum 29. Mai 2012 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mitgeteilt, er habe das Mandat niedergelegt. Eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte innerhalb der verlängerten Frist nicht vorgelegt.
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- Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Juni 2012 die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mangels rechtzeitiger Begründung verworfen.
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- Die Beklagte hat durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag hat ihr Prozessbevollmächtigter die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs macht die Beklagte geltend, sie habe am 13. Januar 2012 einen Unfall erlitten und sich einer Behandlung mit starken und "zentral wirksamen" Analgetika unterziehen müssen. Dadurch seien ihre Entschlussfähigkeit, ihre Urteilsfähigkeit und ihre psychische Belastbarkeit "deutlich herabgesetzt" gewesen, so dass ihr "eine Beschäftigung mit rechtlichen Dingen nicht zumutbar" gewesen sei. "[J]edenfalls bis zum Ablauf der Begründungsfrist" am 29. Mai 2012 sei sie nicht in der Lage gewesen, die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens mit ihrem Prozessbevollmächtigten "zu besprechen, nach Abwägung hierüber zu entscheiden und die Finanzierung des Rechtsmittels sicherzustellen". Zur Glaubhaftmachung hat sie die Abschrift eines Attests eines Facharztes für Innere Medizin vorgelegt.
II.
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- Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg, weil nicht auszuschließen ist, dass sie ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis trifft (§ 233 ZPO).
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- Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Partei, die Wiedereinsetzung begehrt, das Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumung darzulegen und glaubhaft zu machen. Bleibt danach die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung offen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04, NJW-RR 2005, 143, 145; Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 14/03, NJW-RR 2004, 1500, 1502; Beschluss vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95, NJW 1996, 319).
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- So liegt der Fall hier. Zwar rechtfertigt die Erkrankung der Partei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn die Partei wegen ihrer Erkrankung nicht in der Lage ist, ihren Rechtsanwalt sachgemäß zu unterrichten (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 1989 - XI ZB 2/89, VersR 1989, 931; BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - X ZB 24/93, NJW-RR 1994, 957). Davon kann der Senat aufgrund des Vortrags der Beklagten indessen nicht ausgehen. Abgesehen davon, dass das von der Beklagten in Kopie vorgelegte Attest zur Art der Erkrankung keine näheren Angaben enthält, trägt die Beklagte selbst vor, dass sie nach dem Unfall vom 13. Januar 2012 und nach Beginn der Behandlung mit Analgetika zwischen dem 27. Januar 2012 und dem 27. Februar 2012 dreimal mit ihrem Prozessbevollmächtigten telefoniert und ihn schließlich nach einer in Aussicht genommenen Rücksprache mit ihren zweitinstanzlichen Prozessvertretern mit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beauftragt hat. Dass sie sich krankheitsbedingt nicht um die Durchführung des Nichtzulassungsbe- schwerdeverfahrens habe kümmern können, ist mithin nicht belegt, zumal die Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat, ihr Gesundheitszustand habe sich nach dem 27. Februar 2012 nochmals verschlechtert (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 1989 aaO).
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- Im Übrigen hätte die Nichtzulassungsbeschwerde selbst dann, wenn der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, keine Aussicht auf Erfolg, weil ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
Vorinstanzen:
LG Zwickau, Entscheidung vom 14.06.2011 - 2 O 1121/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 19.01.2012 - 8 U 1016/11 -
Annotations
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.