Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2007 - XI ZR 144/06

bei uns veröffentlicht am04.12.2007
vorgehend
Landgericht Dresden, 6 O 5142/04, 14.07.2005
Oberlandesgericht Dresden, 12 U 1605/05, 07.04.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 144/06
vom
4. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger,
Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg
am 4. Dezember 2007

beschlossen:
Dem Großen Senat für Zivilsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Frage vorgelegt: Ist die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede auch dann nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen , wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind?

Gründe:


I.


1
Die Klägerin, eine Bank, begehrt vom Beklagten, einem Rechtsanwalt , Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.
2
Die Klägerin gewährte der Hauptschuldnerin, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts D. , mit Kreditbestätigung vom 13. Juni/9. August 1995 einen bis zum 30. März 1996 befristeten, durch Grundschuld gesicherten Barkredit in Höhe von 1,4 Millionen DM. Mit Bürgschaftserklärung vom 13. Juni 1995, die die Klägerin am 9. August 1995 annahm, verbürgte sich der Beklagte für die Forderung der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin bis zu einem Höchstbetrag von 37.500 DM. Der Sollsaldo auf dem Kreditkonto belief sich zum 30. Oktober 1996 auf 1.138.859,27 DM.
3
Unter dem 26. November 1996 kündigte die Klägerin den Kredit und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 27. November 1996 erfolglos zur Zahlung der Bürgschaftssumme bis 19. Dezember 1996 auf. Nach weiteren vergeblichen Versuchen, die Bürgschaftsschuld zu realisieren , kündigte sie dem Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2000 an, die Angelegenheit unverzüglich ihrem Rechtsanwalt zur weiteren Beitreibung zu übergeben. Am 28. Dezember 2004 hat sie Klage auf Zahlung von 19.173,44 € zuzüglich Zinsen eingereicht.
4
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung, mit der der Beklagte erstmals auch die Verjährung der Hauptschuld geltend gemacht hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Hauptforderung sei zwar verjährt. Die Verjährungseinrede, bei der es sich nicht nur um neuen Sachvortrag, sondern um eine rechtsgestaltende Handlung handele, sei aber als neues Verteidigungsmittel des Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Gleiches gelte für das von ihm ebenfalls erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte Zu- rückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) wegen Teilabtretung der Sicherungsgrundschuld.
5
der Mit - vom Berufungsgericht „soweit Leistungsverweigerungsrechte des Beklagten nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO als neue Verteidigungsmittel nicht berücksichtigt wurden“ zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

II.


6
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Zulassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Verjährungseinrede ab.
7
1. Die uneingeschränkt eingelegte Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Zulassungsbeschränkung ist unzulässig und damit unwirksam. Zwar kann die Zulassung der Revision auf ein geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht beschränkt werden (vgl. BGHZ 45, 287, 289; MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 543 Rdn. 40; Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 29 m.w.Nachw.). Unzulässig ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber eine Beschränkung auf die Frage der Verjährung, weil sie auf eine einzelne Rechtsfrage abzielt (BGH, Urteile vom 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, WM 1995, 2107, 2108 und vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 184 Tz. 19; a.A. Wenzel aaO Rdn. 41; Grunsky aaO). Gleiches gilt für die Beschränkung der Zulassung auf die prozessuale Vorfrage , ob die Zurückweisung der Einreden des Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO zu Recht erfolgt ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. März 1982 - V ZR 149/81, NJW 1982, 1535 und vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 f.; Wenzel aaO Rdn. 42). Folge ist, dass die Revision unbeschränkt zugelassen ist (BGH, Urteile vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04, WM 2005, 1076, 1077 und vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098, 1099 Tz. 8 m.w.Nachw.).
8
2. Das Berufungsgericht hat eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten zu Recht bejaht.
9
a) Zutreffend hat es die nach § 9 AGBG unwirksame weite Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in dem Umfang für wirksam gehalten, in dem sie sich auf den Kredit bezogen hat, der Anlass für die Abgabe der Bürgschaftserklärung war (vgl. BGHZ 143, 95, 102 m.w.Nachw.). Das war, wie das Berufungsgericht mit Tatbestandswirkung (§§ 314, 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt hat, nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin der Barkredit in Höhe von 1,4 Millionen DM.
10
b) Weiter hat es rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Klägerin die Höhe der Hauptforderung durch Mitteilung des von der Hauptschuldnerin anerkannten Schlusssaldos hinreichend dargelegt hat und dass Höhe und Bestand der Hauptforderung unstreitig sind, weil der Beklagte sie erstinstanzlich nicht bestritten hat. Sein erstmaliges Bestreiten der Kontokorrentabrede und der Höhe der Hauptforderung in der Berufungsinstanz hat es rechtsfehlerfrei als neues Verteidigungsvorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zugelassen.
11
Ebenfalls c) rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung des Klageanspruchs verneint hat, weil der Beklagte angesichts der seit 1996 in größeren zeitlichen Abständen unternommenen Versuche der Klägerin, die Bürgschaftssumme zu realisieren , nicht darauf vertrauen konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Nachdem die Klägerin ihm im September 2000 gedroht hatte, die Angelegenheit zur Beitreibung einem Rechtsanwalt zu übergeben, durfte er nicht annehmen, dass sie die Bürgschaftsforderung nicht mehr geltend machen wolle. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes , dass die Klägerin danach noch etwa vier Jahre bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung verstreichen ließ. Als Rechtsanwalt musste sich der Beklagte darauf einstellen, dass sie die erst am 31. Dezember 2004 ablaufende Verjährungsfrist ausschöpfen werde.
12
Die 3. durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforderung ist - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt (§ 195 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), weil die Klägerin nach der fälligkeitsbegründenden Kündigung des Kreditvertrages am 26. November 1996 unstreitig keine verjährungsunterbrechende oder -hemmende Maßnahme gegen die Hauptschuldnerin ergriffen hat. Hierauf kann sich auch der Beklagte gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Dem steht nicht entgegen, dass die Hauptforderung erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage verjährt ist (BGHZ 139, 214, 216 ff.). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte die Bürgschaftsklage die Verjährung auch nicht ausnahmsweise wegen Verselbständigung der Bürgschaftsforderung durch Wegfall der Hauptschuldnerin hemmen (vgl. dazu Senat BGHZ 153, 337, 342 f.).
13
4. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit von der Zulassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Verjährungseinrede des Beklagten ab. Sie ist vorrangig vor der Zulassung des ebenfalls erstmals zweitinstanzlich geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts zu beantworten , weil dieses im Erfolgsfall lediglich zu einer eingeschränkten Verurteilung Zug um Zug (§ 274 BGB) führt, die Verjährungseinrede hingegen zur Klageabweisung.

III.


14
a) 1. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertritt in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2005 (X ZR 165/04, GRUR 2006, 401, 404 Tz. 26 f. = MDR 2006, 766, 767 = BGHReport 2006, 599, 601 f.) die Auffassung, die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede sei auch bei unstreitiger Tatsachengrundlage nur zuzulassen, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliege. Die Verjährungseinrede gehöre zu den Verteidigungsmitteln , deren rechtzeitige Geltendmachung durch § 531 Abs. 2 ZPO sichergestellt werden solle. Habe sich der Schuldner nicht bereits außergerichtlich auf Verjährung berufen, müsse dem Umstand, dass bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Verjährung eingetreten sei, deshalb grundsätzlich durch Erhebung der Einrede in dieser Instanz Rechnung getragen werden.
15
b) Danach wäre die Verjährungseinrede im Streitfall nicht zuzulassen , weil die Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vorliegen.
16
aa) Nach seinen zutreffenden Ausführungen ergab sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten kein Anhaltspunkt dafür, dass er sich auf die verspätete Geltendmachung der Hauptforderung berufen wollte. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO greifen damit nicht ein.
17
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO verneint. Nachlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel fahrlässig nicht bereits in erster Instanz vorgetragen wird. Hierzu zählt jede Verletzung der Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO), derzufolge die Parteien grundsätzlich gehalten sind, Vorbringen, das zur Abkürzung des Verfahrens geeignet ist, alsbald vorzutragen oder zumindest anzukündigen (Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 31; Greger, ebenda § 282 Rdn. 3; MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl. § 282 Rdn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Ablauf der Verjährung zum 31. Dezember 2004 dem Grunde nach bekannt und der Beklagte demnach durch nichts an der Erhebung der Einrede bereits in erster Instanz gehindert war.
18
Der Annahme von Nachlässigkeit steht nicht entgegen, dass es im materiellen Recht weder eine Pflicht gibt, die Einrede der Verjährung alsbald geltend zu machen, noch (von Verwirkung abgesehen) überhaupt eine zeitliche Beschränkung (a.A. Meller-Hannich JZ 2005, 656, 664 und NJW 2006, 3385, 3387 f.). Die materiell-rechtliche Befugnis, den Zeitpunkt der Geltendmachung der Einrede frei zu wählen, wird bei der Ver- jährung ebenso wie bei den Gestaltungsrechten der Anfechtung oder Aufrechnung im gerichtlichen Verfahren durch das Prozessrecht beschränkt (vgl. zur Aufrechnung: BGHZ 24, 97, 98; 34, 274, 279; 91, 293, 302 ff.; zur Anfechtung: BGHZ 42, 37, 39 ff.; 94, 29, 34 m.w.Nachw.). Eine solche prozessuale Beschränkung ist zwar ausgeschlossen , wenn die zeitliche Entscheidungsfreiheit gerade das Wesen des Gestaltungsrechts ausmacht (vgl. BGHZ 94, 29, 34 f. zum vertraglichen Optionsrecht). Das ist bei der Verjährungseinrede aber nicht der Fall.
19
cc) Der Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO steht auch nicht entgegen , dass nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 9. Oktober 2003 - VII ZR 335/02, WM 2004, 288, 289 und vom 6. Oktober 2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687, 1688; a.A. OLG Brandenburg OLGR 2005, 21, 23 ff.; OLG Saarbrücken OLGR 2007, 589, 590 f.) erst im Laufe des Verfahrens geschaffene materiell -rechtliche Anspruchsvoraussetzungen ohne Rücksicht auf Präklusionsvorschriften in den Rechtsstreit eingeführt werden können. Diese Rechtsprechung beschränkt sich ausdrücklich auf den Fall einer erstmals fälligkeitsbegründenden Schlussrechnung in zweiter Instanz, deren Präklusion gerade keine abschließende Klärung zwischen den Parteien zur Folge hätte, sondern einen weiteren Rechtsstreit über dieselbe Werklohnforderung. Eine solche Folge tritt bei Präklusion der Verjährungseinrede nicht ein.
20
2. Der XI. Zivilsenat, der die Vorlagefrage bisher - ebenso wie der VIII. Zivilsenat (Urteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 174/04, WM 2005, 948, 949) - offen gelassen hat (Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, WM 2007, 731, 732 Tz. 19), möchte der Rechtsprechung des X. Zivilsenats nicht folgen und § 531 Abs. 2 ZPO nicht auf die Verjährungseinrede anwenden, wenn sie zwar erstmals in zweiter Instanz im Prozess erhoben wird, zwischen den Parteien aber sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind. Da der X. Zivilsenat auf Anfrage mitgeteilt hat, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten, ist die Sache gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen beim Bundesgerichtshof vorzulegen.

IV.


21
Nach Auffassung des Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu verneinen.
22
1. Nach der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats vom 18. November 2004 (IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 141 ff.) kann neuer unstreitiger Tatsachenvortrag nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden. Das Berufungsgericht hat solches Vorbringen vielmehr gemäß § 529 Abs. 1 ZPO selbst dann seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich wird.
23
Dieser Entscheidung haben sich der II. Zivilsenat (Urteile vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296 und vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932, 1938 Tz. 63), der III. Zivilsenat (Urteil vom 19. Januar 2006 - III ZR 105/05, BGHZ 166, 29, 31 Tz. 6), der IV. Zivilsenat (Urteile vom 13. Juli 2005 - IV ZR 47/04, FamRZ 2005, 1555, 1557 und vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05, NJW 2006, 298, 299 Tz. 19) und der VIII. Zivilsenat (Beschluss vom 21. Februar 2006 - VIII ZR 61/04, WM 2006, 1115 Tz. 5) angeschlossen.
24
Dem entsprechen sowohl die überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung (OLG Hamm NJW 2003, 2325 f. zu vorprozessual erklärter Aufrechnung; OLG Nürnberg OLGR 2003, 351; OLG Oldenburg OLGR 2004, 54, 55; OLG Karlsruhe MDR 2004, 1020; OLG Schleswig OLGR 2005, 120, 121; OLG Frankfurt am Main OLGR 2005, 558, 560 und OLGR 2007, 448, 449; OLG Rostock OLGR 2006, 916, 917; KG Berlin KGR 2007, 502, 503; a.A. OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 43 ff., insoweit in ZIP 2006, 2122 ff. nicht abgedruckt) als auch die herrschende Meinung in der Literatur (Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; MünchKommZPO /Rimmelspacher, 3. Aufl. § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 531 Rdn. 16; Saenger/Wöstmann, ZPO 2. Aufl. § 531 Rdn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO 28. Aufl. § 531 Rdn. 1; Zimmermann, ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 6; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 21; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 137 Rdn. 59; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 7. Aufl. Rdn. 475; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 3/2005 Anm. 1 und AnwBl 2006, 609, 611; Heinrich WuB VII A. § 531 ZPO 1.05; Noethen MDR 2006, 1024, 1025 f.; Rixecker NJW 2004, 705, 707; Roth JZ 2005, 174, 175 und JZ 2006, 9, 15; Schmidt NJW 2007, 1172, 1173; Schultz BGHReport 2005, 320; Schwenker IBR 2005, 180; s. auch Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 8, § 533 Rdn. 10; Crückeberg MDR 2003, 10, 11; Rimmelspacher, in: Festschrift für Schlosser 2005 S. 747 ff.; a.A. Burgermeister BGHReport 2005, 455 f.; Drossart BrBp 2004, 4, 8; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 220 ff.; Stackmann NJW 2007, 9, 10).
25
Nicht 2. einheitlich wird die Frage beantwortet, ob diese Rechtsprechung auch auf Einreden, die eine Partei geltend machen muss, übertragen werden kann.
26
a) Der IV. Zivilsenat (Urteil vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05, NJW 2006, 298, 299 Tz. 19) hat im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 141 ff.) entschieden, dass die erstmalige Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG in der zweiten Instanz nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden kann, wenn der Ablauf der Ausschlussfrist unstreitig ist.
27
Speziell für die Einrede der Verjährung hat der III. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2006 (BGHZ 166, 29, 31 Tz. 6) in einem obiter dictum ausgeführt, auch eine erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede dürfe nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden, wenn die den Verjährungseintritt begründenden Umstände zwischen den Parteien unstreitig seien.
28
b) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die Zulassung der Verjährungseinrede auf der Basis unstreitigen Vorbringens nach Erlass des Urteils des IX. Zivilsenats zunehmend befürwortet (OLG Naumburg OLGR 2006, 141 f.; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 526, 528; OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 - 28 U 217/04, juris Tz. 41 ff. unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; OLG Stuttgart BKR 2006, 280, 285; OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531; OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2006 - 17 U 103/04, juris Tz. 38 ff.; OLG Schleswig, Urteil vom 21. Dezember 2006 - 5 U 101/06 S. 15 (rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 58/07); vorher bereits OLG Karlsruhe MDR 2005, 412 f. und LG Berlin Grundeigentum 2004, 690 f.).
29
Auch in der Literatur wird diese Ansicht mit steigender Tendenz vertreten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 531 Rdn. 28; Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 214 Rdn. 3 - a.A. noch 65. Aufl.; Zimmermann , ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 10, 13 Nr. 3; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 7. Aufl. Rdn. 476; v. Berg IBR 2007, 165; Deubner JuS 2007, 528, 530; Meller-Hannich NJW 2006, 3385, 3386 ff. sowie JZ 2005, 656, 664 f.; Noethen MDR 2006, 1024, 1026 f.; Rixecker NJW 2004, 705, 707; Sohn BauR 2003, 1933 ff.; Vogel IBR 2007, 589; im Ergebnis auch Staudinger/Peters, BGB Neubearb. 2004 § 214 Rdn. 11: grundsätzlich gilt § 531 Abs. 2 ZPO, es sei denn, die Einrede beschleunigt - wie meist - die Erledigung des Rechtsstreits; sowie wohl auch jurisPK-BGB/Lakkis, 3. Aufl. Stand August 2007 § 214 Rdn. 22).
30
c) Demgegenüber wird die Auffassung des X. Zivilsenats überwiegend in älteren, vor dem Grundsatzurteil des IX. Zivilsenats ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen geteilt (KG KGR 2003, 392, 394; OLG Brandenburg BauR 2003, 1256, 1257; OLG Oldenburg MDR 2004, 292; OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 1222 - Einrede beschränkter Erbenhaftung - und Grundeigentum 2004, 625; OLG Frankfurt am Main OLGR 2004, 249; OLG München BauR 2004, 1982), aber auch in einigen neueren Entscheidungen vertreten (OLG Hamm MDR 2006, 695 - Einrede be- schränkter Erbenhaftung; OLG München, Urteil vom 24. November 2005 - 6 U 5627/04, juris Tz. 60, insoweit in OLGR 2006, 139 nicht abgedruckt ; OLG Saarbrücken OLGR 2007, 589, 591 f. - Erlass eines Überleitungsbescheids ; OLG Oldenburg, Urteil vom 4. Juli 2007 - 5 U 106/06, juris Tz. 27 - Einwand hypothetischer Einwilligung im Arzthaftungsprozess (Revision anhängig unter VI ZR 198/07); OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 - 7 U 169/06, juris Tz. 23).
31
Auch ein Teil der Literatur hat sich gegen die Zulassung der erstmaligen Verjährungseinrede in der zweiten Instanz ausgesprochen (MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl. § 214 Rdn. 4; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 22; Drossart BrBp 2004, 4, 7 f.; Geisler AnwBl 2006, 609, 611 (zurückhaltender in: jurisPR-BGH-Zivilrecht 39/2007 Anm. 4); Lenkeit IBR 2003, 170; Müller BrBp 2004, 35, 37; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 224 ff.; Roth JZ 2005, 174, 176 und JZ 2006, 9, 15; Schenkel MDR 2005, 726 ff.; Siegburg BauR 2003, 291 f.; wohl auch Henrich, in: Bamberger/Roth, BGB 2. Aufl. § 214 Rdn. 2; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB 11. Aufl. § 214 Rdn. 3; Stackmann NJW 2007, 9, 10; im Ergebnis auch Gerken, in: Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung und Nebengesetze, 3. Aufl. § 531 Rdn. 23: grundsätzlich gilt § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO, es sei denn, unabhängig von der Verjährungseinrede müsste eine Zurückverweisung erfolgen, so dass der Beklagte die Einrede im ersten Rechtszug wiederholen könnte).
32
3. Nach Auffassung des XI. Zivilsenats kann - ausgehend von der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 141 ff.) - die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede in zweiter Instanz bei unstreitiger Tatsachengrundlage zur Vermeidung von Wertungswidersprü- chen nicht anders behandelt werden als sonstiger unstreitiger Tatsachenvortrag , der - wie oben dargelegt - nach nahezu einhelliger Meinung nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden darf. Dafür sprechen folgende Gründe:
33
Nach a) der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats fällt unstreitiges Vorbringen generell nicht unter die „neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel“ im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Danach ist dieser Begriff ebenso wie im bisherigen Recht auszulegen, in dem die Vorschriften über die Behandlung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel anerkanntermaßen nur für streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen galten (BGHZ 161, 138, 142 unter Hinweis auf BGHZ 76, 133, 141; so auch VI. Zivilsenat, BGHZ 164, 330, 333; BGH, Urteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHReport 2004, 1378, 1379 und vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 8; a.A. OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 47 ff.; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 223 f.).
34
Da die rechtliche Einordnung des unstreitigen Vorbringens mithin unerheblich ist, ergibt sich daraus bei konsequenter Anwendung für die Verjährungseinrede: Wenn der Beklagte in der zweiten Instanz erstmals unbestritten vorträgt, er habe sich vorprozessual oder während des erstinstanzlichen Verfahrens außergerichtlich auf Verjährung berufen, und die verjährungsbegründenden Umstände ebenfalls unstreitig sind, so ist dieses Vorbringen zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn der Beklagte die Verjährungseinrede während des zweitinstanzlichen Verfahrens außergerichtlich erhebt und diese neue Tatsache unbestritten in den Pro- zess einführt. Nichts spricht angesichts dessen dafür, eine während des zweitinstanzlichen Verfahrens im Prozess erhobene Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage nicht zu berücksichtigen. Einen stichhaltigen Grund für eine Differenzierung zwischen diesen Fallgestaltungen gibt es nicht.
35
b) Die vom X. Zivilsenat vorgenommene Differenzierung zwischen Sachverhalten, die ohne besondere Geltendmachung entscheidungserheblich sind und solchen, die erst durch Wahrnehmung eines materiell -rechtlichen Leistungsverweigerungsrechts entscheidungserheblich werden (Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 165/04, GRUR 2006, 401, 404 Tz. 27), findet im Prozessrecht keine Stütze. Der prozessuale Einredebegriff erfasst sowohl Einwendungen als auch Einreden im materiellen Sinne (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 101 Rdn. 1 ff.; Motive zum Entwurf des BGB, Band I 1888 S. 359 f.). Dementsprechend unterscheidet § 531 Abs. 2 ZPO nicht zwischen Einwendungen und Einreden im materiellen Sinne, sondern gilt für sämtliche neue „Angriffs- und Verteidigungsmittel“, worunter nach §§ 282, 146 ZPO ausdrücklich sowohl Einwendungen als auch Einreden zu verstehen sind.
36
Im Prozess können Einreden, aber auch materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich erst dann Bedeutung erlangen, wenn sie von einer Partei vorgetragen, d.h. in den Rechtsstreit eingeführt werden. So setzt etwa die Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Einwendung eines Rücktritts Vortrag sowohl zu den Rücktrittsvoraussetzungen als auch zur Rücktrittserklärung voraus. Ein erst während der Berufungsinstanz erklärter Rücktritt ist, wenn das Vorbringen zu den Rücktrittsvoraussetzungen unstreitig ist, nach § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen, obwohl die Ausübung des Rücktrittsrechts, das in erster Instanz nicht genutzt wurde, nachträglich die Entscheidungsbasis und den Prüfungsumfang des Gerichts verändert. Dass dies bei Erhebung einer Verjährungseinrede in zweiter Instanz anders sein soll, überzeugt nicht.
37
c) Aus § 533 ZPO lässt sich entgegen der Ansicht des X. Zivilsenats nichts gegen die Zulassung einer erstmals zweitinstanzlich erhobenen Verjährungseinrede herleiten. Es handelt sich um eine spezielle Präklusionsvorschrift, die durch besondere Zulassungsvoraussetzungen verhindern soll, dass der Streitstoff auf dem Wege der Klageänderung, Aufrechnung oder Widerklage erweitert und damit das Novenverbot umgangen wird (vgl. Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 533 Rdn. 1; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 533 Rdn. 1). Aus dieser Spezialregelung folgt nicht, dass der Gesetzgeber unstreitiges neues Vorbringen in zweiter Instanz generell nur unter solchen besonderen Voraussetzungen zulassen wollte. Vielmehr spricht umgekehrt gerade das Fehlen einer entsprechenden Regelung für die Verjährungseinrede dafür, dass es insoweit - ebenso wie bei anderen prozessualen Einreden - bei der allgemeinen Präklusionsregelung bleiben sollte (vgl. Meller-Hannich NJW 2006, 3386, 3387; Noethen MDR 2006, 1024, 1026 f.).
38
Hinzu kommt, dass nach § 533 ZPO bei unstreitigem Sachverhalt und Sachdienlichkeit in der Berufungsinstanz sogar über einen neu eingeführten Streitgegenstand zu entscheiden ist. Es erscheint daher verfehlt , die Zulassung der weniger weit reichenden Verjährungseinrede - bei der in der Regel Sachdienlichkeit vorliegen dürfte - von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. OLG Naumburg OLGR 2006, 141, 142; ferner OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531).
39
d) Anders als Befürworter der vom X. Zivilsenat vertretenen Auffassung meinen (s. zuletzt OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 - 7 U 169/06, juris Tz. 23), sprechen auch Sinn und Zweck des § 531 Abs. 2 ZPO oder der Wille des Gesetzgebers nicht gegen die Zulassung der Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage. Auch insoweit haben die Erwägungen in der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 143) Gültigkeit.
40
Durch § 531 Abs. 2 ZPO soll die Zulassung neuen Vorbringens auf das Maß beschränkt werden, das sich aus der geänderten Funktion des Berufungsverfahrens als Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung ergibt (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 1, 58, 59 f.; 61, 94, 100; 14/6036 S. 2, 118, 123; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 6). Die geänderte Funktion gebietet den Ausschluss von Leistungsverweigerungsrechten bei unstreitiger Tatsachengrundlage aber ebenso wenig wie in anderen Fällen unstreitigen Vorbringens. Auch nach der Reform des Zivilprozesses besteht seine Aufgabe weiterhin darin, subjektive Rechte festzustellen und zu verwirklichen; ebenso hat die Verhandlungs - und Dispositionsmaxime, nach der die Parteien den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Prozessstoff bestimmen, weiterhin Geltung (vgl. BGHZ 161, 138, 143 m.w.Nachw.). Das gilt auch für das reformierte Berufungsverfahren. Gerade im Zusammenhang mit dessen Neugestaltung hat der Gesetzgeber wiederholt das anerkennenswerte Interesse der Parteien betont, mit Hilfe der erneuten Überprüfung ihres Falles eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überzeugende und gerechte Entscheidung zu erlangen (vgl. BT-Drucks. 14/6036 S. 26, 118, 124; BGHZ 160, 83, 91, 92). Deshalb enthalten die Präklusionsvorschriften auch kein absolutes Novenverbot mit strikter Bindung an die erstinstanzlichen Feststellungen, sondern sollen das Berufungsgericht (nur) von solchen Tatsachenfeststellungen entlasten, die bereits in erster Instanz richtig und vollständig getroffen wurden (s. BT-Drucks. 14/4722 S. 61; 14/6036 S. 123). Das Berufungsverfahren ist weiterhin - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren Fehlerkontrolle und -beseitigung sich nicht nur auf Rechtsfragen, sondern auch auf die Tatsachengrundlage des Rechtsstreits erstreckt (vgl. MeyerSeitz , in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 529 Rdn. 4 ff.; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 529 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
41
Dieser gesetzlichen Aufgabenzuweisung und Zielsetzung widerspräche es bei der Verjährungseinrede ebenso wie bei sonstigem unstreitigen Vorbringen, wenn das Berufungsgericht gehalten wäre, eine von den Parteien vorgetragene unstreitige Ergänzung des Vortrags um die Erhebung der Einrede und deren Voraussetzungen nicht zu berücksichtigen , weil es damit sehenden Auges auf einer falschen, von keiner Seite (mehr) geltend gemachten Grundlage eine materiell unrichtige Entscheidung treffen müsste. Der Einwand, das erstinstanzliche Urteil bleibe trotz zweitinstanzlich erhobener Verjährungseinrede materiell richtig und gerecht (so Schenkel MDR 2005, 726 f.), trifft nur auf der Grundlage des dem erstinstanzlichen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zu. Maßgeblich für das Berufungsgericht ist aber die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung (vgl. BGHZ 161, 138, 144 unter Hinweis auf BGHZ 158, 295, 307 f. m.w.Nachw.; OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 - 28 U 217/04, juris Tz. 49). Diese hat sich durch die Erhebung der Verjährungseinrede, einer geschäftsähnlichen Handlung des sachlichen Rechts, nachträglich zu Lasten des Gläubigers verändert, indem der von ihm geltend gemachten Forderung ihre Durchsetzbarkeit genommen wurde (vgl. BGHZ 156, 269, 271). Dies müsste der Richter bei Nichtzulassung der Verjährungseinrede ignorieren und damit wissentlich eine Forderung zusprechen, die der Gläubiger nach materiellem Recht gerade nicht mehr gerichtlich durchsetzen können sollte.
42
e) Schließlich stellt die Präklusion der Verjährungseinrede, deren Zulassung den Rechtsstreit nicht verzögern würde, eine unverhältnismäßige Sanktion dar, die im Hinblick auf den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
43
Präklusionsvorschriften haben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen ihrer zwangsläufig nachteiligen Auswirkungen auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung und ihrer einschneidenden Folgen für die säumige Partei strengen Ausnahmecharakter (vgl. BVerfGE 60, 1, 6; 75, 302, 312 m.w.Nachw.). Es ist dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich nicht verwehrt, neues Vorbringen - wie in § 531 Abs. 2 ZPO geschehen - auch dann im Berufungsverfahren auszuschließen, wenn seine Zulassung zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führen würde (vgl. BVerfGE 55, 72, 94 und NJW 2005, 1768, 1769). Präklusionsnormen sind aber - wie sämtliches Verfahrensrecht - weder Selbstzweck noch haben sie Strafcharakter, sondern sollen lediglich einer sachgerechten Entscheidungsfindung dienen. Ihrem strengen Ausnahmecharakter ist daher auch bei der Anwendung im Ein- zelfall unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 55, 72, 93; BGHZ 75, 340, 348; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 7). Das aber wäre bei Nichtzulassung der Verjährungseinrede trotz unstreitiger Tatsachengrundlage nicht mehr gewahrt.
44
Der Ausschluss der Verjährungseinrede dient bei unstreitiger Tatsachengrundlage gerade nicht der materiell richtigen und gerechten Entscheidungsfindung , sondern führt im Gegenteil dazu, dass dieser Zweck des Berufungsverfahrens verfehlt wird. Für die betroffene Partei ist der Ausschluss der Einrede besonders hart, weil sie - anders als in den Fällen des § 533 ZPO - nicht mehr in einem anderen Verfahren geltend gemacht werden kann, sondern endgültig verloren ist.
45
Die Nichtzulassung ist auch nicht wegen schützenswerter Interessen der Allgemeinheit oder des Prozessgegners geboten. Das allgemeine Interesse an der schonenden Inanspruchnahme der „knappen Ressource Recht“ wird durch die Zulassung nicht wesentlich tangiert. Ist das der Einrede zugrunde liegende Tatsachenvorbringen unstreitig, kann es ohne weiteres der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde gelegt und damit zügig eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen werden; einer etwaigen verzögernden Geltendmachung der Einrede kann im Übrigen durch § 530 ZPO i.V. mit §§ 520, 521 Abs. 2 ZPO begegnet sowie bei der Kostenentscheidung Rechnung getragen werden (§ 97 Abs. 2 ZPO).
46
Anerkennenswerte Interessen des Prozessgegners stehen einer Zulassung der Einrede auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts prozessualer Gerechtigkeit und des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren nicht entgegen (a.A. Schenkel MDR 2005, 726, 727; OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 57 f.). Soweit der Gegner sich zu neuem Vorbringen (etwa bei Erhebung der Einrede in der Berufungsverhandlung) nicht sofort erklären kann, besteht die Möglichkeit eines Schriftsatznachlasses.
47
Die Nichtzulassung der Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage wäre eine reine Strafe für nachlässiges prozessuales Verhalten, die sich - anders als im Fall des § 530 ZPO - weder durch prozessökonomische Gründe noch durch schützenswerte Interessen des Prozessgegners rechtfertigen lässt. Dem Gesichtspunkt materieller Ge- rechtigkeit ist daher durch Zulassung der Einrede Vorrang zu geben (vgl. OLG Hamm NJW 2003, 2325, 2326; OLG Karlsruhe MDR 2004, 1020 und OLGR 2006, 526, 528; OLG Frankfurt am Main OLGR 2005, 558, 561).
Nobbe Müller Ellenberger
Schmitt Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 14.07.2005 - 6 O 5142/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 07.04.2006 - 12 U 1605/05 -

