Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2010 - VIII ZR 58/09

bei uns veröffentlicht am27.01.2010
vorgehend
Amtsgericht Halle (Saale), 93 C 460/08, 15.08.2008
Landgericht Halle, 2 S 228/08, 24.02.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 58/09 Verkündet am:
27. Januar 2010
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, Fb; 157 B, C, Hb; 194, 214, 779; ZPO §§ 91, 256
Die erstmalige Erhebung der Einrede der Verjährung im Laufe des Rechtsstreits stellt
auch dann ein erledigendes Ereignis dar, wenn die Verjährung bereits vor Rechtshängigkeit
eingetreten ist.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09 - LG Halle
AG Halle (Saale)
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Hessel, den Richter Dr. Achilles, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 24. Februar 2009 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 4. September 2008 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten, nachdem die Klägerin ursprünglich die Zahlung von 300 € aus einem Vergleich verlangt hatte und die Beklagte in erster Instanz die Einrede der Verjährung erhoben hat, um die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
2
Die Beklagte mietete von der Klägerin mit Vertrag vom 26. November 1996 eine Wohnung in H. . Wie im Mietvertrag vorgesehen, zahlte die Beklagte eine Kaution von 1.800 DM (920,33 €). Das Mietverhältnis endete zum 31. Juli 2003. Im Anschluss hieran machte die Klägerin Schadensersatzansprü- che in Höhe von 926 € wegen Schäden an der Wohnung sowie eine Restmietforderung für den Monat Juli 2003 in Höhe von 316,39 €, mithin insgesamt 1.242,39 € geltend. Mit Anwaltsschreiben vom 16. Dezember 2003 forderte die Klägerin die Beklagte nach vorangegangenem Schriftwechsel erneut zur Zahlung des oben genannten Gesamtbetrages auf, erklärte hilfsweise mit dieser Forderung die Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten bis zu dessen Höhe und unterbreitete der Beklagten den Vorschlag, die Gesamtforderungen von 1.242,39 € mit der Mietkaution abzugelten. Der hierauf bezogene Teil des Schreibens lautet: "Um vorliegenden Bagatellstreit abzuschließen, schlagen wir für unsere Mandantschaft vergleichsweise vor, die mit Schreiben vom 09.10.2003 aufgemachten Ansprüche in Höhe von 1.242,39 EUR mit der Mietkaution abzugelten. Insoweit bitten wir höflichst um Rückäußerung, ob diesem Vergleichsvorschlag näher getreten wird."
3
Hierauf teilte die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 13. Januar 2004 mit, die von der Klägerin vertretenen Ansichten könnten nicht geteilt werden und die aufgestellten Forderungen seien überzogen, gleichwohl werde ein Einigungsvorschlag unterbreitet. Hierzu wird im genannten Schreiben ausgeführt: "Wir wollen uns zunächst nicht weiter mit Ihren Ausführungen auseinandersetzen und schlagen Ihrer Mandantschaft - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - namens und in Vollmacht unserer Mandantin ausschließlich im Interesse einer endgültigen und einvernehmlichen Erledigung der Sache vor, dass unsere Mandantin an Ihre Mandantschaft einen Betrag in Höhe von EUR 300,00 zur Abgeltung aller Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis gemäß Mietvertrag vom 26.11.1996 und dessen Beendigung zahlt. Wir weisen Sie vorsorglich darauf hin, dass dieses Vergleichsangebot nur für den Fall einer endgültigen Erledigung der Sache abgegeben wird […]."
4
Die Beklagte ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass ihr Anspruch auf Herausgabe des verpfändeten Mietkautionssparbuchs nicht gegenüber der Klägerin , sondern gegenüber deren Geschäftsführer bestehe.
5
Mit Anwaltsschreiben vom 9. Februar 2004 erklärte die Klägerin die Annahme des Vergleichsvorschlags der Beklagten. Sie führte hierzu aus, das Vergleichsangebot der Beklagten werde so verstanden, dass diese zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche 300 € zahle, womit auch gemeint sei, dass die Klägerin keine Betriebskostenabrechnung mehr erstellen und auf einen zu erwartenden Nachforderungsbetrag ebenso verzichten werde wie die Beklagte auf die Rückgewähr der Mietkaution.
6
Mit Anwaltsschreiben vom selben Tage teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie könne deren mit dem vorgenannten Schreiben unterbreiteten "(Gegen) Vorschlag" nicht nachvollziehen, da ihrerseits zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt oder erklärt worden sei, auf die Herausgabe des Mietkautionssparbuchs zu verzichten. Zugleich forderte die Beklagte die Klägerin zur Herausgabe dieses Sparbuchs auf.
7
Eine im Jahre 2006 von der Beklagten erhobene Klage gegen die Klägerin auf Rückzahlung der Mietkaution wurde mit der Begründung abgewiesen, die Parteien hätten am 9. Februar 2004 eine umfassende Einigung erzielt, welche auch den Kautionsrückzahlungsanspruch umfasse. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung nahm diese, nachdem das Berufungsgericht auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen hatte, zurück.
8
Die Klägerin hat die Beklagte vorliegend auf Zahlung des Vergleichsbetrages von 300 € nebst Prozesszinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat im Prozess die Einrede der - unstreitig bereits vorprozessual eingetretenen - Verjährung erhoben. Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Haupt- sache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
9
Das Amtsgericht hat die auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Klage abgewiesen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

10
Die Revision hat Erfolg.

I.

11
Das Berufungsgericht (LG Halle, Urteil vom 24. Februar 2009 - 2 S 228/08, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
12
Die auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache gerichtete Klage sei begründet, da die Zahlungsklage bis zur Erhebung der Verjährungseinrede zulässig und begründet gewesen sei.
13
Die Beklagte habe sich in dem von ihr mit Schreiben vom 13. Januar 2004 angebotenen und von der Klägerin angenommenen Vergleich wirksam zur Zahlung von 300 € verpflichtet. Diese Verpflichtung sei nicht durch Anfechtung des Rechtsgeschäfts rückwirkend entfallen.
14
Mit der Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei die Klage unbegründet geworden, da die Verjährung des Klageanspruchs bereits ein- getreten gewesen sei. Bei der Verjährungsfrist sei auf die ursprünglichen Forderungen aus dem Mietverhältnis und nicht auf den später abgeschlossenen Vergleich abzustellen, da dieser nicht zu einer Umschaffung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses geführt habe. Die Verjährung sei demgemäß schon vor der Beantragung des Mahnbescheids eingetreten. Dies ändere jedoch nichts an der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Eine Erledigung der Hauptsache trete auch dann ein, wenn die Verjährungsfrist für den Klageanspruch bereits vor Erhebung der Klage vollendet gewesen sei, sich die beklagte Partei jedoch erstmals im Prozess auf die Verjährung berufe. Die fehlende Durchsetzbarkeit des Anspruchs (§ 214 Abs. 1 BGB) und damit die materiell-rechtliche Wirkung, welche die Unbegründetheit der Klage zur Folge habe, werde nicht durch den Eintritt der Verjährung, sondern erst durch die Erhebung der Verjährungseinrede herbeigeführt. Die mit der Erhebung der Verjährungseinrede verbundenen Rückwirkungen, wonach die Forderung bereits ab dem Zeitpunkt des Verjährungseintritts nicht mehr durchsetzbar sei und ein Verzugsschaden nicht geltend gemacht werden könne, änderten hieran nichts. Denn diese Rückwirkung trete ebenfalls erst mit Erhebung der Verjährungseinrede ein. Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof für den vergleichbaren Fall der im Prozess erfolgten Aufrechnungserklärung die Erledigungswirkung nicht an deren materiell-rechtlicher Rückwirkung (§ 389 BGB) scheitern lassen, da diese Wirkungen erst mit der Aufrechnungserklärung einträten und das Vorliegen der Aufrechnungslage allein, wenn und solange die Aufrechnung nicht erklärt werde , noch nicht zum Erlöschen der beiderseitigen Forderungen führe (BGHZ 155, 392, 398 f.).
15
Billigkeitsgesichtspunkte sprächen nicht dagegen, eine Erledigung im prozessualen Sinne auch dann anzunehmen, wenn die Klage aus Gründen unzulässig oder unbegründet werde, die im Verantwortungsbereich des Klägers lägen. Dadurch entstehende Kostennachteile der beklagten Partei könnten nach deren Zustimmung zur Erledigung im Rahmen der gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung abgewendet werden. Dagegen hätten Billigkeitserwägungen keinen Einfluss auf den Eintritt der Erledigung. Es bestehe auch kein Anlass, aus Billigkeitserwägungen die Erhebung der Verjährungseinrede gegenüber einem bei Klageerhebung bereits verjährten Anspruch allein deshalb nicht als erledigendes Ereignis im prozessualen Sinne zu behandeln, weil die beklagte Partei in diesem Fall stets vor Kostennachteilen geschützt werden müsse. Denn jedenfalls dann, wenn der Schuldner vor Beginn des Prozesses von der Verjährungseinrede keinen Gebrauch gemacht habe, obwohl Anlass hierzu bestanden habe, könne dem Kläger regelmäßig kein die Kostentragungspflicht in jedem Fall begründender Vorwurf daraus gemacht werden, die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs zumindest versucht zu haben. Ob der Geltendmachung der verjährten Forderung im Einzelfall billigenswerte Erwägungen des Klägers zugrunde gelegen hätten, sei im Rahmen der gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung zu klären, sofern der Beklagte sich der Erledigungserklärung des Klägers anschließe und damit von der Möglichkeit Gebrauch mache, eine für ihn günstige Kostenentscheidung zu erwirken.

II.

16
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
17
Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung auch gegenüber einer bei Klageerhebung bereits verjährten Forderung ein erledigendes Ereignis darstellt. Nicht gefolgt werden kann jedoch seiner Auffassung, die Zahlungsklage sei bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verjährungseinrede (zulässig und) begründet gewesen.
18
1. Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGHZ 155, 392, 395; 106, 359, 366 f.). Ein erledigendes Ereignis ist der Eintritt einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (BGHZ 155, 392, 398).
19
Zu der Frage, ob die Erhebung der Einrede der Verjährung auch gegenüber einer bei Klageerhebung bereits verjährten Forderung ein erledigendes Ereignis darstellt, werden sowohl in der Rechtsprechung der Instanzgerichte als auch in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.
20
a) Nach der überwiegenden Auffassung der Instanzgerichte und der Literatur stellt die Erhebung der Einrede der Verjährung ein erledigendes Ereignis dar. Für die Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache vorliege, sei es grundsätzlich ohne Bedeutung, auf welchen Umständen die nachträglich eingetretene Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage beruhe. Eine Erledigung der Hauptsache könne auch dann eintreten, wenn die Klage aus Gründen unzulässig oder unbegründet werde, die allein im Verantwortungsbereich des Klägers lägen. Daher könne auch die Verjährung der Klageforderung zur Erledigung des Rechtsstreits führen, obwohl es der Kläger selbst in der Hand gehabt hätte, den Eintritt der Verjährung zu vermeiden (vgl. OLG Frankfurt a.M., MDR 2002, 778, 779, WRP 1982, 422 und WRP 1979, 799, 801; OLG Karlsruhe, WRP 1985, 288; OLG Hamburg, MD 1985, 951, 952 f.; OLG München, WRP 1987, 267, 268; OLG Düsseldorf, WRP 1980, 701, 702; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 1520; OLG Nürnberg, WRP 1980, 232, 233; OLG Celle, WRP 1983, 96 und GRUR 1987, 716; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rdnr. 6; Prütting /Gehrlein/Hausherr, ZPO, § 91a Rdnr. 8 und 11; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., § 91a Rdnr. 5; Saenger/Gierl, Hk-ZPO, 3. Aufl., § 91a Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 91a Rdnr. 59 - "Verjährung" ; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 130 Rdnr. 2; El-Gayar, MDR 1998, 698 f.; Meller-Hannich, JZ 2005, 656, 663; Peters, NJW 2001, 2289 f.; Wernecke, JA 2004, 331, 334; Thesen, WRP 1981, 304, 305). Eine Erledigung der Hauptsache trete deshalb auch dann ein, wenn die Verjährungsfrist für den Klageanspruch bereits bei Erhebung der Klage abgelaufen gewesen sei, sich der Beklagte jedoch erstmals im Prozess auf die Verjährung berufe (OLG Frankfurt a.M., aaO; Prüttung/Gehrlein/Hausherr, aaO, Rdnr. 11; Peters, aaO; Meller-Hannich, aaO; Wernecke, aaO; offengelassen: OLG Nürnberg , aaO). Gründe, die Kosten des Rechtsstreits trotz Eintritts eines erledigenden Ereignisses dem Kläger - in den Fällen der übereinstimmenden Erledigungserklärung - aus Billigkeitserwägungen aufzuerlegen, können nach dieser Auffassung etwa dann gegeben sein, wenn der Kläger einen bereits verjährten Anspruch rechtshängig gemacht hat, ohne dass der Beklagte Gelegenheit gehabt hatte, die Verjährung zu prüfen und bereits vorprozessual geltend zu machen (OLG Frankfurt a.M., aaO; Wernecke, aaO; vgl. auch Meller-Hannich, aaO; aA Peters, aaO, 2291).
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b) Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Erhebung der Einrede der Verjährung nicht um ein erledigendes Ereignis. Umstände, deren Eintritt der Kläger beeinflussen könne, insbesondere solche, die auf einem Verhalten des Klägers selbst beruhten und deren Eintritt er hätte verhindern können, müssten als Erledigungsereignisse außer Betracht bleiben. Bei der Verjährung liege es alleine an dem Gläubiger, der den geltend gemachten Anspruch habe verjähren lassen, dass letzterer infolge der Verjährungseinrede unbegründet geworden sei. Es bestehe kein überzeugender Grund, den Kläger vor den Folgen seines Verhaltens zu schützen. Eine Klage werde zwar erst dann unbegründet , wenn der Beklagte eine begründete Verjährungseinrede erhebe. Voraussetzung sei allerdings, dass die Verjährungsfrist auch abgelaufen sei, der Kläger also die Verjährung nicht durch die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen unterbrochen habe (OLG Koblenz, WRP 1982, 657, 658; OLG Schleswig, NJW-RR 1986, 38 f.; OLG Hamm, WRP 1977, 199 f.; OLG Hamburg, WRP 1982, 161, das diese Rechtsprechung aber aufgegeben hat, vgl. OLG Hamburg , MD 1985, aaO; MünchKommZPO/Lindacher, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rdnr. 152; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rdnr. 33; Ulrich, WRP 1990, 651, 654; Bork, WRP 1987, 8, 12). Begründet wird diese Auffassung auch damit, dass die Geltendmachung der Einrede im Prozess auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts zurückwirke (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rdnr. 58 - "Verjährung"; El-Gayar, MDR 1998, aaO, S. 699). Die Verjährungseinrede führe deshalb dazu, dass die ab Verjährungseintritt bestehende Undurchsetzbarkeit des Anspruchs beachtlich werde und die Klage damit ab dem Zeitpunkt des Verjährungseintritts als unbegründet anzusehen sei. Werde ein bereits verjährter Anspruch eingeklagt und erhebe der Beklagte danach erstmals die Verjährungseinrede, so werde die Klage dadurch nicht unbegründet , vielmehr sei sie dies aufgrund der genannten Rückwirkung bereits vor Klageerhebung gewesen (El-Gayar, aaO). Auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten sei es nicht sachgerecht, den Kläger für eine nachlässige Prozessführung zu begünstigen (vgl. OLG Schleswig, aaO; OLG Koblenz, aaO; vgl. auch MünchKommZPO/Lindacher, aaO). Sinn und Zweck sowohl des § 91a ZPO als auch der Erledigungsentscheidung bei einseitiger Erledigungserklärung sei es, den Kläger vor ungerechtfertigten Nachteilen zu bewahren, wenn eine ursprünglich zulässige und begründete Klage ohne sein Zutun unzulässig oder unbegründet werde (vgl. OLG Schleswig, aaO; OLG Koblenz, aaO).
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c) Eine weitere Auffassung unterscheidet danach, ob der Eintritt der Verjährung vor oder nach Erhebung der Klage oder der Beantragung einer einstweiligen Verfügung erfolgt ist. Nach dieser Auffassung stellt die Einrede der Verjährung gegenüber einer bereits vor Verfahrensbeginn verjährten Forderung kein erledigendes Ereignis dar, während ein solches im Falle des erst während des laufenden Verfahrens erfolgenden Verjährungseintritts bejaht wird (Zöller /Vollkommer, aaO, Rdnr. 5 und 58 - "Verjährung"; El-Gayar, aaO, S. 698; Hase, WRP 1985, 254, 255 f.).
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d) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob die Erhebung der Einrede der Verjährung auch gegenüber einer bei Klageerhebung bereits verjährten Forderung ein erledigendes Ereignis darstellt, noch nicht entschieden. Er hatte sich allerdings bereits mit der vergleichbaren Frage zu befassen, ob die im Prozess erfolgte Aufrechnungserklärung auch dann ein erledigendes Ereignis darstellt , wenn die Aufrechnungslage bereits vor Rechtshängigkeit der Klageforderung bestand (BGHZ 155, 392, 396 ff.). Auch über die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn das erledigende Ereignis in den Verursachungs- oder Verantwortungsbereich des Klägers fällt, hatte der Bundesgerichtshof bereits zu entscheiden (BGH, Urteil vom 13. Mai 1993 - I ZR 113/91, NJW-RR 1993, 1319, unter [II] 2 b - Radio Stuttgart).
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aa) In der erwähnten Grundsatzentscheidung vom 17. Juli 2003 zur Aufrechnungserklärung bei schon vor Rechtshängigkeit bestehender Aufrechnungslage (BGHZ 155, aaO) hat sich der Bundesgerichtshof der Auffassung angeschlossen, dass trotz der in § 389 BGB vorgesehenen materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnungserklärung nicht die Aufrechnungslage, sondern erst die Aufrechnung als solche, also die Aufrechnungserklärung, das erledigende Ereignis darstelle. Die materiell-rechtliche Wirkung, die bei der Aufrechnung die Geltendmachung der Klageforderung berühre, sei deren Erlöschen. Dieser Erfolg werde aber, wie § 389 BGB eindeutig besage, (erst) durch die Aufrechnung, d.h. durch die Aufrechnungserklärung (§ 388 Satz 1 BGB) "bewirkt" und nicht (bereits) durch die Aufrechnungslage. Das Vorliegen einer Aufrechnungslage führe, wenn und solange die Aufrechnung nicht erklärt werde, noch nicht zum Erlöschen der beiderseitigen Forderungen. Trete die Erlöschenswirkung erst mit der Erklärung der Aufrechnung ein, so sei die Klage bis dahin zulässig und begründet gewesen. Die von § 389 BGB angeordnete Fiktion ("gilt") der Rückwirkung des Erlöschens auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage ändere daran nichts. Diese Fiktion der Rückwirkung habe lediglich zur Folge , dass nicht nur die Hauptforderungen erlöschen, sondern auch Ansprüche etwa auf Verzugszinsen für den Zeitraum bis zur Erklärung der Aufrechnung, die ohne die Rückwirkung nach wie vor bestünden, ab dem Zeitpunkt der Aufrechnungslage wegfielen. Diese materiell-rechtliche Rückwirkung trete aber gleichfalls erst mit Abgabe der Aufrechnungserklärung ein. Sie stehe damit der Auffassung, dass prozessual die Aufrechnungserklärung und nicht die Aufrechnungslage das erledigende Ereignis darstelle, nicht entgegen. Weder die Abwägung der Interessen der Beteiligten noch sonstige Billigkeitserwägungen rechtfertigten ein abweichendes Ergebnis. Es sei grundsätzlich dem beklagten Schuldner zur freien Entscheidung überlassen, ob und wann er durch Erklärung der Aufrechnung (§ 388 Satz 1 BGB) die Erlöschenswirkung (mit der materiellrechtlichen Folge des § 389 BGB) eintreten lassen wolle. Fordere ihn der Kläger vorprozessual zur Zahlung auf, so könne der Schuldner, dem die Aufrechnungslage bekannt sei, durch Erklärung der Aufrechnung vor Rechtshängigkeit eine etwaige Klage von Anfang an unbegründet machen. Sehe der Kläger von einer vorprozessualen Aufforderung ab, könnten ihm gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten zur Last fallen. Im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien könne im Rahmen der gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung bei der Verteilung der Kostenlast berücksichtigt werden, ob und gegebenenfalls welcher Partei es billigerweise zuzumuten gewesen sei, die Aufrechnung bereits vorgerichtlich zu erklären.
25
bb) Im Urteil vom 13. Mai 1993 (I ZR 113/91, aaO) hat sich der Bundesgerichtshof ausgehend von einem während des Prozesses durch Aufgabe der Benutzung des Titels erloschenen Werktitelschutzes mit der Frage der Auswirkungen eines vom Kläger verursachten erledigenden Ereignisses befasst. Er ist der oben unter 1 b angeführten Mindermeinung, die für die Frage der Wirksamkeit einer einseitigen Erledigungserklärung auch darauf abheben will, ob das Ereignis, auf das sie sich bezieht, in den Verursachungs- bzw. Verantwortungsbereich des Klägers selbst fällt, nicht beigetreten. Diese Auffassung vernachlässige mit ihrer im Wesentlichen auf Billigkeitserwägungen gründenden Argumentation , dass die befürchteten Kostennachteile der beklagten Partei nach deren Zustimmung zur Erledigung ohne weiteres auch im Rahmen der nach § 91 a ZPO ohnehin nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung abgewendet werden können. Mit Recht stelle die herrschende Meinung daher nur auf den objektiven Eintritt des Ereignisses und nicht auf die Frage einer subjektiven Verantwortlichkeit ab (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1984 - VII ZR 64/84, NJW 1986, 588, unter 3).
26
2. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält der Senat bezüglich der im Streitfall entscheidenden Frage die unter 1 a dargestellte überwiegende Auffassung für zutreffend. Die erstmalige Erhebung der Einrede der Verjährung im Laufe des Verfahrens stellt ein erledigendes Ereignis dar. Dies gilt auch dann, wenn die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist.
27
Der Eintritt der Verjährung hat für sich genommen weder Auswirkungen auf das Bestehen noch auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs (vgl. BGHZ 156, 269, 271; MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl., vor § 194 Rdnr. 5 und § 214 Rdnr. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 214 Rdnr. 1/2). Der Schuldner ist ab dem Verjährungseintritt lediglich berechtigt, dauerhaft die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04, WM 2004, 2443, unter II 2 c; Palandt/Ellenberger, aaO), was dem Anspruch die Durchsetzbarkeit nimmt (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 144/06, BauR 2008, 666, unter IV 3 d; Meller-Hannich, aaO, S. 661). Die Verjährung berührt nach der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithin weder den anspruchsbegründenden Tatbestand noch das Bestehen des Rechts des Gläubigers; im Rechtsstreit hat deshalb, selbst wenn die verjährungsbegründenden Umstände als solche vom Kläger selbst vorgetragen werden, auf Antrag Versäumnisurteil gegen den ausgebliebenen Beklagten zu ergehen (BGHZ 156, aaO). An dieser Konzeption hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz festgehalten (BGHZ 156, aaO).
28
Ob der Schuldner von der ihm nach Verjährungseintritt zustehenden Einrede der Verjährung Gebrauch macht, steht in seinem freien Belieben (MünchKommBGB /Grothe, aaO). Erhebt der Beklagte erstmals während des Prozesses die Einrede der Verjährung, so wird hierdurch für den Kläger ein Hindernis geschaffen, den geltend gemachten Anspruch erfolgreich durchzusetzen. Seine ursprünglich zulässige und begründete Klage wird durch die Erhebung der Einrede unbegründet. Erst letztere und nicht bereits der Eintritt der Verjährung führt zur sachlichen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BGHZ 155, 392, 398 f., zur Aufrechnungserklärung).
29
a) Dass die Verjährungseinrede materiell-rechtlich - etwa hinsichtlich des Verzuges (vgl. hierzu BGHZ 104, 6, 11; 48, 249, 250) - auch auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts zurückwirkt (Meller-Hannich, aaO, S. 658; El-Gayar, aaO), ändert hieran nichts (ebenso Stein/Jonas/Bork, aaO, Rdnr. 6, hinsichtlich der materiell-rechtlichen Rückwirkung bei der Aufrechnungserklärung) und hat insbesondere nicht zur Folge, dass die Klage im Falle der Einredeerhebung als von Anfang an unbegründet zu gelten hat (Meller-Hannich, aaO, S. 663; aA ElGayar , aaO). Wie der Bundesgerichtshof in dem oben unter 1 d aa erwähnten Urteil vom 17. Juli 2003 (BGHZ 155, aaO) hinsichtlich der im Prozess erfolgten Aufrechnungserklärung bereits entschieden hat, tritt die materiell-rechtliche Rückwirkung erst durch die Aufrechnungserklärung ein. Letzterer kommt mithin die Bedeutung des erledigenden Ereignisses im Prozess zu. Es besteht kein sachlicher Grund, dies bei der Einrede der Verjährung anders zu behandeln. In beiden Fällen ist es alleine dem Schuldner überlassen, ob er von der genannten Möglichkeit der Anspruchsabwehr Gebrauch macht. Zudem weist die Verjährungseinrede eine Ähnlichkeit mit der Aufrechnungserklärung insoweit auf, als sie ebenfalls die materielle Rechtslage - mit der entsprechenden Folge für die Begründetheit der Klage - ändert und einen rechtsgeschäftsähnlichen Charakter (vgl. hierzu BGHZ 156, aaO) hat (vgl. Meller-Hannich, aaO; Wernecke, aaO; ElGayar , aaO; Letzterer allerdings mit entgegengesetzter Schlussfolgerung).
30
b) Für die Bewertung der Verjährungseinrede als erledigendes Ereignis ist es ohne Belang, dass der Kläger mit der gerichtlichen Geltendmachung eines bereits verjährten Anspruchs einen wesentlichen Verursachungsbeitrag für die spätere Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache geleistet hat. Wie vom Bundesgerichtshof bereits entschieden, ist bei der Frage, ob ein erledigendes Ereignis vorliegt, allein auf den objektiven Eintritt des Ereignisses und nicht auf die Frage einer subjektiven Verantwortlichkeit abzustellen; auf Billigkeitserwägungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BGH, Urteil vom 13. Mai 1993, aaO; Urteil vom 6. Dezember 1984, aaO; ebenso OLG Frankfurt a.M., aaO; OLG Düsseldorf, aaO; OLG München, aaO; OLG Karlsruhe, aaO; Meller-Hannich, aaO, S. 664; El-Gayar, aaO). Billigkeitsgesichtspunkte können im Rahmen einer nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO Bedeutung erlangen, sofern sich der Beklagte - anders als im vorliegenden Fall - der Erledigungserklärung des Klägers anschließt.
31
3. Das Berufungsgericht hat mithin zu Recht der Erhebung der Verjährungseinrede auch im Falle der bereits vor Rechtshängigkeit eingetretenen Verjährung die Eignung als erledigendes Ereignis beigemessen. Nicht frei von Rechtsfehlern ist hingegen seine auf dieser Grundlage getroffene Entscheidung über die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, bei der es zu der Bewertung gelangt ist, die Klage sei bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verjährungseinrede zulässig und begründet gewesen, da zwischen den Parteien ein Vergleich wirksam zustande gekommen sei und der Klägerin aus diesem ein Anspruch auf Zahlung von 300 € zugestanden habe. Diese Auslegung der im Rahmen der vorgerichtlichen Verhandlungen der Parteien über eine gütliche Einigung abgegebenen Willenserklärungen weist revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler auf und bindet den Senat daher nicht (vgl. BGHZ 150, 32, 37; BGH, Urteile vom 23. Januar 2009 - V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Tz. 8; vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840, Tz. 9).
32
a) Das Berufungsgericht ist - ohne dies im Einzelnen zu begründen - bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass sich die Beklagte durch das mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.Januar 2004 unterbreitete, von der Klägerin durch Anwaltsschreiben vom 9. Februar 2004 angenommene Vergleichangebot zur Zahlung des ursprünglich eingeklagten Betrages von 300 € verpflichtet hat und durch diesen Vergleich alle Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis der Parteien und dessen Beendigung einschließlich des Kautionsrückzahlungsanspruchs der Beklagten abgegolten sein sollten. Dies beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern.
33
aa) Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (Senatsurteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, unter II 2 a m.w.N.; MünchKommBGB/Busche, aaO, § 133 Rdnr. 56) und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 150, 32, 37; 121, 13, 16; Senatsurteil vom 17. Januar 2001 - VIII ZR 186/99, WM 2001, 1031, unter II 1 b bb). Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (BGH, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683, Tz. 7 m.w.N.). Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGHZ 103, 275, 280; 36, 30, 33; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 23/06, NJW 2009, 774, Tz. 25).
34
bb) Diesen Anforderungen wird die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gerecht. Zwar spricht, wovon auch die Revision ausgeht, der Wortlaut des im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 13. Januar 2004 enthaltenen Vergleichsangebots dafür, dass von der vorgesehenen Abgeltung sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis und damit auch der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution umfasst sein könnten. In diese Richtung weisen bereits die Eingangsformulierung des Vergleichsangebots, wonach der Vergleichsvorschlag im Interesse einer endgültigen und einvernehmlichen Erledigung der Sache erfolge, sowie der anschließende Hinweis, das Vergleichsangebot werde nur für den Fall einer endgültigen Erledigung der Sache abgegeben. Für eine Erstreckung auf sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis der Parteien spricht schließlich auch die Formulierung des Vergleichsvorschlags selbst, wonach die Beklagte sich "zur Abgeltung aller Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis gemäß Mietvertrag vom 26.11.1996 und dessen Beendigung" verpflichtet, einen Betrag in Höhe von 300 € zu zahlen.
35
Bereits im Rahmen der am Wortlaut orientierten Auslegung hätte das Berufungsgericht allerdings berücksichtigen müssen, dass nicht isoliert auf den Wortlaut des unmittelbar auf den Vergleichsabschluss bezogenen Teils des Schreibens der Beklagten vom 13. Januar 2004 abgestellt werden darf, sondern auch der weitere Inhalt dieses Schreibens in die Auslegung einzufließen hat. So wird in den vorhergehenden Absätzen ausgeführt, dass die von der Klägerin geforderte Restmiete für Juli 2003 nicht geschuldet werde und die Schadensersatzforderung "maßlos überzogen" sei. Angesichts dieses Inhalts des Schreibens drängt sich bereits bei der Auslegung anhand des Wortlauts auf, dass der Vergleichsvorschlag der Beklagten nicht so zu verstehen war, dass diese ein Angebot unterbreiten wollte, welches wirtschaftlich zu ihrem Nachteil über dasjenige der Klägerin hinausging.
36
cc) Erst recht legen, wie die Revision zutreffend rügt, die Begleitumstände eine andere Auslegung als die des Berufungsgerichts nahe. Zwar hat das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, das zuvor unterbreitete Vergleichsangebot der Klägerin vom 16. Dezember 2003, wie sich insbesondere aus den Ausführungen im letzten Absatz der Ziffer II 1 des Berufungsurteils ergibt , als Auslegungsmaterial berücksichtigt. Es hat hierbei den darin enthaltenen Auslegungsstoff jedoch nicht vollständig gewürdigt und hierdurch allgemein anerkannte Auslegungsregeln verletzt.
37
Während die Klägerin angeboten hatte, die von ihr vorgerichtlich geforderte Zahlung von 1.242,39 € (Schadensersatz und Mietrückstand) mit der Mietkaution zu verrechnen, was bedeutet hätte, dass seitens der Beklagten außer der Einbuße der Mietkaution keine weitere Zahlung zu leisten gewesen wäre , geht das im Anschluss hieran erfolgte Angebot der Beklagten nach seinem isoliert betrachteten Wortlaut dahin, dass die Beklagte die Mietkaution nicht zurückerhält und darüber hinaus eine Zahlung von 300 € an die Klägerin leistet.
Auch der Klägerin ist, wie sich deren Schreiben vom 9. Februar 2004 entnehmen lässt, nach Erhalt des Angebots der Beklagten aufgefallen, dass ein so verstandenes Vergleichsangebot über ihren eigenen Vorschlag hinausging. Unter Berücksichtigung der Begleitumstände kann jedoch nicht angenommen werden , dass die Beklagte ohne erkennbaren Grund eine höhere finanzielle Belastung hätte tragen wollen, als dies nach dem Angebot der Klägerin der Fall gewesen wäre, zumal sich, worauf die Revision zutreffend hinweist, den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Änderung der Sachlage zwischen den Schreiben vom 16. Dezember 2003 und 13. Januar 2004 entnehmen lässt.
38
Die Auslegung des Berufungsgerichts verstößt hiernach gegen den Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. hierzu BGHZ 137, 69, 72; 131, 136, 138; Senatsurteil vom 7. November 2001, aaO; BGH, Urteil vom 3. April 2000, aaO, unter B I 2 b bb). Auch wenn beiden Parteien erkennbar daran gelegen war, zu einer gütlichen Einigung hinsichtlich der aus dem beendeten Mietverhältnis noch bestehenden Ansprüche zu gelangen , steht angesichts des Gesamtinhalts des Vergleichsangebots der Beklagten außer Frage, dass diese die Forderungen der Klägerin als überhöht angesehen hat. Bei vernünftiger Betrachtung kann es daher keinesfalls im Interesse der Beklagten gelegen haben, über den Vergleichsvorschlag der Klägerin hinaus, der rund drei Viertel der von der Beklagten für "maßlos überzogen" erachteten Forderung betrug, zusätzlich 300 € zu zahlen. Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin, wie sich ihrem Schreiben vom 9. Februar 2004 entnehmen lässt, davon ausging, bei einem so verstandenen Vergleichsinhalt ihrerseits von der Erstellung einer Betriebskostenabrechnung abzusehen und auf eine mögliche Nachforderung zu verzichten. Die Betriebskostenabrechung war nicht Gegenstand der Vergleichsverhandlungen der Parteien und insbesondere nicht des Vergleichsangebots der Beklagten vom 13. Januar 2004.
39
b) Da das Vergleichsangebot der Beklagten mithin nicht den Inhalt hatte, von dem das Berufungsgericht ausgegangen ist und den die Klägerin bei ihrer mit Schreiben vom 9. Februar 2004 erklärten Annahme zugrunde gelegt hatte, fehlt es bereits an einer Einigung der Parteien, auf die die Klägerin den mit der Klage ursprünglich geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 300 € hätte stützen können. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage der Anfechtung des Vergleichsangebots durch die Beklagte kommt es daher nicht an.
40
Damit war die Klage bereits vor der Erhebung der Verjährungseinrede unbegründet. Für die durch das Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist folglich kein Raum.

III.

41
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden , weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage als unbegründet erweist, ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts, das die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat, zurückzuweisen. Ball Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 15.08.2008 - 93 C 460/08 -
LG Halle, Entscheidung vom 24.02.2009 - 2 S 228/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 214 Wirkung der Verjährung


(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. (2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden i

Zivilprozessordnung - ZPO | § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis


Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 388 Erklärung der Aufrechnung


Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.

(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.

(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Teil-URTEIL
V ZR 100/04 Verkündet am:
15. Oktober 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 285281 a.F.), § 194

a) Läßt der Erbe die Insolvenzforderung gegen den Nachlaß unbestritten, kann der
unterbrochene Rechtsstreit gegen ihn nicht aufgenommen werden.

b) Veräußert der Schuldner nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Übereignung
das Grundstück an einen Dritten, so kann der Gläubiger den Erlös (jedenfalls
) dann herausfordern, wenn der Schuldner zum Veräußerungszeitpunkt die
ihm obliegenden Erfüllungshandlungen (Auflassung, Bewilligung der Grundbuchumschreibung
) bereits vorgenommen hatte.
BGH, Teil-Urt. v. 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04 - Schleswig-Holsteinisches OLG
LG Lübeck
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Die von dem Kläger erklärte Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß des H. -J. H. B. unterbrochenen Rechtsstreits wird auf seine Kosten zurückgewiesen, soweit sie gegenüber dem Beklagten zu 1 erfolgt ist. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. November 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Aus Anlaß ihrer Ehescheidung schlossen die Eltern des Klägers am 21. Oktober 1958 einen Vergleich zur Regelung ihrer Vermögensverhältnisse. Zur Erfüllung dieses Vergleichs bot der Vater des Klägers dessen Mutter mit notariell beurkundeter Erklärung vom gleichen Tag an, ihr eine noch zu vermessende Teilfläche eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu übereignen.
Für den Fall der Annahme des Angebots, die erst nach vorheriger Erbeinsetzung zumindest eines der drei gemeinschaftlichen Kinder durch die Mutter des Klägers zulässig sein sollte, wurde diese von ihrem geschiedenen Ehemann unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt, die Auflassung zu erklären und entgegenzunehmen. Mit notariell beurkundeten Erklärungen vom 29. November 1958 setzte die Mutter des Klägers ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben ein und nahm sodann das Vertragsangebot an. Am 23. April 1961 ließ sie das zwischenzeitlich vermessene, in ihrem Besitz befindliche Grundstück in notarieller Form an sich selbst auf und bewilligte die Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch. Hierzu kam es in der Folgezeit allerdings nicht. Im Jahr 1989 veräußerte der Vater des Klägers das Grundstück zum Preis von 180.000 DM (= 92.032,54 €) an die Gemeinde H. -U. , die am 13. Februar 1990 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Mutter des Klägers verstarb am 14. August 1996. Der Kläger ist ihr alleiniger Erbe.
Ursprünglich hat der Kläger seinen Vater auf Herausgabe des durch die Grundstücksveräußerung erzielten Erlöses in Anspruch genommen. Dieser hat die Einrede der Verjährung erhoben. Weiterhin hat er behauptet, er habe mit seiner geschiedenen Ehefrau nachträglich vereinbart, daß ihr lediglich ein Recht zur Nutzung des in seinem Eigentum verbleibenden Grundstücks zustehen solle. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Einlegung der Revision durch den Kläger ist dessen Vater am 9. Mai 2001 verstorben. Über den Nachlaß ist am 18. November 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter hat die vom Kläger zur Eintragung in die Insolvenztabelle angemeldete Klageforderung bestritten. Nach Aufnahme des Verfahrens begehrt der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter - dem
Beklagten zu 2 - die Feststellung der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung. Außerdem beantragt der Kläger, den Beklagten zu 1 - den alleinigen Erben seines Vaters - zur Zahlung von 92.032,54 € nebst Zinsen mit der Einschränkung zu verurteilen, daß die Zwangsvollstreckung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens beginnen darf. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:


A.


Die von dem Kläger erklärte Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß des ursprünglichen Beklagten gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits ist nur gegenüber dem Beklagten zu 2, nicht jedoch gegenüber dem Beklagten zu 1 wirksam.
Gemäß § 240 Satz 1 ZPO bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen ein infolge Insolvenzeröffnung unterbrochener Rechtsstreit aufgenommen werden kann, nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften. Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger, im Gegensatz zu Aus- und Absonderungsberechtigten sowie Massegläubigern (§ 86 Abs. 1 InsO), ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß §§ 174 ff. InsO (vgl. BGH, Urt. v. 23. Dezember 1953, VI ZR 1/52, LM Nr. 5 zu § 146 KO; MünchKommInsO /Breuer, § 87 Rdn. 5, 17), verfolgen. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die angemeldete Insolvenzforderung
anhängig, dann kann er nur dann aufgenommen werden, wenn die Forderung vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Insolvenzgläubiger (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO) oder wenn sie vom Schuldner (§ 184 InsO) bestritten worden ist. Diesen Beschränkungen unterliegt auch die Aufnahme des vorliegenden Rechtsstreits. Insbesondere betrifft er nicht etwa deshalb die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO), weil der Kläger den von ihm verfolgten Zahlungsanspruch auf § 281 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a. F.) stützt. Der nach dieser Bestimmung herauszugebende Ersatzwert fällt nicht unmittelbar in das Vermögen des Gläubigers; der Schuldner ist lediglich schuldrechtlich zur Herausgabe oder Abtretung verpflichtet (BGH, Urt. v. 21. Dezember 1961, III ZR 162/60, NJW 1962, 587, 588; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 281 Rdn. 35). § 281 Abs. 1 BGB a. F. begründet daher in der Insolvenz des Schuldners kein Recht zur Aussonderung oder Ersatzaussonderung gemäß §§ 47, 48 InsO (vgl. RGZ 94, 20, 22 f.; Kuhn/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 48 Rdn. 21). Vielmehr kann der Ersatzanspruch, wenn er – wie hier – keine Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellt, nur als Insolvenzforderung (§§ 38, 39 InsO) geltend gemacht werden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 47 Rdn. 347; MünchKomm-BGB/Emmerich, 3. Aufl., § 281 Rdn. 23).
Ausweislich des von dem Kläger vorgelegten Auszugs aus der Insolvenztabelle ist die von ihm verfolgte Forderung im Nachlaßinsolvenzverfahren angemeldet, geprüft und vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Damit war es Aufgabe des Klägers, die Feststellung der Forderung durch Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter zu betreiben (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO), wobei der ursprüngliche Leistungsantrag in einen Antrag auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle zu ändern war.
Eine derartige Anpassung des Antrags an die veränderte Sachlage ist, wie hier geschehen, auch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 21. November 1953, VI ZR 203/52, LM Nr. 4 zu § 146 KO; Urt. v. 23. Dezember 1953, VI ZR 1/52, LM Nr. 5 zu § 146 KO; Urt. v. 18. Februar 1965, II ZR 205/61, WM 1965, 626; Urt. v. 11. November 1979, I ZR 13/78, WM 1980, 164; MünchKomm -InsO/Schumacher, § 180 Rdn. 23).
Dagegen hat der Beklagte zu 1, der als Erbe des ursprünglichen Beklagten Schuldner des Nachlaßinsolvenzverfahrens ist (vgl. Senat, Urt. v. 16. Mai 1969, V ZR 86/68, NJW 1969, 1349; Siegmann, Rpfleger 2001, 260 m.w.N.), die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung nicht bestritten. Ihm gegenüber war der Kläger daher gemäß § 184 InsO zu einer Aufnahme des Rechtsstreits nicht befugt. Bereits unter Geltung von § 12 KO, an dessen Stelle § 87 InsO getreten ist, konnte ein Konkursgläubiger den gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit nur dann abweichend von § 144 Abs. 2 KO gegen den nicht widersprechenden Gemeinschuldner aufnehmen, wenn er hinsichtlich der betreffenden Forderung auf eine Teilnahme am Konkursverfahren verzichtete (RGZ 29, 73, 74; BGHZ 25, 395, 396 f.; 72, 234 f.; BGH, Urt. v. 28. März 1996, IX ZR 77/95, NJW 1996, 2035 f.; Kuhn/Uhlenbruck, aaO., § 144 Rdn. 7). § 87 InsO schließt selbst diese eingeschränkte Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners aus. Wie sich aus der gegenüber § 12 KO geänderten Fassung der Vorschrift ergibt, die nicht mehr nur „Forderungen auf Sicherstellung oder Befriedigung aus der Konkursmasse“ erfaßt, kann der Insolvenzschuldner während des Insolvenzverfahrens für Insolvenzforderungen nur noch nach Maßgabe der Vorschriften der Insolvenzordnung in Anspruch genommen werden, also nur dann, wenn er der angemeldeten Forderung widersprochen hat (Begründung zu § 98 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 137;
Blersch in: Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 87 Rdn. 1, 2, 5; Eickmann in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 87 Rdn. 4, 8; Hess in: Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 87 Rdn. 8; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 87 Rdn. 2, 6; MünchKomm-InsO/Breuer, § 87 Rdn. 17; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht , Rdn. 575; Wittkowski in: Nerlich/Römermann, InsO, § 87 Rdn. 5; einschränkend MünchKomm-InsO/Schumacher, § 184 Rdn. 6 f.).
Die von dem Kläger erklärte Aufnahme des Rechtsstreits ist deshalb zurückzuweisen , soweit sie gegenüber dem Beklagten zu 1 erfolgt ist. Außerdem sind dem Kläger die durch die unberechtigte Aufnahme verursachten Kosten aufzuerlegen (vgl. MünchKomm-ZPO/Feiber, 2. Aufl., § 239 Rdn. 32; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 239 Rdn. 27; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 239 Rdn. 7, § 240 Rdn. 8).