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

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Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

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(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

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Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 273 Zurückbehaltungsrecht


(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweiger

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Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 274 Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts


(1) Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen ist. (2) Auf Grund einer so

Zivilprozessordnung - ZPO | § 521 Zustellung der Berufungsschrift und -begründung


(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen. (2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 146 Beschränkung auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel


Das Gericht kann anordnen, dass bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken usw.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Vertei

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 2/04 Verkündet am:
21. September 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Zulassung der Revision kann nicht auf die Frage der Verjährung, die von
der materiell-rechtlichen Natur des Anspruchs abhängt, beschränkt werden.
Ansprüche aus selbständigen Verträgen, die lediglich dem Umfeld einer Beförderung
zuzurechnen sind, verjähren nicht nach § 439 Abs. 1 HGB, sondern
nach den auf diese Verträge anwendbaren Verjährungsvorschriften.
Ein Anspruch aus einer Vereinbarung, die vorsieht, dass dem Transportunternehmer
unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Transportleistungen
erbracht werden, je Arbeitstag und Fahrzeug ein bestimmtes Entgelt zusteht,
unterfällt dementsprechend nicht der Verjährungsvorschrift des § 439 HGB.
BGH, Urt. v. 21. September 2006 - I ZR 2/04 - OLG Bremen
LG Bremen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. September 2006 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 2. Zivilsenat - vom 4. Dezember 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die S. GmbH in Bremen (im Weiteren: Beklagte), veräußerte mit insgesamt vier am 19. Dezember 1997 abgeschlossenen schriftlichen Verträgen den "Teilbetrieb Fuhrpark" an die Klägerin. Die mit "Vereinbarung" überschriebene Abrede hatte u.a. folgenden Wortlaut: "1. S. verkauft mit gesondertem Unternehmenskaufvertrag zum 01.01.1998 - 00.00 h - den Teilbetrieb Fuhrpark an B. . … 3. B. erhält von S. 13 Lkw auf Basis eines CharterwayVertrages. Die monatliche Rate beträgt DM 3.419,00 bei 60 Monaten Laufzeit. Die Lkw werden nach Ablauf der 60 Monate an S. zurückgegeben. Als Laufleistung wurden durchschnittlich 13.000 km pro Monat vereinbart. 4. S. übernimmt die Disposition der 13 Lkw in Vollcharter. … 6. Ein Mindestauftragsvolumen von DM 1.050,00 je Einsatz- und Arbeitstag (ohne Samstage und Sonn-/Feiertage) über alle Fahrzeuge bei einer durchschnittlichen Laufleistung von 600 km kalendertäglich wird vereinbart. Nicht realisierte Umsätze , die durch Ausfallzeiten von Fahrzeugen, Fahrern etc. verlorengegangen sind, werden von B. nicht gefordert. 7. Der beiden Parteien bekannte Rahmenvertrag zwischen der Firma S. und B. kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Monats von der Firma B. schriftlich ganz oder bezüglich einzelner Lkw gekündigt werden. Die Lkw können dann an S. zurückgegeben werden."
2
Die weiteren Verträge zwischen den Parteien waren mit "Unternehmenskaufvertrag" , "Rahmenvertrag" und "Mietvertrag Wechselbrücken-Koffer" überschrieben.
3
Die Klägerin erachtete die Zusammenarbeit mit der Beklagten in der Folgezeit als betriebswirtschaftlich unbefriedigend. Sie richtete deshalb am 4. April 2000 ein Schreiben an die Beklagte, das auszugsweise wie folgt lautete: "Aufgrund der am 30. sowie 31.03.2000 getroffenen Vereinbarung kündigen wir hiermit folgende Verträge mit fristloser und sofortiger Wirkung: 1.) Unternehmervertrag vom 19.12.1997 2.) Packmittel-Tauschvereinbarung vom 19.12.1997 3.) Charterway Mietvertrag vom 19.12.1997 4.) Mietvertrag Wechselbrücken vom 19.12.1997. Oben genannte Verträge werden fristlos gekündigt, da mit Wirkung zum 01.04.2000 grundlegende Veränderungen im Bereich der Fahrzeuggestellung sowie der Zusammenarbeit getroffen wurden. Die Kündigung sowie Neuordnung unserer Zusammenarbeit erfolgte aufgrund fehlender wirtschaftlicher FahrzeugAuslastungen. Die weitere Zusammenarbeit wird auf den nachfolgenden Seiten unsererseits bestätigt und wie folgt fixiert. …"
4
Die Beklagte widersprach der fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 19. April 2000 unter Hinweis auf die im Rahmenvertrag fest vereinbarte Vertragslaufzeit von 60 Monaten (beginnend ab dem 1. Januar 1998), zeigte sich aber gesprächsbereit. In der Folgezeit kam es auch zu Gesprächen und weiterem Schriftwechsel zwischen den Parteien.
5
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2000 verlangte die Beklagte von der Klägerin schließlich die Rückgabe der 13 übernommenen Fahrzeuge bis zum 2. Januar 2001. Die Klägerin hat diesem Begehren entsprochen. Seitdem wurden die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien nicht mehr fortgeführt.
6
Mit ihrer am 17. August 2001 eingereichten und am 31. August 2001 zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte zunächst auf Zahlung von 447.396,93 DM (229.739,59 DM = 117.463,98 € wegen Nichterreichens des vereinbarten Mindestauftragsvolumens in den Monaten Januar bis Juli 2000 und 217.657,34 DM = 111.286,43 € wegen offener Frachtansprüche) in Anspruch genommen.
7
Nach teilweiser Rücknahme der Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 212.818,29 € nebst Zinsen zu zahlen.
8
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, die einzelnen Zahlungsansprüche seien nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die am 19. Dezember 1997 getroffene Abrede über das Mindestauftragsvolumen sei zudem durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 4. April 2000 hinfällig geworden. Zumindest hätten die Parteien diese Abrede durch eine Ende Mai 2000 getroffene Vereinbarung aufgehoben. Darüber hinaus hat sich die Beklagte auf Verjährung der Klageansprüche berufen.
9
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 181.295,56 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei es der Beklagten die Aufrechnung mit Gegenforderungen im Gesamtbetrag von 26.267,65 € vorbehalten hat.
10
Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Bremen OLG-Rep 2004, 148). Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt "auf die Entscheidung zu den der Klägerin zuerkannten Teilansprüchen von 117.463,98 € und 3.749,66 €" zugelassen, "soweit es um die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung geht".
11
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage in Höhe von weiteren 121.213,64 € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe:


12
I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von 121.213,64 € für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
13
Die Klägerin habe gegen die Beklagte für die Monate Januar bis Juli 2000 einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 117.463,98 € als "entgangene Fracht", weil die zwischen den Parteien am 19. Dezember 1997 getroffene Abrede über ein von der Beklagten geschuldetes "Mindestauftragsvolumen" für diesen Zeitraum fortbestanden habe. Die unter Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" niedergelegte Abrede sei nicht durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 4. April 2000 erklärte Kündigung weggefallen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehende Vereinbarung in einem zwischen den Parteien am 29. Mai 2000 geführten Gespräch aufgehoben worden sei.
14
Der Klägerin stehe weiterhin ein Anspruch in Höhe von insgesamt 3.749,66 € zu, der sich aus vier Teilbeträgen zusammensetze, über die Rechnungen wegen zu niedriger Frachtgutschriften erteilt worden seien.
15
Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Es handele sich bei den Ansprüchen auf Ausgleichszahlung wegen zu niedriger Frachtumsätze nicht um Forderungen aus einem Beförderungsvertrag i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die unter Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 getroffene Abrede sei ein Garantievertrag. Eine derartige Vereinbarung könne nicht als "Frachtgeschäft" i.S. von § 407 Abs. 1 HGB eingeordnet werden.
16
Nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Regelung verjährten die von der Klägerin erhobenen Ansprüche in 30 Jahren seit ihrer Entstehung. Seit dem 1. Januar 2002 sei auf die Ansprüche die Regelung des § 195 BGB anzuwenden , wonach die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre betrage. Die Verjährungsfrist habe frühestens am 1. Januar 2000 in Lauf gesetzt werden können. Die erstgenannte Verjährungsfrist sei mithin gemäß § 209 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung durch Erhebung der vorliegenden Klage unterbrochen worden. Infolgedessen sei die Verjährung der eingeklagten Ansprüche nach Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB seit dem 1. Januar 2002 gehemmt.
17
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
18
1. Die Revision ist in dem Umfang, in dem sie von der Beklagten eingelegt worden ist, uneingeschränkt zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
19
a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen zwar auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung beschränkt. Diese Beschränkung der Zulassung ist jedoch unzulässig und damit wirkungslos. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; BGH, Urt. v. 23.9.2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR 404/02, NJW 2004, 766; Urt. v. 5.4.2006 - VIII ZR 163/05, BB 2006, 1358, 1359 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Verjährung, die von der materiellrechtlichen Natur des Anspruchs abhängt, zielt auf eine einzelne Rechtsfrage ab und ist deshalb unwirksam (BGH, Urt. v. 27.9.1995 - VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380, 3381; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 543 Rdn. 10; a.A. MünchKomm.ZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 543 Rdn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rdn. 12).
20
b) Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam; die Revision ist daher unbeschränkt zugelassen (BGH, Urt. v. 5.4.2005 - XI ZR 167/04, ZIP 2005, 1024 f. = WM 2005, 1076; Urt. v. 4.4.2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098, 1099 = VersR 2006, 931 m.w.N.).
21
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin in Höhe von 117.463,98 € aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 für begründet erachtet hat.
22
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Abrede über ein Mindestauftragsvolumen in Ziffer 6 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 habe in dem hier maßgeblichen Zeitraum von Januar bis Juli 2000 noch Gültigkeit gehabt , da sie nicht durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 4. April 2000 erklärte fristlose Kündigung entfallen sei.
23
aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung u.a. darauf gestützt, dass die Beklagte der Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 19. April 2000 widersprochen habe. Eine Kündigung stelle zwar eine einseitige Willenserklärung des Kündigenden dar, die keiner "Annahme" durch den Erklärungsempfänger bedürfe. Eine aus wichtigem Grund erklärte Kündigung sei aber nur dann wirksam, wenn dem Kündigenden ein solcher Grund auch zustehe. Daran fehle es hier jedoch. Die Klägerin habe weder vor noch während des Rechtsstreits Tatsachen vorgetragen, die berechtigten Anlass für eine (fristlose) Kün- digung hätten geben können. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
24
bb) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen , dass der Klägerin kein wichtiger Grund für die sofortige Vertragsbeendigung zur Seite gestanden habe. Die Klägerin habe ihre Kündigung mit der fehlenden wirtschaftlichen Fahrzeugauslastung begründet. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass die bisherige Vertragsgestaltung für sie bis zum Ablauf der vereinbarten fünfjährigen Vertragsdauer wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen sei. Dieser Umstand sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts als wichtiger Grund für die Kündigung anzuerkennen.
25
cc) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Es kann offen bleiben, ob die Kündigung der Klägerin vom 4. April 2000 - wie die Revision geltend macht - auch die in Ziffer 6 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 niedergelegte Abrede über ein Mindestauftragsvolumen umfasst. Denn das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine Tatsachen dafür dargelegt hat, dass der angegebene Kündigungsgrund auch tatsächlich bestanden hat.
26
b) Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, dem Kündigungsschreiben der Klägerin vom 4. April 2000 sei jedenfalls eine schriftliche Bestätigung einer einvernehmlichen Vertragsänderung zu entnehmen, die auch die Aufhebung der Regelung betreffend das Mindestauftragsvolumen zum Gegenstand gehabt habe. Damit kann die Revision schon deshalb nicht gehört werden, weil sie nicht auf entsprechenden Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen verweist.
27
Der Annahme, die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 4. April 2000 lediglich eine einvernehmliche Vertragsänderung bestätigt, steht zudem das Antwortschreiben der Beklagten vom 19. April 2000 entgegen. Darin hat sich diese nicht nur gegen die Verwendung des Begriffs der "fristlosen Kündigung" gewandt, sondern geltend gemacht, dass der am 19. Dezember 1997 abgeschlossene "Rahmenvertrag" - im Kündigungsschreiben vom 4. April 2000 als "Unternehmervertrag" bezeichnet - eine feste Laufzeit von 60 Monaten, beginnend ab 1. Januar 1998, vorsehe. Dementsprechend hat sich die Beklagte auch gegen die fristlose Kündigung der weiteren im Schreiben vom 4. April 2000 genannten Verträge gewandt. Von einer am 30./31. März 2000 einvernehmlich vereinbarten Vertragsänderung ist in dem Schreiben der Beklagten vom 19. April 2000 keine Rede.
28
Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht daher mit Recht davon ausgegangen, dass die Abrede in Ziffer 6 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 auch nach dem 4. April 2000 noch Gültigkeit hatte.
29
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Vereinbarung über ein Mindestauftragsvolumen sei nicht in einem zwischen den Parteien am 29. Mai 2000 geführten Gespräch aufgehoben worden. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, von einem Fortbestand der in Rede stehenden Vereinbarung sei auszugehen, weil diese nach den Bekundungen des Zeugen H. in dem Gespräch am 29. Mai 2000 nicht berührt worden sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision angeführten Schreiben der Klägerin vom 18. Mai 2000 an die Beklagte, in dem die Abrede über ein Mindestauftragsvolumen ebenfalls nicht erwähnt ist. Die Fortgeltung der nicht wirksam gekündigten "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 musste in dem Gespräch vom 29. Mai 2000 nicht ausdrücklich vereinbart werden. Ihre Aufhebung in einer gesonderten Vereinbarung behauptet auch die Beklagte nicht.

30
d) Die Revision wendet sich schließlich auch ohne Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin über 117.463,98 € seien nicht gemäß § 439 Abs. 1 HGB verjährt.
31
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Ansprüche in den zeitlichen Anwendungsbereich des am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen § 439 Abs. 1 HGB fallen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche haben ihre Grundlage zwar in einer vor dem 1. Juli 1998 abgeschlossenen Vereinbarung, nämlich in Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997. Die Forderungen sind jedoch erst im Jahre 2000 entstanden. Nach dem Rechtsgedanken des Art. 169 EGBGB beurteilt sich die Verjährung deshalb nach den zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Verjährungsvorschriften (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.12.2005 - I ZR 9/03, TranspR 2006, 70, 71).
32
bb) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Ansprüche der Klägerin aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 wegen Nichterreichens des vereinbarten Mindestauftragsvolumens nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 HGB unterfallen.
33
(1) Nach § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjähren Ansprüche aus einer Beförderung , die den §§ 407 bis 450 HGB unterliegt, grundsätzlich in einem Jahr. Die Bestimmung lehnt sich in ihrem Regelungsgehalt an Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR an und soll dem Interesse an einer schnellen Schadensabwicklung im Handelsverkehr dienen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes , BT-Drucks. 13/8445, S. 77). Die dem § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB unterfallenden Ansprüche müssen "aus einer Beförderung" entstanden sein. Erfasst sind somit alle vertraglichen Ansprüche, auch solche aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, soweit diese unmittelbar zu der "Beförderung" gehören und sich nicht etwa aus einer selbständigen vertraglichen Abrede ergeben. Darüber hinaus unterfallen der Verjährungsregelung - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem CMR-Vorbild - auch außervertragliche Ansprüche (vgl. BT-Drucks. 13/8445, S. 77). Ansprüche aus selbständigen Verträgen, die lediglich dem Umfeld der Beförderung zuzurechnen sind, verjähren nicht nach § 439 HGB, sondern nach den auf diese Verträge anwendbaren Verjährungsvorschriften (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2005 - I ZR 18/03, TranspR 2006, 74, 75 f.; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 439 HGB Rdn. 12; Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, 2001, § 439 Rdn. 9).
34
(2) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den Ansprüchen der Klägerin aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 handele es sich nicht um solche "aus einer Beförderung" i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Abrede über ein Mindestauftragsvolumen , der darin bestehe, der Klägerin Gewissheit zu verschaffen, dass ihr unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Beförderungsleistungen erbracht würden, je Arbeitstag und Fahrzeug ein Entgelt von 1.050 DM zustehe. Eine derartige vertragliche Vereinbarung sei ein Garantievertrag, der dadurch gekennzeichnet sei, dass der Garant für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen habe. Die Einordnung einer solchen Abrede als "Frachtgeschäft" widerspreche dem in § 407 Abs. 1 HGB angesprochenen Vertragstypus.
35
(3) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Der Anspruch aus Ziffer 6 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 ist seiner Rechtsnatur nach ein Anspruch auf Garantieleistung bei Nichterreichen des Mindestfrachtumsatzes. Für den Fall, dass ihr keine Beförderungsaufträge erteilt würden, obwohl sie die Beförderungsleistungen erbringen könnte, sollte der Klägerin - unabhängig von den Gründen für das Ausbleiben der Aufträge - das vereinbarte Mindestentgelt je Arbeitstag und Fahrzeug zustehen. Der Anspruch sollte sich danach nicht aus einer bestimmten, den §§ 407 ff. HGB unterliegenden , Beförderung ergeben. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass auf den Anspruch Entgelte für abgerufene Beförderungsleistungen angerechnet werden sollten und - gemäß Ziffer 6 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 - berücksichtigt werden sollte, ob die Klägerin tatsächlich Beförderungsleistungen hätte erbringen können.
36
Entgegen der Auffassung der Revision kann die Anwendung von § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die Ansprüche aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 auch nicht aus dem Wortlaut von § 439 Abs. 2 Satz 2 HGB hergeleitet werden. Denn die Anwendung der zuletzt genannten Bestimmung bezieht sich auf Ansprüche "aus einer Beförderung", woran es bei einem Anspruch aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 gerade fehlt.
37
e) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin aus Ziffer 6 Satz 1 der "Vereinbarung" vom 19. Dezember 1997 seien demgemäß nach § 195 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB, § 195 BGB n.F. nicht verjährt, ist rechtsfehlerfrei.
38
3. Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung weiterer 3.749,66 € für begründet erachtet hat.
39
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht, dessen Entscheidungsgründe es sich durch Bezugnahme zueigen gemacht hat (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), davon ausgegangen, dass die Klägerin den Anspruch über 3.749,66 € schlüssig dargelegt hat. Den Vortrag der Beklagten zu dieser Forderung hat das Berufungsgericht mangels hinreichender Substantiierung nicht berücksichtigt. Die dagegen vorgebrachten Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
40
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 02.04.2003 - 11 O 402/01 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 04.12.2003 - 2 U 37/03 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 167/04 Verkündet am:
5. April 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 1191; AGBG §§ 3, 9 Bl
Eine Grundschuld nebst persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfung
sichert nicht nur die originär eigenen Ansprüche einer Bausparkasse,
sondern auch die abtretungsweise erworbenen Forderungen aus einem "Vorausdarlehen".
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04 - Thüringer OLG
LG Gera
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2005 durch die Richter Dr. Joeres, Dr. Müller,
Dr. Wassermann, Dr. Appl und Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 18. Mai 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstrecku ng aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger, ein Monteur und seine Ehefrau, wurden Anfang 1997 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in O. zu erwerben. Am 14. März 1997 unterbreitete die A. (nachfol- AG gend: Verkäuferin) den Klägern ein entsprechendes notarielles Kaufangebot , das diese mit notariell beurkundeter Erklärung vom 22. März 1997 annahmen. Zur Finanzierung des Kaufpreises von 150.464 DM schloß die beklagte Bausparkasse als Vertreterin der Landeskreditbank
(nachfolgend: L-Bank) am 24. M ärz 1997 mit ihnen einen Darlehensvertrag über 181.000 DM, der als tilgungsfreies "Vorausdarlehen" bis zur Zuteilungsreife zweier zeitgleich geschlossener Bausparverträge über 90.000 DM und 91.000 DM dienen sollte.
Der Darlehensvertrag enthält unter anderem folgend e Bedingungen :
"§ 2 Kreditsicherheiten Die in § 1 genannten Darlehen werden gesichert durch:... - Grundschuldeintragung zugunsten der Bausparkasse über 181.000 DM mit mindestens 12 v.H. Jahresz insen. … § 5 besondere Bedingungen für Vorfinanzierungen... Die Bausparkasse kann das Darlehen der L-Bank vor Zuteilung des Bausparvertrages ablösen, sobald Umstände eintreten, die in der Schuldurkunde Ziffer 4 a bis e geregelt sind mit der Folge, daß die Bausparkasse in das bestehende Vertragsverhältnis eintritt. …" Die in dem Darlehensvertrag in Bezug genommene vor formulierte Schuldurkunde der Beklagten enthält unter Ziffer 11 b folgende Regelung :
"die Grundschuld dient der Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Gläubigerin gegen den Darlehensneh-
mer aus jedem Rechtsgrund, auch soweit sie nur gegen einen Darlehensnehmer begründet sind; ..." In notarieller Urkunde vom 11. Juni 1997 bestellte die Verkäuferin an dem Kaufgegenstand zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über 181.000 DM zuzüglich 12% Jahreszinsen. Die Kläger übernahmen als Gesamtschuldner die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Im September 2002 widerriefen die Kläger das "Vora usdarlehen" nach dem Haustürwiderrufsgesetz. Nachdem die L-Bank ihre Ansprüche aus dem "Vorausdarlehen" daraufhin am 28. Februar 2003 an die Beklagte abgetreten hat, nimmt diese die Kläger aus der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 persönlich in Anspruch. Diese halten dem unter anderem entgegen, die Grundschuld nebst der Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfung sichere nur die aus den Bausparverträgen künftig entstehenden Ansprüche der Beklagten, nicht aber die durch Abtretung der L-Bank erworbenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen". Darüber hinaus verstoße das in der persönlichen Haftungsübernahme liegende abstrakte Schuldversprechen gegen § 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. (analog).
Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht nur beschränkt zugelassenen Revision verfolgen sie ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


A.


Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

I.


Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Entscheidungsgründen die Zulassung der Revision auf die Frage des Umfanges der Grundschulderstreckung auf abgetretene Forderungen aus "Vorausdarlehen" beschränkt. Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278 f.; 111, 158, 166; Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, WM 2003, 2139, 2141). Danach scheidet hier die Beschränkung der Zulassung auf die Frage des Haftungsumfangs der Grundschuld und der sie verstärkenden persönlichen Sicherheiten der Kläger aus, da es sich insoweit nur um ein
einzelnes Rechtsproblem im Rahmen der gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 gerichteten Klage handelt.

II.


Bei einer unzulässigen Beschränkung der Revisionsz ulassung muß das angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, WM 1984, 279, 280). An diesem Grundsatz ist auch nach der Änderung des Rechtsmittelrec hts festzuhalten. Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision daher unbeschränkt zuzulassen (Senatsurteile vom 20. Mai 2003, aaO, vom 23. September 2003, aaO S. 2233, vom 20. April 2004, aaO und vom 26. Oktober 2004, aaO; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003, aaO jeweils m.w.Nachw.).

B.


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführ t:
Die Kläger hätten ihre auf Abschluß des Darlehensv ertrages gerichteten Willenserklärungen nicht wirksam widerrufen. Ihr Vortrag zur Haustürsituation sei unschlüssig. Es fehle auch an der Kausalität zwischen einer etwaigen Haustürsituation und dem Abschluß des Darlehensvertrages.
Die Kläger seien aufgrund der Grundschuldbestellun g nebst der persönlichen Haftungsübernahme und Unterwerfungserklärung in der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 verpflichtet, die Zwangsvollstrekkung in ihr gesamtes Vermögen zu dulden. Die Grundschuld sichere auch die von der L-Bank an die Beklagte abgetretenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen". Der Sicherungszweck ergebe sich aus § 2 des Darlehensvertrages, der auf die in § 1 genannten Darlehen, also sowohl auf das Bauspardarlehen als auch auf das "Vorausdarlehen", Bezug nehme. Aufgrund der Abtretung fielen Sicherungsnehmerin und Forderungsinhaberin nicht mehr auseinander. Nach Ziff. 11 b der zum Bestandteil des Darlehensvertrages gewordenen vorformulierten Schuldurkunde der Beklagten seien die in der Person der L-Bank entstandenen Ansprüche und Forderungen in den Haftungsbereich der Grundschuld miteinbezogen. Die danach vorgesehene Sicherung "aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen … aus jedem Rechtsgrund" verstoße nicht gegen § 3 AGBG, sondern sei bei einer Personenidentität zwischen Schuldner und Sicherungsgeber in der Kreditpraxis seit langem üblich. Daß die Forderungen aus dem "Vorausdarlehen" erst am 28. Februar 2003 an die Beklagte abgetreten worden seien, ändere nichts, weil es sich auch bei ihnen um "künftige Forderungen" im Sinne der Vertragsklausel handele.
§ 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. sei auf das in der persö nlichen Haftungsübernahme liegende abstrakte Schuldanerkenntnis mit Vollstrekkungsunterwerfung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die Vorschrift wolle den Kreditnehmer im Bereich des Verbraucherkreditgesetzes vor den besonders großen Haftungsrisiken schützen, die sich aus der hohen Verkehrsfähigkeit von Wechseln oder Schecks und den damit verbundenen weitgehenden Einwendungsausschlüssen gegenüber gutgläubigen Dritterwerbern solcher Wertpapiere ergäben. Eine solche Verkehrsfähigkeit komme aber einem notariellen Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen nicht zu, so daß es schon an dem für einen Analogieschluß erforderlichen vergleichbaren Sachverhalt fehle.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Ein Widerrufsrecht gemäß § 1 HWiG hat das Beruf ungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen verneint.
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Grun dschuld nebst persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfungserklärung der Kläger nicht nur die erst nach Zuteilungsreife der Bausparverträge auszureichenden Darlehen der Beklagten, sondern auch die abtretungsweise erworbenen Ansprüche aus dem "Vorausdarlehen" sichert, läßt, anders als die Revision meint, keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Der Grundschuldbestellung vom 11. Juni 1997 lie gt eine entsprechende Sicherungsvereinbarung der Prozeßparteien zugrunde. Aus dem von den Klägern mit der L-Bank geschlossenen Darlehensvertrag vom 24. März 1997 geht hervor, daß die zugunsten der Beklagten zu bestellende Grundschuld alle aus den beiden Kreditverhältnissen resultierenden Ansprüche sichern sollte. Andernfalls wäre auch nicht zu erklären , daß die Beklagte gemäß § 2 Abs. 5 des Darlehensvertrages berechtigt ist, die valutierende Grundschuld für die L-Bank treuhänderisch zu verwalten oder auf sie zu übertragen. Diese ursprüngliche Sicherungsabrede ist bestehen geblieben, als die Beklagte durch den am 28. Februar 2003 geschlossenen Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) selbst Darlehensgläubigerin und wegen der damit verbundenen Beendigung des Treuhandauftrages auch wirtschaftlich Inhaberin der Grundschuld mit den haftungserweiternden persönlichen Sicherheiten wurde.

b) Abgesehen davon ergibt sich aus Ziff. 11 b der Schuldurkunde, daß die Grundschuld die abgetretenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen" sichert. Die in der Kreditpraxis, auch bei Bausparkassen, übliche Erstreckung des Grundschuldsicherungszwecks auf künftige Forderungen ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - für den Vertragsgegner weder überraschend noch unangemessen (§§ 3, 9 AGBG), sofern es sich um Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung handelt (siehe etwa BGHZ 101, 29, 32 f. m.w.Nachw.; vgl. ferner Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld 3. Aufl. Rdn. 286 a; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden 7. Aufl. Rdn. 679). Daß grundsätzlich nicht nur originär eigene, sondern auch durch eine Abtretung erworbene Forderungen Dritter nach der allgemeinen Verkehrsanschauung der bankmäßigen Geschäftsverbindung zuge-
rechnet werden können, ist höchstrichterlich seit langem anerkannt (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 24. April 1958 - II ZR 94/57, WM 1958, 722, 723 und vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 307/79, WM 1981, 162 f.). Nichts spricht dafür, daß für den abtretungsweise erworbenen Anspruch aus dem "Vorausdarlehen" andere Grundsätze gelten, zumal dieses nach § 5 Abs. 5 des Darlehensvertrages in Verbindung mit der Schuldurkunde von der Beklagten abgelöst werden konnte.

c) Das abstrakte Schuldversprechen und die diesbez ügliche Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung teilen den Sicherungszweck der Grundschuld. Sie sind in der notariellen Urkunde über die Bestellung der Grundschuld erklärt worden und beziehen sich auf die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 10 A bs. 2 VerbrKrG a.F. (jetzt: § 496 Abs. 2 BGB) auf das abstrakte Schuldanerkenntnis der Kläger nicht analog anwendbar. Die Ausnahmevorschrift verbietet nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Begebung von Wechseln oder Schecks zur Besicherung von Ansprüchen des Kreditgebers aus einem Verbraucherkreditvertrag. Für notarielle Schuldanerkenntnisse oder Schuldversprechen gilt das Verbot dagegen nicht. Es besteht - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch keine planwidrige Regelungslücke. Dafür sind Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Schutzzweck der Norm zu eindeutig (siehe Senatsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 136/04, Umdruck S. 16 f., XI ZR 137/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 323/04, Umdruck S. 10 f., XI ZR 324/04, Umdruck S. 10 f., XI ZR 325/04, Umdruck S. 10 f. und
XI ZR 334/04, Umdruck S. 12; siehe auch bereits Senatsbeschluß vom 23. November 2004 - XI ZR 27/04, Umdruck S. 3). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie ist nicht veranlaßt, weil diese Richtlinie nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf Kreditverträge, die zum Erwerb von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder Gebäude bestimmt sind, keine Anwendung findet.

III.


Die Revision der Kläger war daher zurückzuweisen.
Joeres Müller Wassermann
Appl Ellenberger

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen ist.

(2) Auf Grund einer solchen Verurteilung kann der Gläubiger seinen Anspruch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der Schuldner im Verzug der Annahme ist.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 335/02 Verkündet am:
9. Oktober 2003
Fahrner,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Streitgegenstand einer Werklohnklage ändert sich nicht dadurch, daß eine neue
Schlußrechnung vorgelegt wird (Bestätigung von BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 –
VII ZR 103/01).
Es handelt sich nicht um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der prozeßrechtlichen
Präklusionsvorschriften, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens die
materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst schafft und alsdann in
den Prozeß einführt.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - VII ZR 335/02 - KG
LG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. September 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung restlichen Werklohns. Er wurde von den Beklagten im Jahre 1994 unter Geltung der VOB/B mit den Bauleistungen für die Gewerke Maurer- und Betonarbeiten, Trockenbauarbeiten sowie Innen- und Außenputzarbeiten in drei selbständigen Verträgen beauftragt. Die Putzarbeiten wurden zu einem Pauschalpreis, die anderen Arbeiten zu Einheitspreisen vergeben. Die Beklagten kündigten die Verträge im Jahre 1998. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beton- und Maurerarbeiten fertiggestellt. Der Kläger rechnete seine Leistungen mit Schlußrechnung vom 18. Juni 1998 ab, die von den Beklagten nicht bezahlt wurde.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 84.077,92 DM gerichtete Klage nach mündlicher Verhandlung vom 31. Januar 2001 abgewiesen. Es hat die Schlußrechnung teilweise nicht als prüfbar, teilweise als sachlich nicht gerechtfertigt angesehen. Im Juni 2002 übersandte der Kläger den Beklagten eine zwischenzeitlich erstellte erneute Schlußrechnung, die er am 1. August 2002 im Berufungsverfahren zu den Akten reichte. Die Berufungsverhandlung war nach Eingang der Berufungsbegründung vom 9. August 2001 auf den 30. August 2002 terminiert. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen, da sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Frage, ob bzw. gegebenenfalls wann in der Geltendmachung einer neuen Schlußrechnung eine Klageänderung zu sehen sei, bislang - soweit ersichtlich - nicht beschäftigt habe. Der Kläger verfolgt im Revisionsverfahren sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Schlußrechnung vom 18. Juni 1998 sei bezüglich aller Leistungen nicht prüfbar gewesen. Die Einführung der neuen Schlußrechnung im Berufungsverfahren stelle eine Klageänderung dar. Dieser hätten die Beklagten nicht zugestimmt. Sie sei auch nicht sachdienlich. Unabhängig davon sei der Vortrag als neues Angriffsmittel gemäß §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil er die Entscheidung verzögert hätte. Der Kläger sei wegen der vom Landgericht geäußerten Bedenken gegen die Prüfbarkeit der Schlußrechnung gehalten gewesen, das neue Vorbringen bereits in der Berufungsbegründung geltend zu machen.

II.

1. Die Revision ist gemäß § 542, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht sie im angegriffenen Urteil zugelassen hat. Da die mündliche Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, nach dem 1. Januar 2002 stattgefunden hat, richtet sich die Zulässigkeit der Revision nach der Zivilprozeßordnung in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 7 EGZPO). An die Zulassung ist der Senat gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO gebunden , obwohl ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist (nachstehend 2. a.). Das für die prozessuale Beurteilung des Berufungsverfahrens maßgebende Recht richtet sich nach der Zivilprozeßordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, weil die mündliche Verhandlung vor
dem Landgericht vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). 2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht in der Vorlage einer neuen Schlußrechnung eine Klageänderung sieht (a). Rechtsfehlerhaft ist ferner die Hilfserwägung, das Vorbringen zur neuen Schlußrechnung im Schriftsatz vom 1. August 2002 unterliege wegen Verspätung der Zurückweisung (b).
a) Die vom Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage ist vom Bundesgerichtshof entschieden. Nach den Urteilen vom 4. Juli 2002 (VII ZR 103/01, ZfBR 2002, 787 = BauR 2002, 1588 = NZBau 2002, 614) und vom 28. September 2000 (VII ZR 57/00, BauR 2001, 124, 125 = ZfBR 2001, 34 = NZBau 2001, 146) ändert sich der Streitgegenstand nicht dadurch, daß eine neue Schlußrechnung erstellt wird. Der prozessuale Anspruch wird bestimmt durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Dazu zählen alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, die der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet. Der Kläger verlangt in beiden Instanzen seinen Werklohnanspruch in Höhe von 84.077,92 DM aus den Verträgen über die Maurer- und Betonarbeiten , die Trockenbauarbeiten sowie die Innen- und Außenputzarbeiten. Daran hat sich nichts dadurch geändert, daß er im Berufungsverfahren am 1. August 2002 eine neue Schlußrechnung vorgelegt hat.

b) Das Berufungsurteil wird auch nicht von der Hilfserwägung getragen, die Einführung der neuen Schlußrechnung sei als verspäteter Vortrag gemäß §§ 527 Abs. 1, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Innerhalb der am 9. August 2001 endenden Berufungsbegründungsfrist konnte der Vortrag schon deswegen nicht erfolgen, weil zu diesem Zeitpunkt die überarbeitete neue Schlußrechnung nicht vorlag. Der Kläger war aus prozessualen Gründen nicht gehindert, eine neue Schlußrechnung zu erstellen und im Berufungsrechtszug in den Prozeß einzuführen. Es handelt sich nicht um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im prozeßrechtlichen Sinne, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst schafft und alsdann in den Prozeß einführt. Denn die prozeßrechtlichen Präklusionsvorschriften sollen die Partei anhalten, zu einem bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen. Sie haben nicht den Zweck, auf eine beschleunigte Schaffung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken.
War aus Rechtsgründen die zunächst erstellte Rechnung nicht prüfbar, war die Forderung nicht fällig. Die anschließende Erstellung einer prüfbaren Schlußrechnung hatte materiell-rechtlich die Wirkung, die Fälligkeit des Anspruchs herbeizuführen. Der diesbezügliche Vortrag konnte nicht aus prozessualen Gründen zurückgewiesen werden.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 56/06 Verkündet am:
27. Februar 2007
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________

a) Im Revisionsverfahren ist nicht zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei
der Zulassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Verjährungseinrede
die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO beachtet hat.

b) Ein Kreditinstitut, das den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert hat,
kann vom Erwerber und Darlehensnehmer, der die Rückabwicklung des
nach dem Rechtsberatungsgesetz unwirksamen Darlehensvertrages begehrt
, nicht die Übereignung der Eigentumswohnung verlangen.
BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter
Dr. Grüneberg

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Verurteilung zur Zahlung auf 30.232,45 € ermäßigt und die Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 3. Dezember 2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 37.300,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2003 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Rückabtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen Nr. ... bei der N. AG und Nr. ... bei der A.
AG an den Kläger zu 1) sowie aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. ... bei der B. AG an die Klägerin zu 2) zu erklären.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Rechtsmittel der Kläger und der Beklagten zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges und des Revisionsverfahrens tragen die Kläger je 1/10 und die Beklagte 4/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Kläger begehren die Rückabwicklung dreier Darlehensverträge , die sie mit der beklagten Bank zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung geschlossen haben.
2
Die Kläger, ein damals 48 Jahre alter Tiefdrucker und seine Ehefrau , eine damals 42 Jahre alte Krankenschwester, wurden im Jahre 1993 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in L. zu erwerben. Sie unterbreiteten der R. GmbH (im Folgenden : Geschäftsbesorgerin) am 9. August 1993 ein notariell beurkundetes Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages nebst Vollmachtserteilung. Darin wurde die Geschäftsbesorgerin, die keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz besaß, beauftragt und bevollmächtigt, alle für den Erwerb der Eigentumswohnung und die Finanzierung des Kaufpreises notwendigen Verträge abzuschließen, zu ergänzen, zu ändern und aufzuheben. Der kalkulierte Gesamtaufwand für das Kaufobjekt war mit 234.600 DM ausgewiesen.
3
Geschäftsbesorgerin Die nahm das Angebot am 24. November 1993 an und schloss zugleich als Vertreterin der Kläger einen notariellen Kaufvertrag über die Eigentumswohnung zum Preis von 202.929 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises und der Erwerbsnebenkosten unterzeichnete die Geschäftsbesorgerin am 30. Dezember 1993 im Namen der Kläger drei durch eine Grundschuld sowie die Abtretung der Ansprüche aus mehreren Lebensversicherungsverträgen gesicherte Darlehensverträge, zwei endfällige sowie ein Annuitätendarlehen, über insgesamt 261.000 DM (Nettokreditbetrag: 234.900 DM) zu einem effektiven Jahreszins von 9,22%. Die Darlehensvaluta wurde Ende 1993 auf Anweisung der Geschäftsbesorgerin ausgezahlt und zur Finanzierung des Erwerbs verwendet. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist vereinbarten die Kläger mit der Beklagten am 28. Dezember 1998/7. Januar 1999 eine Konditionenanpassung für sämtliche Darlehensverträge. Von 1995 bis 2002 erbrachten die Kläger insgesamt 123.888,20 DM (= 63.343,05 €) an laufenden Zahlungen auf die drei Darlehen.
4
Mit der Begründung, Geschäftsbesorgungsvertrag, Vollmacht und Darlehensverträge seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig, haben die Kläger, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, die Rückzahlung der um die Mieteinnahmen verminderten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 49.935,75 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung der Eigentumswohnung sowie die Rückabtretung der Ansprüche aus drei Lebensversicherungsverträgen verlangt.
5
Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 49.935,75 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Beklagte hat mit der Berufung die Einrede der Verjährung hinsichtlich der von 1995 bis 1998 erfolgten Zahlungen erhoben. Die Kläger haben für den Fall, dass die Einrede zulässig und begründet sei, ihren Zahlungsantrag hilfsweise auf 37.300,68 € reduziert und im Übrigen einseitig für erledigt erklärt. Mit ihrer Anschlussberufung haben sie die uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung verlangt und geltend gemacht, sie müssten sich die Mieteinnahmen nicht anrechnen lassen. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung auf 30.232,45 € ermäßigt und die weitergehende Berufung der Beklagten ebenso wie die Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen.
6
Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision ist teilweise begründet.

I.


8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Klägern Den stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der in den Jahren 1999 bis 2002 erbrachten Zahlungen sowie auf Rückabtretung der Rechte aus den zur Sicherheit übertragenen Lebensversicherungsverträgen zu. Die Darlehensverträge seien unwirksam, weil die Kläger bei ihrem Abschluss nicht wirksam vertreten worden seien. Die von den Klägern 1999 persönlich unterzeichneten Vereinbarungen zur Konditionenanpassung enthielten keine Genehmigung der unwirksamen Verträge und bewirkten auch nicht, dass den Klägern der Einwand der Unwirksamkeit der Darlehensverträge von 1993 nach Treu und Glauben verwehrt sei.
10
Der Anspruch auf Rückgewähr der von 1995 bis 1998 erbrachten Zahlungen sei verjährt. Da die tatsächlichen Grundlagen der Verjährungseinrede nicht streitig seien, stehe § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO der Zulassung der Einrede nicht entgegen. Maßgeblich für die Verjährung sei die vierjährige Frist aus § 197 BGB a.F. i.V. mit § 201 BGB a.F., weil die in Rede stehenden Bereicherungsansprüche auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen gerichtet seien. Diese Vorschriften gälten gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB auch für die im Jahr 1998 entstandenen Ansprüche, so dass auch diese bei Klageerhebung am 30. Oktober 2003 bereits verjährt gewesen seien. Nur hinsichtlich der nach dem 31. Dezember 1998 entstandenen Ansprüche sei die Verjährung durch die Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. gehemmt worden. Von den in der Zeit von 1999 bis 2002 erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen der Kläger seien die in diesen Jahren erzielten Mieterträge , reduziert um die geleisteten Hausgeldzahlungen, abzuziehen, so dass sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 30.232,45 € ergebe.
11
Der Antrag der Kläger auf Verurteilung der Beklagten zur unbedingten Zahlung sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 273, 274 BGB zu. Sie könne von den Klägern im Rahmen des Bereicherungsausgleichs die Herausgabe der finanzierten Eigentumswohnung verlangen. Unabhängig von § 9 VerbrKrG löse die Unwirksamkeit des Kreditvertrages wegen des damit gescheiterten Anlagekonzepts die Rückabwicklung des gesamten Anlagegeschäfts aus. Die Kreditgeberin sei im Hinblick auf den von ihr verfolgten Finanzierungszweck so zu behandeln, als habe sie die Wohnung an den Kapitalanleger geleistet.
12
Der von den Klägern verfolgte Eventualantrag auf Feststellung der Erledigung sei unzulässig. Es sei nicht möglich, die Feststellung der Erledigung der Hauptsache lediglich hilfsweise zu beantragen.

II.


13
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
14
Rechtsfehlerfrei 1. - und von der Revision nicht angegriffen - ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die Darlehensverträge von 1993 böten keine Rechtsgrundlage für die Zahlungen der Kläger an die Beklagte sowie die Abtretung der Rechte aus den Lebensversicherungsverträgen.
15
a) Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die der Geschäftsbesorgerin bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages erteilte umfassende Vollmacht sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB nichtig gewesen, so dass sie die Kläger bei Abschluss der Darlehensverträge nicht wirksam habe vertreten können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Steuersparmodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Ein - wie hier - ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag und eine umfassende Vollmacht zum Abschluss aller mit dem Erwerb und der Finanzierung der Eigentumswohnung zusammenhängenden Verträge sind nichtig (st.Rspr., vgl. zuletzt Senat BGHZ 167, 223, 227 Tz. 12 sowie Senatsurteile vom 11. Juli 2006 - XI ZR 12/05, BKR 2006, 451 Tz. 11, vom 10. Oktober 2006 - XI ZR 265/05, WM 2007, 108, 109 Tz. 14 und vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 19/05, WM 2007, 62, 66 f. Tz. 40).

16
Die b) Geschäftsbesorgerin war auch nicht gemäß §§ 171, 172 BGB zur Vertretung der Kläger gegenüber der Beklagten befugt. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Beklagte keinen Beweis für ihre von den Klägern bestrittene Behauptung angeboten, ihr habe bei Abschluss der Darlehensverträge eine Ausfertigung der notariell beurkundeten Vollmacht vorgelegen. Dem ist die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten.
17
c) Ebenfalls rechtsfehlerfrei und im Revisionsverfahren unangegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, durch die persönliche Unterzeichnung der Vereinbarungen zur Konditionenanpassung 1999 hätten die Kläger die durch die vollmachtlose Vertreterin abgeschlossenen Darlehensverträge weder ausdrücklich noch konkludent genehmigt (§§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB) und ihnen sei trotz der Unterzeichnung dieser Vereinbarungen der Einwand der Unwirksamkeit der Darlehensverträge von 1993 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 503 f.).
18
2. Ohne Erfolg erhebt die Revision Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Durchsetzbarkeit der Bereicherungsansprüche der Kläger sei bezüglich der vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Zahlungen aufgrund der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede ausgeschlossen.
19
Es a) kann insoweit dahinstehen, ob das Berufungsgericht die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede berücksichti- gen durfte, weil sie auf der Grundlage unstreitigen Tatsachenvorbringens zu beurteilen war (dafür BGHZ 166, 29, 31 Tz. 6; dagegen BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 165/04, BGHReport 2006, 599, 601 f.). Denn selbst wenn das Berufungsgericht mit der Zulassung dieser Einrede § 531 Abs. 2 ZPO fehlerhaft angewendet haben sollte, kann dieser Fehler mit der Revision nicht geltend gemacht werden (BGHZ 162, 313, 319; 166, 29, 31 Tz. 6; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 - V ZR 187/03, WM 2004, 1499, 1500 f.; BGH, Urteile vom 2. März 2005 - VIII ZR 174/04, WM 2005, 948, 949 und vom 13. Februar 2006 - II ZR 62/04, WM 2006, 691, 692).
20
b) Entgegen der Auffassung der Revision unterlagen die Ansprüche der Kläger aus § 812 BGB auf Rückzahlung der rechtsgrundlos geleisteten Zins- und Tilgungsbeträge ursprünglich der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 197 BGB a.F., weil sie auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen gerichtet sind (vgl. BGHZ 98, 174, 181 f.; Senatsurteile vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 273/99, WM 2000, 2423, 2426 und vom 14. September 2004 - XI ZR 11/04, WM 2004, 2306, 2308). Nach dem Inhalt der (nichtigen) Darlehensverträge waren die Zinsen und, hinsichtlich des Annuitätendarlehens, die Tilgung in monatlichen Raten zu zahlen. Dementsprechend sind die Zahlungen der Kläger erfolgt. Mit jeder ungerechtfertigten Ratenzahlung ist jeweils ein sofort fälliger Rückzahlungsanspruch der Kreditnehmer entstanden. Da die einzelnen Ratenzahlungen der Kläger ihre gemeinsame Ursache in deren Vorstellung hatten, sie seien zu regelmäßiger Leistung verpflichtet, ist auch der Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung seiner Natur nach auf Zahlungen gerichtet, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (vgl. BGHZ 98, 174, 181 f.; Senat BGHZ 112, 352, 354; Senatsurteil vom 14. September 2004 aaO).
21
Dieser Beurteilung stehen die von der Revision angeführten Senatsurteile (BGHZ 112, 352, 355; Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 - XI ZR 11/93, WM 1993, 2003) nicht entgegen, weil sie andere als die hier in Rede stehenden Leistungen der Darlehensnehmer betrafen. Unerheblich ist auch der Hinweis der Revision, dass die Beklagte als großes Bankinstitut keineswegs übermäßig belastet oder gar in ihrer Existenz bedroht wäre, wenn sie sämtliche von den Klägern rechtsgrundlos geleisteten Raten in einem Betrag sofort zurückzuzahlen hätte. Denn die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. soll nicht nur verhindern, dass regelmäßig wiederkehrende Einzelforderungen sich mehr und mehr ansammeln und schließlich einen Betrag erreichen, der vom Schuldner nicht mehr in einer Summe aufgebracht werden kann. Vielmehr trägt die Regelung auch dem Umstand Rechnung, dass es bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen oft sehr schwer ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die bis zu dreißig Jahren zurückliegt (BGHZ 98, 174, 184; Senat BGHZ 148, 90, 93 f.; Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - XI ZR 66/05, WM 2006, 429, 431). Zudem stellt § 197 BGB a.F. allein auf die Art der Leistung und die Struktur des Anspruchs, nicht aber auf die berufliche oder soziologische Rollenverteilung ab, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Gefahren, deren Abwehr die vierjährige Verjährungsfrist dient, im konkreten Fall gegeben sind (BGHZ 98, 174, 184 f.).
22
c) Die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. begann gemäß §§ 201 Satz 1, 198 Satz 1 BGB a.F. jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Bereicherungsansprüche der Kläger entstanden sind.

23
Danach aa) ist die Verjährung der Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der von 1995 bis 1997 geleisteten Raten jeweils am 31. Dezember der Jahre 1999, 2000 sowie 2001 eingetreten.
24
bb)DieBereicherungsansprüche aus dem Jahr 1998 waren gemäß §§ 197, 201 BGB a.F. bei Inkrafttreten der neuen Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 noch nicht verjährt. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB trat an die Stelle der bisherigen Vierjahresfrist die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F., die jedoch erst vom 1. Januar 2002 an zu berechnen ist und damit nicht vor dem 31. Dezember 2004 abgelaufen wäre. Da die Verjährungsfrist alten Rechts am 31. Dezember 2002, also vorher endete, trat gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB in diesem Zeitpunkt die Verjährung ein. Die erst im Jahr 2003 erhobene Klage konnte nicht mehr die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. bewirken.
25
3.Rechtsfehlerhaftis t allerdings die Berechnung der nicht verjährten Forderung durch das Berufungsgericht. Von dem Anspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der in den Jahren 1999 bis 2002 erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 37.300,68 € (= 72.953,79 DM) sind nicht die in diesem Zeitraum erzielten Einnahmen der Kläger aus der Vermietung der Wohnung abzuziehen.
26
Sowohl eine automatische Verrechnung in Anwendung der Saldotheorie (krit. dazu BGH, Urteil vom 2. Oktober 1986 - III ZR 163/85, WM 1986, 1519, 1520) als auch eine Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB setzen voraus, dass die Beklagte von den Klägern die Herausgabe der Mieteinnahmen verlangen kann. Dies ist hier aber nicht der Fall. Angesichts der Nichtigkeit der Darlehensverträge kommt nur ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Betracht. Die Erträge aus der Vermietung der Eigentumswohnung haben die Kläger aber von der von den Wohnungseigentümern gegründeten Mietpool GbR und damit weder durch Leistung noch in sonstiger Weise auf Kosten der beklagten Bank erlangt.
27
sind Sie auch nicht als Nutzungen der Darlehensvaluta gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben, unabhängig davon, ob sie überhaupt als solche qualifiziert werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1982 - III ZR 61/81, WM 1982, 1429, 1431; Staudinger/Lorenz, BGB Neubearb. 1999 § 818 Rdn. 15). Denn der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen aus § 818 Abs. 1 BGB ergänzt und erweitert nur den Hauptanspruch aus § 812 BGB auf Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten (BGH aaO; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. § 818 Rdn. 6; Staudinger/ Lorenz aaO Rdn. 10). Die Kläger haben die Darlehensvaluta aber nicht erlangt. Diese ist aufgrund einer den Klägern mangels Vertretungsmacht nicht zuzurechnenden Anweisung der Geschäftsbesorgerin nicht an die Kläger, sondern an andere Beteiligte ausgezahlt worden. Nur diese Zuwendungsempfänger kann die Beklagte auf Rückerstattung der Darlehensvaluta in Anspruch nehmen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1226, vom 11. Januar 2005 - XI ZR 272/03, WM 2005, 327, 329, vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 833 und vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 503, jeweils m.w.Nachw.).
28
DieMieteinnahmensteh en der Beklagten auch nicht als Nutzungen der Eigentumswohnung gemäß § 818 Abs. 1 BGB zu, weil die Beklagte - wie unter 4. b) bb) dargelegt wird - keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung gegen die Kläger hat.
29
4. Die Revision beanstandet außerdem zu Recht, dass das Berufungsgericht die Beklagte nur Zug um Zug gegen Übereignung der Eigentumswohnung und nicht uneingeschränkt zur Zahlung verurteilt hat.
30
a) Der im Wege der zulässigen Anschlussberufung auf unbedingte Zahlung gerichtete Klageantrag ist - wie das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen hat - zulässig. Die Umstellung des Antrags von einer Verurteilung zu einer Zug-um-Zug-Leistung auf eine unbedingte Zahlung ist eine Erweiterung des Klageantrags gemäß § 264 Nr. 2 ZPO und danach nicht als Klageänderung anzusehen (Musielak/Foerste, ZPO 5. Aufl. § 264 Rdn. 3). Sie ist deshalb unabhängig von den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig (BGHZ 158, 295, 305 f.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 138/04, ZfIR 2006, 325, 327).
31
Der b) Antrag ist auch begründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Übereignung der Eigentumswohnung gegen die Kläger, den sie deren Zahlungsanspruch entgegenhalten könnte.
32
aa) Entgegen der im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung der Beklagten kommt ein vertraglicher Anspruch nicht in Betracht. Selbst wenn in dem erstinstanzlichen Klageantrag ein Angebot der Kläger auf Übereignung der Eigentumswohnung zu sehen sein sollte, wäre dieses nur auf Übereignung Zug um Zug gegen Rückzahlung der Darlehensra- ten gerichtet gewesen. Ein solches Angebot hat die Beklagte aber jedenfalls nicht angenommen, weil sie die vollständige Abweisung der Klage beantragt hat.
33
Ein bb) bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Wohnung gemäß § 812 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.
34
(1) Das Eigentum an der Wohnung ist den Klägern von der Verkäuferin in Erfüllung des Kaufvertrages vom 24. November 1993 übertragen worden, während die Beklagte mit den von ihr gewährten Darlehen nur den Kaufpreis finanziert hat. Damit haben die Kläger das Eigentum an der Wohnung durch Leistung der Verkäuferin erlangt, so dass ein Anspruch der Beklagten weder aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB - mangels einer Leistung der Beklagten an die Kläger - noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB - wegen der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion - in Betracht kommt.
35
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Darlehen Teil eines Anlagekonzeptes war und der Finanzierung des Kaufvertrags über die Eigentumswohnung diente. Die Ansicht des Berufungsgerichts , die Unwirksamkeit des Kreditvertrages löse die Rückabwicklung des gesamten Anlagegeschäfts aus und die Bank sei wegen des von ihr in Vollzug der Anlagekonzeption gegenüber dem Anleger verfolgten weiteren (atypischen) Finanzierungszwecks so zu behandeln, als hätte sie die Wohnung an die Anleger geleistet, und zwar unabhängig von dem Vorliegen eines Verbundes im Sinne des § 9 VerbrKrG, ist rechtsfehlerhaft. Die vom Berufungsgericht vertretene Fiktion eines Leistungsverhältnisses zwischen der Bank und dem Anleger in Bezug auf die Eigen- tumswohnung entbehrt jeder Grundlage. Sie ist weder mit dem tatsächlich bestehenden Leistungsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Anleger noch mit dem Verständnis der Leistung als bewusster, zweckgerichteter Vermehrung fremden Vermögens (BGHZ 40, 272, 277; 58, 184, 188) vereinbar. Unter Zweckgerichtetheit ist die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis zu verstehen, in dem mit der Leistung die geschuldete Erfüllung einer Verbindlichkeit bewirkt werden soll. Erfüllungsfunktion hat die Leistung, d.h. die Übereignung der Eigentumswohnung, aber nicht im Verhältnis zwischen der Bank und dem Anleger, sondern nur zwischen den Parteien des Kaufvertrages, der den Verkäufer zur Übereignung der Eigentumswohnung an den Anleger verpflichtet.
36
Auch die Verweisung des Berufungsgerichts auf sein Urteil vom 29. Dezember 2005 - 17 U 43/05 (ZIP 2006, 1128, 1133), in dem es eine Rückabwicklung sowohl des Darlehens- als auch des Kaufvertrages mit einer Situation des Doppelmangels begründet hat, geht ersichtlich fehl. Eine Leistungs- oder Bereicherungskette, die einen Doppelmangel aufweisen könnte, läge in Bezug auf die Eigentumswohnung nur vor, wenn diese von der Bank an den Verkäufer und von diesem an den Anleger geleistet worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Der vom Berufungsgericht bejahte Anspruch der Bank gegen den Anleger auf Herausgabe der Eigentumswohnung bestünde deshalb selbst dann nicht, wenn neben dem Darlehensvertrag auch der Kaufvertrag unwirksam wäre.
37
Die (3) Beklagte kann die Eigentumswohnung schließlich nicht nach § 818 Abs. 1 BGB als Nutzung oder Surrogat der Darlehensvaluta herausverlangen. Denn die Kläger haben diese Valuta, wie bereits dargelegt , nie erlangt und deshalb nicht an die Beklagte herauszugeben.
§ 818 Abs. 1 BGB erfasst nur Surrogate, die an die Stelle des ursprünglich Erlangten getreten sind, sowie die Nutzungen aus dem Herauszugebenden (MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. § 818 Rdn. 6; Staudinger /Lorenz, BGB Neubearb. 1999 § 818 Rdn. 10, 17; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB § 818 Rdn. 8, 10).
38
5. Rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Hilfsantrag der Kläger auf Feststellung der Erledigung der Zahlungsklage in Höhe von 12.635,07 € sei unzulässig. Es fehlt an dem für den Feststellungsantrag erforderlichen rechtlichen Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die günstige Kostenfolge, die sonst in Fällen der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung ein solches Feststellungsinteresse begründen kann, ist mit einem entsprechenden Hilfsantrag regelmäßig nicht zu erreichen , weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen wäre, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2006 - I ZR 92/03, NJW-RR 2006, 1378, 1380 m.w.Nachw.).

III.


39
DasangefochteneUrte il war demnach teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, hatte der Senat insoweit in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Mayen Grüneberg

Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 03.12.2004 - 8 O 358/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.02.2006 - 17 U 6/05 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 105/05
Verkündet am:
19. Januar 2006
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Schadensersatzansprüche gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen
, das ohne die nach § 32 Abs. 1 KWG erforderliche Erlaubnis tätig
ist, unterliegen nicht der Verjährung nach § 37a WpHG.

b) Ein Unternehmen, das sich auf den Eintritt der Verjährung nach § 37a
WpHG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass es ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen
ist und nicht zu den Unternehmen im
Sinn des § 2a WpHG gehört, die nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen
gelten.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - III ZR 105/05 - OLG Naumburg
LG Halle
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 - und insoweit aufgehoben, als es den gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klageanspruch betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger hat die Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch genommen , sie hätten ihn und seine Ehefrau im Zusammenhang mit der Vermittlung des Erwerbs von Anteilen an verschiedenen Aktienfonds, deren Kurswert in der Folgezeit ständig gefallen sei, im Frühjahr 2000 unrichtig beraten. Die Beklagte zu 1 ist nach ihren Angaben eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisati- on eines Versicherungskonzerns, die Vermögensanlagen aller Art vermittelt und vertreibt, wobei sie mit konzernzugehörigen und konzernfremden Gesellschaften durch Agenturverträge im Sinn der §§ 92, 84 ff HGB verbunden ist. Dementsprechend vermittele sie Versicherungsverträge aller Art, Fondsanteile deutscher Großbanken, Bausparverträge, Hypothekendarlehen, Baufinanzierungen und andere Finanzformen. Für ihre Vertriebstätigkeit bedient sich die Beklagte zu 1 ihrerseits selbständiger Handelsvertreter, im Streitfall des Beklagten zu 2.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 39.557,88 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung der Fondsanteile gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dabei hat es eine Eigenhaftung des als Vertreter der Beklagten zu 1 aufgetretenen Beklagten zu 2 verneint und in Bezug auf die Beklagte zu 1 deren in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede durchgreifen lassen. Gegen die Abweisung seiner Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet sich die insoweit vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe


3
Die Revision, deren Zulassung das Berufungsgericht wirksam auf den gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden Beklagte) gerichteten Klageanspruch beschränkt hat, führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede sei jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - nach dem unstreitigen Parteivorbringen beurteilt werden könne, ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Mögliche Ansprüche des Klägers seien nach § 37a WpHG verjährt. Die Bestimmung erfasse auch den vertraglichen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung von Pflichten aus einem Beratungsvertrag. Die Beklagte sei ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinn von § 2 Abs. 4 WpHG. Denn sie sei ein Finanzdienstleistungsinstitut im Sinn dieser Vorschrift und im Sinn des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG. Dass einer der Ausnahmefälle, in denen Finanzdienstleistungsinstitute gemäß § 2 Abs. 6 KWG nicht als solche gelten, vorliege, sei nicht vorgetragen und habe als Ausnahmefall auch nicht von der Beklagten vorgetragen werden müssen. Unerheblich für die Anwendung des § 37a WpHG sei es, ob die Beklagte als Finanzdienstleistungsinstitut die für ihre Geschäftstätigkeit nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis besitze. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien sei die zu beurteilende Tätigkeit der Beklagten als Anlageberatung zu werten, die zu den Wertpapiernebendienstleistungen im Sinn des § 2 Abs. 3a WpHG zähle und von § 37a WpHG erfasst werde. Ein möglicher Anspruch des Klägers sei bereits mit dem Erwerb der Fondsanteile im Februar/März 2000 entstanden; auf etwaige Kursverluste nach dem Erwerb komme es nicht an (vgl. BGHZ 162, 306, 309 f). Da die Klage erst im November 2003 eingereicht worden sei, sei die dreijährige Verjährungsfrist bereits verstrichen gewesen.

II.


5
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
6
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine erst in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede ohne Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen in § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, wenn sie auf der Grundlage unstreitigen Tatsachenvorbringens zu beurteilen ist (vgl. BGHZ 161, 138, 142). Im Übrigen könnte die Revision, was der Kläger nicht anders sieht, nicht darauf gestützt werden, das Berufungsgericht habe bei der Zulassung neuen Tatsachenvortrags die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht beachtet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 - V ZR 187/03 - NJW 2004, 1458, 1459 f).
7
2. In der Sache genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht, um eine Verjährung der Ansprüche des Klägers nach § 37a WpHG anzunehmen.
8
Nach a) § 37a WpHG verjährt der Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen der Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist danach zunächst, dass es sich bei der Beklagten um ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt.
9
Der b) Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist in § 2 Abs. 4 WpHG (in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2708) legaldefiniert. Darüber hinaus enthält § 2a WpHG eine Reihe von Ausnahmebestimmungen, nach denen Unternehmen, die an sich Wertpapierdienstleistungen erbringen, gleichwohl nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten.
10
aa) Nach § 2 Abs. 4 WpHG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinn dieses Gesetzes Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dass hier mit der behaupteten fehlerhaften Beratung eine Wertpapiernebendienstleistung im Sinn des § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG in Rede steht, genügt für die Annahme, die Beklagte sei ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen , alleine nicht. Denn nach § 2 Abs. 4 WpHG ist die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen ("allein oder zusammen mit") entscheidend (vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 3. Aufl. 2003, § 2 Rn. 85). Unternehmen, die sich auf die Beratung beschränken , ohne Wertpapierdienstleistungen zu erbringen, sind Finanzunternehmen im Sinn des § 1 Abs. 3 Nr. 6 KWG, nicht Finanzdienstleistungsinstitute im Sinn des § 1 Abs. 1a KWG (vgl. Schwark/Beck, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rn. 39, 43).
11
bb) Zu Recht zieht das Berufungsgericht in Betracht, dass es sich bei der Beklagten um ein Finanzdienstleistungsinstitut im Sinn des § 1 Abs. 1a KWG handelt, das nach Satz 2 Nr. 1 dieser Bestimmung Geschäfte über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten vermittelt oder nachweist, eine Tätigkeit also, die nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 WpHG als Wertpapierdienstleistung im Sinn dieses Gesetzes verstanden wird. Zu dem Finanzinstrument "Wertpapier" gehören auch die hier betroffenen Anteilscheine/Anteile an Investmentvermögen , die von einer Kapitalanlagegesellschaft ausgegeben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG, jetzt in Verbindung mit § 2 Abs. 2b WpHG).
12
cc) Das Berufungsgericht hätte indes der Frage nachgehen müssen, ob die Beklagte zu den Unternehmen gehört, die nach § 2a WpHG nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten. Dies gilt insbesondere für die in § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG (vgl. auch § 2 Abs. 6 Nr. 8 KWG) behandelte Fallgestaltung, in der als einzige Wertpapierdienstleistung die Weiterleitung von Aufträgen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Anteilscheinen von Kapitalanlagegesellschaften (jetzt: Anteile an Investmentvermögen) an ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut genannt ist, sofern das Unternehmen nicht befugt ist, sich bei der Erbringung dieser Wertpapierdienstleistung Eigentum oder Besitz an Geldern, Anteilscheinen oder Anteilen von Kunden zu verschaffen. Diese Frage kann nicht mit der Begründung unbeantwortet bleiben, es fehle insoweit an Vortrag und die Beklagte habe sich zu einem solchen Ausnahmefall nicht äußern müssen.
13
(1) Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen ist die Beklagte, die sich auf die Einrede der Verjährung beruft, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen der von ihr in Anspruch genommenen Norm vorliegen. Sie muss daher nachweisen, dass sie ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist. Ihr Vortrag lässt insoweit eine sichere Einordnung jedoch nicht zu. Die Beklagte hat sich, ohne sich mit den hier anzuwendenden, für ihre Geschäftstätigkeit - wie noch auszuführen ist - geradezu grundlegenden Bestimmungen auseinanderzusetzen, ohne weitere Begründung auf Verjährung der Ansprüche nach § 37a WpHG berufen. Zu ihrer Geschäftstätigkeit hat sie - in anderem Zusammenhang - nicht mehr als im Tatbestand wiedergegeben vorgetragen. Ist es hiernach aber ebenso möglich, dass die Dienstleistungen der Beklagten nach § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG einzuordnen sind - insoweit weist die Revision zu Recht darauf hin, dass der Auftrag zum Erwerb von Anteilscheinen unmittelbar an die Kapitalanlagegesellschaft auf einem von dieser gestalteten Vordruck gerichtet ist -, ist nicht eindeutig zu entscheiden, dass die Beklagte als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu behandeln ist.
14
(2) Der Umstand, dass § 2a WpHG Ausnahmetatbestände beschreibt, rechtfertigt es nicht, insoweit den Kläger für darlegungsverpflichtet zu halten. Vielmehr beruht die Ausgestaltung der hier anwendbaren Fassung der Norm - wie auch die des § 2 Abs. 4 WpHG - auf dem Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997 (sogenannte 6. KWG-Novelle; BGBl. I S. 2518), namentlich auf der Umsetzung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABlEG Nr. L 141 S. 27). So sieht die Richtlinie vor, dass Wertpapierfirmen ihre Tätigkeit erst nach einer Zulassung durch den Herkunftsmitgliedstaat aufnehmen können (Art. 3 Abs. 1) und seinen Aufsichts- und Wohlverhaltensregeln unterliegen (Art. 10, 11). Wegen des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung können diese Unternehmen aufgrund der Zulassung ihre Geschäftstätigkeit gemeinschaftsweit ausüben. Umgesetzt ist der Kreis der betroffenen Wertpapierfirmen durch § 2 Abs. 4 WpHG; die Finanzdienstleistungsinstitute bedürfen - wie bisher schon die Kreditinstitute - nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG der Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ) und unterliegen den Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff WpHG sowie der Überwachung und Prüfung der Meldepflichten und Verhaltensregeln (§§ 35, 36 WpHG).
15
Die Richtlinie hat jedoch, wie sich insbesondere aus ihren Begründungserwägungen 16 bis 23 und der Regelung in Art. 2 Abs. 2 ergibt, verschiedene Fallkonstellationen aus ihrem Anwendungsbereich ausgeklammert, die durch § 2a WpHG umgesetzt worden sind. In der 21. Begründungserwägung werden insoweit Unternehmen genannt, die lediglich Aufträge entgegennehmen und an bestimmte Gegenparteien weiterleiten, ohne Geld oder Wertpapiere ihrer Kunden zu halten. Für sie gelten nicht die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr nach Maßgabe dieser Richtlinie, sondern, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden wollen, die von diesem Mitgliedstaat erlassenen einschlägigen Bestimmungen. Dem entspricht es, dass Unternehmen , die unter den Katalog in § 2a WpHG (vgl. auch § 2 Abs. 6 Satz 1 KWG) fallen, weder der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG noch den Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff WpHG unterliegen (vgl. Assmann aaO § 2a Rn. 32). Speziell zu den in § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG (entspricht § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG) genannten Unternehmen wird in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur 6. KWG-Novelle ausgeführt, sie bedürften der Aufsicht nicht. Da es sich bei Investmentanteilen um standardisierte Produkte handele und das Unternehmen, an das die Vermittlung erfolge, der Aufsicht unterliege, berge das bloße Weiterleiten von Aufträgen keine besonderen Risiken. Das vermittelnde Unternehmen führe folglich keine aufsichtsrechtlich relevante Tätigkeit aus (vgl. BT-Drucks. 13/7142 S. 71 f; hierzu auch Assmann aaO § 2a Rn. 32).
16
(3) Ob die Beklagte hiernach als ein der Erlaubnispflicht unterliegendes Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder als ein von der Erlaubnispflicht befreites Unternehmen im Sinn des § 2a WpHG einzuordnen ist, für das die Verjährungsregelung des § 37a WpHG nicht gilt, stand zu ihrer Darlegungslast. Während sie ihre Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch einen Hinweis auf die ihr als Finanzdienstleistungsinstitut erteilte Erlaubnis hätte darlegen und belegen können, standen dem Kläger als Kunden keine ohne weiteres zugänglichen Informationen zur Verfügung. Soweit die Revisionserwiderung , die sich nicht zu dem vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gehaltenen Vortrag geäußert hat, eine Suchanfrage in der Datenbank der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht habe ergeben, dass die Beklagte keine Erlaubnis nach § 32 KWG besitze, geltend macht, § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG sei nicht anwendbar, weil die Tätigkeit der Beklagten nicht auf eine reine Botentätigkeit beschränkt sei, übersieht sie, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auch den Nachweis und die Vermittlung , also Wertpapierdienstleistungen, umfasst; gleichwohl werden die betroffenen Unternehmen - mit allen hieran geknüpften Folgen - nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen behandelt (vgl. Assmann aaO § 2a Rn. 33; Schwark/Beck, § 2a WpHG Rn. 12; Weber-Rey/Baltzer WM 1997, 2288, 2290; Jung BB 1998, 649, 652).
17
Geht c) man von einem rechtmäßigen Verhalten der Beklagten aus, müsste sie sich, wenn sie keine Erlaubnis nach § 32 KWG erlangt hätte, auf die in § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG behandelte Tätigkeit beschränkt haben. Unterstellt man, wie das Berufungsgericht, die Beklagte hätte Wertpapierdienstleistungen ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis nach § 32 KWG erbracht, wäre die Verjährungsbestimmung des § 37a WpHG nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht anwendbar. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass die Erlaubnis nicht Definitionsmerkmal für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinn des § 2 Abs. 4 WpHG ist; vielmehr knüpft die Erlaubnispflicht daran an, dass ein Unternehmen Finanzdienstleistungen/Wertpapierdienstleistungen erbringen möchte. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Unternehmen , das ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis Wertpapierdienstleistungen erbringt, sich auf § 37a WpHG berufen könnte. Vor Einführung dieser Bestimmung durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 24. März 1998 (BGBl. I S. 529) verjährten entsprechende Ansprüche gegen Anlagevermittler /-berater in der regelmäßigen Frist von 30 Jahren. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird zu dieser Bestimmung ausgeführt, die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren sei angesichts der Schnelligkeit des heutigen Geschäftsverkehrs gerade im Wertpapierbereich überholt. Sie sei auch unangemessen lang im Vergleich zu den für andere beratende Berufe geltenden Regelungen (§ 51b BRAO, § 51a WPO, § 68 StBerG). Die Begrenzung der Regelung auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen trage dem Umstand Rechnung, dass diese Unternehmen einer besonderen wertpapierhandelsrechtlichen Aufsicht unterliegen, die insbesondere das Verhalten dieser Unternehmen gegenüber ihren Kunden bei Transaktionen im Wertpapierbereich überwache (vgl. BT-Drucks. 13/8933 S. 96). Die Bezugnahme auf die besonderen Verjährungsregelungen für Ansprüche gegen Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die allesamt erhebliche Zugangsvoraussetzungen erfüllen müssen , um ihrer beratenden Tätigkeit nachgehen zu können, und der ausdrücklich hervorgehobene Zusammenhang zwischen der Verkürzung der Verjährungsfrist auf drei Jahre und der Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gebieten es, solchen Unternehmen die Berufung auf die kurze Verjährungsfrist zu versagen, die zwar der Sache nach Wertpapierdienstleistungen erbringen, aber ohne die erforderliche Erlaubnis ihre Geschäftstätigkeit auf- nehmen und sich der damit verbundenen Aufsicht entziehen (so auch Koller, in: Assmann/Schneider, § 37a Rn.2; Schwark/ Schwark, § 37a WpHG Rn. 3; Ellenberger, WM 2001, Sonderbeilage 1, S. 2, 15; ders., Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001, S. 120; Schäfer, Festschrift Schimansky, 1999, S. 699, 703 f). Eine (analoge) Anwendung dieser Vorschrift auf solche Unternehmen stünde auch nicht in Einklang damit, dass nach der Rechtsprechung des Senats § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers ist, so dass sich ein Unternehmen, das ohne eine entsprechende Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbringt, nach deliktsrechtlichen Grundsätzen schadensersatzpflichtig macht (Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 238/03 - NJW 2005, 2703 f).
18
3. Greift die Verjährungseinrede der Beklagten aufgrund des bisherigen unstreitigen Vorbringens in der Berufungsinstanz nicht durch, muss das Berufungsgericht im Weiteren prüfen, ob der Beklagten die vom Kläger behauptete Pflichtverletzung zur Last fällt.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 02.09.2004 - 4 O 526/03 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 24.03.2005 - 2 U 129/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 89/05 Verkündet am:
19. Oktober 2005
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
1. Das Berufen auf den Ablauf einer zuvor nach § 12 Abs. 3 VVG gesetzten Klagfrist
steht im Prozess zur Disposition des Versicherers. Das Gericht hat den
Fristablauf deshalb nur dann zu beachten, wenn sich der Versicherer im Prozess
ausdrücklich darauf beruft. Eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit
nicht in Betracht (Fortführung von BGH, Urteil vom 27. November 1958 - II ZR
90/57 - NJW 1959, 241).
2. Beruft ein Versicherer sich auf den Ablauf der Klagfrist erstmals in der Berufungsinstanz
, so liegt allein darin weder ein (erstinstanzlich konkludent erklärter)
Verzicht auf die sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebende Leistungsfreiheit noch ein
Rechtsmissbrauch.
3. Auch die Auslegung des § 12 Abs. 3 VVG ergibt keine Verpflichtung des Versicherers
, den Ablauf der Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu machen.
BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. November 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der Be klagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Ende September 2001 zeigte er der Beklagten seine Berufsunfähigkeit an und beantragte deshalb im Oktober 2001 Versicherungsleistungen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag , den sie mit weiterem Schreiben vom 1. März 2002, welches dem Kläger am 7. März 2002 zuging, damit begründete, der Kläger habe bei Beantragung des Versicherungsvertrages mehrere Krankenhausaufenthalte und eine neunjährige psychiatrische Betreuung verschwiegen. In dem Schreiben heißt es weiter: "Da die verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Geltendmachung von Leistungen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung sind, treten wir … von der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung zurück … Sollten Sie mit unserer Entscheidung nicht einverstanden sein, so müssten Sie Ihre vermeintlichen Ansprüche innerhalb einer Frist von 6 Monaten - gerechnet ab Zugang dieses Schreibens - gerichtlich gegen uns geltend machen. Versäumen Sie diese Frist, so sind wir gemäß § 12 III Versicherungsvertragsgesetz allein schon wegen des Fristablaufs von der Verpflichtung zur Leistung frei."
2
Mit einem am 5. September 2002 beim Landgericht se ines Wohnortes eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Beklagte. Der Vorsitzende der mit dem Antrag befassten Zivilkammer wies den Kläger am 9. September 2002 auf die örtliche Zuständigkeit des für den Sitz der Beklagten zuständigen Landgerichts hin. In dem Schreiben wird deshalb ein "Abgabeantrag" angeregt. Es schließt mit dem Hinweis: "Für die Wahrung der 6-Monatsfrist ist der Eingang Ihrer Anträge bei dem hiesigen Gericht ausschlaggebend."
3
Auf Antrag des Klägers wurde die Sache sodann an d as für den Sitz der Beklagten örtlich zuständige Landgericht abgegeben. Dieses forderte den Kläger mit Schreiben vom 20. September 2002 zunächst auf, Vertragsunterlagen und Schriftwechsel der Parteien als Anlagen nachzureichen, sowie den amtlichen Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt vorzulegen. Bei Gericht eingehend am 11. Oktober 2002 reichte der Kläger den ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach. Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 stellte das Landgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für den Fall in Aussicht, dass er einen konkreten Klagantrag mitteile, und empfahl dem Kläger, nunmehr einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen, der im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnet werden könne. Die daraufhin beauftragten Rechtsanwälte zeigten mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 die Vertretung des Klägers an und nahmen Mitte Februar 2003 Akteneinsicht. Mit Verfügung vom 14. April 2003 forderte das Landgericht die Rechtsanwälte zur Einreichung eines Klagentwurfes bis zum 9. Mai 2003 auf. Am 9. Mai 2003 wurde der Entwurf vorgelegt. Mit Beschluss vom 27. Mai 2003 bewilligte das Landgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe. Die daraufhin am 4. Juni 2003 bei Gericht eingereichte Klagschrift wurde der Beklagten am 12. Juni 2003 zugestellt.
4
Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme den Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag für wirksam erachtet und die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat sich die Beklagte auf die Nichteinhaltung der Klagfrist des § 12 Abs. 3 VVG berufen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers deshalb zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
I. Ob die Beklagte wirksam vom Versicherungsvertra g zurückgetreten ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen und stattdessen angenommen , sie sei bereits nach § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Im Schreiben vom 1. März 2002 habe sie die vom Kläger erhobenen Ansprüche endgültig abgelehnt und ihn ausreichend über die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VVG belehrt.