B.


Soweit der Kläger den Rechtsstreit wirksam aufgenommen hat, ist die Revision begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht meint, der mit der Klage geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger weder aus eigenem noch aus übergegangenem Recht seiner Mutter zu. Durch den zwischen seinen Eltern im Jahr 1958 geschlossenen Vertrag habe der Kläger kein eigenes Leistungsrecht erworben. Ansprüche seiner Mutter gemäß §§ 280, 281 BGB a. F., die gemäß § 1922
Abs. 1 BGB auf den Kläger als Erben hätten übergehen können, seien nicht entstanden. Denn bei Eintritt der Unmöglichkeit durch die im Jahr 1989 erfolgte Veräußerung des Grundstücks sei der Übereignungsanspruch seiner Mutter bereits verjährt gewesen.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , der Vater des Klägers sei aufgrund der von ihm und der Mutter des Klägers im Jahr 1958 abgegebenen notariellen Vertragserklärungen verpflichtet gewesen, dieser das hier in Rede stehende Grundstück zu übereignen (§§ 305, 313 Satz 1 BGB a. F.).
Das von dem Vater des Klägers abgegebene Vertragsangebot war zwar an die Bedingung geknüpft, daß die Mutter des Klägers zumindest eines der drei gemeinschaftlichen Kinder als Erben einsetzte. Eine entsprechende Verpflichtung , die gemäß § 2302 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags geführt hätte, ist die Mutter des Klägers jedoch nicht eingegangen. Vielmehr hat sie noch vor Annahme des Vertragsangebots eine letztwillige Verfügung zugunsten ihrer drei Kinder getroffen und damit die Voraussetzungen für das Zustandekommen des Vertrags geschaffen. Der Fortbestand dieser letztwilligen Verfügung mag zwar Geschäftsgrundlage des die Übereignungsverpflichtung begründenden Vertrags gewesen sein, deren Wegfall sich nach § 242 BGB auf den Vertragsinhalt hätte auswirken können. Hierdurch wurde die von § 2302 BGB geschützte Testierfreiheit der Mutter des Klägers jedoch nicht
eingeschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 9. Februar 1977, IV ZR 201/75, NJW 1977, 950; siehe auch Senat, Urt. v. 17. September 1971, V ZR 177/69, LM Nr. 1 zu § 533 BGB).
Die von dem Vater des Klägers übernommene Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks wäre allerdings wieder entfallen, wenn – wie von ihm behauptet - die Vertragsparteien nachträglich vereinbart hätten, er solle Eigentümer des Grundstücks bleiben und seiner geschiedenen Ehefrau lediglich die Grundstücksnutzung überlassen. Eine solche Vereinbarung hätte der in § 313 Satz 1 BGB a. F. bestimmten Form nicht bedurft, da die Mutter des Klägers noch kein Anwartschaftsrecht in Bezug auf das Grundstückseigentum erworben hatte. Weder war zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden noch hatte sie einen Antrag auf Umschreibung des Eigentums gestellt. Solange die Rechtsposition des Erwerbers aber noch nicht gesichert ist, kann die Aufhebung der den Veräußerer treffenden Übereignungsverpflichtung formfrei erfolgen (Senat, BGHZ 83, 395, 398 f.). Ob die vom ursprünglich beklagten Vater des Klägers behauptete Abrede tatsächlich getroffen wurde, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Revisionsrechtlich ist deshalb davon auszugehen, daß eine die Übereignungsverpflichtung beseitigende Vereinbarung zwischen den Eltern des Klägers nicht zustande gekommen ist.
2. a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Vater des Klägers die Erfüllung seiner Eigentumsverschaffungspflicht durch die im Jahr 1989 erfolgte Veräußerung des Grundstücks an die GemeindeH. -U. unmöglich geworden. Dies hatte nach der gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB anwendbaren Vorschrift des § 281 Abs. 1 BGB
a. F. zur Folge, daß die Mutter des Klägers die Herausgabe des von ihrem geschiedenen Ehemann vereinnahmten Kaufpreises in Höhe von 180.000 DM verlangen konnte. Einen Ersatz für den geschuldeten Gegenstand, den der Schuldner infolge des seine Leistung unmöglich machenden Umstands erlangt hat, stellt nämlich nach allgemeiner Auffassung auch das rechtsgeschäftliche Surrogat dar, also der Erlös, den der Schuldner durch die Veräußerung des geschuldeten Gegenstands erzielt (BGHZ 46, 260, 264; 75, 203, 206; MünchKomm -BGB/Emmerich, § 281 Rdn. 16; Staudinger/Löwisch, BGB [2001], § 281 Rdn. 31). Mit dem Tod seiner Mutter ist der Ersatzanspruch gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf den Kläger als deren alleinigen Erben übergegangen.

b) Der Anspruch aus § 281 Abs. 1 BGB a. F. ist auch nicht verjährt. Ebenso wie der ursprüngliche Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (vgl. BGH, Urt. v. 11. Februar 1958, VIII ZR 34/57, DB 1958, 307; Urt. v. 10. Februar 1988, IVa ZR 249/86, NJW-RR 1988, 902, 904; MünchKommBGB /Emmerich, § 281 Rdn. 28; Staudinger/Löwisch, § 281 Rdn. 42) unterlag auch der Anspruch auf Herausgabe des von dem Vater des Klägers erzielten Veräußerungserlöses der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (§ 195 BGB a. F.). Der Lauf der Verjährungsfrist begann mit dem Eintritt der Unmöglichkeit im Jahr 1989 (§ 198 Satz 1 BGB a. F. in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) und wurde durch die im Jahr 1998 erfolgte Klageerhebung unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB a. F.). Mit Beginn des 1. Januar 2002 ist die Verjährung gehemmt (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es für den Anspruch aus § 281 Abs. 1 BGB a. F. jedenfalls in der hier vorliegenden Fallge-
staltung ohne Belang, daß die für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aus dem im Jahr 1958 geschlossen Vertrag geltende dreißigjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war, als die primär geschuldete Leistung im Jahr 1989 unmöglich wurde.
§ 281 Abs. 1 BGB a. F. will Vermögenswerte, die im Laufe wirtschaftlicher Vorgänge Personen zugeflossen sind, denen sie nach den maßgebenden Beziehungen zu anderen Personen nicht zukommen, denjenigen zuführen, denen sie gebühren. Die Vorschrift soll daher aus Erwägungen der Billigkeit und mit Rücksicht auf den vermuteten Parteiwillen eine unrichtig gewordene tatsächliche Verteilung der Vermögenswerte ausgleichen (RGZ 120, 297, 299 f.; 138, 45, 48; Senat, Urt. v. 4. März 1955, V ZR 56/54, VersR 1955, 225, 226; BGH, Urt. v. 10. Februar 1988, IVa ZR 249/86, NJW-RR 1988, 902, 903; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl., § 281 Rdn. 1; MünchKomm-BGB/Emmerich, § 281 Rdn. 2; Soergel/Wiedemann, § 281 Rdn. 2). Dieser Regelungszweck legt es nahe, dem Gläubiger einen Anspruch auf den Ersatzwert zu versagen, wenn er den ursprünglichen Erfüllungsanspruch wegen dessen Verjährung nicht mehr hätte durchsetzen können (vgl. Küpper, VIZ 2000, 195, 197). Ist der Schuldner berechtigt, die ihm obliegende Leistungshandlung dauerhaft zu verweigern (§§ 194 Abs. 1, 222 Abs. 1 BGB a. F.), dann darf er im Verhältnis zum Gläubiger über den Leistungsgegenstand nach seinem Belieben verfügen. Zwar steht es ihm frei, dessen fortbestehenden Anspruch trotz eingetretener Verjährung zu erfüllen (§ 222 Abs. 2 BGB a. F.). Er kann den Leistungsgegenstand jedoch auch behalten oder ihn an einen Dritten veräußern, ohne sich dem Gläubiger gegenüber einer vertraglichen Pflichtverletzung schuldig zu machen. Dies spricht dafür, nach Vollendung der Verjährung im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander sowohl den primär geschuldeten Gegenstand
als auch den an dessen Stelle getretenen Ersatzwert als dem Schuldner gebührend anzusehen.
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn bei erfolgsbezogenen Schuldverhältnissen die Leistung, d. h. der Eintritt des Leistungserfolgs, unmöglich wird, nachdem der Schuldner die ihm obliegende Leistungshandlung bereits vollständig vorgenommen hat (zur Ambivalenz des Leistungsbegriffs vgl. MünchKomm -BGB/Kramer, 4. Aufl., § 241 Rdn. 7). In diesem Fall werden die rechtlichen Beziehungen der am Schuldverhältnis Beteiligten durch den Ablauf der für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltenden Verjährungsfrist nicht berührt. Kann der Gläubiger vom Schuldner ein – weiteres – Tätigwerden nicht verlangen, dann fehlt es insoweit an einem Anspruch, der gemäß § 194 Abs. 1 BGB der Verjährung unterliegen könnte. Hat der Schuldner das zur Herbeiführung des Leistungserfolgs seinerseits erforderliche getan, dann kann er den Rechtserwerb des Gläubigers nicht mehr durch die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 222 Abs. 1 BGB a. F., § 214 Abs. 1 BGB verhindern. Vielmehr trifft ihn gemäß § 242 BGB die – auch nach Vertragserfüllung fortbestehende - vertragliche Nebenpflicht, alles zu unterlassen, was die Erreichung des Vertragszwecks und den Eintritt des Leistungserfolgs gefährden oder beeinträchtigen könnte (BGHZ 16, 4, 10; BGH, Urt. v. 19. Oktober 1977, VIII ZR 42/76, NJW 1978, 260; Urt. v. 13. März 1996, VIII ZR 99/94, NJW-RR 1996, 949, 950; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 242 Rdn. 29, § 280 Rdn. 7). Ist der Schuldner somit nach Vornahme der Leistungshandlung nicht mehr dazu berechtigt, den Eintritt des Leistungserfolgs zu verhindern , dann gebührt der Leistungsgegenstand im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander dem Gläubiger. Einen vom Schuldner nunmehr anstelle des primär geschuldeten Gegenstands erlangten Ersatzwert kann der Gläubi-
primär geschuldeten Gegenstands erlangten Ersatzwert kann der Gläubiger deshalb gemäß § 281 Abs. 1 BGB a. F. herausverlangen.
Im vorliegenden Fall hatte der Vater des Klägers bei Eintritt der Unmöglichkeit die ihm obliegende Leistungshandlung bereits vorgenommen, so daß der Eintritt des Leistungserfolgs ausschließlich vom Willen der Mutter des Klägers abhing. Zur Erfüllung der Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, hat der Schuldner grundsätzlich alle Handlungen vorzunehmen, die für die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch erforderlich sind. Dies umfaßt insbesondere die Mitwirkung bei der Auflassung (§ 20 GBO), die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zugleich die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) enthält (BayObLG, Rpfleger 1975, 26, 27; OLG Köln, MittRhNotK 1997, 325, 327; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 20 Rdn. 2; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 433 Rdn. 136). Darüber hinaus hat der Schuldner sämtliche grundbuchrechtlichen Eintragungshindernisse, etwa seine fehlende Voreintragung (§ 39 Abs. 1 GBO), zu beseitigen. Die Eintragung selbst gehört dagegen nicht zu den geschuldeten Leistungshandlungen, da sie eine behördliche Tätigkeit ist, die der Schuldner aus Rechtsgründen nicht besorgen kann (RGZ 118, 100, 102; Senat, Urt. v. 18. Juni 1971, V ZR 45/69, LM Nr. 25 zu § 157 [D] BGB; MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 433 Rdn. 56; Soergel/Huber, § 433 Rdn. 136 f.; Staudinger/Köhler, BGB [1995], § 433 Rdn. 98). Indem der Vater des Klägers, vertreten durch dessen Mutter, die Auflassung formgerecht erklärt hat, hat er das zur Leistung seinerseits erforderliche getan. Da Eintragungshindernisse nicht vorlagen, war die Mutter des Klägers imstande, durch Einreichung der Auflassung und des ihre Auflassungsvollmacht enthaltenden notariellen Vertragsangebots beim Grundbuchamt (§ 29 GBO) die Eigentumsumschreibung mit Erfolg zu beantra-
gen. Hieran änderte sich durch den Ablauf der für den vertraglichen Übereignungsanspruch geltenden Verjährungsfrist nichts. Im Verhältnis der Eltern des Klägers untereinander gebührte das Grundstückseigentum nach wie vor dessen Mutter. Diese konnte daher auch den an die Stelle des Grundstückseigentums getretenen Veräußerungserlös gemäß § 281 Abs. 1 BGB a. F. herausverlangen.
3. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a. F. in Verbindung mit § 26 Nr. 7 EGZPO). Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.), damit die bislang unterbliebenen Feststellungen zum behaupteten Abschluß einer Aufhebungsvereinbarung nachgeholt werden können.
Wenzel Tropf Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 144/06
vom
4. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger,
Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg
am 4. Dezember 2007

beschlossen:
Dem Großen Senat für Zivilsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Frage vorgelegt: Ist die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede auch dann nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen , wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind?

Gründe:


I.


1
Die Klägerin, eine Bank, begehrt vom Beklagten, einem Rechtsanwalt , Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.
2
Die Klägerin gewährte der Hauptschuldnerin, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts D. , mit Kreditbestätigung vom 13. Juni/9. August 1995 einen bis zum 30. März 1996 befristeten, durch Grundschuld gesicherten Barkredit in Höhe von 1,4 Millionen DM. Mit Bürgschaftserklärung vom 13. Juni 1995, die die Klägerin am 9. August 1995 annahm, verbürgte sich der Beklagte für die Forderung der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin bis zu einem Höchstbetrag von 37.500 DM. Der Sollsaldo auf dem Kreditkonto belief sich zum 30. Oktober 1996 auf 1.138.859,27 DM.
3
Unter dem 26. November 1996 kündigte die Klägerin den Kredit und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 27. November 1996 erfolglos zur Zahlung der Bürgschaftssumme bis 19. Dezember 1996 auf. Nach weiteren vergeblichen Versuchen, die Bürgschaftsschuld zu realisieren , kündigte sie dem Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2000 an, die Angelegenheit unverzüglich ihrem Rechtsanwalt zur weiteren Beitreibung zu übergeben. Am 28. Dezember 2004 hat sie Klage auf Zahlung von 19.173,44 € zuzüglich Zinsen eingereicht.
4
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung, mit der der Beklagte erstmals auch die Verjährung der Hauptschuld geltend gemacht hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Hauptforderung sei zwar verjährt. Die Verjährungseinrede, bei der es sich nicht nur um neuen Sachvortrag, sondern um eine rechtsgestaltende Handlung handele, sei aber als neues Verteidigungsmittel des Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Gleiches gelte für das von ihm ebenfalls erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte Zu- rückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) wegen Teilabtretung der Sicherungsgrundschuld.
5
der Mit - vom Berufungsgericht „soweit Leistungsverweigerungsrechte des Beklagten nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO als neue Verteidigungsmittel nicht berücksichtigt wurden“ zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

II.


6
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Zulassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Verjährungseinrede ab.
7
1. Die uneingeschränkt eingelegte Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Zulassungsbeschränkung ist unzulässig und damit unwirksam. Zwar kann die Zulassung der Revision auf ein geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht beschränkt werden (vgl. BGHZ 45, 287, 289; MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 543 Rdn. 40; Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 29 m.w.Nachw.). Unzulässig ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber eine Beschränkung auf die Frage der Verjährung, weil sie auf eine einzelne Rechtsfrage abzielt (BGH, Urteile vom 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, WM 1995, 2107, 2108 und vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 184 Tz. 19; a.A. Wenzel aaO Rdn. 41; Grunsky aaO). Gleiches gilt für die Beschränkung der Zulassung auf die prozessuale Vorfrage , ob die Zurückweisung der Einreden des Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO zu Recht erfolgt ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. März 1982 - V ZR 149/81, NJW 1982, 1535 und vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 f.; Wenzel aaO Rdn. 42). Folge ist, dass die Revision unbeschränkt zugelassen ist (BGH, Urteile vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04, WM 2005, 1076, 1077 und vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098, 1099 Tz. 8 m.w.Nachw.).
8
2. Das Berufungsgericht hat eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten zu Recht bejaht.
9
a) Zutreffend hat es die nach § 9 AGBG unwirksame weite Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in dem Umfang für wirksam gehalten, in dem sie sich auf den Kredit bezogen hat, der Anlass für die Abgabe der Bürgschaftserklärung war (vgl. BGHZ 143, 95, 102 m.w.Nachw.). Das war, wie das Berufungsgericht mit Tatbestandswirkung (§§ 314, 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt hat, nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin der Barkredit in Höhe von 1,4 Millionen DM.
10
b) Weiter hat es rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Klägerin die Höhe der Hauptforderung durch Mitteilung des von der Hauptschuldnerin anerkannten Schlusssaldos hinreichend dargelegt hat und dass Höhe und Bestand der Hauptforderung unstreitig sind, weil der Beklagte sie erstinstanzlich nicht bestritten hat. Sein erstmaliges Bestreiten der Kontokorrentabrede und der Höhe der Hauptforderung in der Berufungsinstanz hat es rechtsfehlerfrei als neues Verteidigungsvorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zugelassen.
11
Ebenfalls c) rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung des Klageanspruchs verneint hat, weil der Beklagte angesichts der seit 1996 in größeren zeitlichen Abständen unternommenen Versuche der Klägerin, die Bürgschaftssumme zu realisieren , nicht darauf vertrauen konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Nachdem die Klägerin ihm im September 2000 gedroht hatte, die Angelegenheit zur Beitreibung einem Rechtsanwalt zu übergeben, durfte er nicht annehmen, dass sie die Bürgschaftsforderung nicht mehr geltend machen wolle. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes , dass die Klägerin danach noch etwa vier Jahre bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung verstreichen ließ. Als Rechtsanwalt musste sich der Beklagte darauf einstellen, dass sie die erst am 31. Dezember 2004 ablaufende Verjährungsfrist ausschöpfen werde.
12
Die 3. durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforderung ist - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt (§ 195 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), weil die Klägerin nach der fälligkeitsbegründenden Kündigung des Kreditvertrages am 26. November 1996 unstreitig keine verjährungsunterbrechende oder -hemmende Maßnahme gegen die Hauptschuldnerin ergriffen hat. Hierauf kann sich auch der Beklagte gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Dem steht nicht entgegen, dass die Hauptforderung erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage verjährt ist (BGHZ 139, 214, 216 ff.). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte die Bürgschaftsklage die Verjährung auch nicht ausnahmsweise wegen Verselbständigung der Bürgschaftsforderung durch Wegfall der Hauptschuldnerin hemmen (vgl. dazu Senat BGHZ 153, 337, 342 f.).
13
4. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit von der Zulassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Verjährungseinrede des Beklagten ab. Sie ist vorrangig vor der Zulassung des ebenfalls erstmals zweitinstanzlich geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts zu beantworten , weil dieses im Erfolgsfall lediglich zu einer eingeschränkten Verurteilung Zug um Zug (§ 274 BGB) führt, die Verjährungseinrede hingegen zur Klageabweisung.

III.


14
a) 1. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertritt in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2005 (X ZR 165/04, GRUR 2006, 401, 404 Tz. 26 f. = MDR 2006, 766, 767 = BGHReport 2006, 599, 601 f.) die Auffassung, die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede sei auch bei unstreitiger Tatsachengrundlage nur zuzulassen, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliege. Die Verjährungseinrede gehöre zu den Verteidigungsmitteln , deren rechtzeitige Geltendmachung durch § 531 Abs. 2 ZPO sichergestellt werden solle. Habe sich der Schuldner nicht bereits außergerichtlich auf Verjährung berufen, müsse dem Umstand, dass bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Verjährung eingetreten sei, deshalb grundsätzlich durch Erhebung der Einrede in dieser Instanz Rechnung getragen werden.
15
b) Danach wäre die Verjährungseinrede im Streitfall nicht zuzulassen , weil die Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vorliegen.
16
aa) Nach seinen zutreffenden Ausführungen ergab sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten kein Anhaltspunkt dafür, dass er sich auf die verspätete Geltendmachung der Hauptforderung berufen wollte. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO greifen damit nicht ein.
17
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO verneint. Nachlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel fahrlässig nicht bereits in erster Instanz vorgetragen wird. Hierzu zählt jede Verletzung der Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO), derzufolge die Parteien grundsätzlich gehalten sind, Vorbringen, das zur Abkürzung des Verfahrens geeignet ist, alsbald vorzutragen oder zumindest anzukündigen (Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 31; Greger, ebenda § 282 Rdn. 3; MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl. § 282 Rdn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Ablauf der Verjährung zum 31. Dezember 2004 dem Grunde nach bekannt und der Beklagte demnach durch nichts an der Erhebung der Einrede bereits in erster Instanz gehindert war.
18
Der Annahme von Nachlässigkeit steht nicht entgegen, dass es im materiellen Recht weder eine Pflicht gibt, die Einrede der Verjährung alsbald geltend zu machen, noch (von Verwirkung abgesehen) überhaupt eine zeitliche Beschränkung (a.A. Meller-Hannich JZ 2005, 656, 664 und NJW 2006, 3385, 3387 f.). Die materiell-rechtliche Befugnis, den Zeitpunkt der Geltendmachung der Einrede frei zu wählen, wird bei der Ver- jährung ebenso wie bei den Gestaltungsrechten der Anfechtung oder Aufrechnung im gerichtlichen Verfahren durch das Prozessrecht beschränkt (vgl. zur Aufrechnung: BGHZ 24, 97, 98; 34, 274, 279; 91, 293, 302 ff.; zur Anfechtung: BGHZ 42, 37, 39 ff.; 94, 29, 34 m.w.Nachw.). Eine solche prozessuale Beschränkung ist zwar ausgeschlossen , wenn die zeitliche Entscheidungsfreiheit gerade das Wesen des Gestaltungsrechts ausmacht (vgl. BGHZ 94, 29, 34 f. zum vertraglichen Optionsrecht). Das ist bei der Verjährungseinrede aber nicht der Fall.
19
cc) Der Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO steht auch nicht entgegen , dass nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 9. Oktober 2003 - VII ZR 335/02, WM 2004, 288, 289 und vom 6. Oktober 2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687, 1688; a.A. OLG Brandenburg OLGR 2005, 21, 23 ff.; OLG Saarbrücken OLGR 2007, 589, 590 f.) erst im Laufe des Verfahrens geschaffene materiell -rechtliche Anspruchsvoraussetzungen ohne Rücksicht auf Präklusionsvorschriften in den Rechtsstreit eingeführt werden können. Diese Rechtsprechung beschränkt sich ausdrücklich auf den Fall einer erstmals fälligkeitsbegründenden Schlussrechnung in zweiter Instanz, deren Präklusion gerade keine abschließende Klärung zwischen den Parteien zur Folge hätte, sondern einen weiteren Rechtsstreit über dieselbe Werklohnforderung. Eine solche Folge tritt bei Präklusion der Verjährungseinrede nicht ein.
20
2. Der XI. Zivilsenat, der die Vorlagefrage bisher - ebenso wie der VIII. Zivilsenat (Urteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 174/04, WM 2005, 948, 949) - offen gelassen hat (Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, WM 2007, 731, 732 Tz. 19), möchte der Rechtsprechung des X. Zivilsenats nicht folgen und § 531 Abs. 2 ZPO nicht auf die Verjährungseinrede anwenden, wenn sie zwar erstmals in zweiter Instanz im Prozess erhoben wird, zwischen den Parteien aber sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind. Da der X. Zivilsenat auf Anfrage mitgeteilt hat, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten, ist die Sache gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen beim Bundesgerichtshof vorzulegen.