7
Da die Frist des § 12 Abs. 3 VVG eine materielle A usschlussfrist sei, sei sie vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Darauf komme es hier aber letztlich nicht an, weil sich die Beklagte in zweiter Instanz auch auf die Versäumung der Klagfrist berufen habe und § 531 Abs. 2 ZPO der Berücksichtigung dieses unstreitigen Parteivorbringens nicht entgegenstehe. Unstreitig seien insoweit nicht nur die Berufung auf § 12 Abs. 3 VVG, sondern auch die Prozesstatsachen , auf die sich die Beklagte dabei stütze.
8
Das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers sei zwar zunächst noch innerhalb der 6-Monatsfrist des § 12 Abs. 3 VVG bei Gericht eingegangen , doch wahre ein Prozesskostenhilfegesuch die Frist im Ergebnis nur dann, wenn der Versicherungsnehmer nachfolgend alles ihm Zumutbare veranlasse, damit es "demnächst" im Sinne von § 270 ZPO a.F. zu einer Zustellung der Klage komme. Schuldhafte Versäumnisse seines Rechtsanwalts müsse er sich dabei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Hier sei eine erhebliche und schuldhafte Verzögerung des Prozesskostenhilfeverfahrens - und damit auch der Klagzustellung - dadurch eingetreten, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Akteneinsicht Mitte Februar 2003 den Klagentwurf nicht alsbald, sondern erst aufgrund der Verfügung des Landgerichts vom 14. April 2003 am 9. Mai 2003 eingereicht habe.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebn is stand.

10
1. Anders als die Revision meint, hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 1. März 2002 die vom Kläger zuvor erhobenen Ansprüche auf Versicherungsleistungen abgelehnt, so dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 VVG eröffnet ist. Zwar wird in dem Schreiben vorwiegend der schon mit vorangegangenem Schreiben vom 17. Dezember 2001 erklärte Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung näher begründet. Die Beklagte hat aber auch klar zum Ausdruck gebracht , dass die "verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" seien. Verbunden mit der nachfolgenden Belehrung, nach der der Kläger seine "vermeintlichen Ansprüche" - und nicht etwa Einwendungen gegen den Rücktritt - innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG gerichtlich geltend machen müsse, konnte ein verständiger Versicherungsnehmer das Schreiben nur dahin verstehen, dass darin nicht nur der Rücktritt begründet, sondern zugleich der erhobene Anspruch auf Versicherungsleistungen infolge des Rücktritts zurückgewiesen werden sollte. Gegen die von der Beklagten erteilte Rechtsfolgenbelehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG bestehen keine rechtlichen Bedenken.
11
2. Der Kläger hat die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ve rsäumt.
12
a) Das Leistungsablehnungsschreiben der Beklagten ist ihm am 7. März 2002 zugegangen. Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG lief deshalb am 7. September 2002 ab. Vor Fristablauf hat der Kläger seine Ansprüche nicht ordnungsgemäß gerichtlich geltend gemacht.
13
b) Zwar kann für die gerichtliche Geltendmachung a uch die Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs genügen (vgl. dazu BGHZ 98, 295, 300 f.). Doch wahrt dieses eine gesetzliche Frist nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn es vor Fristablauf in ordnungsgemäßer Form bei Gericht eingeht (vgl. für die Wiedereinsetzung nach der Versäumung von Rechtsmittelfristen: BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548 unter II 2; vom 12. Februar 2003 - XII ZR 232/02 - FamRZ 2003, 668 und ständig; für die Unterbrechung und Hemmung der Verjährung: BGHZ 70, 235, 237, 239; BGH, Urteile vom 8. März 1989 - IVa ZR 221/87 - VersR 1989, 642; vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 26/03 - FamRZ 2004, 177 unter II 1; für die Frist des § 12 Abs. 3 VVG: BGHZ 98 aaO und Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJWRR 1989, 675 unter 1). Dazu gehört gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, dass dem Gesuch der ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt wird (BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 aaO m.w.N.; vom 31. August 2005 - XII ZR 116/05 - unter II 2 b).
14
c) Daran fehlt es hier. Der Kläger hat den ausgefü llten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach gerichtlicher Aufforderung am 11. Oktober 2002 - und damit nach dem schon am 7. September 2002 eingetretenen Fristablauf - zur Akte nachgereicht. Zuvor hatte er zwar bereits einen Leistungsbescheid der zuständigen Sozialbehörde über ihm gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt und Mietzuschuss nach den Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes vorgelegt. Auch dieser Bescheid war aber für sich allein zur ordnungsgemäßen Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend und überdies erst mit Schriftsatz vom 12. September 2002 - und damit ebenfalls nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG - bei Gericht eingegangen.

15
d) Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob daran festzuhalten sei, dass ein (ordnungsgemäßes) Prozesskostenhilfegesuch die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nur dann wahre, wenn der Versicherungsnehmer alles ihm Zumutbare für eine Klagzustellung "demnächst" unternehme (BGHZ 98, 295, 301; OLG Düsseldorf ZfS 2004, 477; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rdn. 64 m.w.N.), kommt es danach nicht mehr an. Ebenso wenig ist es für die Entscheidung noch von Bedeutung , dass das vom Kläger zunächst angerufene Landgericht seines Wohnortes mit dem Hinweis, für die Wahrung der 6-Monatsfrist sei der Eingang des Prozesskostenhilfeantrags bei Gericht "ausschlaggebend", dem Kläger den Blick darauf verstellt haben kann, dass er (auch bei einem ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfegesuch) gehalten gewesen wäre, im Weiteren für die baldige Zustellung ("demnächst") durch zumutbare Anstrengungen Sorge zu tragen.
16
3. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelasse n, um zunächst die Frage zu klären, ob die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 12 Abs. 3 VVG nur dann eintritt, wenn sich der Versicherer im Prozess darauf beruft (so BGH, Urteil vom 27. November 1958 - II ZR 90/57 - NJW 1959, 241; OLG Hamm r+s 1991, 361; ÖOGH SZ 56/23; Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 32) oder ob der Ablauf einer vom Versicherer nach § 12 Abs. 3 VVG ordnungsgemäß in Lauf gesetzten Frist vom Gericht von Amts wegen beachtet werden muss (so u.a. Prölss in Prölss/Martin aaO Rdn. 45 m.w.N.; Gruber in BK, VVG § 12 Rdn. 45 m.w.N.; KG VersR 1984, 977).

17
a) Der Senat hält daran fest, dass die Berufung au f den Fristablauf zur Disposition des Versicherers steht (BGH aaO). Daraus folgt, dass das Gericht den Fristablauf nur dann zu beachten hat, wenn sich der Versicherer im Prozess ausdrücklich darauf beruft. Denn die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ist allein im Interesse des Versicherers geschaffen; ihm allein überlässt es das Gesetz, ob und wann er die Frist durch seine - mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbundene - Erklärung in Lauf setzt. Ihm steht es auch danach noch offen, die in Lauf gesetzte Frist nachträglich durch einseitige Erklärung zu verlängern (vgl. dazu Römer aaO; Schlegelmilch in Beckmann/Matuschke-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 21 Rdn. 150) oder auch erneut in Lauf zu setzen. Es ist deshalb Sache des Versicherers, im gerichtlichen Verfahren klarzustellen, dass er sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen will; eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit nicht in Betracht.
18
b) Im Ergebnis kommt es darauf hier aber nicht ein mal an, weil sich die Beklagte in zweiter Instanz auf den Ablauf der nach § 12 Abs. 3 VVG gesetzten Frist berufen hat und ihr diese Verteidigung weder wegen prozessualer Verspätung noch infolge eines Verzichts oder wegen Rechtsmissbrauchs abgeschnitten war.
19
aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht die erst in zweiter Instanz nachgeholte Berufung der Beklagten auf den Ablauf der Klagfrist zugelassen. § 531 Abs. 2 ZPO stand dem insoweit unstreitigen Vorbringen der Beklagten nicht entgegen (BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03 - WM 2005, 99 unter II 2). Unstreitig waren hier sowohl der Umstand, dass sich die Beklagte in zweiter Instanz auf den Fristablauf berufen wollte, als auch die aus der Akte ersichtlichen Prozesstatsachen, aus denen sich die Fristversäumnis des Klägers ergibt.
20
bb) Im Übrigen gilt: Der Versicherer kann sich so lange auf den sich aus § 12 Abs. 3 VVG für ihn ergebenden Rechtsvorteil berufen, wie er ihn nicht verloren hat. Allein der Beginn eines Rechtsstreits über den vom Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch auf Versicherungsleistungen kann den Rechtsverlust, der nach materiellem Recht zu beurteilen ist, nicht herbeiführen (vgl. für das Berufen auf Obliegenheitsverletzungen Römer aaO § 6 Rdn. 140).
21
(1) Der teilweise in der Rechtsprechung vertretene n Auffassung, es könne ohne weiteres als Verzicht des Versicherers auf die sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebende Leistungsfreiheit verstanden werden, wenn er sich in Kenntnis der Fristüberschreitung im Rechtsstreit erster Instanz nicht darauf berufe (so z.B. OLG Saarbrücken r+s 1994, 196, 197; OLG Koblenz VersR 1982, 260; ähnlich für Obliegenheitsverletzungen: OLG Düsseldorf VersR 1993, 425; a.A. OLG Schleswig VersR 1994, 169 mit zust. Anm. Schmalzl, VersR 1994, 853), ist nicht zu folgen.
22
Der Verzicht ist eine rechtsgestaltene Willenserkl ärung, mit der der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition endgültig aufgibt. Das setzt einen in der Erklärung zum Ausdruck kommenden Verzichtswillen voraus. Insoweit ist das Gebot einer interessegerechten Auslegung in besonderem Maße zu beachten (BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - WM 2002, 822 unter 4 m.w.N.). Hat der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition erlangt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er sie nicht einfach wieder aufgeben will (BGH aaO m.w.N.). Ein Verzicht ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen nicht zu vermuten (BGH Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 70/93 - WM 1994, 13 unter II 2 b). Gerade dann, wenn ein stillschweigender Verzicht angenommen werden soll, erfordert dies ein Verhalten , aus dem - nach Bewertung aller Fallumstände - unzweideutig der Wille entnommen werden kann, die günstige Rechtsposition aufzugeben (BGH aaO). Es müssen dann zum Schweigen ganz besondere Umstände hinzutreten, denen der Erklärungsgegner einen solchen Aufgabewillen entnehmen kann. Regelmäßig wird die Annahme eines stillschweigenden Verzichts schon dann ausscheiden, wenn kein nachvollziehbares Motiv dafür zu erkennen ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - WM 2001, 1387 unter II 1 b).
23
Nach diesen Maßstäben kann allein der Umstand, das s sich ein Versicherer im Rechtsstreit erster Instanz trotz vorangegangener Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG (noch) nicht auf dessen Rechtsfolge beruft , nicht als Verzicht verstanden werden, denn der Versicherer kann sich aus unterschiedlichen Gründen so verhalten. Er kann beispielsweise vorrangig die Klärung anderweitiger Fragen bezwecken oder glauben, den Rechtsstreit auch aus anderen Gründen zu gewinnen (so zutreffend OLG Hamm VersR 1995, 819). Er kann ferner im Zweifel darüber sein, ob die gerichtliche Geltendmachung der vom Versicherungsnehmer erhobenen Ansprüche den rechtlichen Anforderungen an die Rechtzeitigkeit genügt. Ein anderes Verständnis seines Verhaltens kommt nur dort in Betracht, wo besondere Umstände hinzutreten, aus denen mit ausreichender Sicherheit auf einen Rechtsaufgabewillen geschlossen werden kann.

24
Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetr agen noch sonst ersichtlich.
25
(2) Auch der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs kann nicht allein daran geknüpft werden, dass sich die Beklagte erst in zweiter Instanz auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen hat.
26
Soweit zur Prüfung der Leistungsfreiheit streitige r Parteivortrag berücksichtigt werden muss, ergibt sich ein ausreichendes Korrektiv für die späte Geltendmachung aus den Präklusionsvorschriften der Zivilprozessordnung. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB kann erst dann gegeben sein, wenn besondere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, ein Vertrauen des Versicherungsnehmers darauf zu begründen, der Versicherer werde trotz vorangegangener Fristsetzung und Rechtsfolgenbelehrung die ihm daraus erwachsenden Rechtsvorteile nicht mehr in Anspruch nehmen. Dass der Versicherer sich gegen den erhobenen Anspruch auf Versicherungsleistungen zunächst mit anderen Verteidigungsmitteln zur Wehr setzt, begründet für sich genommen ein solches Vertrauen nicht. Insoweit gelten dieselben Erwägungen, die auch der Annahme eines Verzichts des Versicherers entgegenstehen.
27
(3) Der Senat hat schließlich erwogen, ob § 12 Abs. 3 VVG dahin auszulegen ist, dass der Versicherer verpflichtet sei, die Versäumung einer zuvor gesetzten Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu machen. Dafür könnte allenfalls sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung den Zweck verfolgt hat, im Interesse des Versicherers eine schnelle und endgültige Klärung herbeizuführen, ob eine Leistungsablehnung Bestand hat, und dem Versicherer so die Übersicht über seine Verbindlichkeiten zu erleichtern (vgl. dazu Prölss, aaO § 12 Rdn. 21 m.w.N.; Römer, aaO § 12 Rdn. 32).
28
Der Versicherer setzt sich zu diesem Normzweck abe r nicht in Widerspruch , wenn er sich im Prozess auf den Ablauf einer zuvor gesetzten Klagfrist erst in zweiter Instanz beruft. § 12 Abs. 3 VVG dient allein seinem Interesse und ist lediglich darauf gerichtet, nach einer Leistungsablehnung eine schnelle Entscheidung des Versicherungsnehmers darüber zu erzwingen, ob dieser seinen Anspruch gerichtlich geltend machen will oder nicht. Kommt es zum Rechtsstreit, so weiß der Versicherer, dass seine Leistungsablehnung einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Sein von § 12 Abs. 3 VVG geschütztes Informationsbedürfnis ist damit erfüllt. Eine Pflicht, den sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebenden Rechtsvorteil im Rechtsstreit umgehend geltend zu machen, lässt sich der Regelung nicht entnehmen, sie entspräche auch häufig nicht dem Interesse des Versicherungsnehmers.
Terno Seiffert Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom - 2 O 540/02 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 24.11.2004 - 3 U 232/03 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 89/05 Verkündet am:
19. Oktober 2005
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
1. Das Berufen auf den Ablauf einer zuvor nach § 12 Abs. 3 VVG gesetzten Klagfrist
steht im Prozess zur Disposition des Versicherers. Das Gericht hat den
Fristablauf deshalb nur dann zu beachten, wenn sich der Versicherer im Prozess
ausdrücklich darauf beruft. Eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit
nicht in Betracht (Fortführung von BGH, Urteil vom 27. November 1958 - II ZR
90/57 - NJW 1959, 241).
2. Beruft ein Versicherer sich auf den Ablauf der Klagfrist erstmals in der Berufungsinstanz
, so liegt allein darin weder ein (erstinstanzlich konkludent erklärter)
Verzicht auf die sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebende Leistungsfreiheit noch ein
Rechtsmissbrauch.
3. Auch die Auslegung des § 12 Abs. 3 VVG ergibt keine Verpflichtung des Versicherers
, den Ablauf der Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu machen.
BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. November 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der Be klagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Ende September 2001 zeigte er der Beklagten seine Berufsunfähigkeit an und beantragte deshalb im Oktober 2001 Versicherungsleistungen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag , den sie mit weiterem Schreiben vom 1. März 2002, welches dem Kläger am 7. März 2002 zuging, damit begründete, der Kläger habe bei Beantragung des Versicherungsvertrages mehrere Krankenhausaufenthalte und eine neunjährige psychiatrische Betreuung verschwiegen. In dem Schreiben heißt es weiter: "Da die verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Geltendmachung von Leistungen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung sind, treten wir … von der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung zurück … Sollten Sie mit unserer Entscheidung nicht einverstanden sein, so müssten Sie Ihre vermeintlichen Ansprüche innerhalb einer Frist von 6 Monaten - gerechnet ab Zugang dieses Schreibens - gerichtlich gegen uns geltend machen. Versäumen Sie diese Frist, so sind wir gemäß § 12 III Versicherungsvertragsgesetz allein schon wegen des Fristablaufs von der Verpflichtung zur Leistung frei."
2
Mit einem am 5. September 2002 beim Landgericht se ines Wohnortes eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Beklagte. Der Vorsitzende der mit dem Antrag befassten Zivilkammer wies den Kläger am 9. September 2002 auf die örtliche Zuständigkeit des für den Sitz der Beklagten zuständigen Landgerichts hin. In dem Schreiben wird deshalb ein "Abgabeantrag" angeregt. Es schließt mit dem Hinweis: "Für die Wahrung der 6-Monatsfrist ist der Eingang Ihrer Anträge bei dem hiesigen Gericht ausschlaggebend."
3
Auf Antrag des Klägers wurde die Sache sodann an d as für den Sitz der Beklagten örtlich zuständige Landgericht abgegeben. Dieses forderte den Kläger mit Schreiben vom 20. September 2002 zunächst auf, Vertragsunterlagen und Schriftwechsel der Parteien als Anlagen nachzureichen, sowie den amtlichen Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt vorzulegen. Bei Gericht eingehend am 11. Oktober 2002 reichte der Kläger den ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach. Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 stellte das Landgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für den Fall in Aussicht, dass er einen konkreten Klagantrag mitteile, und empfahl dem Kläger, nunmehr einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen, der im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnet werden könne. Die daraufhin beauftragten Rechtsanwälte zeigten mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 die Vertretung des Klägers an und nahmen Mitte Februar 2003 Akteneinsicht. Mit Verfügung vom 14. April 2003 forderte das Landgericht die Rechtsanwälte zur Einreichung eines Klagentwurfes bis zum 9. Mai 2003 auf. Am 9. Mai 2003 wurde der Entwurf vorgelegt. Mit Beschluss vom 27. Mai 2003 bewilligte das Landgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe. Die daraufhin am 4. Juni 2003 bei Gericht eingereichte Klagschrift wurde der Beklagten am 12. Juni 2003 zugestellt.
4
Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme den Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag für wirksam erachtet und die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat sich die Beklagte auf die Nichteinhaltung der Klagfrist des § 12 Abs. 3 VVG berufen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers deshalb zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
I. Ob die Beklagte wirksam vom Versicherungsvertra g zurückgetreten ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen und stattdessen angenommen , sie sei bereits nach § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Im Schreiben vom 1. März 2002 habe sie die vom Kläger erhobenen Ansprüche endgültig abgelehnt und ihn ausreichend über die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VVG belehrt.