IV.


21
Nach Auffassung des Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu verneinen.
22
1. Nach der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats vom 18. November 2004 (IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 141 ff.) kann neuer unstreitiger Tatsachenvortrag nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden. Das Berufungsgericht hat solches Vorbringen vielmehr gemäß § 529 Abs. 1 ZPO selbst dann seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich wird.
23
Dieser Entscheidung haben sich der II. Zivilsenat (Urteile vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296 und vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932, 1938 Tz. 63), der III. Zivilsenat (Urteil vom 19. Januar 2006 - III ZR 105/05, BGHZ 166, 29, 31 Tz. 6), der IV. Zivilsenat (Urteile vom 13. Juli 2005 - IV ZR 47/04, FamRZ 2005, 1555, 1557 und vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05, NJW 2006, 298, 299 Tz. 19) und der VIII. Zivilsenat (Beschluss vom 21. Februar 2006 - VIII ZR 61/04, WM 2006, 1115 Tz. 5) angeschlossen.
24
Dem entsprechen sowohl die überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung (OLG Hamm NJW 2003, 2325 f. zu vorprozessual erklärter Aufrechnung; OLG Nürnberg OLGR 2003, 351; OLG Oldenburg OLGR 2004, 54, 55; OLG Karlsruhe MDR 2004, 1020; OLG Schleswig OLGR 2005, 120, 121; OLG Frankfurt am Main OLGR 2005, 558, 560 und OLGR 2007, 448, 449; OLG Rostock OLGR 2006, 916, 917; KG Berlin KGR 2007, 502, 503; a.A. OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 43 ff., insoweit in ZIP 2006, 2122 ff. nicht abgedruckt) als auch die herrschende Meinung in der Literatur (Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; MünchKommZPO /Rimmelspacher, 3. Aufl. § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 531 Rdn. 16; Saenger/Wöstmann, ZPO 2. Aufl. § 531 Rdn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO 28. Aufl. § 531 Rdn. 1; Zimmermann, ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 6; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 21; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 137 Rdn. 59; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 7. Aufl. Rdn. 475; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 3/2005 Anm. 1 und AnwBl 2006, 609, 611; Heinrich WuB VII A. § 531 ZPO 1.05; Noethen MDR 2006, 1024, 1025 f.; Rixecker NJW 2004, 705, 707; Roth JZ 2005, 174, 175 und JZ 2006, 9, 15; Schmidt NJW 2007, 1172, 1173; Schultz BGHReport 2005, 320; Schwenker IBR 2005, 180; s. auch Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 8, § 533 Rdn. 10; Crückeberg MDR 2003, 10, 11; Rimmelspacher, in: Festschrift für Schlosser 2005 S. 747 ff.; a.A. Burgermeister BGHReport 2005, 455 f.; Drossart BrBp 2004, 4, 8; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 220 ff.; Stackmann NJW 2007, 9, 10).
25
Nicht 2. einheitlich wird die Frage beantwortet, ob diese Rechtsprechung auch auf Einreden, die eine Partei geltend machen muss, übertragen werden kann.
26
a) Der IV. Zivilsenat (Urteil vom 19. Oktober 2005 - IV ZR 89/05, NJW 2006, 298, 299 Tz. 19) hat im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 141 ff.) entschieden, dass die erstmalige Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG in der zweiten Instanz nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden kann, wenn der Ablauf der Ausschlussfrist unstreitig ist.
27
Speziell für die Einrede der Verjährung hat der III. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2006 (BGHZ 166, 29, 31 Tz. 6) in einem obiter dictum ausgeführt, auch eine erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede dürfe nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden, wenn die den Verjährungseintritt begründenden Umstände zwischen den Parteien unstreitig seien.
28
b) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die Zulassung der Verjährungseinrede auf der Basis unstreitigen Vorbringens nach Erlass des Urteils des IX. Zivilsenats zunehmend befürwortet (OLG Naumburg OLGR 2006, 141 f.; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 526, 528; OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 - 28 U 217/04, juris Tz. 41 ff. unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; OLG Stuttgart BKR 2006, 280, 285; OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531; OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2006 - 17 U 103/04, juris Tz. 38 ff.; OLG Schleswig, Urteil vom 21. Dezember 2006 - 5 U 101/06 S. 15 (rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 58/07); vorher bereits OLG Karlsruhe MDR 2005, 412 f. und LG Berlin Grundeigentum 2004, 690 f.).
29
Auch in der Literatur wird diese Ansicht mit steigender Tendenz vertreten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 531 Rdn. 28; Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 214 Rdn. 3 - a.A. noch 65. Aufl.; Zimmermann , ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 10, 13 Nr. 3; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 7. Aufl. Rdn. 476; v. Berg IBR 2007, 165; Deubner JuS 2007, 528, 530; Meller-Hannich NJW 2006, 3385, 3386 ff. sowie JZ 2005, 656, 664 f.; Noethen MDR 2006, 1024, 1026 f.; Rixecker NJW 2004, 705, 707; Sohn BauR 2003, 1933 ff.; Vogel IBR 2007, 589; im Ergebnis auch Staudinger/Peters, BGB Neubearb. 2004 § 214 Rdn. 11: grundsätzlich gilt § 531 Abs. 2 ZPO, es sei denn, die Einrede beschleunigt - wie meist - die Erledigung des Rechtsstreits; sowie wohl auch jurisPK-BGB/Lakkis, 3. Aufl. Stand August 2007 § 214 Rdn. 22).
30
c) Demgegenüber wird die Auffassung des X. Zivilsenats überwiegend in älteren, vor dem Grundsatzurteil des IX. Zivilsenats ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen geteilt (KG KGR 2003, 392, 394; OLG Brandenburg BauR 2003, 1256, 1257; OLG Oldenburg MDR 2004, 292; OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 1222 - Einrede beschränkter Erbenhaftung - und Grundeigentum 2004, 625; OLG Frankfurt am Main OLGR 2004, 249; OLG München BauR 2004, 1982), aber auch in einigen neueren Entscheidungen vertreten (OLG Hamm MDR 2006, 695 - Einrede be- schränkter Erbenhaftung; OLG München, Urteil vom 24. November 2005 - 6 U 5627/04, juris Tz. 60, insoweit in OLGR 2006, 139 nicht abgedruckt ; OLG Saarbrücken OLGR 2007, 589, 591 f. - Erlass eines Überleitungsbescheids ; OLG Oldenburg, Urteil vom 4. Juli 2007 - 5 U 106/06, juris Tz. 27 - Einwand hypothetischer Einwilligung im Arzthaftungsprozess (Revision anhängig unter VI ZR 198/07); OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 - 7 U 169/06, juris Tz. 23).
31
Auch ein Teil der Literatur hat sich gegen die Zulassung der erstmaligen Verjährungseinrede in der zweiten Instanz ausgesprochen (MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl. § 214 Rdn. 4; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 22; Drossart BrBp 2004, 4, 7 f.; Geisler AnwBl 2006, 609, 611 (zurückhaltender in: jurisPR-BGH-Zivilrecht 39/2007 Anm. 4); Lenkeit IBR 2003, 170; Müller BrBp 2004, 35, 37; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 224 ff.; Roth JZ 2005, 174, 176 und JZ 2006, 9, 15; Schenkel MDR 2005, 726 ff.; Siegburg BauR 2003, 291 f.; wohl auch Henrich, in: Bamberger/Roth, BGB 2. Aufl. § 214 Rdn. 2; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB 11. Aufl. § 214 Rdn. 3; Stackmann NJW 2007, 9, 10; im Ergebnis auch Gerken, in: Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung und Nebengesetze, 3. Aufl. § 531 Rdn. 23: grundsätzlich gilt § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO, es sei denn, unabhängig von der Verjährungseinrede müsste eine Zurückverweisung erfolgen, so dass der Beklagte die Einrede im ersten Rechtszug wiederholen könnte).
32
3. Nach Auffassung des XI. Zivilsenats kann - ausgehend von der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 141 ff.) - die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede in zweiter Instanz bei unstreitiger Tatsachengrundlage zur Vermeidung von Wertungswidersprü- chen nicht anders behandelt werden als sonstiger unstreitiger Tatsachenvortrag , der - wie oben dargelegt - nach nahezu einhelliger Meinung nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden darf. Dafür sprechen folgende Gründe:
33
Nach a) der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats fällt unstreitiges Vorbringen generell nicht unter die „neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel“ im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Danach ist dieser Begriff ebenso wie im bisherigen Recht auszulegen, in dem die Vorschriften über die Behandlung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel anerkanntermaßen nur für streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen galten (BGHZ 161, 138, 142 unter Hinweis auf BGHZ 76, 133, 141; so auch VI. Zivilsenat, BGHZ 164, 330, 333; BGH, Urteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHReport 2004, 1378, 1379 und vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 8; a.A. OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 47 ff.; Ostermeier ZZP 120 (2007), 219, 223 f.).
34
Da die rechtliche Einordnung des unstreitigen Vorbringens mithin unerheblich ist, ergibt sich daraus bei konsequenter Anwendung für die Verjährungseinrede: Wenn der Beklagte in der zweiten Instanz erstmals unbestritten vorträgt, er habe sich vorprozessual oder während des erstinstanzlichen Verfahrens außergerichtlich auf Verjährung berufen, und die verjährungsbegründenden Umstände ebenfalls unstreitig sind, so ist dieses Vorbringen zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn der Beklagte die Verjährungseinrede während des zweitinstanzlichen Verfahrens außergerichtlich erhebt und diese neue Tatsache unbestritten in den Pro- zess einführt. Nichts spricht angesichts dessen dafür, eine während des zweitinstanzlichen Verfahrens im Prozess erhobene Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage nicht zu berücksichtigen. Einen stichhaltigen Grund für eine Differenzierung zwischen diesen Fallgestaltungen gibt es nicht.
35
b) Die vom X. Zivilsenat vorgenommene Differenzierung zwischen Sachverhalten, die ohne besondere Geltendmachung entscheidungserheblich sind und solchen, die erst durch Wahrnehmung eines materiell -rechtlichen Leistungsverweigerungsrechts entscheidungserheblich werden (Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 165/04, GRUR 2006, 401, 404 Tz. 27), findet im Prozessrecht keine Stütze. Der prozessuale Einredebegriff erfasst sowohl Einwendungen als auch Einreden im materiellen Sinne (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 101 Rdn. 1 ff.; Motive zum Entwurf des BGB, Band I 1888 S. 359 f.). Dementsprechend unterscheidet § 531 Abs. 2 ZPO nicht zwischen Einwendungen und Einreden im materiellen Sinne, sondern gilt für sämtliche neue „Angriffs- und Verteidigungsmittel“, worunter nach §§ 282, 146 ZPO ausdrücklich sowohl Einwendungen als auch Einreden zu verstehen sind.
36
Im Prozess können Einreden, aber auch materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich erst dann Bedeutung erlangen, wenn sie von einer Partei vorgetragen, d.h. in den Rechtsstreit eingeführt werden. So setzt etwa die Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Einwendung eines Rücktritts Vortrag sowohl zu den Rücktrittsvoraussetzungen als auch zur Rücktrittserklärung voraus. Ein erst während der Berufungsinstanz erklärter Rücktritt ist, wenn das Vorbringen zu den Rücktrittsvoraussetzungen unstreitig ist, nach § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen, obwohl die Ausübung des Rücktrittsrechts, das in erster Instanz nicht genutzt wurde, nachträglich die Entscheidungsbasis und den Prüfungsumfang des Gerichts verändert. Dass dies bei Erhebung einer Verjährungseinrede in zweiter Instanz anders sein soll, überzeugt nicht.
37
c) Aus § 533 ZPO lässt sich entgegen der Ansicht des X. Zivilsenats nichts gegen die Zulassung einer erstmals zweitinstanzlich erhobenen Verjährungseinrede herleiten. Es handelt sich um eine spezielle Präklusionsvorschrift, die durch besondere Zulassungsvoraussetzungen verhindern soll, dass der Streitstoff auf dem Wege der Klageänderung, Aufrechnung oder Widerklage erweitert und damit das Novenverbot umgangen wird (vgl. Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 533 Rdn. 1; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 533 Rdn. 1). Aus dieser Spezialregelung folgt nicht, dass der Gesetzgeber unstreitiges neues Vorbringen in zweiter Instanz generell nur unter solchen besonderen Voraussetzungen zulassen wollte. Vielmehr spricht umgekehrt gerade das Fehlen einer entsprechenden Regelung für die Verjährungseinrede dafür, dass es insoweit - ebenso wie bei anderen prozessualen Einreden - bei der allgemeinen Präklusionsregelung bleiben sollte (vgl. Meller-Hannich NJW 2006, 3386, 3387; Noethen MDR 2006, 1024, 1026 f.).
38
Hinzu kommt, dass nach § 533 ZPO bei unstreitigem Sachverhalt und Sachdienlichkeit in der Berufungsinstanz sogar über einen neu eingeführten Streitgegenstand zu entscheiden ist. Es erscheint daher verfehlt , die Zulassung der weniger weit reichenden Verjährungseinrede - bei der in der Regel Sachdienlichkeit vorliegen dürfte - von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. OLG Naumburg OLGR 2006, 141, 142; ferner OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531).
39
d) Anders als Befürworter der vom X. Zivilsenat vertretenen Auffassung meinen (s. zuletzt OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 - 7 U 169/06, juris Tz. 23), sprechen auch Sinn und Zweck des § 531 Abs. 2 ZPO oder der Wille des Gesetzgebers nicht gegen die Zulassung der Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage. Auch insoweit haben die Erwägungen in der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats (BGHZ 161, 138, 143) Gültigkeit.
40
Durch § 531 Abs. 2 ZPO soll die Zulassung neuen Vorbringens auf das Maß beschränkt werden, das sich aus der geänderten Funktion des Berufungsverfahrens als Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung ergibt (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 1, 58, 59 f.; 61, 94, 100; 14/6036 S. 2, 118, 123; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 6). Die geänderte Funktion gebietet den Ausschluss von Leistungsverweigerungsrechten bei unstreitiger Tatsachengrundlage aber ebenso wenig wie in anderen Fällen unstreitigen Vorbringens. Auch nach der Reform des Zivilprozesses besteht seine Aufgabe weiterhin darin, subjektive Rechte festzustellen und zu verwirklichen; ebenso hat die Verhandlungs - und Dispositionsmaxime, nach der die Parteien den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Prozessstoff bestimmen, weiterhin Geltung (vgl. BGHZ 161, 138, 143 m.w.Nachw.). Das gilt auch für das reformierte Berufungsverfahren. Gerade im Zusammenhang mit dessen Neugestaltung hat der Gesetzgeber wiederholt das anerkennenswerte Interesse der Parteien betont, mit Hilfe der erneuten Überprüfung ihres Falles eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überzeugende und gerechte Entscheidung zu erlangen (vgl. BT-Drucks. 14/6036 S. 26, 118, 124; BGHZ 160, 83, 91, 92). Deshalb enthalten die Präklusionsvorschriften auch kein absolutes Novenverbot mit strikter Bindung an die erstinstanzlichen Feststellungen, sondern sollen das Berufungsgericht (nur) von solchen Tatsachenfeststellungen entlasten, die bereits in erster Instanz richtig und vollständig getroffen wurden (s. BT-Drucks. 14/4722 S. 61; 14/6036 S. 123). Das Berufungsverfahren ist weiterhin - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren Fehlerkontrolle und -beseitigung sich nicht nur auf Rechtsfragen, sondern auch auf die Tatsachengrundlage des Rechtsstreits erstreckt (vgl. MeyerSeitz , in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 529 Rdn. 4 ff.; Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO 26. Aufl. § 529 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
41
Dieser gesetzlichen Aufgabenzuweisung und Zielsetzung widerspräche es bei der Verjährungseinrede ebenso wie bei sonstigem unstreitigen Vorbringen, wenn das Berufungsgericht gehalten wäre, eine von den Parteien vorgetragene unstreitige Ergänzung des Vortrags um die Erhebung der Einrede und deren Voraussetzungen nicht zu berücksichtigen , weil es damit sehenden Auges auf einer falschen, von keiner Seite (mehr) geltend gemachten Grundlage eine materiell unrichtige Entscheidung treffen müsste. Der Einwand, das erstinstanzliche Urteil bleibe trotz zweitinstanzlich erhobener Verjährungseinrede materiell richtig und gerecht (so Schenkel MDR 2005, 726 f.), trifft nur auf der Grundlage des dem erstinstanzlichen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zu. Maßgeblich für das Berufungsgericht ist aber die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung (vgl. BGHZ 161, 138, 144 unter Hinweis auf BGHZ 158, 295, 307 f. m.w.Nachw.; OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 - 28 U 217/04, juris Tz. 49). Diese hat sich durch die Erhebung der Verjährungseinrede, einer geschäftsähnlichen Handlung des sachlichen Rechts, nachträglich zu Lasten des Gläubigers verändert, indem der von ihm geltend gemachten Forderung ihre Durchsetzbarkeit genommen wurde (vgl. BGHZ 156, 269, 271). Dies müsste der Richter bei Nichtzulassung der Verjährungseinrede ignorieren und damit wissentlich eine Forderung zusprechen, die der Gläubiger nach materiellem Recht gerade nicht mehr gerichtlich durchsetzen können sollte.
42
e) Schließlich stellt die Präklusion der Verjährungseinrede, deren Zulassung den Rechtsstreit nicht verzögern würde, eine unverhältnismäßige Sanktion dar, die im Hinblick auf den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
43
Präklusionsvorschriften haben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen ihrer zwangsläufig nachteiligen Auswirkungen auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung und ihrer einschneidenden Folgen für die säumige Partei strengen Ausnahmecharakter (vgl. BVerfGE 60, 1, 6; 75, 302, 312 m.w.Nachw.). Es ist dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich nicht verwehrt, neues Vorbringen - wie in § 531 Abs. 2 ZPO geschehen - auch dann im Berufungsverfahren auszuschließen, wenn seine Zulassung zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führen würde (vgl. BVerfGE 55, 72, 94 und NJW 2005, 1768, 1769). Präklusionsnormen sind aber - wie sämtliches Verfahrensrecht - weder Selbstzweck noch haben sie Strafcharakter, sondern sollen lediglich einer sachgerechten Entscheidungsfindung dienen. Ihrem strengen Ausnahmecharakter ist daher auch bei der Anwendung im Ein- zelfall unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 55, 72, 93; BGHZ 75, 340, 348; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002 § 531 Rdn. 7). Das aber wäre bei Nichtzulassung der Verjährungseinrede trotz unstreitiger Tatsachengrundlage nicht mehr gewahrt.
44
Der Ausschluss der Verjährungseinrede dient bei unstreitiger Tatsachengrundlage gerade nicht der materiell richtigen und gerechten Entscheidungsfindung , sondern führt im Gegenteil dazu, dass dieser Zweck des Berufungsverfahrens verfehlt wird. Für die betroffene Partei ist der Ausschluss der Einrede besonders hart, weil sie - anders als in den Fällen des § 533 ZPO - nicht mehr in einem anderen Verfahren geltend gemacht werden kann, sondern endgültig verloren ist.
45
Die Nichtzulassung ist auch nicht wegen schützenswerter Interessen der Allgemeinheit oder des Prozessgegners geboten. Das allgemeine Interesse an der schonenden Inanspruchnahme der „knappen Ressource Recht“ wird durch die Zulassung nicht wesentlich tangiert. Ist das der Einrede zugrunde liegende Tatsachenvorbringen unstreitig, kann es ohne weiteres der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde gelegt und damit zügig eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen werden; einer etwaigen verzögernden Geltendmachung der Einrede kann im Übrigen durch § 530 ZPO i.V. mit §§ 520, 521 Abs. 2 ZPO begegnet sowie bei der Kostenentscheidung Rechnung getragen werden (§ 97 Abs. 2 ZPO).
46
Anerkennenswerte Interessen des Prozessgegners stehen einer Zulassung der Einrede auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts prozessualer Gerechtigkeit und des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren nicht entgegen (a.A. Schenkel MDR 2005, 726, 727; OLG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris Tz. 57 f.). Soweit der Gegner sich zu neuem Vorbringen (etwa bei Erhebung der Einrede in der Berufungsverhandlung) nicht sofort erklären kann, besteht die Möglichkeit eines Schriftsatznachlasses.
47
Die Nichtzulassung der Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage wäre eine reine Strafe für nachlässiges prozessuales Verhalten, die sich - anders als im Fall des § 530 ZPO - weder durch prozessökonomische Gründe noch durch schützenswerte Interessen des Prozessgegners rechtfertigen lässt. Dem Gesichtspunkt materieller Ge- rechtigkeit ist daher durch Zulassung der Einrede Vorrang zu geben (vgl. OLG Hamm NJW 2003, 2325, 2326; OLG Karlsruhe MDR 2004, 1020 und OLGR 2006, 526, 528; OLG Frankfurt am Main OLGR 2005, 558, 561).
Nobbe Müller Ellenberger
Schmitt Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 14.07.2005 - 6 O 5142/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 07.04.2006 - 12 U 1605/05 -

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 197/07 Verkündet am:
23. Januar 2009
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die aus § 1041 Satz 1 und 2 BGB folgenden Erhaltungspflichten des Nießbrauchers
werden durch die Vorschrift des § 1050 BGB nicht eingeschränkt.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2009 - V ZR 197/07 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. November 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Vater der Klägerin übertrug dieser durch notariellen Vertrag vom 8. April 1971 das Eigentum an einem Gewerbegrundstück. Gleichzeitig räumte er seiner Ehefrau, der Beklagten, ein lebenslanges Nießbrauchrecht an dem Grundstück ein. In Ziffer 6 des Vertrages heißt es: "Abweichend von § 1050 BGB wird vereinbart, daß die Nießbraucherin auch die Veränderung und Verschlechterung des belasteten Grundbesitzes zu vertreten hat. Sie ist berechtigt, hieran sämtliche Reparaturen und sonstige bauliche Änderungen vorzunehmen und die steuerliche Absetzung für Abnutzung geltend zu machen."
2
In den Jahren 2001 bis 2005 wandte die Beklagte 71.020,16 € für die Sanierung bzw. Instandhaltung der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude auf. Mit der in der Revisionsinstanz allein noch maßgeblichen Widerklage verlangt sie von der Klägerin, ihr diese Kosten zu erstatten.
3
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Widerklageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte könne von der Klägerin keinen Aufwendungsersatz für die vorgenommenen Reparaturen verlangen. Die Auslegung von Ziffer 6 der notariellen Vereinbarung ergebe, dass die Beklagte auch die Kosten außergewöhnlicher Verwendungen auf die Gebäude zu tragen habe. Die Umkehrung des Regelungsgehalts des § 1050 BGB führe zwangsläufig zu einer grundlegenden Veränderung der Haftungsverteilung zwischen Eigentümer und Nießbraucher. Aus der gewollten umfassenden und unbeschränkten Haftung der Beklagten für alle Veränderungen und Verschlechterungen der Sache folge, dass sie alle erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen auf ihre Kosten durchführen müsse. Die in § 1041 BGB vorgesehene Beschränkung ihrer Unterhaltungspflicht auf gewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen sei damit hinfällig.

II.

5
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Beklagte ihre Aufwendungen für die Gebäudereparaturen, unabhängig davon, ob es sich dabei um gewöhnliche oder außergewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen handelt, nicht nach den §§ 1049 Abs. 1, 683, 684 BGB ersetzt verlangen kann.
6
1. Grundsätzlich hat der Nießbraucher die belastete Sache zwar nur in ihrem wirtschaftlichen Bestand, nicht aber in ihrem Kapitalwert zu erhalten (§ 1041 Satz 1 BGB). Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören (§ 1041 Satz 2 BGB). Hierzu zählen Erhaltungsmaßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind (Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1291; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 4. Aufl., § 1041 Rdn. 4; Soergel /Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1041 Rdn. 3). Darunter fallen insbesondere die normalen Verschleißreparaturen, während etwa die vollständige Erneuerung der Dacheindeckung eines Hauses als außergewöhnliche Maßnahme den Nießbraucher nicht belasten kann (vgl. Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 392/02, aaO, S. 1292; BGH, Urt. v. 7. Juli 1993, IV ZR 90/92, NJW 1993, 3198, 3199; Urt. v. 13. Juli 2005, VIII ZR 311/04, NJW-RR 2005, 1321, 1322).
7
2. Etwas anderes gilt indessen, wenn es dem Nießbraucher in Abweichung von der Regelung in § 1041 Satz 2 BGB obliegt, auch außergewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen durchzuführen. In diesem Fall kann er seine Aufwendungen nicht nach § 1049 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen (vgl. Staudinger /Frank, BGB [2002], § 1049 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 1049 Rdn. 1).
8
Ein solcher Fall liegt hier nach der Auslegung von Ziffer 6 des notariellen Übergabevertrages durch das Berufungsgericht vor, wonach die Parteien der Beklagten durch die abweichende Vereinbarung zu § 1050 BGB sämtliche Erhaltungspflichten bezüglich des Grundstücks und der darauf befindlichen Gebäude auferlegt haben. Diese Auslegung ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich dahin, ob der Tatrichter die gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 150, 32, 37; 137, 69, 72; 131, 136, 138). Solche Fehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
9
a) Entgegen der Auffassung der Revision liegt der Auslegung kein unzutreffendes Verständnis des Verhältnisses der in § 1050 BGB und § 1041 BGB enthaltenen Regelungen zugrunde. Das wäre allerdings anders zu beurteilen, wenn die Annahme der Revision zuträfe, die Vorschrift des § 1050 BGB beschränke die Pflichten des Nießbrauchers aus § 1041 BGB. In diesem Fall hätte die Veränderung des Regelungsgehalts von § 1050 BGB im Zweifel nicht zu einer Erweiterung der in § 1041 enthaltenen Verpflichtungen der Beklagten geführt. Vielmehr hätte das Berufungsgericht dann erwägen müssen, ob sich die Bedeutung der Vereinbarung in Ziff. 6 des Übergabevertrages darin erschöpfen sollte, der Beklagten die Möglichkeit zu nehmen, die von ihr nach § 1041 BGB zu tragenden gewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen unter Berufung auf eine ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs auf die Klägerin als Eigentümerin abzuwälzen. Der Ausgangspunkt dieser Überlegung der Revision, wonach § 1050 BGB die Verpflichtungen aus § 1041 BGB einschränkt, ist indessen unzutreffend.
10
aa) Allerdings werden zu dem Verhältnis der Regelungen in § 1050 und § 1041 BGB unterschiedliche Auffassungen vertreten.
11
(1) Teilweise wird angenommen, § 1050 BGB begrenze die in § 1041 BGB geregelte Erhaltungspflicht. Der Nießbraucher müsse die zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehörenden Ausbesserungen und Erneuerungen nach § 1041 BGB nicht vornehmen, soweit die Verschlechterung der Sache auf dem ordnungsgemäßen Gebrauch beruhe (OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 686, 688; Soergel/Stürner, aaO, § 1041 Rdn. 1; § 1050 Rdn. 1; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1041 Rdn. 1). Dies gelte jedenfalls für die Erhaltungspflicht nach § 1041 Satz 1 BGB (Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 1050 Rdn. 1; wohl auch NK-BGB/Lemke, 2. Aufl., § 1041 Rdn. 4; § 1050 Rdn. 2).
12
(2) Nach anderer Auffassung bleiben die Pflichten des Nießbrauchers aus § 1041 BGB durch die Regelung in § 1050 BGB unberührt (OLG Zweibrücken OLGZ 1984, 460, 461; Staudinger/Frank, BGB [2002], § 1041 Rdn. 2; § 1050 Rdn. 2; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 4. Aufl., § 1041 Rdn. 3; § 1050 Rdn. 1 f.; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 2. Aufl., § 1050 Rdn. 3; PWW/Eickmann, BGB, 3. Aufl., § 1050 Rdn. 2; juris-PK/Lenders, 3. Aufl., § 1050 Rdn. 3; vgl. auch Schön, Der Nießbrauch an Sachen, S. 83). Die Beschränkung der Haftung des Nießbrauchers nach § 1050 BGB betreffe nur Veränderungen und Verschlechterungen der Sache, die nicht nach § 1041 BGB beseitigt werden müssten. § 1041 BGB schränke deshalb die Regelung des § 1050 BGB ein und nicht umgekehrt (MünchKomm-BGB/Pohlmann, aaO).
13
bb) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Die Vorschrift des § 1050 BGB trifft keine eigenständige Regelung zu den Instandhaltungspflichten des Nießbrauchers, sondern belastet den Eigentümer neben dem Risiko einer zufälligen Beschädigung oder Zerstörung der Sache mit deren im Lauf der Zeit allmählich eintretenden Kapitalminderung. Hierbei handelt es sich lediglich um die Klarstellung, dass den Nießbraucher keine Kapitalerhaltungspflicht trifft, er also nicht für Verschlechterungen der Sache haftet, die trotz Durchführung der gesetzlich geschuldeten Erhaltungsmaßnahmen eintreten (vgl. Staudinger /Frank, BGB [2002], § 1050 Rdn. 1; Schön, Der Nießbrauch an Sachen, S. 83 u. 111).
14
Dieser Regelungsgehalt wird aus der Entstehungsgeschichte der Norm deutlich. In dem ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs stand die Vorläuferregelung in § 1007 E-BGB noch im Zusammenhang mit den Pflichten des Nießbrauchers bei Beendigung des Nießbrauchs. Sie bestimmte, dass die belastete Sache in dem Zustand zurückzugewähren war, in welchem sie sich bei Begründung des Nießbrauchs befand, schränkte diese Verpflichtung im zweiten Halbsatz aber dahin ein, dass der Nießbraucher nicht wegen Veränderungen und Verschlechterungen hafte, welche durch die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs, durch Alter oder durch einen anderen von ihm nicht zu vertretenden Umstand entstanden seien (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band III, S. XLIX, sowie MünchKommBGB /Pohlmann, 4. Aufl., § 1050 Rdn. 1). Die Vorschrift bezweckte nur die Klarstellung , dass der Nießbraucher nicht zum Ausgleich des Wertverlusts verpflichtet ist, der auf dem normalen Alterungs- und Abnutzungsprozess beruht (vgl. Motive zu dem Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band III, S. 520 sowie S. 504 u. 510). Eine Einschränkung der in anderen Vorschriften niedergelegten Pflicht des Nießbrauchers, während seiner Besitzzeit für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen, war damit nicht verbunden. Die späteren Änderungen des Wortlauts haben hieran in der Sache nichts geändert ; ihnen ist, auch soweit es die Erwähnung der durch das Alter der Sache eingetretenen Verschlechterungen betrifft, nur redaktionelle Bedeutung beizumessen (vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band III, S. 401; sowie Planck/ Brodmann, BGB, 5. Aufl., § 1050 Anm. 1 a.E.).
15
Dieser systematische Zusammenhang gilt auch für das Verhältnis von § 1050 zu § 1041 BGB. Zu den grundlegenden Pflichten des Nießbrauchers gehört das in § 1036 Abs. 2 BGB und § 1041Satz 1 BGB enthaltene Gebot, die belastete Sache ordnungsgemäß zu bewirtschaften und in einem Zustand zu erhalten, dass sie gemäß ihrer bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung genutzt werden kann (vgl. KG DNotZ 2006, 470, 472; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 4. Aufl. § 1036 Rdn. 17; Staudinger/Frank, BGB [2002], § 1036 Rdn. 12 ff.; NKBGB /Lemke, § 1036 Rdn. 20 ff.). Dieser Wesenskern des Nießbrauchs würde indessen ausgehöhlt, wenn § 1050 BGB als Einschränkung der Verpflichtung des Nießbrauchers anzusehen wäre, die Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten. Der Nießbraucher könnte von der Durchführung laufend anfallender gewöhnlicher Erhaltungsmaßnahmen dann nämlich häufig mit der Begründung absehen, der Instandhaltungsbedarf sei auf die gewöhnliche Abnutzung der belasteten Sache und damit auf die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs zurückzuführen. Damit wäre die Pflicht des Nießbrauchers zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache in ihr Gegenteil verkehrt. Dass nicht dies, sondern ein Vorrang der Erhaltungspflicht des Nießbrauchers der Intention des Gesetzes entspricht, wird durch den in § 1050 BGB enthaltenen Verweis auf die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs deutlich; zu dieser gehört die Erfüllung der sich aus §§ 1036 Satz 2, 1041 BGB ergebenden Pflichten (so auch MünchKomm-BGB/Pohlmann, aaO, § 1051 Rdn. 2). Soweit nach diesen Vorschriften Erhaltungsmaßnahmen geschuldet sind, kann sich der Nießbraucher deshalb nicht darauf berufen, dass das Reparaturbedürfnis durch die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs eingetreten ist. § 1050 BGB betrifft vielmehr nur Veränderungen und Verschlechterungen der Sache, die trotz laufender Unterhaltung der Sache eintreten und stellt klar, dass diese dem Eigentümer zur Last fallen (Staudinger/Frank, aaO, § 1050 Rdn. 1 u. 2; Planck/Brodmann, BGB, 5. Aufl., § 1041 Anm. 1).
16
b) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts , mit der Umkehrung des Regelungsgehalts von § 1050 BGB sei die Verpflichtung der Beklagten verbunden, abweichend von § 1041 Satz 2 BGB auch die Kosten von ihr durchgeführter außergewöhnlicher Unterhaltungsmaßnahmen des Grundstücks zu tragen.
17
aa) Hat der Nießbraucher in Abweichung von § 1050 BGB für die allgemeine Entwertung der Sache einzustehen, die auch bei ordnungsgemäßer laufender Unterhaltung infolge von Abnutzung und Alter eintritt, ist er zur Erhaltung des vollen Kapitalwerts der Sache verpflichtet. Damit obliegen ihm zwangsläufig auch die außergewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen. Denn sie dienen dazu, den altersbedingten Wertverlust durch grundlegende Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen auszugleichen. Wird beispielsweise die vollständige Neueindeckung eines Hauses notwendig, weil das Dach im Laufe der Jahrzehnte marode geworden ist, handelt es sich um eine durch das Alter der belasteten Sache bedingte Maßnahme. Da der Nießbraucher für eine solche Verschlechterung der Sache nach § 1050 BGB nicht einzustehen hat, muss er nach dem Gesetz (§ 1041 Satz 2 BGB) auch die Kosten für die Dacheindeckung nicht übernehmen (vgl. Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1292). Hat er dagegen auch für die allgemeine Verschlechterung der Sache einzustehen , muss er das durch Zeitablauf abgenutzte Dach erneuern, um den eingetretenen Wertverlust der Sache auszugleichen und so ihren Kapitalwert zu erhalten.
18
bb) Entgegen der Auffassung der Revision waren die Parteien rechtlich nicht gehindert, eine von § 1050 BGB abweichende Regelung zu treffen. Zwar wird angenommen, dass die Vorschrift nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar ist (vgl. BayObLG DNotZ 1986, 151, 153 f.; MünchKomm-BGB/Pohlmann, aaO, § 1050 Rdn. 3; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 1050 Rdn. 1; Schö- ner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 1375; Schön, Der Nießbrauch an Sachen S. 281). Etwas anderes gilt aber für eine nur schuldrechtlich wirkende Vereinbarung, wie sie zwischen den Parteien in dem Vertrag vom April 1971 getroffen worden ist. In dem der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegenden Kausalverhältnis können dem Nießbraucher besondere, von dem Wesen des Nießbrauchs abweichende schuldrechtliche Verpflichtungen auferlegt werden (vgl. Staudinger-Frank, BGB [2002], Vorbem. zu §§ 1030 Rdn. 18; Schön, aaO, S. 345).
19
cc) Nach dieser schuldrechtlichen Vereinbarung richtet sich auch, ob der Nießbraucher notwendige außergewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen bereits während der Dauer des Nießbrauchs durchzuführen hat, oder ob er den während seiner Besitzzeit eingetretenen Wertverlust der Sache erst bei Beendigung des Nießbrauchs ausgleichen muss. Vorliegend legt die Regelung in Ziffer 6 des Übergabevertrages, nach der die Nießbraucherin berechtigt sein soll, sämtliche Reparaturen und sonstige bauliche Änderungen an der belasteten Sache vorzunehmen, nahe, dass es ihrer Entscheidung überlassen ist, ob und ggf. welche außergewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen sie während ihrer Besitzzeit durchführt. Einer abschließenden Entscheidung bedarf die Frage indessen nicht, weil die Parteien nur um die Kosten für von der Beklagten bereits durchgeführte Maßnahmen streiten. Solche fallen ihr, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, in jedem Fall zur Last.
20
c) Die Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung durch das Berufungsgericht verstößt schließlich nicht gegen den zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln zählenden Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 131, 136, 138).
21
Dass die Beklagte während ihrer Besitzzeit die zum Erhalt des Kapitalwerts des Grundstücks notwendigen finanziellen Lasten vollständig tragen soll, während die Klägerin von allen diesbezüglichen Belastungen befreit ist, steht mit dem erkennbaren Zweck der Vereinbarung vom 8. April 1971 in Einklang. Danach wurde das Grundstück der Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich übertragen, während seine Nutzungen zu Lebzeiten der Beklagten nur dieser zugute kommen sollten. Dass die Klägerin während dieses Zeitraums von jeglichen Belastungen des Grundbesitzes befreit sein soll, wird vor allem aus der Vereinbarung deutlich, wonach die Beklagte berechtigt ist, die Kosten für die steuerliche Absetzung für Abnutzung geltend zu machen. Diese Abschreibungsmöglichkeit stand nämlich auch schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur dem wirtschaftlichen Eigentümer zu, also demjenigen, der unter völligem Ausschluss des Eigentümers im Rechtssinne die mit dem Grundstück verbundenen Nutzungen und Lasten einschließlich des allgemeinen Wertverzehrs trägt (vgl. BFH BB 1972, 345; 1974, 634, 635; vgl. auch Bamberger /Roth/Wegmann, BGB, 2. Aufl., § 1041 Rdn. 2). Die Regelung ist auch interessengerecht , da die Klägerin zu Lebzeiten der Beklagten weder von den Nutzungen des Grundstücks noch von dem Nießbrauchsrecht der Beklagten profitiert.
22
d) Anders als die Revision meint, spricht der Umstand, dass der Zustand des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht dokumentiert worden ist, nicht denknotwendig gegen die Verpflichtung der Beklagten zum Erhalt des Kapitalwerts der Sache. Abgesehen davon, dass es beiden Parteien freistand , den Zustand der Sache durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen (§ 1034 BGB), ist es ohne weiteres denkbar, dass eine Auseinandersetzung über den genauen Zustand, in dem das Grundstück nach dem Tod der Beklagten von deren Erben zurückzugeben ist, von den familiär verbundenen Beteiligten als unwahrscheinlich angesehen und eine Dokumentation des Zu- standes bei Vertragsschluss deshalb für entbehrlich erachtet wurde. Hinzukommt , dass sich die unterlassene Feststellung nicht zu Lasten der Nießbraucherin , sondern allenfalls nachteilig für die Klägerin auswirkt, da sie nach Ende des Nießbrauchs gegebenenfalls beweisen muss, dass die Beklagte ihre Kapitalerhaltungspflicht verletzt und deshalb Schadensersatz zu leisten hat (vgl. MünchKomm-BGB/Pohlmann, aaO, § 1055 Rdn. 6; NK-BGB/Lemke, 2. Aufl., § 1055 Rdn. 8).
23
Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Mieterlöse des Grundstücks ausreichen, um die notwendigen außergewöhnlichen Erhaltungsaufwendungen zu finanzieren. Denn es bleibt dem Nießbraucher unbenommen, auf den Nießbrauch zu verzichten, wenn die Aufwendungen, die erforderlich sind, um seiner Erhaltungspflicht zu genügen, den Ertrag der Sache aufzehren oder gar übersteigen (vgl. RGZ 72, 101, 102; 153, 29, 35; BayObLGZ 1985, 6, 12).

III.

24
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 03.05.2006 - 5 O 262/05 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.11.2007 - 15 U 80/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 229/07
Verkündet am:
8. Januar 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft
sitzenden Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution
zu stellen, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht
anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der
Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur
längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht (Abgrenzung
zu den Senatsurteilen vom 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004,
3630 und 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267).
BGH, Urteil vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2007 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der beklagte Anwalt vertrat den Zeugen W. in einem gegen den Zeugen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung. In diesem Verfahren befand sich der Zeuge seit August 2002 in Untersuchungshaft. Im Oktober 2002 rief der Beklagte bei dem Steuerberater des Klägers an - der auch Steuerberater des Zeugen W. war - und regte an, der Steuerberater solle sich bei Freunden und Bekannten des Beschuldigten um die Aufbringung einer Kaution von insgesamt 50.000 € bemühen.