7
Da die Frist des § 12 Abs. 3 VVG eine materielle A usschlussfrist sei, sei sie vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Darauf komme es hier aber letztlich nicht an, weil sich die Beklagte in zweiter Instanz auch auf die Versäumung der Klagfrist berufen habe und § 531 Abs. 2 ZPO der Berücksichtigung dieses unstreitigen Parteivorbringens nicht entgegenstehe. Unstreitig seien insoweit nicht nur die Berufung auf § 12 Abs. 3 VVG, sondern auch die Prozesstatsachen , auf die sich die Beklagte dabei stütze.
8
Das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers sei zwar zunächst noch innerhalb der 6-Monatsfrist des § 12 Abs. 3 VVG bei Gericht eingegangen , doch wahre ein Prozesskostenhilfegesuch die Frist im Ergebnis nur dann, wenn der Versicherungsnehmer nachfolgend alles ihm Zumutbare veranlasse, damit es "demnächst" im Sinne von § 270 ZPO a.F. zu einer Zustellung der Klage komme. Schuldhafte Versäumnisse seines Rechtsanwalts müsse er sich dabei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Hier sei eine erhebliche und schuldhafte Verzögerung des Prozesskostenhilfeverfahrens - und damit auch der Klagzustellung - dadurch eingetreten, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Akteneinsicht Mitte Februar 2003 den Klagentwurf nicht alsbald, sondern erst aufgrund der Verfügung des Landgerichts vom 14. April 2003 am 9. Mai 2003 eingereicht habe.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebn is stand.

10
1. Anders als die Revision meint, hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 1. März 2002 die vom Kläger zuvor erhobenen Ansprüche auf Versicherungsleistungen abgelehnt, so dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 VVG eröffnet ist. Zwar wird in dem Schreiben vorwiegend der schon mit vorangegangenem Schreiben vom 17. Dezember 2001 erklärte Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung näher begründet. Die Beklagte hat aber auch klar zum Ausdruck gebracht , dass die "verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" seien. Verbunden mit der nachfolgenden Belehrung, nach der der Kläger seine "vermeintlichen Ansprüche" - und nicht etwa Einwendungen gegen den Rücktritt - innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG gerichtlich geltend machen müsse, konnte ein verständiger Versicherungsnehmer das Schreiben nur dahin verstehen, dass darin nicht nur der Rücktritt begründet, sondern zugleich der erhobene Anspruch auf Versicherungsleistungen infolge des Rücktritts zurückgewiesen werden sollte. Gegen die von der Beklagten erteilte Rechtsfolgenbelehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG bestehen keine rechtlichen Bedenken.
11
2. Der Kläger hat die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ve rsäumt.
12
a) Das Leistungsablehnungsschreiben der Beklagten ist ihm am 7. März 2002 zugegangen. Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG lief deshalb am 7. September 2002 ab. Vor Fristablauf hat der Kläger seine Ansprüche nicht ordnungsgemäß gerichtlich geltend gemacht.
13
b) Zwar kann für die gerichtliche Geltendmachung a uch die Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs genügen (vgl. dazu BGHZ 98, 295, 300 f.). Doch wahrt dieses eine gesetzliche Frist nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn es vor Fristablauf in ordnungsgemäßer Form bei Gericht eingeht (vgl. für die Wiedereinsetzung nach der Versäumung von Rechtsmittelfristen: BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548 unter II 2; vom 12. Februar 2003 - XII ZR 232/02 - FamRZ 2003, 668 und ständig; für die Unterbrechung und Hemmung der Verjährung: BGHZ 70, 235, 237, 239; BGH, Urteile vom 8. März 1989 - IVa ZR 221/87 - VersR 1989, 642; vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 26/03 - FamRZ 2004, 177 unter II 1; für die Frist des § 12 Abs. 3 VVG: BGHZ 98 aaO und Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJWRR 1989, 675 unter 1). Dazu gehört gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, dass dem Gesuch der ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt wird (BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 aaO m.w.N.; vom 31. August 2005 - XII ZR 116/05 - unter II 2 b).
14
c) Daran fehlt es hier. Der Kläger hat den ausgefü llten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach gerichtlicher Aufforderung am 11. Oktober 2002 - und damit nach dem schon am 7. September 2002 eingetretenen Fristablauf - zur Akte nachgereicht. Zuvor hatte er zwar bereits einen Leistungsbescheid der zuständigen Sozialbehörde über ihm gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt und Mietzuschuss nach den Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes vorgelegt. Auch dieser Bescheid war aber für sich allein zur ordnungsgemäßen Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend und überdies erst mit Schriftsatz vom 12. September 2002 - und damit ebenfalls nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG - bei Gericht eingegangen.

15
d) Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob daran festzuhalten sei, dass ein (ordnungsgemäßes) Prozesskostenhilfegesuch die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nur dann wahre, wenn der Versicherungsnehmer alles ihm Zumutbare für eine Klagzustellung "demnächst" unternehme (BGHZ 98, 295, 301; OLG Düsseldorf ZfS 2004, 477; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rdn. 64 m.w.N.), kommt es danach nicht mehr an. Ebenso wenig ist es für die Entscheidung noch von Bedeutung , dass das vom Kläger zunächst angerufene Landgericht seines Wohnortes mit dem Hinweis, für die Wahrung der 6-Monatsfrist sei der Eingang des Prozesskostenhilfeantrags bei Gericht "ausschlaggebend", dem Kläger den Blick darauf verstellt haben kann, dass er (auch bei einem ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfegesuch) gehalten gewesen wäre, im Weiteren für die baldige Zustellung ("demnächst") durch zumutbare Anstrengungen Sorge zu tragen.
16
3. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelasse n, um zunächst die Frage zu klären, ob die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 12 Abs. 3 VVG nur dann eintritt, wenn sich der Versicherer im Prozess darauf beruft (so BGH, Urteil vom 27. November 1958 - II ZR 90/57 - NJW 1959, 241; OLG Hamm r+s 1991, 361; ÖOGH SZ 56/23; Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 32) oder ob der Ablauf einer vom Versicherer nach § 12 Abs. 3 VVG ordnungsgemäß in Lauf gesetzten Frist vom Gericht von Amts wegen beachtet werden muss (so u.a. Prölss in Prölss/Martin aaO Rdn. 45 m.w.N.; Gruber in BK, VVG § 12 Rdn. 45 m.w.N.; KG VersR 1984, 977).

17
a) Der Senat hält daran fest, dass die Berufung au f den Fristablauf zur Disposition des Versicherers steht (BGH aaO). Daraus folgt, dass das Gericht den Fristablauf nur dann zu beachten hat, wenn sich der Versicherer im Prozess ausdrücklich darauf beruft. Denn die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ist allein im Interesse des Versicherers geschaffen; ihm allein überlässt es das Gesetz, ob und wann er die Frist durch seine - mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbundene - Erklärung in Lauf setzt. Ihm steht es auch danach noch offen, die in Lauf gesetzte Frist nachträglich durch einseitige Erklärung zu verlängern (vgl. dazu Römer aaO; Schlegelmilch in Beckmann/Matuschke-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 21 Rdn. 150) oder auch erneut in Lauf zu setzen. Es ist deshalb Sache des Versicherers, im gerichtlichen Verfahren klarzustellen, dass er sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen will; eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit nicht in Betracht.
18
b) Im Ergebnis kommt es darauf hier aber nicht ein mal an, weil sich die Beklagte in zweiter Instanz auf den Ablauf der nach § 12 Abs. 3 VVG gesetzten Frist berufen hat und ihr diese Verteidigung weder wegen prozessualer Verspätung noch infolge eines Verzichts oder wegen Rechtsmissbrauchs abgeschnitten war.
19
aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht die erst in zweiter Instanz nachgeholte Berufung der Beklagten auf den Ablauf der Klagfrist zugelassen. § 531 Abs. 2 ZPO stand dem insoweit unstreitigen Vorbringen der Beklagten nicht entgegen (BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03 - WM 2005, 99 unter II 2). Unstreitig waren hier sowohl der Umstand, dass sich die Beklagte in zweiter Instanz auf den Fristablauf berufen wollte, als auch die aus der Akte ersichtlichen Prozesstatsachen, aus denen sich die Fristversäumnis des Klägers ergibt.
20
bb) Im Übrigen gilt: Der Versicherer kann sich so lange auf den sich aus § 12 Abs. 3 VVG für ihn ergebenden Rechtsvorteil berufen, wie er ihn nicht verloren hat. Allein der Beginn eines Rechtsstreits über den vom Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch auf Versicherungsleistungen kann den Rechtsverlust, der nach materiellem Recht zu beurteilen ist, nicht herbeiführen (vgl. für das Berufen auf Obliegenheitsverletzungen Römer aaO § 6 Rdn. 140).
21
(1) Der teilweise in der Rechtsprechung vertretene n Auffassung, es könne ohne weiteres als Verzicht des Versicherers auf die sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebende Leistungsfreiheit verstanden werden, wenn er sich in Kenntnis der Fristüberschreitung im Rechtsstreit erster Instanz nicht darauf berufe (so z.B. OLG Saarbrücken r+s 1994, 196, 197; OLG Koblenz VersR 1982, 260; ähnlich für Obliegenheitsverletzungen: OLG Düsseldorf VersR 1993, 425; a.A. OLG Schleswig VersR 1994, 169 mit zust. Anm. Schmalzl, VersR 1994, 853), ist nicht zu folgen.
22
Der Verzicht ist eine rechtsgestaltene Willenserkl ärung, mit der der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition endgültig aufgibt. Das setzt einen in der Erklärung zum Ausdruck kommenden Verzichtswillen voraus. Insoweit ist das Gebot einer interessegerechten Auslegung in besonderem Maße zu beachten (BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - WM 2002, 822 unter 4 m.w.N.). Hat der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition erlangt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er sie nicht einfach wieder aufgeben will (BGH aaO m.w.N.). Ein Verzicht ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen nicht zu vermuten (BGH Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 70/93 - WM 1994, 13 unter II 2 b). Gerade dann, wenn ein stillschweigender Verzicht angenommen werden soll, erfordert dies ein Verhalten , aus dem - nach Bewertung aller Fallumstände - unzweideutig der Wille entnommen werden kann, die günstige Rechtsposition aufzugeben (BGH aaO). Es müssen dann zum Schweigen ganz besondere Umstände hinzutreten, denen der Erklärungsgegner einen solchen Aufgabewillen entnehmen kann. Regelmäßig wird die Annahme eines stillschweigenden Verzichts schon dann ausscheiden, wenn kein nachvollziehbares Motiv dafür zu erkennen ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - WM 2001, 1387 unter II 1 b).
23
Nach diesen Maßstäben kann allein der Umstand, das s sich ein Versicherer im Rechtsstreit erster Instanz trotz vorangegangener Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG (noch) nicht auf dessen Rechtsfolge beruft , nicht als Verzicht verstanden werden, denn der Versicherer kann sich aus unterschiedlichen Gründen so verhalten. Er kann beispielsweise vorrangig die Klärung anderweitiger Fragen bezwecken oder glauben, den Rechtsstreit auch aus anderen Gründen zu gewinnen (so zutreffend OLG Hamm VersR 1995, 819). Er kann ferner im Zweifel darüber sein, ob die gerichtliche Geltendmachung der vom Versicherungsnehmer erhobenen Ansprüche den rechtlichen Anforderungen an die Rechtzeitigkeit genügt. Ein anderes Verständnis seines Verhaltens kommt nur dort in Betracht, wo besondere Umstände hinzutreten, aus denen mit ausreichender Sicherheit auf einen Rechtsaufgabewillen geschlossen werden kann.

24
Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetr agen noch sonst ersichtlich.
25
(2) Auch der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs kann nicht allein daran geknüpft werden, dass sich die Beklagte erst in zweiter Instanz auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen hat.
26
Soweit zur Prüfung der Leistungsfreiheit streitige r Parteivortrag berücksichtigt werden muss, ergibt sich ein ausreichendes Korrektiv für die späte Geltendmachung aus den Präklusionsvorschriften der Zivilprozessordnung. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB kann erst dann gegeben sein, wenn besondere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, ein Vertrauen des Versicherungsnehmers darauf zu begründen, der Versicherer werde trotz vorangegangener Fristsetzung und Rechtsfolgenbelehrung die ihm daraus erwachsenden Rechtsvorteile nicht mehr in Anspruch nehmen. Dass der Versicherer sich gegen den erhobenen Anspruch auf Versicherungsleistungen zunächst mit anderen Verteidigungsmitteln zur Wehr setzt, begründet für sich genommen ein solches Vertrauen nicht. Insoweit gelten dieselben Erwägungen, die auch der Annahme eines Verzichts des Versicherers entgegenstehen.
27
(3) Der Senat hat schließlich erwogen, ob § 12 Abs. 3 VVG dahin auszulegen ist, dass der Versicherer verpflichtet sei, die Versäumung einer zuvor gesetzten Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu machen. Dafür könnte allenfalls sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung den Zweck verfolgt hat, im Interesse des Versicherers eine schnelle und endgültige Klärung herbeizuführen, ob eine Leistungsablehnung Bestand hat, und dem Versicherer so die Übersicht über seine Verbindlichkeiten zu erleichtern (vgl. dazu Prölss, aaO § 12 Rdn. 21 m.w.N.; Römer, aaO § 12 Rdn. 32).
28
Der Versicherer setzt sich zu diesem Normzweck abe r nicht in Widerspruch , wenn er sich im Prozess auf den Ablauf einer zuvor gesetzten Klagfrist erst in zweiter Instanz beruft. § 12 Abs. 3 VVG dient allein seinem Interesse und ist lediglich darauf gerichtet, nach einer Leistungsablehnung eine schnelle Entscheidung des Versicherungsnehmers darüber zu erzwingen, ob dieser seinen Anspruch gerichtlich geltend machen will oder nicht. Kommt es zum Rechtsstreit, so weiß der Versicherer, dass seine Leistungsablehnung einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Sein von § 12 Abs. 3 VVG geschütztes Informationsbedürfnis ist damit erfüllt. Eine Pflicht, den sich aus § 12 Abs. 3 VVG ergebenden Rechtsvorteil im Rechtsstreit umgehend geltend zu machen, lässt sich der Regelung nicht entnehmen, sie entspräche auch häufig nicht dem Interesse des Versicherungsnehmers.
Terno Seiffert Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom - 2 O 540/02 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 24.11.2004 - 3 U 232/03 -

Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 198/07 Verkündet am:
18. November 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung erst im zweiten Rechtszug
erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel im
BGH, Urteil vom 18. November 2008 - VI ZR 198/07 - OLG Oldenburg
LG Aurich
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. Juli 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin eines Krankenhauses materiellen und immateriellen Schadensersatz nach einer digitalen Subtraktionsangiographie des Kopfes (künftig: DSA) geltend.
2
Die Klägerin musste sich 1975 einer Gehirnoperation unterziehen und erlitt 1987 einen Schlaganfall. Seitdem war sie rechtsseitig gelähmt. Im Jahr 2002 traten beidseitige Ponsblutungen (Gehirnblutungen) auf. Im September 2003 verstarb eine Nichte der Klägerin infolge einer Aneurysmenruptur. Am 20. November 2003 wurde die Klägerin "wegen vor dreieinhalb Wochen für einen Tag bestehender Kopfschmerzen links im Hinterhaupt- und Scheitelbereich und in einem ambulanten CCT beschriebenen Blutung rechts paramedian im Ponsbe- reich" stationär in die neurologische Abteilung des Krankenhauses der Beklagten aufgenommen. Am 26. November 2003 führte der Radiologe Dr. V. mit der Klägerin ein Aufklärungsgespräch für eine DSA, die er am Folgetag vornahm. Hierbei erlitt die Klägerin Infarkte im Bereich des Thalamus beidseits sowie im Hirnstamm. Seitdem leidet sie an weiteren erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen.
3
Das Landgericht hat einen Behandlungsfehler verneint, aber eine fehlerhafte Risikoaufklärung angenommen. Es hat daher ein Schmerzensgeld in Höhe von € 25.000 zuerkannt sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2008, 124 f. veröffentlicht ist, steht der Klägerin der zugesprochene Schadensersatz gemäß den §§ 280, 249, 253 BGB, §§ 823, 249, 253 BGB zu, weil die Einwilligung der Klägerin in den Eingriff mangels hinreichender Aufklärung unwirksam gewesen sei.
5
Zwar stehe fest, dass der Zeuge Dr. V. eine Risikoaufklärung vorgenommen und dabei das Schlaganfallrisiko als Komplikationsmöglichkeit genannt habe. Zudem sei davon auszugehen, dass er das Schlaganfallrisiko nicht verharmlost habe.
6
Die Aufklärung sei aber nicht ordnungsgemäß gewesen, da der aufklärende Arzt die Klägerin nicht darüber informiert habe, dass das Schlaganfallrisiko in ihrem Fall erhöht gewesen sei, weil sie bereits vor der Untersuchung unstreitig einen Schlaganfall erlitten hatte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. sei das Risiko, dass bei einer zerebralen angiographischen Untersuchung eine Komplikation auftrete, doppelt so hoch, wenn der Patient bereits zuvor einen Schlaganfall erlitten habe, so dass das Risiko vorübergehender zerebral ischämischer Komplikationen auf 2 - 4 %, das Risiko permanenter Komplikationen, insbesondere von Schlaganfällen, auf 1 % ansteige. Zwar müsse der Arzt nicht generell über die statistische Wahrscheinlichkeit einer Komplikation aufklären. Das entbinde ihn aber nicht von der Verpflichtung, auf eine signifikante Erhöhung eines Risikos hinzuweisen. Eine solche sei hier anzunehmen. Zwar habe sich das Risiko einer permanenten Schädigung lediglich um 0,5 % auf 1 % erhöht. Doch habe es sich für die Klägerin verdoppelt und könne nicht mehr als sehr selten, sondern müsse vielmehr mit "selten" oder gar "gelegentlich" bewertet werden.
7
Der erstmals in zweiter Instanz von den Beklagten geäußerte Einwand einer hypothetischen Einwilligung sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zwar deute der unstreitige Sachverhalt darauf hin, dass sich die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden hätte. Dies könne jedoch offen bleiben. Denn das neue Vorbringen sei jedenfalls verspätet. Allerdings sei diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt und darum die Revision zuzulassen.

II.

8
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
9
1. Die uneingeschränkt eingelegte Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, die Revision werde zugelassen , weil bislang eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage nicht vorliege, ob bei unstreitigem Sachverhalt der Einwand einer hypothetischen Einwilligung in den ärztlichen Eingriff erstmals in zweiter Instanz erhoben werden könne. Darin liegt aber keine Beschränkung der Revision auf eine bestimmte Rechtsfrage, was unzulässig wäre (vgl. BGH, BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82 - VersR 1984, 38; Beschlüsse vom 17. Dezember 1980 - IVb ZB 499/80 - FamRZ 1981, 340; vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 144/06 - NJW 2008, 1312, 1313). Das Berufungsgericht hat vielmehr nur erläutert, warum es die Revision zugelassen hat.
10
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Klägerin nicht ausreichend über ihr Schlaganfallrisiko aufgeklärt wurde.
11
a) Zwar muss nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Aufklärung nicht über jede, noch so entfernt liegende Gefahrenmöglichkeit erfolgen. Der Patient muss nur "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dies bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen. Es muss aber eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5).
12
Bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko hängt die Erforderlichkeit der Aufklärung aber nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt ("Komplikations- oder Risikodichte"). Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Kommt eine besonders schwere Belastung für seine Lebensführung in Betracht, so ist die Information über ein solches Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105).
13
Die Aufklärung hat patientenbezogen und damit den Umständen des konkreten Falles entsprechend zu erfolgen (vgl. Senatsurteile vom 4. November 1975 - VI ZR 226/73 - VersR 1976, 293, 294; vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457). Der Aufklärungsumfang wird hierbei einerseits durch das Gewicht der medizinischen Indikation bestimmt, das sich wiederum aus der Notwendigkeit des Eingriffs, seiner zeitlichen Dringlichkeit und den Heilungschancen ergibt, andererseits ist insbesondere die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung des Patienten im Fall der Risikoverwirklichung mitbestimmend (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl. 2006, C Rn. 49). Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert - wie der DSA - sind deshalb grundsätzlich strengere Anforderungen an die Aufklärung des Patienten über damit verbundene Risiken zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1979 - VI ZR 70/77 - VersR 1979, 720, 721; OLG Düsseldorf VersR 1984, 643, 645 (Angiographie) mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 3. April 1984 - VI ZR 173/83 -; OLG Stuttgart VersR 1988, 832, 833 (Angiographie); OLG Koblenz NJW-RR 2002, 816, 818 (Angiographie); Geiß/Greiner, aaO; Katzenmeier , Arzthaftungsrecht, 2002, S. 328; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts , 3. Aufl., § 68 Rn. 12). Bei ihnen bedarf es einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen der diagnostischen Aussagekraft, den Klärungsbedürfnis- sen und den besonderen Risiken für den Patienten (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1056).
14
b) Nach diesen Grundsätzen war es im Streitfall erforderlich, die Klägerin nicht nur über das bei einer DSA grundsätzlich bestehende Schlaganfallrisiko aufzuklären, sondern ihr auch mitzuteilen, dass dieses Risiko für sie durch ihre Vorgeschichte erhöht war.
15
In dem vom Zeugen Dr. V. geführten Aufklärungsgespräch wurde aber nicht auf das erhöhte Schlaganfallrisiko der Klägerin wegen des bereits erlittenen Schlaganfalls hingewiesen. Auch in dem von der Klägerin unterzeichneten Formularaufklärungsbogen war dieses nur undeutlich angesprochen, wenn es heißt, dass sehr selten Hirndurchblutungsstörungen durch abgelöste und in das Gehirn verschleppte Gefäßwandablagerungen eintreten könnten, wodurch es ausnahmsweise zu einem Schlaganfall mit bleibenden Schäden kommen könne. Dies weist zwar auf das grundsätzlich bestehende Schlaganfallrisiko hin. Auch der weitere Hinweis, dass das Risiko bei bereits bestehenden Nerven /und/oder schweren Gefäßschäden erhöht sei, macht aber das bei der Klägerin wegen des erlittenen früheren Schlaganfalls bestehende besondere Risiko nicht ausreichend klar.
16
Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nicht vollständig aufgeklärt worden ist. Es kommt insoweit entscheidend darauf an, ob ihr alle spezifischen Risiken aufgezeigt worden sind, die für ihre Einwilligung in den Eingriff ernsthaft ins Gewicht fallen könnten. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Klägerin auch darüber hätte aufgeklärt werden müssen, dass bei ihr ein erhöhtes Risiko bestand, bei der zerebralen Angiographie einen weiteren Schlaganfall zu erleiden. Im Hinblick auf die besonders schwere Belastung für die Le- bensführung der Klägerin bei Verwirklichung eines weiteren Schlaganfalls konnte die Information über das bei ihr bestehende besondere Risiko für ihre Einwilligung ernsthaft ins Gewicht fallen. Nur wenn ihr das bei ihr bestehende individuelle Risiko bekannt war, hatte sie alle notwendigen Informationen für die Entscheidung , ob sie die diagnostische Maßnahme für die ihr vorgeschlagene Klärung ihrer atypischen Hirnblutung vornehmen ließ.
17
3. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie zur Überprüfung des Senats stellt, ob der vom Berufungsgericht herangezogene Sachverständige fachlich geeignet war, sich zum Inhalt eines radiologischen Aufklärungsgesprächs zu äußern.
18
Die Auswahl des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Es liegt jedoch eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, wenn das Gericht einen Sachverständigen aus einem falschen Sachgebiet ausgewählt hat (§ 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. Senatsurteil vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98 - VersR 1999, 716; BGH, Urteil vom 25. Februar 1953 - II ZR 172/52 - NJW 1953, 659 f.; BAG, Urteil vom 20. Oktober 1970 - 2 AZR 497/69 - AP Nr. 4 zu ZPO § 286; ZöllerGreger , ZPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Grundsätzlich ist bei der Auswahl auf die Sachkunde in dem medizinischen Fachgebiet abzustellen, in das der Eingriff fällt (vgl. OLG Hamm VersR 2001, 249 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 20. Oktober 2000 - VI ZR 129/00; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 686 m.w.N.). Hierfür können die fachärztlichen Weiterbildungsordnungen herangezogen werden (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 13. März 2003 - 1 U 34/02 - juris Rn. 45 = OLGR Naumburg 2003, 348 (nur Leitsatz); LSG Niedersachsen, Urteil vom 23. April 1997 - L 5 Ka 89/95 - juris Rn. 25; Stegers /Hansis/Alberts/Scheuch, Sachverständigenbeweis im Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 62). Soweit ein Eingriff mehrere Fachbereiche berührt, kommt es darauf an, welchem Fachbereich die konkrete Beweisfrage zuzuordnen ist.
19
Die DSA gehört zur radiologischen Diagnostik und damit zum Weiterbildungsgebiet der diagnostischen Radiologie, insbesondere Neuroradiologie (vgl. Masuhr/Neumann, Neurologie, 6. Aufl., S. 140; Weiterbildungsordnung (WBO) der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Stand 1. Oktober 2003, S. 31 f.). Diese Diagnostik ist zugleich eine unerlässliche Erkenntnisquelle für die neurologische oder neurochirurgische Behandlung (vgl. Delank/Gehlen, Neurologie, 11. Aufl., S. 81). Ihre Indikationsstellung, Methodik und Befundbewertung gehören daher auch zur neurologischen Weiterbildung (zum Beispiel: WBO der Landesärztekammer Baden-Württemberg, aaO, S. 58). Der vorliegende Fall berührt somit beide Fachgebiete.
20
Unter diesen Umständen ist die - in beiden Tatsacheninstanzen von den Parteien nicht beanstandete - Auswahl eines Facharztes für Neurologie und Neurochirurgie als Sachverständigen nicht ermessensfehlerhaft, obgleich die DSA von einem Radiologen durchgeführt worden ist und der Sachverständige nicht selbst als verantwortlicher Arzt zerebrale Angiographien vorgenommen hat. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es hier nicht um Fehler des Arztes bei der Durchführung der Untersuchung, sondern um Risiken geht, die mit einer zerebralen Angiographie verbunden sind. Diese Risiken beträfen vorrangig Schädigungen des Gehirns, so dass die Beantwortung der Beweisfrage in den Fachbereich eines Facharztes für Neurologie und Neurochirurgie und damit in den des Sachverständigen Dr. S. falle. Dies lässt einen Ermessensfehler des Tatrichters nicht erkennen, zumal auch ein den Auftrag für radiologische Untersuchungen erteilender Neurologe oder Neurochirurg Zweck, Ablauf und Risiken der radiologischen Diagnostik abwägen muss (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1984, 643 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 3. April 1984 - VI ZR 173/83). Im Übrigen haben die Parteien nicht in Zweifel gezogen, dass das Risiko eines Schlaganfalls im Rahmen einer zerebralen Angiographie erhöht ist, wenn der Patient bereits zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte.
21
4. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis auch stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zu einer hypothetischen Einwilligung als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO).
22
a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Einwand der Behandlungsseite, die Patientin hätte sich dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken unterzogen, grundsätzlich beachtlich ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 111; vom 17. April 2007 - VI ZR 108/06 - VersR 2007, 999, 1000). Den Arzt trifft insoweit die Behauptungs- und Beweislast. Erst wenn sich die Behandlungsseite auf eine hypothetische Einwilligung berufen hat, muss der Patient darlegen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt darüber befunden hat, ob er den tatsächlich durchgeführten Eingriff vornehmen lassen sollte (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684; vom 9. Juli 1996 - VI ZR 101/95 - VersR 1996, 1239, 1240; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05 - VersR 2007, 66, 68; Geiß/Greiner, aaO, C Rn. 138 f.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 444). Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung erst im zweiten Rechtszug erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO.
23
b) Im Streitfall wurde dieser Einwand erst im zweiten Rechtszug erhoben. Der erstinstanzliche Prozessvortrag der Beklagten, die Klägerin habe nach ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt, erfasste entgegen der Ansicht der Revision das für die hypothetische Einwilligung erforderliche Vorbringen nicht. Er ließ es nicht, wie die Revision meint, "anklingen", so dass sich der zweitinstanzliche Vortrag nur als Konkretisierung des erstinstanzlichen darstellen würde. Bei dem rechtmäßigen Alternativverhalten beruft sich der Schädiger nämlich darauf, dass im Falle seines rechtswidrigen Verhaltens der Schaden auch bei normge- rechtem Verhalten eingetreten wäre (MünchKomm/BGB-Oetker, aaO, § 249 Rn. 211 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, 2005, § 249 Rn. 102). Dem Beklagtenvortrag muss daher zu entnehmen sein, dass er sich nicht auf die behauptete ordnungsgemäße Aufklärung, sondern auf eine fiktive Einwilligungssituation bezieht.
24
c) Die Beklagte hatte indes Anlass, sich schon in der ersten Instanz zumindest hilfsweise auf eine hypothetische Einwilligung zu berufen. Eine Partei muss schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen , deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist (vgl. Senat, BGHZ 159, 245, 253; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 531 Rn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Die Beklagte hätte daher bereits aufgrund des Beweisbeschlusses vom 28. April 2006 in Betracht ziehen müssen, dass das Landgericht ihrem Sachvortrag zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht folgen würde. Darin wurde dem Sachverständigen u.a. die Frage gestellt, ob der Zeuge Dr. V. auf eine Risikoerhöhung habe hinweisen müssen. Jedenfalls nach Erhalt des Sachverständigengutachtens war deutlich, dass eine Verurteilung wegen einer nicht erfolgten Aufklärung über das bei der Klägerin bestehende erhöhte Risiko im Raum stand und es geboten war, sich zumindest hilfsweise mit rechtmäßigem Alternativverhalten zu verteidigen. Der Beklagten oblag es mithin, sich - falls sie dies wollte - bereits im ersten Rechtszug auf das neue Verteidigungsmittel zu berufen, ohne dass es dafür eines Hinweises nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO bedurfte.
25
d) Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht das neue Verteidigungsmittel der Beklagten gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO im Ergebnis zu Recht nicht zugelassen. Im Streitfall waren nämlich die der hypothetischen Einwilli- gung zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den Parteien streitig, worauf die Revisionserwiderung mit Recht hingewiesen hat. In einem solchen Fall findet die Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO Anwendung, ohne dass es auf die vom Berufungsgericht vertretene und inzwischen durch eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08 - NJW 2008, 3434) überholte Streitfrage ankommt , ob bei unstreitigem Sachverhalt der Einwand einer hypothetischen Einwilligung in den ärztlichen Eingriff erstmals in zweiter Instanz erhoben werden kann.
26
Zwar meint das Berufungsgericht, der "unstreitige" Parteivortrag deute darauf hin, dass die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung vorgelegen hätten, weil die Klägerin während des gesamten Rechtsstreits nicht zur Kenntnis genommen habe, dass bei ihr nach den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. S. eine eindeutige Indikation für den diagnostischen Eingriff bestanden habe. Dabei verkennt es jedoch die Besonderheiten der hypothetischen Einwilligung und der Darlegung eines Entscheidungskonflikts durch den Patienten. Nach den oben unter 4 a) dargelegten Grundsätzen hatte die Klägerin keinen Anlass, ihren Entscheidungskonflikt substantiiert darzulegen und plausibel zu machen, bevor sich die Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung berufen hatte. Zudem ist nicht entscheidend, wie sich ein "vernünftiger" Patient voraussichtlich verhalten hätte, vielmehr kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation der Klägerin aus damaliger Sicht an (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684 m.w.N.). Die Revisionserwiderung hat insoweit darauf verwiesen, dass die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen hat, sie hätte niemals in die Operation eingewilligt, wenn man sie über das erhöhte Risiko bezüglich eines Schlaganfalls aufgeklärt hätte. Unter diesen Umständen kommt es aus Rechtsgründen nicht darauf an, ob der Vortrag der Klägerin zur Darlegung eines Entschei- dungskonflikts ausgereicht hätte, zumal dies grundsätzlich erst nach einer Anhörung der Klägerin beurteilt werden konnte (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2007 - VI ZR 108/06 - aaO).
27
5. Nach allem hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig entschieden. Die Revision der Beklagten ist mithin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 03.11.2006 - 4 O 1106/05 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 04.07.2007 - 5 U 106/06 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 394/02 Verkündet am:
6. Dezember 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage ist zulässig, wenn
der Gegner einwilligt und das Begehren auf unstreitigem Sachvortrag beruht.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02 - OLG Karlsruhe
LG Mosbach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 6. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Dr. Gehrlein und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. August 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Durch notariellen Vertrag vom 23. August 1994 gründetenG. K. und A. R. die "G. S. IV GbR M. straße" (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft). Zweck der Gesellschaft war der Erwerb, die wirtschaftliche Ausnützung und Verwaltung der Gewerbeimmobilie M. straße 6 in L. . Gesellschafter konnten dem Fonds, dessen Kapital bis zu 13,5 Mio. DM betragen sollte, durch Einlagen von
mindestens 15.000,00 DM beitreten. Initiatorin des Fonds war die Gesellschaft für W. mbH S. (GW -GmbH), die außerdem den Vertrieb der Fondsanteile übernahm. Die durch eine Treuhandgesellschaft vertretenen Beklagten zeichneten am 15. Dezember 1995 zwei Fondsanteile über insgesamt 60.000,00 DM.
Die Beklagten schlossen am 1. Dezember 1995 zur Finanzierung ihrer Beteiligung mit der Klägerin unter Verwendung eines Formulars, das die Klägerin dem Vertriebsunternehmen überlassen hatte, einen Kreditvertrag über 68.888,88 DM. Das Darlehen sollte in voller Höhe durch eine von den Beklagten zugleich abgeschlossene Kapitallebensversicherung getilgt werden. Die Ansprüche aus dieser Lebensversicherung traten die Beklagten sicherungshalber an die Klägerin ab; außerdem verpfändeten sie der Klägerin ihren Gesellschaftsanteil.
Die monatlichen Kreditbelastungen der Beklagten konnten - entgegen dem Konzept des Fonds - ab Beginn des Jahres 2000 nicht mehr über Mietausschüttungen gedeckt werden. Durch Anwaltsschreiben vom 20. August 2001 kündigten die Beklagten mit der Begründung, über den tatsächlichen Verkehrswert der Immobilie und eine vermeintliche Wertsteigerung in betrügerischer Weise getäuscht worden zu sein, ihre Fondsbeteiligung aus wichtigem Grund. Schließlich widerriefen die Beklagten - im vorliegenden Rechtsstreit - durch Schriftsatz vom 4. Januar 2002 unter Berufung auf eine Haustürsituation ihre Erklärung auf Abschluß des Darlehensvertrages gegenüber der Klägerin.
Der von der Klägerin nach Kündigung und Fälligstellung des Darlehens erhobenen Klage auf Zahlung von 72.538,20 DM hat das Landgericht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, die im zweiten Rechtszug außerdem
widerklagend Rückzahlung der Zinsleistungen von 26.866,80 DM begehrt haben, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Widerrufsrecht der Beklagten nach dem Haustürwiderrufsgesetz sei jedenfalls verwirkt. Mängel des Beitritts zur Fondsgesellschaft könnten die Beklagten nicht im Rahmen des Darlehensverhältnisses geltend machen, weil der Fondsbeitritt kein verbundenes Geschäft darstelle und nicht im Rahmen des Darlehensvertrages rückabgewickelt werden könne. Die Widerklage sei unzulässig, weil ihr ein anderer Streitgegenstand als der Klage zugrunde liege.
II. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.
Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachvortrag der Beklagten ist die Klage schon deshalb unbegründet und die Widerklage begründet , weil der Darlehensvertrag der Parteien unwirksam ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren die Beklagten berechtigt, ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung, jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu widerrufen.
1. Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung von 26.866,80 DM ist - wie die Revision mit Recht rügt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig. Die in § 533 ZPO geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer neuen, erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage sind erfüllt.

a) Eine Widerklage ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Wegen der Verweisung des § 525 ZPO auch auf § 267 ZPO kann die Einwilligung des Gegners stillschweigend erteilt werden, indem er sich rügelos auf die Widerklage einläßt (BGHZ 21, 13, 18; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 23. Aufl. § 533 Rdn. 9; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 533 Rdn. 19). Da die Klägerin - ohne vorherige schriftsätzliche Beanstandung (vgl. BGH, Urt. v. 21. Februar 1975 - V ZR 148/73, NJW 1975, 1228 f.) - in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2002 einen Antrag auf Abweisung der Widerklage gestellt hat, wird ihre Einwilligung unwiderleglich vermutet.

b) Als zweite Voraussetzung darf eine Widerklage nur auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Es bestehen bereits durchgreifende Bedenken, ob es sich bei dem - widerklagend geltend gemachten - der Höhe nach unstreitigen Zinsbetrag um eine neue Tatsache handelt, weil dieser Zahlungsposten ohnehin mit dem Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der Darlehensvaluta zu verrechnen wäre und daher (unausgesprochen) bereits im Klagevortrag enthalten ist. Jedenfalls sind neue unstreitige Tatsachen im Berufungsrechtszug gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Wie zum früheren Novenrecht (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1980 - VII ZR 96/79, NJW 1980, 945, 947) betrifft die
Regelung des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO über die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur streitiges und daher beweisbedürftiges Vorbringen (OLG Hamm MDR 2003, 650 f.; Zöller/Gummer/Heßler aaO § 531 Rdn. 25; Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 8). Unstreitige neue Tatsachen können also die Grundlage einer Widerklage bilden (Meyer-Seitz aaO § 533 Rdn. 10). Klage und Widerklage betreffen im Sinn des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs (BGHZ 117, 1, 6) einen identischen Sachverhalt. Wegen der (notwendig) jeweils entgegengesetzten Angriffsrichtung kann aber nicht - wie offenbar das Berufungsgericht meint - außerdem verlangt werden, daß Klage und Widerklage - als zweites Element des Streitgegenstandsbegriffes - dasselbe Begehren zum Inhalt haben. Vielmehr führt schon die im Verhältnis zur Klage gemeinsame Tatsachengrundlage zur Zulässigkeit der Widerklage.
2. § 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, daß die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auf Real- und Personalkredite auch dann anzuwenden sind, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist (BGHZ 150, 248, 256; BGHZ 152, 331, 334 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403). Letzteres ist hier der Fall. Die Widerrufsfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG ist infolge Fristablaufs erloschen.
3. Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen vor.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren zugrundezulegenden Sachverhalt sind die Beklagten aufgrund eines unbestellten Besuchs von einem Mitar-
beiter des Vertriebsunternehmens für den Fondsbeitritt und dessen Finanzierung in ihrer Wohnung geworben worden.

b) Die Haustürsituation ist der Klägerin zuzurechnen.
Insoweit gelten die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01, ZIP 2003, 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen , auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).
Auch wenn die Klägerin nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen einschließlich der Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen doch jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vertriebsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war. Sie hatte dem Vertriebsunternehmen ihre Kreditfomulare überlassen. Ausweislich des Kreditvertrages hatte der Vermittler die eigenhändige Unterschriftsleistung der Beklagten "im Hause des Kreditnehmers" (richtig: der Kreditnehmer) bestätigt. Damit legte schon die Vertragsurkunde eine Haustürsituation in aller Deutlichkeit nahe. Deshalb hätte für die Klägerin Veranlassung bestanden, bei dem Fonds-
vertreiber Nachfrage über das Zustandekommen der Willenserklärung zu halten.

c) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.
Die Belehrung enthält den Hinweis, daß nach dem Empfang des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde. Eine derartige - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung genügt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht den Anforderungen des § 2 HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem noch unrichtige - Erklärung enthält (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Fehlt eine ordnungsgemäße Belehrung, kann das Widerrufsrecht entsprechend dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99, NJW 2002, 281, 282 f.) zeitlich unbefristet ausgeübt werden (vgl. auch Senat, BGHZ 148, 201, 203 f.: 10 Jahre). Eine Verwirkung des Widerrufsrechts scheidet schon deshalb aus, weil Darlehensnehmer erst durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 (aaO) über die Berechtigung eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz verbindlich in Kenntnis gesetzt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 15. September 1999 - I ZR 57/97, NJW 2000, 140, 142). Folgerichtig haben die Beklagten ihre Erklärung am 4. Januar 2002 widerrufen.
4. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 HaustürWG verpflichtet, dem jeweils anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.

a) Danach brauchen die Beklagten der Klägerin nicht die Darlehensvaluta zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich ihren Fondsanteil abzutreten.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2004 (II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.) entschieden, daß die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung im Falle der Auszahlung des Darlehens an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil ist. Der Fondsbeitritt der Beklagten und der Darlehensvertrag der Parteien bilden ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG. Ein solches liegt vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vertriebsunternehmen zur Verfügung gestellt.

b) Die Klägerin hat den Beklagten die von ihnen gezahlten Zinsleistungen zurückzugewähren, allerdings nur, soweit sie aus von der Gesellschaftsbeteiligung unabhängigem Vermögen erbracht sind (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Das Berufungsgericht wird - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - klären müssen, in welchem Umfang der Treuhänder Ausschüttungen des Fonds an die Klägerin weitergeleitet hat. Ferner ist die Klägerin verpflichtet, die Rechte aus der Lebensversicherung an den Beklagten zurückzuübertragen (Sen.Urt. aaO).
5. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zu den Voraussetzungen einer Haustürsituation nach § 1 HaustürWG keine
Feststellungen getroffen. Das nachzuholen, hat es im Rahmen der neuen Verhandlung Gelegenheit.
III. Die Revision ist auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt begründet. Selbst wenn der Darlehensvertrag wirksam sein sollte, müßten die Beklagten nach dem vom Berufungsgericht bisher unterstellten Sachverhalt keine weiteren Zahlungen an die Klägerin leisten und hätten umgekehrt einen Anspruch auf Rückgewähr ihrer bereits erbrachten Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG, dessen bis zum 30. September 2000 geltende Fassung hier anzuwenden ist.
1. Wie vorstehend unter II. 4. a ausgeführt, bilden der Darlehensvertrag und der Gesellschaftsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, so daß § 9 Abs. 3 VerbrKrG zur Anwendung kommt.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können sich die Beklagten der Klägerin gegenüber darauf berufen, daß ihnen gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, G. K. und A. R. , Schadensersatzansprüche u.a. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v. 10 Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851 f.).

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404) entschieden hat, kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber hinaus der Bank auch alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese
in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln sind.

b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).
Danach haben die Beklagten der Klägerin nur die Fondsbeteiligung und in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ihre Schadensersatzansprüche gegen die GW -GmbH und die Gründungsgesellschafter abzutreten. Die Darlehensvaluta , die nicht an sie, sondern an den Treuhänder geflossen ist, brauchen sie der Klägerin nicht zurückzuzahlen.
Ferner können die Beklagten im Wege des Rückforderungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) von der Klägerin Rückgewähr der von ihnen aufgrund des Darlehensvertrages an die Klägerin erbrachten Leistungen verlangen. Ebenso wie im oben (II.) erörterten Fall der Rückabwicklung aufgrund wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz haben sie jedoch nur Anspruch auf Rückzahlung solcher Leistungen, die sie aus eigenem Vermögen erbracht haben.

c) Diese Rechte der Beklagten sind nicht verwirkt.
Insoweit kommt es nicht auf die erst im August 2000 erfolgte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses an. Das Kündigungsrecht kann im Falle eines verbundenen Geschäfts auch dadurch ausgeübt werden, daß der getäuschte Anleger dem Finanzierungsinstitut mitteilt, er sei durch Täuschung zum Erwerb der Beteiligung veranlaßt worden, und ihm die Übernahme seines Geschäftsanteils anbietet (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595; Sen.Urt. v. 14. Juli 2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520 f.). Die Beklagten haben den Darlehensvertrag bereits Ende Juni 1998 gegenüber der Klägerin angefochten und ihr die Fondsbeteiligung zur Verfügung gestellt.
3. Da das Berufungsgericht, wie dargelegt, insoweit noch Feststellungen zu treffen hat, kommt eine abschließende Entscheidung des Senats auch in bezug auf den Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht in Betracht. Die Zurückverweisung bietet auch Gelegenheit nach Maßgabe der Urteile des Senats vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407) zu klären, ob die Beklagten in den Genuß
von Steuervorteilen gekommen sind, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen.
Röhricht Kurzwelly Münke
Gehrlein Caliebe

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 165/04 Verkündet am:
21. Dezember 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zylinderrohr
Auch wenn das gemeinschaftliche Recht auf ein technisches Schutzrecht, das
Miterfindern zusteht, nicht zu einem gemeinschaftlichen Recht am Schutzrecht
geführt hat, kommt ein finanzieller Ausgleich zu Gunsten des nicht eingetragenen
Miterfinders für die von diesem nicht wahrgenommene Möglichkeit in Betracht
, den Gegenstand der Erfindung selbst zu nutzen (Fortführung von BGHZ
162, 342 - Gummielastische Masse II).
BGB § 214 Abs. 1 (§ 222 Abs. 1 a.F.); ZPO § 531 Abs. 2
Hat sich der Schuldner nicht bereits außergerichtlich auf Verjährung berufen,
muss dem Umstand, dass bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung
erster Instanz Verjährung eingetreten ist, grundsätzlich durch Erhebung
der Einrede in dieser Instanz Rechnung getragen werden. Mit der erstmals im
Berufungsverfahren erhobenen Verjährungseinrede ist der Beklagte ausgeschlossen
, wenn nicht die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO vorliegen
(Abgrenzung zu BGHZ 161, 138).
BGH, Urt. v. 21. Dezember 2005 - X ZR 165/04 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das laut Sitzungsprotokoll am 25. Oktober 2004 verkündete Endurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg mit Ausnahme des Ausspruchs aufgehoben, dass in dem Tenor des am 21. April 2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth unter I c (1) die Worte "sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer" entfallen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


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Der Kläger war Geschäftsführer einer Gesellschaft beschränkter Haftung, die auf die Herstellung von Schweißmaschinen spezialisiert ist. Die Beklagte ist ein Zulieferer der Automobilindustrie. 1991 zog sie den Kläger bei der Entwicklung eines insbesondere für Stoßdämpfer geeigneten Zylinder-/Behälterrohrs hinzu. Der Kläger und fünf Arbeitnehmer der Beklagten entwickelten eine Neuerung , die der Beklagten als Erfindung gemeldet wurde. Die Beklagte nahm gegenüber ihren Arbeitnehmern diese Erfindung als Diensterfindung unbeschränkt in Anspruch. Sie beantragte hierfür am 17. März 1992 ein Gebrauchsmuster, das am 27. Mai 1992 vom Deutschen Patentamt eingetragen wurde. Hiervon unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 1993 und teilte ihre Absicht mit, für die Erfindung in Spanien, Frankreich und Italien Patente anzumelden. Der Bitte anzugeben, ob er mit dem Anmeldeumfang einverstanden sei, entsprechend sandte der Kläger das Schreiben mit handschriftlichem Vermerk "bin mit dem Anmeldeumfang einverstanden" an die Beklagte zurück.
2
Die Beklagte kaufte in der Folgezeit bei der vom Kläger gesetzlich vertretenen Gesellschaft beschränkter Haftung jedenfalls einmal eine Schweißanlage für die Herstellung von Stoßdämpfern nach der Erfindung. Im Übrigen ist streitig , ob sich die Erwartung des Klägers erfüllte, an die Beklagte Schweißanlagen für die Herstellung von Stoßdämpfern nach der Erfindung liefern zu können.
3
Mit Schreiben vom 29. April 2002 wandte sich der Kläger mit dem Verlangen nach einer Entschädigung für seinen Miterfinderanteil an die Beklagte.
Dieses Verlangen wies die Beklagte mit dem Hinweis zurück, dem Kläger stehe keine Vergütung nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen zu.
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Der Kläger hat daraufhin am 23. Dezember 2002 Stufenklage eingereicht , um eine angemessene Entschädigung in einer noch zu bestimmenden Höhe auf Grundlage eines Miterfinderanteils von 1/2 zu erhalten. Das Landgericht hat dem in erster Stufe gestellten Antrag entsprochen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welcher Art und in welchem Umfang sie und/oder ihr organisatorisch verbundene Unternehmen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum vom 17. März 1992 bis zum 31. März 2002 und in den Gebieten Frankreich, Italien und Spanien im Zeitraum seit dem 17. März 1992 Zylinder-/Behälterrohre näher bezeichneter erfinderischer Beschaffenheit benutzt, d.h. gewerbsmäßig hergestellt , angeboten, in Verkehr gebracht hat und/oder hat herstellen oder vertreiben lassen und/oder Lizenzen an Dritte vergeben hat und hieraus entgeltliche Vorteile gezogen hat und/oder Einnahmen aus Kauf- oder Austauschverträgen oder sonstige durch die bezeichnete Erfindung erzielte Vermögensvorteile erzielt hat, und zwar unter Angabe (1) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, (2) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, (3) von Lizenzeinnahmen bzw. fällig gewordenen Lizenzansprüchen, sowie den Namen und Anschriften der Lizenznehmer.
5
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Teilurteil unter Abweisung der Berufung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung zu (2) in Wegfall kommt und bei der Verurteilung zu (1) die Worte "sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer" entfallen und die Klage insoweit abgewiesen wird.
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Mit ihrer - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag nach vollständiger Klageabweisung weiter. Der Kläger erstrebt mit seiner Anschlussrevision Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils im Umfang der Verurteilung zu (2).