2
Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Steuerberater bereit, einen Betrag von 25.000 € zu übernehmen. Diesen Betrag überwies er alsbald auf ein Fremdgeldkonto des Beklagten. Auf dem Überweisungsträger vermerkte er entsprechend einem Vorschlag des Steuerberaters die Worte "Darlehen an W. w/Kaution"; der Buchstabe "w" stand für das Wort "wegen".
3
Zu einer Anordnung über die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung kam es nicht. Der Beklagte verwendete den vom Kläger überwiesenen Betrag für offene Honorarforderungen gegen den Zeugen W .
4
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen Betrages. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Der Anwalt, der Fremdgeld in Empfang nehme, welches von einem Dritten zugunsten eines Mandanten eingezahlt werde, handele in der Regel allein als Vertreter des Mandanten. Das stehe der Annahme eines Auftragsverhältnisses, also der Begründung eigener Pflichten des Anwalts gegenüber dem Dritten, entgegen. Zwar könne sich unter besonderen Umständen etwas anderes ergeben, nämlich wenn diese Umstände den Schluss darauf begründeten, der Anwalt habe eigenständige (Treuhand-)Verpflichtungen gegenüber dem Einzahler übernommen. Solche Umstände seien hier aber nicht zu erkennen.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe hinsichtlich der Verwendung des vom Kläger auf das Fremdgeldkonto überwiesenen Betrages keinerlei Bindungen unterlegen, ist unzutreffend. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist ein Auftrag zustande gekommen, allerdings beschränkt allein darauf, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes Sorge zu tragen. Da diese Verwendung des Geldes nicht möglich war, hat der Beklagte das Erlangte gemäß § 667 BGB an den Kläger herauszugeben.
9
Die Auslegung von Willenserklärungen der Parteien und von Vertragsbestimmungen obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952; 953 v. 13. Mai 2004 - III ZR 368/03, NJW-RR 2004, 1356, 1357; v. 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06 Rn. 18 z.V.b.).
10
Diese Überprüfung ergibt jedoch vorliegend, dass das Berufungsgericht Auslegungsregeln und Erfahrungssätze verletzt und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zustandekommen von Auftragsverhältnissen in derartigen Konstellationen missverstanden und zu eng ausgelegt hat.
11
a) Das Berufungsgericht hat auf zwei Urteile des Senats Bezug genommen , die einen ähnlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630, 3631; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267). Dort ging es jedoch jeweils um die Sicherstellung der Rückführung des als Kaution oder Zahlung auf Steuern tatsächlich bereits bestimmungsgemäß verwendeten Geldes. Hinsichtlich solcher zusätzlicher , über die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehender Pflichten hat der Senat den konkludenten Abschluss eines Anwaltsvertrages abgelehnt. Wer als Verteidiger zum Zwecke der Hinterlegung einer Kaution bei Gericht bestimmte Gelder von dritter Seite für einen Mandanten entgegennimmt, begründet dadurch keine zusätzlichen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Geldgeber , sofern sich nicht aus den getroffenen Absprachen oder den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Der Rechtsanwalt , der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem Dritten in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung geleistet wird, handelt in der Regel allein als Vertreter seines Auftraggebers. Das folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4, § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO), weil die Interessen des Dritten in der Regel nicht mit denjenigen der vom Anwalt vertretenen Partei identisch sind (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631, v. 12. Oktober 2006 aaO S. 267 Rn. 8).
12
b) Vorliegend geht es - anders als in den genannten Fällen - nicht darum, ob den Beklagten anwaltliche Beratungs- oder Sicherungspflichten trafen, um die Rückführung des bestimmungsgemäß verwendeten Geldes sicherzustellen, oder dieses Geld längerfristig zu verwalten.
13
Vielmehr geht es um die Frage, ob der Anwalt die Zweckbestimmung für das Geld beachten muss oder dieses von vorneherein anderweitig verwenden und als freies Vermögen seines Mandanten behandeln darf, etwa nach dessen anderweitigen Weisungen darüber verfügen oder mit seinen eigenen Ansprüchen gegen den Mandanten aufrechnen und sich so befriedigen darf.
14
Insoweit steht nicht der Abschluss eines Anwaltsvertrages in Frage. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Darum geht es insoweit nicht. Der Beklagte sollte gegenüber dem Kläger zu keiner Rechtsberatung verpflichtet sein.
15
2. Ein allgemeiner, nicht mit Rechtsberatung verbundener Auftrag kann auch mit einem Anwalt zustande kommen. Er kann konkludent geschlossen werden, wenn das Verhalten des einen Teils bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben gemäß §§ 133, 157 BGB als eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen war und das Verhalten des anderen Teils als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte (vgl. für den Anwaltsvertrag: BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631).
16
Beklagte Der hat hier über den Steuerberater des Klägers von den Freunden und Bekannten des Beschuldigten Geldbeträge zu dem Zweck eingeworben , eine Kaution für den Beschuldigten stellen zu können. Die Überweisung des hierzu bereiten Klägers sah als Zweckbestimmung ausdrücklich vor, dass das Geld diesem Zweck der Kautionsstellung dienen sollte. Daran änderte nichts der Umstand, dass die Zahlung als Darlehen an den Beschuldigen bezeichnet wurde. Damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, in welcher Form der Kläger Geld zur Verfügung stellen wollte, nämlich als Darlehen, das nach Verwendung als Kaution rückzahlbar sein sollte, nicht dagegen etwa als Schenkung. Nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte durfte der Kläger und musste der Beklagte annehmen, dass aufgrund dieser Umstände eine Verwendung des Geldbetrages durch den allein über das Konto verfügungsberechtigten Beklagten auch im Verhältnis zum Kläger nur zu dem vorgesehenen Zweck erfolgen durfte, insoweit also vom Kläger eine Bindung in Form eines Auftrags erwartet wurde, die der Beklagte auch akzeptiert hat.
17
Demgemäß durfte der Beklagte nur zu diesem Zweck über den erlangten Geldbetrag verfügen. Eine Verfügung zu anderen Zwecken hätte der Zustimmung des Klägers bedurft. Weitergehende Pflichten, etwa zur Beratung des Klägers oder zur Sicherung seiner Rückforderungsansprüche, hatte er dagegen nicht. Ein Anwaltsvertrag ist mangels entsprechender Einigung nicht zustande gekommen.
18
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem zur Sachentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Eine andere Auslegung des Willens der Parteien ist nach den festgestellten Tatsachen ausgeschlossen.
19
Der Beklagte hat den in Rede stehenden Betrag im Sinne von § 667 BGB zur Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das eingezahlte Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der Beklagte nur frei geworden, wenn er das Geld auftragsgemäß weitergeleitet hätte (BGH, Urt. v. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, ZIP 2004, 171, 172). Da dies nicht geschehen ist, hat er den Betrag an den Kläger zurückzuzahlen.
20
Ob der Beschuldigte W. nach seiner Haftentlassung den Beklagten angewiesen hat, den Betrag anderweitig zu verwenden, ist unerheblich. Die Bindung der Mittelverwendung zwischen den Parteien konnte der Mandant des Beklagten nicht aufheben oder ändern. Der Beschuldigte sollte, ebenso wie der Beklagte, nicht befugt sein, das Geld anderweitig, etwa für seine Lebensführung oder für Anschaffungen oder zur Schuldentilgung zu verwenden. Derjenige, der darlehenshalber Geld für eine Kaution zur Verfügung stellt, will lediglich dazu beitragen, dass der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Er erwartet , dass er nach Wegfall dieses Zwecks das Geld wieder zurück erhält.
21
Die angeblichen Forderungen des Zeugen W. konnten jedenfalls mangels Gegenseitigkeit mit der Klageforderung nicht aufgerechnet werden.
Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 01.12.2006 - 1 O 279/06 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 20.07.2007 - 24 U 21/07 -

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 208/06 Verkündet am:
16. November 2007
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In einem Vertrag zugunsten Dritter muss der begünstigte Dritte nicht konkret bezeichnet
werden; es genügt, wenn er bestimmbar ist (im Anschluss an BGHZ 75, 75).
BGH, Urt. v. 16. November 2007 - V ZR 208/06 - OLG Hamm
LG Bochum
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
am 16. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann sowie die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. August 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Stadt G. wollte erreichen, dass drei städtische Grundstücke mit Mietwohnhäusern bebaut und die dafür notwendigen Stellplätze in einer auf einem vierten städtischen Grundstück zu errichtenden Stellplatzanlage geschaffen wurden. Zu diesem Zweck schloss sie 1994 mit der Klägerin, der Beklagten und einem weiteren Erwerber Kaufverträge über je eines dieser Grundstücke. In den Verträgen waren jeweils gleichlautend eine Bebauungsverpflichtung und die Verpflichtung enthalten, sich am Bau der Stellplatzanlage auf dem vierten Grundstück zu beteiligen, dieses anteilig zu erwerben und die für Errichtung, Betrieb und Unterhaltung der Anlage anfallenden Kosten anteilig zu tragen. Die Gemeinschaft sollte unauflöslich sein, ihre Einzelheiten unter den Erwerbern geregelt werden. Die Kaufverträge mit der Stadt G. wurden vollzogen. Die Verhandlungen der Klägerin mit der Beklagten und dem dritten Erwerber über die Bildung der Stellplatzanlagengemeinschaft scheiterten. 1995 belastete die Stadt das für die Stellplatzanlage vorgesehene vierte Grundstück mit Stellplatzbaulasten zugunsten der an den dritten Erwerber und die Beklagte verkauften Grundstücke und verkaufte es dann an die Klägerin, die darauf die Stellplatzanlage errichtete und betreibt. Diese übernahm die beiden Baulasten und sah in der Stellplatzanlage über die von ihr zu schaffenden 27 Stellplätze hinaus zwölf zusätzliche Stellplätze vor, von denen sieben auf das Grundstück der Beklagten entfallen. Sie vermietet alle Stellplätze selbst.
2
Die Klägerin forderte die Beklagte zur Beteiligung an den Errichtungskosten auf und bot ihr auch den Kauf von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück mit der Stellplatzanlage an. Als diese nicht reagierte, trat sie am 21. Dezember 2004 für die Stadt G. von dem Kaufvertrag der Stadt mit der Beklagten zurück. Zur Rückabwicklung kam es nicht. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt sie von der Beklagten, soweit hier von Interesse, aus eigenem und aus abgetretenem Recht der Stadt G. anteiligen Ersatz der Kosten für die Herstellung der Stellplatzanlage.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.

4
Das Berufungsgericht verneint vertragliche Ansprüche der Klägerin mit der Begründung, die Beklagte habe weder mit der Klägerin selbst noch mit der Stadt G. eine Vereinbarung getroffen, aus welcher sich eine Ersatzverpflichtung ergebe. Gesetzliche Ansprüche aus eigenem Recht seien nicht begründet. Ein Erstattungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitere daran, dass die Klägerin die Stellplatzanlage zur Erfüllung ihrer eigenen Stellplatzverpflichtung errichtet, jedenfalls aber auch in Ansehung der Stellplätze für die Mieter der Beklagten und des dritten Erwerbers als eigenes Geschäft geführt habe. Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung stehe entgegen, dass die Klägerin der Beklagten nichts geleistet und für ihre Maßnahmen auch in Gestalt der Absprachen mit der Stadt einen Rechtsgrund gehabt habe. Gesetzliche Ansprüche aus abgetretenem Recht der Stadt bestünden ebenfalls nicht. Geleistet haben könne die Stadt der Beklagten nur die Stellplatzbaulast. Für diese Leistung stelle der Kaufvertrag zwischen der Stadt und der Beklagten aber den erforderlichen Rechtsgrund dar. Die Einwände der Klägerin gegen dessen Bestand seien nicht begründet.

II.

5
Diese Überlegungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist aus eigenem Recht der Klägerin dem Grunde nach gerechtfertigt.
6
1. Die Klägerin kann von der Beklagten schon aufgrund von § 6 Abs. 2 des Kaufvertrags der Beklagten mit der Stadt G. i. V. m. § 328 BGB an- teiligen Ersatz der Aufwendungen für die Errichtung der Stellplatzanlage verlangen.
7
a) Das Berufungsgericht meint, in diesem Kaufvertrag sei eine Erstattungspflicht nicht vereinbart. Eine solche Auslegung ist im Revisionsverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich dahin, ob der Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 131, 136, 138; 135, 269, 273; 137, 69, 72; 150, 32, 37; BGH, Urt. v. 29. März 2000, VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509). In diesem Rahmen ist sie aber zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die anerkannte Auslegungsregel nicht beachtet, dass der Tatrichter bei seiner Willenserforschung insbesondere den mit der Absprache verfolgten Zweck (BGHZ 109, 19, 22), die Interessenlage der Parteien (BGH, Urt. v. 13. März 2003, IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236; Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054) und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen hat, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (Senat, Urt. v. 5. Juli 2002, V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165; Urt. v. 2. Februar 2007, V ZR 34/06, juris). Dieses Versäumnis kann der Senat nachholen, weil der Sachverhalt insoweit unstreitig ist und zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.
8
b) Die Interessenlage der Parteien wird durch die bauordnungsrechtliche Ausgangslage bestimmt. Nach § 47 Abs. 1 BauO NW a.F. (vom 26. Juni 1984, GV.NW. S. 419, in der hier maßgeblichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 24. November 1992, GV.NW. S. 467) durften die Wohngebäude, zu deren Errichtung sich die Beklagte wie auch die anderen beiden Erwerber verpflichtet hatten, nur errichtet werden, wenn gleichzeitig die erforderlichen Stellplätze geschaffen wurden. Eine Ablösung dieser Stellplatzpflicht nach Maßgabe von § 47 Abs. 6 BauO NW a. F. kam nicht in Betracht und sollte nach den Verträgen auch nicht erfolgen. Die Stellplätze sollten vielmehr durch die Erwerber geschaffen , abweichend von dem gesetzlichen Regelfall aber nicht auf den zur Wohnbebauung verkauften Grundstücken, sondern sämtlich auf einem dafür bereitgestellten Grundstück in einer gemeinsamen Stellplatzanlage. Dazu wiederum wurden die Erwerber in § 6 Abs. 2 der Verträge parallel zum anteiligen Erwerb des Grundstücks und zur Beteiligung am Bau der Anlage verpflichtet.
9
c) Zur Umsetzung dieser Verpflichtung war eine Regelung des Innenverhältnisses der Erwerber untereinander erforderlich. Diese sollte nach § 6 Abs. 2 der Kaufverträge nicht darin, sondern von den Erwerbern untereinander getroffen werden. Dabei bleibt die Regelung in den Kaufverträgen aber nicht stehen. Vielmehr wird dort "bereits jetzt vereinbart", dass unter anderem sämtliche Kosten für den Bau der Anlage von den zukünftigen Miteigentümern entsprechend ihren Anteilen zu tragen sind. Diese Vereinbarung lässt sich, das ist der Revisionserwiderung einzuräumen, von ihrem Wortlaut her als eine Vorgabe für die spätere Ausgestaltung des Innenverhältnisses durch die Erwerber untereinander verstehen. Sie kann aber auch eine nähere Ausgestaltung des Verhältnisses der in den Kaufverträgen bereits begründeten Erwerbs- und Bauverpflichtungen der Erwerber untereinander mit der Folge darstellen, dass die Pflicht zur anteiligen Kostentragung unabhängig von dem Zustandekommen der Gemeinschaft schon im Vorfeld ihrer Gründung besteht. Die zweite Sicht entspricht der Interessenlage. Dass die Kosten hier nicht entsprechend § 742 BGB zu gleichen Teilen, sondern nur nach der Anzahl der Stellplätze zu tragen sein sollten, konnte auch ohne eine besondere Vorfestlegung zwischen den Beteiligten nicht ernsthaft streitig sein. Den angestrebten Erfolg konnte die Stadt bei der gewählten Konstruktion paralleler vertraglicher Verpflichtungen nur erreichen, wenn die erfüllungsbereiten Erwerber die Möglichkeit hatten, die übrigen notfalls zur Erfüllung zu zwingen. Dazu reichte das in § 6 Abs 3 der Verträge jeweils vorgese- hene Rücktrittsrecht der Stadt nicht aus, weil es nur den jeweiligen Erwerber selbst unter Druck setzen und auch nur zur Rückabwicklung, nicht jedoch zu der eigentlich erstrebten Herstellung der Stellplatzanlage führen konnte. Dies ließ sich nur erreichen, wenn der erfüllungsbereite Erwerber in die Lage versetzt wurde, selbst die Stellplatzverpflichtung zu erfüllen. Da dazu die Errichtung der gemeinsamen Anlage erforderlich war, ließ sich das nur mit einem Rückgriffsanspruch gegen die anderen Erwerber nach dem Vorbild des § 748 BGB erreichen, der unabhängig von der Begründung der Errichtungsgemeinschaft bestand und diese später ohnehin anzuwendende Ausgleichsregelung in das Vorfeld des Gemeinschaftsvertrags verlagerte. Das schreibt die Klausel mit den Worten "bereits jetzt" fest. Wie § 748 BGB (dazu BGH, Urt. v. 28. November 1974, II ZR 38/73, WM 1975, 196, 197; RGZ 109, 167, 171; MünchKommBGB /Schmidt, 4. Aufl., § 748 Rdn. 11; Staudinger/Langhein, BGB [Bearb. 2002] § 748 Rdn. 20) bestimmt sie nicht nur einen Verteilungsmaßstab, sondern gewährt einen Ersatzanspruch.
10
d) Der Erstattungsanspruch sollte nicht der Stadt G. selbst zustehen. Diese wollte die Stellplatzanlage nämlich gerade nicht errichten, sondern erreichen, dass die Erwerber diese Aufgabe übernahmen. Dazu musste der Erstattungsanspruch in jedem Kaufvertrag zugunsten der jeweils übrigen Käufer begründet werden. Das geschieht in der in allen drei Verträgen gleichlautenden Klausel des § 6 Abs. 2 mit der Wendung "den künftigen Miteigentümern". Dass der Dritte nicht konkret bezeichnet wird, ist für die Wirksamkeit eines Vertrags zugunsten Dritter unerheblich. Es genügt, wenn der Dritte bestimmbar ist (BGHZ 75, 75, 78 f.; RGZ 106, 120, 126; Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 328 Rdn. 2). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.
11
e) Der Erstattungspflicht steht schließlich auch nicht der Rücktritt entgegen , den die Klägerin am 21. Dezember 2004 erklärt hat. Ob die Klägerin dazu aufgrund der Abtretung berechtigt war, ist zweifelhaft, kann aber unentschieden bleiben. Es bestand jedenfalls kein Rücktrittsgrund. Zu diesem Zeitpunkt war der Kaufvertrag mit der Stadt G. vollständig erfüllt, insbesondere die Stellplatzanlage errichtet. Es fehlte allein ein Vertrag zwischen den Erwerbern über die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Das Zustandekommen dieses Vertrags war für die Stadt ohne Interesse, weil ihre Ziele erreicht wurden und der Betrieb der Anlage durch die Klägerin gesichert ist. Damit schied ein Rücktritt nach § 326 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. aus. Auch auf § 6 Abs. 3 des Vertrags ließ sich der Rücktritt nicht stützen, weil er in der eingetretenen Lage unverhältnismäßig war. An das Übermaßverbot musste sich die Stadt halten, weil der Vertrag mit der Bebauungsverpflichtung und der Nutzungsbindung städtebauliche Ziele verfolgte und die Stadt bei seiner Ausführung deshalb (dazu: Senat, BGHZ 153, 93, 106; Urt. v. 30. September 2005, V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298, 300; Urt. v. 21. Juli 2006, V ZR 252/05, NJW-RR 2006, 1452, 1453; Urt. v. 22. Juni 2007, V ZR 260/06, BauR 2007, 1624 [Ls]) weiterhin den öffentlichrechtlichen Bindungen unterlag. Daran konnte die Abtretung ihrer Ansprüche nichts ändern.
12
2. Anteiligen Ersatz ihrer Aufwendungen kann die Klägerin unabhängig hiervon auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB verlangen.
13
a) Die Klägerin hat mit der Errichtung der Stellplatzanlage ein Geschäft der Beklagten besorgt, ohne dazu von dieser beauftragt oder sonst dazu berechtigt zu sein, und damit ein im Sinne von § 677 BGB fremdes Geschäft geführt.
14
aa) Die Klägerin war allerdings aufgrund ihres Kaufvertrags mit der Stadt G. über das von ihr mit einem Wohnhaus zu bebauenden Grundstück verpflichtet, sich an der Errichtung der Stellplatzanlage zu beteiligen und einen der Zahl der von ihr zu schaffenden Stellplätzen entsprechenden Anteil der Errichtungskosten zu tragen. In dem Kaufvertrag über das für die Stellplatzanlage vorgesehene Grundstück hat sie zudem die Baulasten für die von der Beklagten und dem dritten Erwerber zu schaffenden Stellplätze übernommen und sich zur Errichtung einer entsprechend größer dimensionierten Stellplatzanlage verpflichtet. Das führt aber nicht dazu, dass die Errichtung der Stellplatzanlage insgesamt als Eigengeschäft der Klägerin anzusehen ist. Die Führung eines fremden Geschäfts liegt nämlich nicht nur vor, wenn das Geschäft als ganzes fremd ist; es genügt vielmehr, wenn es auch ein fremdes Geschäft ist (BGHZ 65, 354, 357; 65, 384, 387; 110, 313, 314 f.; Senat, Urt. v. 8. Dezember 2006, V ZR 103/06, NJW-RR 2007, 672, 673).
15
bb) So liegt es hier. Die Errichtung der Stellplatzanlage war auch ein Geschäft der Beklagten, weil nicht nur die Klägerin, sondern - im Umfang ihrer Stellplatzpflicht - auch die Beklagte zu ihrer Errichtung verpflichtet war.
16
(1) Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 6 Abs. 2 des Kaufvertrags der Beklagten mit der Stadt G. . Danach hat sich die Beklagte an der Errichtung der gemeinschaftlichen Stellplatzanlage zu beteiligen und das Grundstück anteilig zu erwerben. Beides lässt sich, das ist der Revisionserwiderung einzuräumen , nur erreichen, wenn es vor oder bei dem Grundstückserwerb und der Durchführung der Baumaßnahmen zu dem gegebenenfalls auch konkludenten Abschluss eines Gemeinschaftsvertrags kommt. Das bedeutet aber nicht, dass die Erfüllung der Stellplatzverpflichtung durch das Zustandekommen dieses Vertrags aufschiebend bedingt ist. Denn dann stünde die Erfüllung der Verpflichtung letztlich im Belieben der Erwerber. Das war ersichtlich nicht gewollt. Auf eine solche Regelung hätte sich die Stadt, was ebenfalls offenkundig war, zudem nicht einlassen dürfen, weil sie § 47 BauO NW a. F. widersprach, wo- nach eine Befreiung von der Stellplatzpflicht nur gegen Zahlung eines Ablösebetrags und auch nur unter der hier nicht einschlägigen Voraussetzung zulässig war, dass die Schaffung der Stellplätze nicht möglich oder nicht zumutbar war. Die Klägerin war deshalb nicht nur zur Erfüllung ihrer Beteiligungs- und Erwerbsverpflichtung , sondern auch dazu verpflichtet, den hierfür erforderlichen Gemeinschaftsvertrag zustande zubringen.
17
(2) Die Verpflichtung hat die Beklagte nicht erfüllt. Sie hat die Stellplatzanlage nicht errichtet und sich an ihrer Errichtung nicht beteiligt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung einer Stellplatzbaulast an dem für die Errichtung der Stellplatzanlage vorgesehenen Grundstück. Diese Baulast stellt zwar die Nutzung des Grundstücks als Stellplatz rechtlich sicher. Die tatsächliche Möglichkeit, hiervon auch Gebrauch zu machen, musste aber erst durch die Errichtung der Stellplatzanlage geschaffen werden. Darüber besagt die Begründung von Baulasten nichts.
18
b) Der Fremdgeschäftsführungswille wird auch bei Geschäften, die, wie die Errichtung der Stellplatzanlage im vorliegenden Fall, zugleich objektiv eigene als auch objektiv fremde sind, vermutet (BGHZ 40, 28, 31; BGH, Urt. v. 23. September 1999, III ZR 322/98, NJW 2000, 72; Urt. v. 21. Oktober 2003, X ZR 66/01, NJW-RR 2004, 81, 82). Die von dem Berufungsgericht und der Revisionserwiderung angeführten Gesichtspunkte stellen ihn nicht in Frage.
19
aa) Die Klägerin hat das für die Stellplatzanlage vorgesehene Grundstück zwar allein erworben. Sie hatte sich, wie ausgeführt, verpflichtet, in der Stellplatzanlage auch Stellplätze für die Bauvorhaben der Beklagten und des dritten Erwerbers zu schaffen. Das ändert aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts am Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin nichts. Nach dem Kaufvertrag über das Grundstück für die Stellplatzanlage sollte die Klägerin die Anlage im wirtschaftlichen Ergebnis nicht allein errichten und finanzieren. Vielmehr ist auch in diesem Vertrag ausdrücklich vorgesehen, dass die Einzelheiten mit den anderen beiden Erwerben, also auch der Beklagten, geklärt werden sollen. Er verweist ausdrücklich auf den Kaufvertrag der Klägerin mit der Stadt G. über das zur Wohnbebauung vorgesehene Grundstück. Wirtschaftlich sollte die Klägerin also unverändert nur die Stellplätze schaffen, die durch ihre eigene Wohnbebauung veranlasst waren. Es blieb dabei, dass die anderen Erwerber die Kosten für die von ihnen zu schaffenden Stellplätze tragen sollten. Zu einer endgültigen Übernahme dieser Kosten durch die Klägerin kam es nicht.
20
bb) Auch die Verteilung der Risiken des Scheiterns der Verhandlungen über den Abschluss des vorgesehenen Vertrags über die Stellplatzanlagengemeinschaft vermag den Fremdgeschäftsführungswillen entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht in Frage zu stellen. Die Parteien haben zwar Verhandlungen über einen Vertrag zur Errichtung der Stellplatzanlage geführt, die ohne Erfolg blieben. Es trifft auch zu, dass eigene Aufwendungen im Vorfeld eines Vertragsschlusses keinen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag auslösen, wenn es nicht zum Vertragsschluss kommt, und dass jede Seite das Risiko eines Scheiterns von Vertragsverhandlungen selbst trägt (BGH, Urt. v. 23. September 1999, III ZR 322/98, NJW 2000, 72, 73). So liegt es hier aber nicht. Die Parteien haben ihre Verhandlungen nicht aus freien Stücken und auf eigenes Risiko geführt. Vielmehr waren sie beide hierzu und auch dazu verpflichtet, die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen. Beide mussten sich an der Errichtung der Stellplatzanlage beteiligen und das Grundstück zu Miteigentum erwerben. Dem entspricht es, wenn die Beklagte im Wege der Verpflichtung zum Aufwendungsersatz an dem Erwerbs- und Herstellungsrisiko beteiligt wird. Diese Risikoverteilung steht auch nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen der Parteien. Sie entspricht vielmehr den Vereinbarungen, die die Parteien in ihren jeweiligen Kaufverträgen mit der Stadt ausdrücklich getroffen haben.
21
c) Die Geschäftsführung entsprach auch dem Interesse der Beklagten, weil sie für sie objektiv nützlich war. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagte zur Schaffung der Stellplätze verpflichtet war und bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung nach § 6 Abs. 3 ihres Kaufvertrags mit dem Rücktritt der Stadt G. von dem Kaufvertrag und als Folge hiervon mit dem Verlust ihrer Investition rechnen musste.
22
d) Allerdings widersprach die Geschäftsführung dem Willen der Beklagten , die sich nicht an der Errichtung der Stellplatzanlage beteiligen wollte. Das ist aber nach § 679 BGB unerheblich. Die Klägerin erfüllte nämlich auch die öffentlich -rechtliche Pflicht der Beklagten aus § 47 Abs. 1 BauO NW a. F. die durch ihr Bauvorhaben veranlassten Stellplätze zu schaffen. An der Erfüllung dieser durch den Kaufvertrag nur näher ausgestalteten Pflicht bestand und besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Dieses ist auch erst durch die Errichtung der Anlage erreicht worden und nicht schon durch die Begründung einer Stellplatzbaulast an dem für die Anlage vorgesehenen Grundstück. Ohne die Anlage konnte das Grundstück nicht für den in der Baulast beschriebenen Zweck genutzt werden. Dass die Beklagte mit dem Kaufpreis nicht einverstanden war, den die Klägerin für das Grundstück bezahlt hat, stellt nicht die Geschäftsführung , sondern nur den Umfang des erstattungsfähigen Aufwands in Frage.