Entscheidungsgründe:


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Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache Erfolg. Sie führen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Der von den Vorinstanzen zuerkannte Auskunftsanspruch soll dem Kläger dazu verhelfen, seinen bisher unbezifferten Antrag auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung näher präzisieren zu können. Er setzt deshalb zunächst voraus, dass dem Kläger der Zahlungsanspruch dem Grunde nach zusteht. Das hat das Berufungsgericht mit alternativen Begründungen bejaht. Keine von ihnen hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
9
II. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger zusammen mit Arbeitnehmern der Beklagten die Erfindung gemacht hat, die von der Beklagten als Gebrauchsmuster und dann in Spanien, Frankreich und Italien auch als Patent angemeldet worden ist. Dem Kläger stand daher das Recht auf gebrauchsmusterrechtlichen bzw. patentrechtlichen Schutz gemeinschaftlich mit der Beklagten zu (§ 6 Satz 1 PatG, § 13 Abs. 3 GebrMG), nachdem die Be- klagte die Diensterfindung der Arbeitnehmer unbeschränkt in Anspruch genommen hatte (§ 7 Abs. 1 ArbEG). Hinsichtlich dieses Rechts bildeten die Parteien eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass sie für ihr Innenverhältnis insoweit etwas anderes geregelt haben (vgl. Sen.Urt. v. 17.12.2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226 - Rollenantriebseinheit; Sen.Urt. v. 18.03.2003 - X ZR 19/01, GRUR 2003, 702, 704 - Gehäusekonstruktion). Das Berufungsgericht ist daher - insoweit zu Recht - davon ausgegangen, dass hinsichtlich Früchteanteil und Gebrauchsbefugnis am Gegenstand des gemeinschaftlichen Rechts der Parteien die Regeln des Rechts der Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) heranzuziehen sind.
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1. Wie von der Revision zutreffend geltend gemacht wird, kann der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht beigetreten werden, schon aus § 743 Abs. 1 BGB folge, dass dem Kläger ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehe, weil diese, nicht aber der Kläger, die gemachte Erfindung nutze. Denn diese rechtliche Bewertung ist unvereinbar mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die dem - allerdings zeitlich erst nach dem angefochtenen Urteil erlassenen - Urteil des Senats vom 22. März 2005 (X ZR 152/03, GRUR 2005, 663 - Gummielastische Masse II, für BGHZ 162, 342 vorgesehen) zugrunde liegt. Denn danach findet sich die das gesetzliche Verhältnis bestimmende Zuweisungsnorm nicht in § 743 Abs. 1 BGB, sondern in § 743 Abs. 2 BGB, wenn es um den Gebrauch des Gegenstands eines gemeinschaftlichen Rechts geht. Ein solcher Gebrauch ist auch hier betroffen. Zwar hat im Streitfall - anders als in dem am 22. März 2005 vom Senat entschiedenen Fall - das gemeinschaftliche Recht auf das Schutzrecht nicht zu einem gemeinschaftlichen Recht am Schutzrecht geführt. Wie der damalige Kläger will jedoch auch hier der Kläger einen Ausgleich für die von ihm nicht wahrnehmbare, jedenfalls aber nicht wahrgenommene Möglichkeit, den Gegenstand der Erfindung selbst zu nutzen, die bereits durch das Recht auf das diese Erfindung betreffende Schutzrecht eröffnet ist.
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2. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Zahlungsanspruch wegen der Möglichkeit der Nutzung des Gegenstands der Schutzrechte, die ihm zunächst zustand, ferner deshalb dem Grunde nach zuerkannt, weil die Parteien über die Benutzung der gemeinschaftlichen Erfindung eine gemeinschaftliche Regelung getroffen hätten, wonach die Beklagte die Schutzrechte anmelden, alleine innehaben und ihren Gegenstand alleine nutzen, der Kläger aber einen angemessenen Ausgleich in Geld erhalten solle.
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a) Das einvernehmliche Zustandekommen einer Benutzungsregelung, die den Kläger von der Nutzung des Gegenstands der Schutzrechte ausschließt , hat das Berufungsgericht aus dem unstreitigen Einverständnis des Klägers mit der Eintragung der Beklagten als alleiniger Inhaberin des Gebrauchsmusters und mit dem Inhalt des handschriftlichen Vermerks des Klägers auf dem Schreiben vom 29. Januar 1993 gefolgert, ausweislich der sich der Kläger auch hinsichtlich der von der Beklagten beabsichtigten Auslandsanmeldungen mit dem Anmeldeumfang einverstanden erklärt hatte.
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Dieser Schluss ist möglich. Er liegt im Rahmen nach § 286 ZPO dem Tatrichter vorbehaltener Würdigung der festgestellten Tatumstände. Mit der Rüge, es habe näher gelegen, die Einverständniserklärung des Klägers als klarstellenden Hinweis dahin aufzufassen, dass er in dem alleinigen Gebrauch der Erfindung durch die Beklagte keine Beeinträchtigung seiner Rechte an der Erfindung sehe, zeigt die Revision nur eine andere Deutungsmöglichkeit für das Verhalten der Parteien auf. Für die weitere revisionsrechtliche Überprüfung ist deshalb davon auszugehen, dass die Parteien sich hinsichtlich der Nutzung des Gegenstands der Erfindung im Zusammenhang mit deren Schutzrechtsanmeldung und -eintragung dahin geeinigt haben, dass sie unter Ausschluss des Klägers allein durch die Beklagte erfolgen soll. Da diese Regelung im allseitigen Einverständnis getroffen wurde, handelt es sich insoweit um einen Vertrag, wie er von Teilhabern ohne weiteres abgeschlossen werden kann (§ 745 Abs. 2 BGB).
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b) Zu seiner weiteren Feststellung, die Vereinbarung der Parteien beinhalte auch eine Verpflichtung der Beklagten zu einem angemessenen Ausgleich in Geld, ist das Berufungsgericht gelangt, obwohl es gemeint hat, dass die Parteien selbst über eine dem Kläger zustehende Entschädigungsregelung nichts abgesprochen hätten. Da zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehöre, dass der zurückstehende Teilhaber eine Abfindung erhalte, widerspreche die ohne eine solche Regelung getroffene Benutzungsvereinbarung den von Gesetzes wegen einzuhaltenden Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Deshalb bestehe eine Regelungslücke, die unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Parteien geschlossen werden müsse.
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(1) Das kann aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Der Sache nach hat das Berufungsgericht eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen , die in Betracht kommt, wenn das Vereinbarte eine Vertragslücke aufweist. Eine solche Lücke kann beispielsweise darauf beruhen, dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.12.2003 - VIII ZR 90/02, NJW-RR 2004, 262 m.w.N.), sich aber auch daraus ergeben, dass eine von den Vertragsparteien getroffene Regelung gesetzlicher Vorgabe widerspricht (vgl. BGHZ 151, 229). Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht hier als gegeben erachtet, weil nach seiner Ansicht § 745 Abs. 1 BGB nur eine der Beschaffen- heit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung erlaubt.
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(2) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht dabei übersehen, dass das Gesetz diese Einschränkung nur für eine durch mit Mehrheit der Stimmen der Teilhaber beschlossene Verwaltungs- und Benutzungsregelung vorsieht und ein Teilhaber einer Verwaltungs- und Benutzungsregelung nur zuzustimmen verpflichtet sein kann, wenn sie ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (vgl. BGHZ 140, 63). Hat der betreffende Teilhaber einer Benutzungsregelung bereits zugestimmt oder ist diese - wie hier - gar Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung aller Teilhaber, ist für eine derartige Einschränkung aber kein Raum. Die grundgesetzlich garantierte Handlungs- und Vertragsfreiheit gebietet in diesen Fällen, dass mit Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich jede Regelung über die Verwaltung und Benutzung des den Teilhabern gemeinschaftlich Zustehenden möglich ist und fortan deren Verhältnis bestimmt. Das findet Bestätigung in § 745 Abs. 3 Satz 2 BGB. Denn danach darf das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen, das das Berufungsgericht im Streitfall durch die festgestellte Abrede der Parteien nicht hinreichend berücksichtigt sieht, durchaus beeinträchtigt werden, nämlich dann, wenn dies mit Zustimmung des Betroffenen erfolgt.
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Mit der vom Berufungsgericht angenommenen Vertragslücke ist mithin die durchgeführte ergänzende Vertragsauslegung nicht zu rechtfertigen.
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(3) Das vom Berufungsgericht auf diese Weise ermittelte Ergebnis, die Beklagte schulde dem Kläger eine angemessene Entschädigung, erweist sich auch nicht etwa deshalb als revisionsrechtlich tragfähig, weil der Kläger mit Blick auf mögliche Aufträge für Schweißanlagen zu der Zusammenarbeit mit der Beklagten bereit war, sich hierin aber enttäuscht sieht. Denn das Berufungsgericht hat insoweit keine Umstände festgestellt, aus denen sich möglicherweise eine Vertragslücke oder - was subsidiär zu prüfen gewesen wäre - eine Änderung oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage hätte entnehmen lassen können.
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3. Der Rechtsfehler, an dem das angefochtene Urteil mithin im Hinblick auf die Nutzung der Erfindung leidet, bedeutet nicht, dass die Klage in der Sache abweisungsreif ist. Denn die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien selbst hätten über einen finanziellen Ausgleich nichts verabredet, ist nicht prozessordungsgemäß getroffen worden. Insoweit hat der Kläger - wie die Revisionserwiderung mittels Gegenrüge auch geltend macht - unter Hinweis auf das Verhältnis der Beklagten zu ihren Arbeitnehmererfindern sein Begehren auch mit der Behauptung gerechtfertigt, der Beklagten eine Lizenz erteilt zu haben, ohne zugleich deren kostenlose Nutzung vereinbart zu haben. Der Sache nach hat der Kläger damit geltend gemacht, die von den Parteien getroffene Vereinbarung habe - stillschweigend - auch eine Pflicht beinhaltet, einen angemessenen Nutzungsausgleich in Geld zu leisten. Dieser Behauptung ist das Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO nicht nachgegangen; es hat lediglich die Handlungen der Parteien, mit denen sie nach außen hervorgetreten sind, gewürdigt und hieraus eine Vertragslücke abgeleitet, nicht aber die Möglichkeit berücksichtigt, dass tatsächlich existierender Wille von Vertragsschließenden auch konkludenten Ausdruck finden kann. So kann auch ein dem Geschäft erkennbar zugrunde liegender Zweck einen auf übereinstimmendem Parteiwillen beruhenden objektiven Erklärungswert erkennen lassen, der in den nach außen in Erscheinung getretenen Handlungen der Parteien nicht mit aller gewünschten Klarheit zum Ausdruck kommt (vgl. Sen.Urt. v. 11.04.2000 - X ZR 185/97, GRUR 2000, 788 - Gleichstromsteuerschaltung).

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(1) Die insoweit gebotene Prüfung weicht von der bei ergänzender Vertragsauslegung ab, weil bei dieser lediglich der hypothetische Wille von Vertragsparteien zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 10.07.2003 - VII ZR 411/01, MDR 2003, 1221), bei der Ermittlung des Inhalts eines abgeschlossenen Geschäfts aber der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen ist.
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Das Berufungsgericht wird deshalb die erforderliche Prüfung nachzuholen haben, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Parteien stillschweigend auch Einigkeit über die Frage einer Ausgleichspflicht der Beklagten erzielt haben. Dabei können freilich die vom Berufungsgericht im Rahmen seiner ergänzenden Vertragsauslegung bereits herangezogenen Umstände ebenfalls entscheidende Bedeutung erlangen, so insbesondere, dass es angesichts des gesetzlichen Vergütungsanspruchs der Arbeitnehmererfinder jedenfalls für den Kläger eine Selbstverständlichkeit darstellte, dass er ebenfalls eine angemessene Entschädigung erhalte. Außerdem wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger auf das ihm nach § 6 Satz 2 PatG, § 13 Abs. 3 GebrMG zustehende Recht der gemeinschaftlichen Anmeldung der Erfindung und auf sein Benutzungsrecht verzichtet hat, das sich auch für ihn ergeben hätte, wenn er als Mitberechtigter eingetragen worden wäre. Im Streitfall stellt sich deshalb die Frage, warum der Kläger das ohne Gegenleistung getan haben und die Beklagte von einem solchen Entgegenkommen ausgegangen seinsollte. Dabei wird auch der Erfahrungssatz zu bedenken sein, dass ein Erfinder in der Regel von seinem Recht so wenig wie möglich aufgeben will (Sen.Urt. v. 11.04.2000 - X ZR 185/97, GRUR 2000, 788 - Gleichstromsteuerschaltung, m.w.N.). Das könnte es naheliegend erscheinen lassen, dass die Parteien jedenfalls von der Notwendigkeit einer angemessenen Gegenleistung in Geld ausgegangen sind.
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Im Streitfall kommt deshalb durchaus eine Auslegung des von den Parteien Vereinbarten in Betracht, dass der Kläger erkennbar nur gegen eine angemessene "Lizenz" bereit war, der Beklagten allein das Gebrauchsmuster zu überlassen, und dass die Beklagte stillschweigend hierauf eingegangen ist. Auf der anderen Seite werden aber auch die Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen sein, die sich dem vom Kläger gesetzlich vertretenen Unternehmen als Hersteller der Anlagen boten, die für die Fertigung nach der Erfindung benötigt wurden. Das Berufungsgericht hat diese Möglichkeiten einerseits als klägerisches Motiv für die Benutzungsvereinbarung mit der Beklagten bezeichnet, was dafür sprechen könnte, dass der Kläger einer ansonsten gegenleistungslosen Überlassung zugestimmt hat und dass er, was den erwarteten Umfang von Aufträgen anbelangt, lediglich einem rechtlich unbeachtlichen Irrtum unterlegen ist. Andererseits hat das Berufungsgericht erwogen, Aufträge für Schweißanlagen könnten auch lediglich erhoffte Kompensationsgeschäfte für dem Kläger eigentlich zustehende Entschädigungsansprüche gewesen sein. Jedenfalls insoweit besteht deshalb Aufklärungsbedarf und es können sich noch weitere für die Auslegung relevante Umstände ergeben. Das verbietet, dass der Senat selbst abschließend die an sich dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung trifft, was die Parteien in Ansehung des ihnen gemeinschaftlich zustehenden Rechts im Hinblick auf den der Klage zugrunde liegenden Zahlungsanspruch vereinbart haben.
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4. Die damit gebotene Zurückverweisung der Sache entfällt nicht etwa deshalb, weil entgegen der Meinung des Berufungsgerichts angenommen werden muss, dass der Ausgleichsanspruch des Klägers verwirkt ist.
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a) Ein Recht kann verwirkt sein, wenn der Gläubiger es über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht hat, der Schuldner sich bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch darauf eingerichtet hat, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt; die zeitlichen wie die sonstigen Umstände des Falles in ihrer Gesamtheit müssen also die Beurteilung tragen, dass Treu und Glauben dem Gläubiger die Verfolgung des Anspruchs verwehren, mit dessen Geltendmachung der Schuldner nicht mehr rechnen musste (vgl. BGHZ 146, 217 - Temperaturwächter). Zu dem sogenannten Umstandsmoment, das hiernach neben dem Zeitmoment über die Frage der Verwirkung entscheidet, hat die Beklagte erstmals in der zweiten Instanz behauptet, weder Rückstellungen für eine Inanspruchnahme getroffen, noch die Schutzrechte freigegeben und eine ohne weiteres mögliche Alternativlösung gewählt zu haben, weil der Kläger von 1991 bis 2002 zugewartet habe, bis er eine Nutzungsvergütung verlangt habe. Diesen bestrittenen Tatsachenvortrag hat das Berufungsgericht zu Recht nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Entgegen der Meinung der Revision liegt der hier allein in Betracht zu ziehende Ausnahmetatbestand nach Nr. 3 dieser Vorschrift nicht vor. Der neue Vortrag betrifft Gesichtspunkte, die keinen speziellen Bezug zu einem bestimmten Klagegrund haben, sondern unabhängig davon darauf zielen, ein treuwidriges Verhalten des Klägers darzutun. Da diese Umstände in erster Instanz bekannt waren, hätten sie bei Anwendung der von einer Partei zu erwartenden Sorgfalt schon dem Landgericht gegenüber vorgetragen werden können. Der Beklagten ist deshalb insoweit Nachlässigkeit vorzuwerfen. Dass die Beklagte, wie die Revision beanstandend geltend macht, erst in der Berufungsinstanz Anlass gehabt habe, zu den Voraussetzungen einer Verwirkung vorzutragen, ist unter diesen Umständen nicht nachvollziehbar, zumal die Revision selbst darauf hinweist, dass der Kläger seinen Zahlungsan- spruch auch schon in erster Instanz nicht nur auf § 743 Abs. 1 BGB, sondern auch auf eine Regelung der Parteien gestützt hatte.
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b) Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit der Frage der Verwirkung befasst. Seine Darlegung, es sei ein ihm aus zahlreichen Streitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes bekanntes Verhalten, dass - solange die Hoffnung des eigentlich Berechtigten auf weitere Aufträge erfüllt werde - letztere als Kompensationsgeschäft für eigentlich zustehende Entschädigungsansprüche verstanden würden, betrifft (auch) diese Frage. Das Berufungsgericht hat hiernach das Bestehen einer bestimmten Geschäftsbeziehung der Parteien als der Verwirkung entgegenstehend erachtet. Das ist eine mögliche Würdigung , die - da das weitere Vorbringen der Beklagten nicht zuzulassen ist - der revisionsrechtlichen Korrektur nicht zugänglich ist.
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5. Ein Zahlungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht wegen Verjährung (teilweise) unbegründet. Trotz Vollendung der Verjährungsfrist kann der Eintritt der Verjährung nur berücksichtigt werden, wenn der Schuldner sich hierauf einredeweise beruft (§ 222 Abs. 1 BGB a.F., jetzt § 214 Abs. 1 BGB). Diese Einrede der Beklagten hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision zu Recht nicht zugelassen, weil sie erst in zweiter Instanz erhoben worden ist und dies auf Nachlässigkeit der Beklagten beruhte (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
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a) Die Verjährungseinrede gehört zu den Verteidigungsmitteln, deren rechtzeitige Geltendmachung durch § 531 Abs. 2 ZPO sichergestellt werden soll. Hat sich der Schuldner nicht bereits außergerichtlich auf Verjährung berufen , wofür im Streitfall nichts ersichtlich ist, muss dem Umstand, dass bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Verjährung einge- treten ist, deshalb grundsätzlich durch Erhebung der Einrede in dieser Instanz Rechnung getragen werden (so auch OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 2216; OLG Frankfurt/Main OLG-Report 2004, 249; OLG Oldenburg JurBüro 2004, 41; OLG München BauR 2004, 1982; OLG Brandenburg BauR 2003, 1256; KG GRURRR 2003, 310; a.A. OLG Karlsruhe OLG-Report 2005, 42; OLG Naumburg NJOZ 2005, 3651). Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach neuer, unstreitiger Tatsachenvortrag nicht der Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO unterfällt und daher in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist (BGHZ 161, 138), steht dem nicht entgegen. Diese Rechtsprechung betrifft Sachverhalte, die ohne besondere Geltendmachung entscheidungserheblich sind, und soll verhindern , dass (insoweit) auf einer falschen, von keiner Partei (mehr) vorgetragenen tatsächlichen Grundlage entschieden werden muss (BGHZ, aaO S. 143); da die Parteien den Prozessstoff bestimmen, soll in jeder Tatsacheninstanz das entscheidungserhebliche tatsächliche Geschehen Berücksichtigung finden, das die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben oder das als zugestanden gilt. Das erfasst nicht die Fälle, in denen sich - wie bei der Einrede der Verjährung im Prozess - die Frage, ob das insoweit Geschehene überhaupt von Bedeutung ist, erst stellt, wenn das Leistungsverweigerungsrecht vom Schuldner wahrgenommen wird. Mit den die Verjährung betreffenden Umständen und der Frage, ob sich insoweit unstreitiger Tatsachenvortrag ergibt, muss sich das Gericht deshalb erst befassen, wenn die diese Prüfung eröffnende Einrede rechtzeitig erhoben ist. Ergänzend kann auf § 533 ZPO verwiesen werden. Auch danach sind den Prozessstoff erweiternde Handlungen in der Berufungsinstanz nicht bereits deshalb zulässig, weil ihre Beurteilung auf Grund unstreitigen Tatsachenvortrags erfolgen kann. Wenn der Gesetzgeber die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede von der Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO hätte ausnehmen wollen, hätte es unter diesen Umständen nahe gelegen, das durch eine entsprechende Regelung zum Ausdruck zu bringen.

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b) Der von der Revision geltend gemachte Ausnahmetatbestand (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) liegt nicht vor. Nach der Antragsfassung schloss die streitige Klage die Möglichkeit ein, den geltend gemachten Zahlungsanspruch nach Art einer Lizenz zu berechnen. Der Kläger hatte - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - bereits erstinstanzlich auch ausgeführt, dass er eine anteilige Lizenzgebühr zu beanspruchen berechtigt sei. Eine solche Gebühr wird üblicherweise in regelmäßig wiederkehrenden zeitlichen Abständen berechnet und geschuldet. Unabhängig davon, dass der Kläger glaubte, seine Klage in erster Linie auf § 743 Abs. 1 BGB stützen zu können, bestand damit von Anfang an die Möglichkeit, dass (auch) die vierjährige Verjährungsfrist nach § 197 BGB a.F. einschlägig sein könnte. Eine sorgfältige Partei, die sich die Einrede der Verjährung zunutze machen wollte, hätte dem bereits durch Erhebung der Einrede in erster Instanz Rechnung getragen.
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6. Sollte das Berufungsgericht (wiederum) zu der Überzeugung gelangen , das von den Parteien Vereinbarte schließe eine von der Beklagten zu zahlende angemessene Entschädigung für die Nutzung der Erfindung ein, wird es bei der gebotenen Schätzung (§ 287 ZPO), was im Streitfall angemessen ist, den dem Kläger zustehenden Betrag auf der Grundlage einer prozentualen Lizenz an den Erlösen der Beklagten berechnen können.
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a) Zu Unrecht zieht die Revision das deshalb in Zweifel, weil den Parteien verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zu Gebote gestanden hätten und eine andere Art der Entschädigung mindestens gleichermaßen wahrscheinlich hätte gewählt werden können. Hinsichtlich des Anspruchs eines Arbeitnehmererfinders auf angemessene Vergütung (§ 9 Abs. 1 ArbEG) entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass in der Regel eine angemessene Lizenz in besonderer Weise geeignet ist, für einen sachgerechten Ausgleich zu sorgen, deshalb sie als nächstliegend erscheinen muss und eine Vergütung auf dieser Grundlage regelmäßig so lange nicht zu beanstanden ist, wie nicht Tatumstände vorliegen, die die Berechnung auf dieser Basis gerade im konkreten Fall ungeeignet erscheinen lassen (BGHZ 155, 8 - Abwasserbehandlung, m.w.N.). Diese Bewertung beruht nicht auf Gesichtspunkten, die ausschließlich durch das Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer gekennzeichnet sind, sondern ist auch bei anderen vertraglich begründeten Verhältnissen sachgerecht, in denen - wie im Streitfall - die eine Seite der anderen ermöglicht, ein Schutzrecht zu erlangen und dessen Gegenstand allein zu nutzen. Auch im Streitfall reicht mithin das bloße Vorhandensein einer gleichermaßen geeigneten anderen Berechnungsmethode nicht aus, die Zuerkennung einer angemessenen Lizenz als rechtsfehlerhaft anzusehen.
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b) Bei deren Festlegung kann allerdings nicht darauf abgestellt werden, was vernünftige Parteien vereinbart hätten, wenn sie die künftige Entwicklung und namentlich den Umfang der späteren Benutzung durch die Beklagte vorausgesehen hätten (vgl. zu diesem Maßstab bei rechtswidriger Benutzung eines Schutzrechts eines anderen Sen.Urt. v. 30.05.1995 - X ZR 54/93, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II, m.w.N.). Wenn die Verpflichtung, angemessenen Ausgleich zu leisten, auf vertraglicher Grundlage beruht, kann es nämlich - wie auch das Berufungsgericht im Ansatz richtig gesehen hat - nur auf die Umstände ankommen, die beim Abschluss der Vereinbarung den Willen der Parteien tatsächlich bestimmen konnten, weil sie bereits damals bekannt waren oder erwartet wurden. Weicht das spätere tatsächliche Geschehen von dem ab, das die Parteien bei Vertragsschluss angenommen haben, kann dem allerdings auch in Fällen wie dem vorliegenden in angemessener Form Rechnung zu tragen sein. Die Rechtsordnung enthält hierzu verschiedene Möglichkeiten. So kann, wenn die insoweit jeweils zu beachtenden Voraussetzungen vorliegen, entweder eine Anpassung im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder wegen Änderung bzw. Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen, nach einer Kündigung der vertraglichen Benutzungsregelung, die bei Vorliegen eines wichtigen Grunds jederzeit möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.1981 - II ZR 205/80, MDR 1982, 207 m.w.N.), weil es sich insoweit um ein Dauerschuldverhältnis handelt, aber auch gestützt auf § 745 Abs. 2 BGB eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechenden Regelung verlangt werden.
32
III. Die zulässige Anschlussrevision des Klägers hat ebenfalls Erfolg.
33
Der vom Kläger im Hinblick auf die Benutzung der Erfindung geltend gemachte Auskunftsanspruch leitet sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab. Steht dem Grunde nach fest, dass ein Zahlungsanspruch in Betracht kommt, kann deshalb ein Beklagter verpflichtet sein, zumutbare Angaben zu machen, deren der Kläger bedarf, um zu ermitteln, ob er und gegebenenfalls in welchem Umfang er tatsächlich Zahlung verlangen kann (vgl. BGHZ 155, 8 - Abwasserbehandlung, für Vergütung nach § 9 Abs. 1 ArbEG). Nach den zur Revision gemachten Ausführungen kann der Aufklärungsbedarf im Streitfall davon abhängen, welche Umstände die Parteien bei Abschluss ihrer Benutzungsvereinbarung als wesentlich für die Angemessenheit einer Entschädigung angesehen und deshalb dieser Vereinbarung zugrunde gelegt haben. Die Vertragsfreiheit erlaubt, insoweit Gestehungskosten und Gewinn auch dann heranzuziehen, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hierüber konkrete Zahlen noch nicht zur Verfügung standen. Die auf das Fehlen solcher Zahlen in den Jahren 1991/1992 abhebende Begründung des Berufungsgerichts trägt mithin die Abweisung des Klagebegehrens nicht, dass die Beklagte auch die im Zusammenhang mit der Benutzung der Erfindung stehenden Gestehungskosten und den hierbei erzielten Gewinn angibt.
34
IV. Die Zurückverweisung bietet schließlich Gelegenheit, den Bedenken nachzugehen, die von der Revision dagegen erhoben worden sind, dass in Klageantrag und Verurteilung Unternehmen einbezogen worden sind, die „mit der Beklagten organisatorisch verbunden“ sind.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 21.04.2004 - 3 O 11074/02 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.10.2004 - 3 U 1818/04 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

Das Gericht kann anordnen, dass bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken usw.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu beschränken sei.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen.

(2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Berufungserwiderung setzen. § 277 gilt entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.