III.

23
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif. Die Beklagte hat den von der Klägerin geltend gemachten Aufwand bestritten. Dem ist das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht nachgegangen. In der neuen Verhandlung wird das nachzuholen und auch der Frage nachzugehen sein, welche - anzurechnenden oder herauszugebenden- Vorteile (Alleineigentum, Nutzungen) der Klägerin durch die Errichtung der Anlage entstanden sind. Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 15.12.2005 - 1 O 674/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.08.2006 - 5 U 25/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 23/06 Verkündet am:
18. Dezember 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Klingeltöne für Mobiltelefone
UrhG §§ 14, 39; AGBG § 9 Abs. 1 Bm; BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 Bm

a) In der Verwendung eines - nicht für diesen Verwendungszweck geschaffenen
- Musikwerkes als Klingelton liegt eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung
des Werkes i.S. des § 14 UrhG, die geeignet ist, die berechtigten
geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden.

b) Komponisten räumen der GEMA zwar nicht mit dem Abschluss eines Berechtigungsvertrages
in der Fassung des Jahres 1996, wohl aber mit dem
Abschluss eines Berechtigungsvertrages in der Fassung der Jahre 2002 oder
2005 sämtliche Rechte ein, die zur Nutzung ihrer Musikwerke als Klingeltöne
für Mobiltelefone erforderlich sind. Wird das Musikwerk so zum Klingelton
umgestaltet, wie dies bei Einräumung der Nutzungsrechte üblich und voraussehbar
war (§ 39 UrhG), bedarf es für die Nutzung eines Musikwerks als
Klingelton lediglich einer Lizenz der GEMA und keiner zusätzlichen Einwilligung
des Urhebers.

c) Die zwischen der GEMA und den Berechtigten geschlossenen Berechtigungsverträge
können nicht durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung
der GEMA einseitig geändert werden. Die Bestimmung des § 6 lit. a
Abs. 2 des GEMA-Berechtigungsvertrages in der Fassung des Jahres 1996
(„Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Abänderungen des Berechtigungsvertrages
, so gelten auch diese Abänderungen als Bestandteil
des Vertrages.“) ist unwirksam, weil sie die Berechtigten unangemessen benachteiligt.
BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - I ZR 23/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 18. Januar 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung gegen die Stattgabe der Klage der Klägerin zu 2 im Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 18. März 2005 zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 18. März 2005 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als das Landgericht der Klage der Klägerin zu 2 stattgegeben hat.
Die Klage der Klägerin zu 2 wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 2 und die Beklagte je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 2 zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte, eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft, bietet das Musikstück „Rock my life“ als Klingelton für Mobiltelefone im Internet zum Anhören und Herunterladen an. Der Kläger zu 1 ist der Komponist dieses Werkes. Die Klägerin zu 2 ist ein Musikverlag, mit dem der Kläger zu 1 einen Autorenexklusivvertrag geschlossen hat. Die Beklagte hat mit der schweizerischen Wahrnehmungsgesellschaft SUISA einen Vertrag über die Nutzung des von dieser wahrgenommenen Musikrepertoires als Klingelton für Mobiltelefone geschlossen , der am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist. Die SUISA und die deutsche Wahrnehmungsgesellschaft GEMA sind durch Repertoireaustauschverträge in der Weise miteinander verbunden, dass die SUISA für Deutschland in dem Umfang Rechte vergeben kann, wie sie von der GEMA wahrgenommen werden. Zwischen der GEMA und dem Kläger zu 1 besteht ein Berechtigungsvertrag zur Wahrnehmung der Rechte an dem Musikstück „Rock my life“.
2
Die Kläger sehen in dem Angebot der Beklagten eine Verletzung des § 14 UrhG und einen Verstoß gegen § 23 Satz 1 UrhG. Sie sind der Ansicht, die Beklagte benötige zur Verwertung des Musikwerkes als Klingelton nicht nur eine Lizenz der GEMA, sondern daneben stets auch noch ihre Einwilligung.
3
Die Kläger haben beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, Melodien und/oder Werkteile des Musikwerkes „Rock my life“ der Kläger als Handyklingelton zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder solche Vervielfältigungsstücke anzukündigen, feilzuhalten , anzubieten bzw. zu bewerben.
4
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
5
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Hamburg GRUR 2006, 323 = ZUM 2006, 335). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kläger könnten von der Beklagten nach § 97 Abs. 1 UrhG die Unterlassung der Verwendung des Musikwerkes „Rock my Life“ als Klingelton für Mobiltelefone verlangen. Hierzu hat es ausgeführt:
7
Die Verwendung eines Musikstücks als Klingelton für Mobiltelefone greife in die Rechte aus §§ 14, 23 Satz 1 UrhG ein. Die Zweckentfremdung von Musik zu einem Signalton sei als Beeinträchtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts zu werten. Das Angebot des auf wenige Takte gekürzten und digital bearbeiteten Musikstücks als Klingelton im Internet zum Anhören und Herunterladen stelle eine Vervielfältigung und ein öffentliches Zugänglichmachen eines unerlaubt bearbeiteten Musikstücks dar. Die Beklagte habe eine Nutzungsberechtigung nicht darzutun vermocht. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des zwischen der Beklagten und der SUISA geschlossenen Nutzungsvertrages am 1. Januar 2002 habe der GEMA-Berechtigungsvertrag die Nutzung eines Musikwerkes als Klingelton noch nicht erfasst. Auch die Änderungen des Berechtigungsvertrages im Sommer 2002 hätten die GEMA nicht berechtigt, die Bearbeitung eines Mu- sikwerkes als Klingelton zu gestatten. Es erscheine zwar möglich, § 1 lit. h Abs. 4 dieses Berechtigungsvertrages dahin auszulegen, dass der GEMA die Befugnis eingeräumt werde, die Rechte zur Verwendung eines Musikwerkes als Ruftonmelodie ohne Mitwirkung des Urhebers zu vergeben. Einer solchen Auslegung stehe jedoch das übereinstimmende Verständnis der Vertragspartner des Berechtigungsvertrages entgegen. Danach bestehe bei Klingeltönen ein zweistufiges Lizenzierungsverfahren, in dem die Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte durch die GEMA und die Bearbeitungsrechte durch die Urheber bzw. Verlage vergeben würden. Die Nutzungsrechte seien zwischen der GEMA und den Urhebern aufgespalten in die Wahrnehmungsrechte der GEMA bezüglich der Vervielfältigung, Verbreitung und Wiedergabe der Gesamtwerke auch in Form eines Klingeltons und die aus dem Persönlichkeitsrecht folgende Befugnis der Urheber, die Bearbeitung und Nutzung von Einzelpassagen der Werke als Klingelton zu gestatten. Daran habe sich durch die erneuten Änderungen des GEMA-Berechtigungsvertrages im Juni 2005 nichts geändert. Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie benötige jedenfalls insoweit keine Lizenz der Urheber, als sie nur eine „Cover-Version“ bereits genehmigter Klingelton-Versionen anderer Klingeltonanbieter anbiete bzw. ihre Version nur unwesentlich von derartigen Versionen abweiche.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin zu 2 nicht berechtigt, den erhobenen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Das Berufungsgericht hat jedoch im Ergebnis zu Recht angenommen , dass der Kläger zu 1 von der Beklagten verlangen kann, es zu unterlassen , das Musikstück „Rock my life“ als Klingelton für Mobiltelefone anzubieten.
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1. Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann bei Wiederholungsgefahr vom Verletzten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Die Kläger machen geltend, die Beklagte habe dadurch, dass sie das Musikstück „Rock my life“ als Klingelton für Mobiltelefone im Internet zum Anhören und Herunterladen angeboten habe, die nach §§ 14, 23 Satz 1 UrhG geschützten Rechte widerrechtlich verletzt. Der Urheber hat nach § 14 UrhG das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nach § 23 Satz 1 UrhG nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden.
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2. Bei dem Musikstück „Rock my life“ handelt es sich, wie das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet angenommen hat, um ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschütztes Werk der Musik.
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3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nur der Kläger zu 1, nicht aber die Klägerin zu 2 berechtigt, den erhobenen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Kläger sind anspruchsbefugt, wenn sie - eine widerrechtliche Verletzung der nach §§ 14, 23 Satz 1 UrhG geschützten Rechte durch die Beklagte unterstellt - Verletzte im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich des Klägers zu 1, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, erfüllt, da die Bestimmungen der §§ 14, 23 Satz 1 UrhG seine Rechte als Urheber schützen. Die Klägerin zu 2 ist hingegen, anders als das Berufungsgericht angenommen hat, nicht anspruchsberechtigt.
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Aus einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 14 UrhG) kann die Klägerin zu 2 keine Ansprüche herleiten, da dieses Recht allein dem Urheber zugeordnet ist. Auch unter dem Gesichtspunkt der unfreien Bearbeitung (§ 23 Satz 1 UrhG) kann sie der Beklagten nicht die Nutzung des Musikwerkes „Rock my life“ als Klingelton verbieten. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt und es ist auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Kläger zu 1 der Klägerin zu 2 mit dem im Jahre 1998 geschlossenen Autorenexklusivvertrag das ausschließliche Recht zur Nutzung seiner Werke als Ruftonmelodie eingeräumt hat (vgl. auch unten unter 5 a aa). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 auch nicht daraus, dass der Kläger zu 1 diese ermächtigt hat, seine Rechte im Wege der Prozessstandschaft zu verfolgen. Da der Kläger zu 1 seine Rechte im vorliegenden Rechtsstreit selbst geltend macht, fehlt es an einem rechtlich schutzwürdigen Interesse des Klägers zu 1, seine Rechte im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zusätzlich noch durch die Klägerin zu 2 geltend machen zu lassen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., Vor § 50 Rdn. 44).
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4. Das Berufungsgericht hat in der Verwendung des Musikwerkes „Rock my life“ als Klingelton für Mobiltelefone einen Eingriff in die Rechte des Klägers zu 1 aus §§ 14, 23 Satz 1 UrhG gesehen. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keine Rechtsfehler erkennen.
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a) In der Verwendung eines - nicht für diesen Verwendungszweck geschaffenen - Musikwerkes als Klingelton ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Werkes im Sinne des § 14 UrhG zu sehen, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden. Eine Beeinträchtigung im Sinne dieser Bestimmung setzt nicht notwendig vor- aus, dass das Werk selbst verändert wird; es genügt, dass die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk - ohne dessen inhaltliche Änderung - durch Form und Art der Werkwiedergabe und -nutzung beeinträchtigt werden können (BGHZ 150, 32, 41 f. - Unikatrahmen, m.w.N.). Die Zweckentfremdung eines Musikstücks zu einem Klingelton führt zu einer solchen Beeinträchtigung (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 249, 251; Hertin, KUR 2004, 101, 105 f.; Schunke, Das Bearbeitungsrecht in der Musik und dessen Wahrnehmung durch die GEMA, 2008, S. 113 ff.). Bei einer Verwendung als Klingelton wird das Musikwerk nicht als sinnlich-klangliches Erlebnis, sondern als - oft störender - Signalton wahrgenommen. Ein in der Komposition angelegter Spannungsbogen wird durch das Annehmen des Gesprächs zerstört. Bereits hierin liegt ein Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Verwendung eines Musikstücks als Klingelton darüber hinaus auch deshalb in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Komponisten eingreift, weil das verwendete Musikstück bearbeitet und umgestaltet worden ist. Es ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, letztlich auch ohne Bedeutung, inwieweit der Klang des Klingeltons dem Klang des Originalwerkes entspricht und ob es sich insbesondere um einen monophonen oder einen - dem Originalklang stärker angenäherten - polyphonen Klingelton handelt. Desgleichen spielt es keine Rolle, ob sich die Klangqualität der Tonwiedergabe durch den Lautsprecher von Mobiltelefonen mittlerweile verbessert hat.
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b) Das Angebot des auf wenige Takte gekürzten und digital bearbeiteten Musikstücks „Rock my life“ als Klingelton für Mobiltelefone im Internet stellt ferner , wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, eine gemäß § 23 Satz 1 UrhG nur mit Einwilligung des Urhebers erlaubte Verwertung des bearbeiteten und umgestalteten Werkes durch Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) dar.
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5. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass es der Beklagten, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, nicht gelungen ist, ihre Berechtigung zur Nutzung des bearbeiteten und umgestalteten Musikstücks als Klingelton darzutun.
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a) Die Beklagte konnte von der SUISA nicht mehr Rechte erwerben, als der Kläger zu 1 der GEMA zur Wahrnehmung eingeräumt hat. Ihre Berechtigung zur Nutzung des bearbeiteten und umgestalteten Musikstücks „Rock my life“ setzte daher voraus, dass der Kläger zu 1 der GEMA aufgrund des Berechtigungsvertrages sämtliche zur Nutzung seines Werkes als Klingelton erforderlichen Rechte eingeräumt hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass keine der im Hinblick auf das Inkrafttreten des Nutzungsvertrages der Beklagten mit der SUISA zum 1. Januar 2002 in Betracht zu ziehenden Fassungen des Berechtigungsvertrages die Rechte zur Bearbeitung eines Musikstücks als Klingelton für Mobiltelefone umfasste. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass mit dem Berechtigungsvertrag in der Fassung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung vom 9./10. Juli 1996 (GEMA Jahrbuch 2001/2002, S. 213; nachfolgend: Berechtigungsvertrag 1996) keine Rechte zur Klingeltonnutzung eingeräumt wurden. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, wurden durch die Berechtigungsverträge in den Fassungen aufgrund der Beschlüsse der Mitgliederversammlungen vom 25./26. Juni 2002 (GEMA Jahrbuch 2004/2005, S. 195; nachfolgend: Berechtigungsvertrag 2002) und vom 28./29. Juni 2005 (GEMA Jahrbuch 2006/2007, S. 176; nachfolgend: Berechtigungsvertrag 2005) jedoch sämtliche Rechte eingeräumt, die zur üblichen und voraussehbaren Nutzung von - auch bearbeiteten und umgestalteten - Musikwerken als Klingeltöne für Mobiltelefone erforderlich sind.
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aa) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts , es könne nicht angenommen werden, dass mit dem Berechtigungsvertrag 1996 die Rechte zur Nutzung von Musikwerken als Klingeltöne für Mobiltelefone eingeräumt worden seien. Nach § 1 lit. h des Berechtigungsvertrages 1996 „überträgt“ der Berechtigte der GEMA das Recht zur Wahrnehmung , Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text) in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder in Speicher ähnlicher Art einzubringen (Abs. 2) bzw. Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text), die in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder Speicher ähnlicher Art eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln (Abs. 3).
19
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung auf seine Entscheidung vom 4. Februar 2002 verwiesen (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 249, 250 ff.). Dort hat es näher ausgeführt, dass es sich bei der Nutzung von Musikwerken als Klingeltöne für Mobiltelefone jedenfalls im Jahr 1996 und auch noch im Jahr 1999 um eine noch nicht bekannte Nutzungsart gehandelt habe, für die nach § 31 Abs. 4 UrhG a.F. keine Rechte eingeräumt werden konnten (vgl. Landfermann, Handy-Klingeltöne im Urheber- und Markenrecht, 2006, S. 124). Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass unter einer noch nicht bekannten Nutzungsart im Sinne dieser - auch auf Berechtigungsverträge mit Verwertungsgesellschaften anwendbaren (BGHZ 95, 274, 282 f. - GEMA-Vermutung I) - Bestimmung eine technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werkes zu verstehen ist (BGHZ 95, 274, 283 f. - GEMA-Vermutung I; BGHZ 163, 109, 115 f. - Der Zauberberg). Die gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch.
20
Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Nutzung von Musikwerken als Klingeltöne auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen der GEMA und der SUISA oder zwischen der SUISA und der Beklagten am 1. Januar 2002 noch um eine noch nicht bekannte Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. gehandelt hat. Die Revision berücksichtigt nicht, dass es im Streitfall allein auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Kläger zu 1 und die GEMA den Berechtigungsvertrag geschlossen haben. Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich insoweit nur entnehmen, dass der Berechtigungsvertrag zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA jedenfalls vor dem Inkrafttreten des Nutzungsvertrages zwischen der Beklagten und der SUISA am 1. Januar 2002 zustande gekommen ist. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt und die Beklagte, die insoweit die Darlegungslast trägt, hat auch nicht vorgetragen, dass der Berechtigungsvertrag damit zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als die Nutzung von Musikwerken als Klingeltöne eine bereits bekannte Nutzungsart war.
21
bb) Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, werden die zur Nutzung von Werken der Tonkunst als Klingeltöne für Mobiltelefone erforderlichen Rechte aufgrund von § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 ohne Einschränkungen oder Vorbehalte eingeräumt. Diese Rechtseinräumung umfasst die Befugnis, das bearbeitete oder anders umgestaltete Musikwerk als Klingelton zu nutzen. Einer zusätzlichen Einwilligung des Urhebers bedarf es nicht, wenn das Musikwerk auf eine Art und Weise zum Klingelton umgestaltet worden ist, die bei Einräumung der Nutzungsrechte üblich und voraussehbar war (Schricker/Dietz, Urheberrecht, 3. Aufl., § 14 UrhG Rdnr. 11a; Poll, MMR 2004, 67, 71 ff.; Castendyk, ZUM 2005, 9, 13 ff.; Wandtke/Schunke, UFITA 2007, 61, 79 ff.; Landfermann aaO S. 163 f.; Schunke aaO S. 219 ff.; a.A. LG München I MMR 2006, 49 f.; Hertin, KUR 2004, 101, 108 ff.; v. Einem, ZUM 2005, 540, 543 ff.; Klees/Lange, CR 2005, 684, 688; Staudt in Kreile /Becker/Riesenhuber, Recht und Praxis der GEMA, 2. Aufl., Kap. 10 Rdn. 211 ff.).
22
(1) Nach § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 erfolgt die Einräumung der Rechte zur Nutzung der Werke der Tonkunst auch als Ruftonmelodien. Das Berufungsgericht hat gemeint, es erscheine zwar möglich, diese Bestimmung dahin auszulegen, dass der GEMA die Befugnis eingeräumt werde , die Rechte zur Verwendung eines Musikwerkes als Ruftonmelodie ohne Mitwirkung des Urhebers zu vergeben. Einer solchen Auslegung stehe jedoch das übereinstimmende Verständnis der Vertragspartner des Berechtigungsvertrages entgegen. Dieser sei ein Standardvertrag für alle Mitglieder der GEMA. Sein Inhalt werde entsprechend der Verfassung der GEMA als Verein in der Mitgliederversammlung beschlossen. Für die Auslegung seien daher die von den Vertragsparteien über die üblichen Kommunikationswege des Vereins abgegebenen Erklärungen heranzuziehen. Dies gelte selbst dann, wenn ein Teil der Urheber als Vertragspartner der GEMA den Wortlaut einer Bestimmung anders verstehen sollte. Die GEMA habe ihren Mitgliedern und damit auch dem Kläger zu 1 zusammen mit der Mitteilung der Änderung des Berechtigungsvertrages in dem GEMA-Brief vom August 2002 mitgeteilt, dass sie die Rechte zur Nutzung eines Musikstücks als Ruftonmelodie nicht ohne Beteiligung der Urheber wahrnehmen wolle. Sie habe schon vor der Änderung des Berechtigungsvertrages ein zweistufiges Lizenzierungsverfahren - Vergabe der Aufführungsund Vervielfältigungsrechte durch die GEMA, Vergabe der Bearbeitungsrechte durch die Urheber bzw. Verlage - bei Klingeltönen eingeführt und praktiziert und habe ihre Absicht, dieses Verfahren weiterzuführen und den Berechtigungsvertrag entsprechend zu ändern, schon vor Übersendung des GEMA-Briefs in der Fachpresse bekanntgegeben. Die Nutzungsrechte zwischen der GEMA und den Urhebern seien daher aufgespaltet in die Wahrnehmungsrechte der GEMA bezüglich der Vervielfältigung, Verbreitung und Wiedergabe der Gesamtwerke auch in Form eines Klingeltons und in die aus dem Persönlichkeitsrecht folgende Befugnis der Urheber, die Bearbeitung und Nutzung von Einzelpassagen der Werke als Klingelton zu gestatten.
23
(2) Diese Auslegung von § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 ist rechtsfehlerhaft. Der Senat kann den Berechtigungsvertrag auch als Revisionsgericht ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen, weil dessen Regelungen bundesweit angewandte Allgemeine Geschäftsbedingungen sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.2006 - I ZR 5/03, GRUR 2006, 319, 321 Tz. 23 = WRP 2006, 476 - Alpensinfonie, m.w.N.).
24
Nach § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 erfolgt die „Rechtsübertragung“ zu Gunsten der GEMA „zur Nutzung der Werke der Tonkunst … auch als Ruftonmelodien“. Der Wortlaut dieser Bestimmung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Berechtigte die Rechte zur Nutzung von Werken der Tonkunst als Klingeltöne für Mobiltelefone nicht uneingeschränkt einräumt , sondern sich das Recht vorbehält, stets in eine Nutzung des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes als Klingelton einzuwilligen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann dieser Bestimmung - auch im Hinblick auf Äußerungen der GEMA - keine Bedeutung beigelegt werden, die sie nach ihrem Wortlaut nicht hat. Die Rechte, die zur Nutzung von Werken der Tonkunst als Klingeltöne für Mobiltelefone erforderlich sind, werden nach § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 daher ohne Einschränkungen oder Vorbehalte eingeräumt. Es kann deshalb offenbleiben, ob derartige Einschränkungen oder Vorbehalte überhaupt zulässig oder wegen Verstoßes gegen das Verbot wider- sprüchlichen Verhaltens unbeachtlich wären (so Schricker/Dietz aaO § 14 UrhG Rdn. 11a; a.A. v. Einem, ZUM 2005, 540, 545 f.).
25
Der Berechtigungsvertrag ist allerdings, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, ein Standardvertrag, dessen Inhalt die Mitgliederversammlung der GEMA beschließt (vgl. § 10 Nr. 6 lit. f der GEMA-Satzung; GEMA Jahrbuch 2002/2003, S. 193) und dessen Abschluss die GEMA allen Berechtigten anbietet. Gerade daraus folgt jedoch, dass zur Auslegung des Berechtigungsvertrages Äußerungen der GEMA grundsätzlich nicht herangezogen werden können. Vertragsangebote sind als empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGHZ 36, 30, 33; 103, 275, 280; BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20, 22). Für die Auslegung des Berechtigungsvertrages ist daher nicht entscheidend auf die Vorstellungen der GEMA abzustellen, die das Vertragsangebot abgibt; vielmehr ist das Verständnis der Berechtigten maßgeblich, an die sich dieses Angebot richtet. Da der Berechtigungsvertrag als Standardvertrag zudem Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, ist er nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1992 - IX ZR 24/92, NJW 1992, 2629 f.; Urt. v. 9.5.2001 - VIII ZR 208/00, NJW 2001, 2165, 2166, jeweils m.w.N.). Umstände, die nur einzelnen Beteiligten bekannt oder erkennbar sind, müssen danach außer Betracht bleiben (vgl. BGHZ 77, 116, 118 f. m.w.N.; Riesenhuber in Kreile/Becker/Riesenhuber aaO Kap. 9 Rdn. 16 f.). Hierzu zählen insbesondere die vom Berufungsgericht angeführten Erklärungen , mit denen die GEMA über die Kommunikationswege des Vereins die Bedeutung von Änderungen des Berechtigungsvertrages aus ihrer Sicht erläutert. Diese Erklärungen sind jedenfalls den Vertragspartnern der GEMA, die zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärungen noch keine GEMA-Mitglieder waren, regelmäßig nicht bekannt (vgl. Castendyk, ZUM 2005, 9, 15; Ventroni, MMR 2006, 308, 311).
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(3) Das aufgrund von § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 ohne Einschränkungen oder Vorbehalte eingeräumte Recht zur Nutzung der Werke der Tonkunst auch als Ruftonmelodien umfasst die Befugnis, bearbeitete oder anders umgestaltete Musikwerke als Klingeltöne zu nutzen. Einer zusätzlichen Einwilligung des Urhebers bedarf es dazu nach § 39 UrhG nicht, wenn das Musikwerk auf eine Art und Weise zum Klingelton umgestaltet wurde, die bei Einräumung der Nutzungsrechte üblich und voraussehbar war.
27
Der auch bei der treuhänderischen Einräumung von Verwertungsrechten auf die GEMA anwendbaren Bestimmung des § 39 UrhG liegt die Überlegung zugrunde, dass der Urheber, der einem Dritten das Recht eingeräumt hat, sein Werk auf eine bestimmte Art zu nutzen, diesem Dritten solche Änderungen des Werkes nicht unter Berufung auf § 14 UrhG soll verwehren können, die zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Werkes erforderlich oder jedenfalls üblich und daher vorhersehbar sind (vgl. Schricker/Dietz aaO § 14 UrhG Rdn. 11 f.). Hat ein Komponist die Rechte zur Nutzung seines Musikwerkes als Ruftonmelodie eingeräumt, sind daher Änderungen des Musikwerkes, die mit der Nutzung als Klingelton üblicherweise und voraussehbar einhergehen, selbst dann zulässig, wenn sie in das Urheberpersönlichkeitsrecht eingreifen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Urheber sich mit der Einräumung der Rechte zur Nutzung eines Musikwerkes als Klingelton konkludent mit den für eine solche Nutzung üblichen und voraussehbaren Änderungen einverstanden erklärt, so dass im Sinne des § 39 Abs. 1 UrhG etwas anderes vereinbart ist (Schricker/Dietz aaO § 14 UrhG Rdn. 11a; Castendyk, ZUM 2005, 9, 17 ff.), oder ob der Urheber zu derartigen Änderungen seine Einwilligung gemäß § 39 Abs. 2 UrhG nach Treu und Glauben nicht versagen kann (Poll, MMR 2004, 67, 71).
28
Eine Berufung auf das Änderungsverbot des § 14 UrhG scheidet danach im Normalfall einer Klingeltonauswertung aus. Nur wenn das Musikwerk im Einzelfall in einer Weise als Klingelton verwendet wird, mit der der Urheber nicht zu rechnen braucht, kann ein Abwehranspruch aus § 14 UrhG begründet sein (Schricker/Dietz aaO § 14 UrhG Rdn. 11a; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. GRUR 1995, 215, 216). Es war jedoch bereits bei Abschluss des Berechtigungsvertrages in der seit 2002 geltenden Fassung üblich und voraussehbar, dass die Nutzung von Musikwerken als Ruftonmelodien deren Kürzung und digitale Bearbeitung bzw. Umgestaltung erfordert. Desgleichen versteht es sich von selbst, dass ein als Klingelton genutztes Musikstück als Signalton verwendet wird und das Abspielen des Klingeltons durch das Annehmen des Gesprächs unterbrochen wird. Es ist schließlich auch allgemein bekannt, dass der Klingelton in einer stetigen Wiederholung eines kleinsten Teilausschnitts bestehen kann und nicht zwingend den Beginn des Musikwerkes wiedergibt (vgl. Poll, MMR 2004, 67, 72).
29
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Rechte zur Nutzung von Musikstücken als Klingelton auch nach dem Berechtigungsvertrag 2005 der GEMA umfassend zur Wahrnehmung eingeräumt (ebenso im Ergebnis Schunke aaO S. 228 ff.; a.A. LG München I ZUM 2005, 920, 922; Staudt in Kreile/Becker/Riesenhuber aaO Kap. 10 Rdn. 212 f.).
30
(1) Nach § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2005, der insoweit mit dem Berechtigungsvertrag in der derzeit neuesten Fassung vom 26./27. Juni 2007 übereinstimmt, erfolgt „die Rechtsübertragung … zur Nutzung der Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text) auch als Ruftonmelodie und als Freizeichenuntermalungsmelodie“. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist demnach gegenüber dem Wortlaut der entsprechenden Regelung des Berechtigungsvertrages 2002 nur um den Klammerzusatz „(mit oder ohne Text)“ und die Wendung „und als Freizeichenuntermalungsmelodie“ ergänzt worden. Dies ändert nichts an der Beurteilung (vgl. oben unter II 5 b bb), dass diese Regelung - jedenfalls für sich genommen - dahin zu verstehen ist, dass sämtliche Rechte zur Verwertung eines Musikstücks als Klingelton der GEMA zur Wahrnehmung eingeräumt werden.
31
(2) Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Umstand, dass in den Berechtigungsvertrag 2005 mit § 1 lit. k Abs. 2 darüber hinaus folgende neue Bestimmung eingefügt worden ist: Nicht vom Berechtigten werden der GEMA übertragen die Rechte zur Bearbeitung , Umgestaltung und/oder Kürzung eines Werkes der Tonkunst (mit oder ohne Text) zur Verwendung als Ruftonmelodie und/oder Freizeichenuntermalungsmelodie. Die Befugnis des Berechtigten, die Einwilligung in die Verwendung solcher Werkfassungen im Einzelfall zu erteilen, bleibt unberührt. Es bleibt bei der Übertragung der unter § 1 h) aufgeführten Nutzungsrechte an die GEMA.
32
Der erste Satz dieser Regelung ist unklar und daher auslegungsbedürftig. Es gibt keine „Rechte zur Bearbeitung, Umgestaltung und/oder Kürzung eines Werkes der Tonkunst“. Die Bearbeitung, Umgestaltung oder Kürzung eines Musikwerkes bedarf, wie sich aus § 23 UrhG ergibt, keiner Einwilligung des Urhebers; eine Einwilligung des Urhebers ist vielmehr nur für die Veröffentlichung oder Verwertung der Bearbeitung oder Umgestaltung eines solchen Werkes erforderlich (vgl. Schricker/Loewenheim aaO § 23 UrhG Rdn. 15 m.w.N.).
33
Mit § 1 lit. k Abs. 2 Satz 1 des Berechtigungsvertrages 2005 könnte daher gemeint sein, dass der Berechtigte der GEMA nicht das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung bearbeiteter, umgestalteter oder gekürzter Werke der Tonkunst als Ruftonmelodie oder Freizeichenuntermalungsmelodie einräumt. Die Regelung würde - so verstanden - den Anwendungsbereich des § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2005 dahin einschränken, dass nach dieser Bestimmung allein die Rechte zur Nutzung unveränderter Werke der Tonkunst als Ruftonmelodien und als Freizeichenuntermalungsmelodien eingeräumt werden. Die GEMA könnte danach allenfalls noch die Rechte zur Nutzung sogenannter „Realtones“ bzw. „Mastertones“ wahrnehmen, bei denen die - bislang allerdings stets gekürzte - Originaleinspielung eines Musikstücks als Klingelton verwendet wird, während die Rechte zur Nutzung bearbeiteter oder umgestalteter Klingeltöne bei den Urhebern bzw. deren Verlagen verblieben. Einer solchen Auslegung steht allerdings § 1 lit. k Abs. 2 Satz 3 des Berechtigungsvertrages 2005 entgegen, der ausdrücklich bestimmt, dass es bei der Einräumung der unter § 1 lit. h des Berechtigungsvertrages aufgeführten Nutzungsrechte an die GEMA verbleibt. Damit ist eine Auslegung von § 1 lit. k Abs. 2 Satz 1 des Berechtigungsvertrages 2005 unvereinbar, die den Anwendungsbereich des § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2005 ganz erheblich einschränkte.
34
Die Regelung in § 1 lit. k Abs. 2 Satz 1 des Berechtigungsvertrages 2005 ist daher als Hinweis auf die bei einer Bearbeitung, Umgestaltung oder Kürzung eines Werkes der Tonkunst betroffenen Urheberpersönlichkeitsrechte des Berechtigten zu verstehen. Für dieses Verständnis der Bestimmung spricht auch § 1 lit. k Abs. 2 Satz 2 des Berechtigungsvertrages 2005, wonach die Befugnis des Berechtigten unberührt bleibt, die Einwilligung in die Verwendung solcher Werkfassungen im Einzelfall zu erteilen. Die Regelung des § 1 lit. k Abs. 2 des Berechtigungsvertrages 2005 weist demnach lediglich darauf hin, dass in den Fällen, in denen ein Musikwerk zur Herstellung eines Klingeltons in einer für den Berechtigten bei der Einräumung der Nutzungsrechte nicht voraussehbaren Weise verändert wird, eine Einwilligung des Berechtigten in die Verwendung dieser Werkfassung erforderlich sein kann.
35
b) Das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Revisionserwiderung rügt mit Recht, dass auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden kann, der Kläger zu 1 habe der GEMA das Recht zur ausschließlichen Nutzung des Musikstücks als Klingelton eingeräumt. Die Beklagte wäre daher selbst dann nicht zur Nutzung des Musikwerkes „Rock my life“ als Klingelton berechtigt, wenn der von ihr angebotene Klingelton - wie sie geltend macht - mit einer von den Klägern bereits genehmigten Klingelton-Version eines anderen Klingeltonanbieters (im Wesentlichen) übereinstimmen würde. Eine Dritten erteilte Genehmigung zur Nutzung eines umgestalteten Musikwerkes als Klingelton könnte allenfalls die Eignung der in der Umgestaltung des Musikwerkes liegenden Beeinträchtigung, das berechtigte Interesse des Klägers zu 1 am Werk zu gefährden (§ 14 UrhG), entfallen lassen (vgl. Schricker/Dietz aaO § 14 UrhG Rdn. 27 m.w.N.), nicht aber die gegenüber der Beklagten fehlende Einwilligung zur Verwertung des umgestalteten Musikstücks (§ 23 Satz 1 UrhG) ersetzen.
36
aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, zu welchem Zeitpunkt der Berechtigungsvertrag zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA geschlossen worden ist. Es ist jedoch ersichtlich davon ausgegangen, dass dieser Vertrag bereits bestanden hat, als der Nutzungsvertrag zwischen der Beklagten und der SUISA am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist. Selbst wenn danach zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA die damals neueste Fassung des Berechti- gungsvertrages - also der Berechtigungsvertrag 1996 - wirksam gewesen sein sollte, hätte der Kläger zu 1 der GEMA - wie oben unter II 5 a aa ausgeführt - mit dem Abschluss des Berechtigungsvertrages keine Rechte zur Nutzung seiner Musikwerke als Klingelton eingeräumt. Aufgrund von § 1 lit. h Abs. 4 der Berechtigungsverträge 2002 und 2005 räumen die Berechtigten der GEMA zwar umfassende Rechte zur Nutzung von Werken der Tonkunst als Ruftonmelodien ein (oben unter II 5 a bb und cc). Jedoch hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und haben die Kläger auch nicht vorgetragen, dass die Kläger mit der GEMA einen Berechtigungsvertrag in einer dieser Fassungen geschlossen haben. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die von der Mitgliederversammlung der GEMA am 25./26. Juni 2002 und am 28./29. Juni 2005 beschlossenen Änderungen des Berechtigungsvertrages auch nicht in den zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA bereits bestehenden Berechtigungsvertrag einbezogen worden sind und es deshalb auch nicht darauf ankommt , ob der Kläger zu 1 diesen Änderungen widersprochen hat.
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bb) Allein die Beschlüsse der Mitgliederversammlung der GEMA vom 25./26. Juni 2002 und vom 28./29. Juni 2005 konnten keine Änderung des zwischen der GEMA und dem Kläger zu 1 bestehenden Berechtigungsvertrages bewirken. Der Mitgliederversammlung oblag zwar nach § 10 Nr. 6 lit. f der GEMA-Satzung (GEMA Jahrbuch 2002/2003, S. 193) die Beschlussfassung über Änderungen des Berechtigungsvertrages. Der Berechtigungsvertrag ist jedoch keine körperschaftsrechtliche Bestimmung, sondern eine individualrechtliche Vereinbarung; er regelt - auch im Verhältnis zu vereinsrechtlichen Mitgliedern der GEMA - nicht das mitgliedschaftliche Verhältnis, sondern die schuldrechtliche Beziehung zwischen der GEMA und den Berechtigten (BGHZ 163, 119, 127 f. - PRO-Verfahren, m.w.N.). Dieser gegenseitige Vertrag kann nicht einseitig durch Beschluss der Mitgliederversammlung der GEMA ohne Einverständnis der Berechtigten geändert werden.
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cc) § 6 lit. a Abs. 2 des Berechtigungsvertrages in der Fassung vom 9./10. Juli 1996 bietet gleichfalls keine tragfähige Grundlage für eine Einbeziehung der am 25./26. Juni 2002 und am 28./29. Juni 2005 beschlossenen Änderungen in den zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA bestehenden Berechtigungsvertrag. Diese Bestimmung lautet: Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Abänderungen des Berechtigungsvertrages , so gelten auch diese Abänderungen als Bestandteil des Vertrages.
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Diese Regelung ist nach § 9 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam , weil sie die Berechtigten der GEMA entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (Riesenhuber in Kreile/ Becker/Riesenhuber aaO Kap. 9 Rdn. 108; Augenstein, Rechtliche Grundlagen des Verteilungsplans urheberrechtlicher Verwertungsgesellschaften, 2004, S. 101 f.; a.A. Mauhs, Der Wahrnehmungsvertrag, 1991, S. 157 ff.; differenzierend - Unwirksamkeit jedenfalls bzw. nur gegenüber Nichtmitgliedern - Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., Rdn. 1205; Melichar in Loewenheim , Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 47 Rdn. 23; Goldmann, Die kollektive Wahrnehmung musikalischer Rechte in den USA und Deutschland, 2001, S. 300; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 23 Rdn. 356; vgl. zur Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 1 UrhWG Menzel, Die Aufsicht über die GEMA durch das Deutsche Patentamt, 1986, S. 50 f.; Mauhs aaO S. 157 ff.; Meyer, Verwertungsgesellschaften und ihre Kontrolle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz , 2001, S. 87 ff.; Zeisberg in HK-UrhR, § 6 WahrnG Rdn. 13; offengelassen in BGH, Urt. v. 13.12.2001 - I ZR 41/99, GRUR 2002, 332, 333 = WRP 2002, 442 - Klausurerfordernis; BGHZ 163, 119, 127 - PRO-Verfahren).
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Bei den Regelungen des Berechtigungsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH GRUR 2006, 319 Tz. 23 - Alpensinfonie ). Die auch im Vereinsrecht anwendbare Bereichsausnahme in § 23 Abs. 1 AGBG bzw. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB (vgl. dazu BGHZ 128, 93, 101 f.) steht der Klauselkontrolle nicht entgegen, da der Berechtigungsvertrag ein gegenseitiger Vertrag zwischen der GEMA und den Berechtigten ist (vgl. BGH GRUR 2002, 332, 333 - Klausurerfordernis, m.w.N.). Wegen unangemessener Benachteiligung (§ 9 Abs. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 10 Nr. 5 AGBG bzw. § 308 Nr. 5 BGB insbesondere eine Bestimmung unwirksam, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen.
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Erst recht als unangemessen benachteiligend und daher unwirksam ist danach eine Klausel anzusehen, nach der die Zustimmung des Vertragspartners des Verwenders zu einer von diesem gewünschten Vertragsänderung nicht einmal aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Vertragspartners des Verwenders fingiert wird, sondern weitergehend sogar entbehrlich ist. Um eine solche Klausel handelt es sich bei § 6 lit. a Abs. 2 des Berechtigungsvertrages 1996, da sie der GEMA die Befugnis einräumt, den Berechtigungsvertrag ohne Zustimmung des Berechtigten einseitig abzuändern.
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dd) Schließlich kann auch aus § 6 lit. a Abs. 2 des Berechtigungsvertrages 2002 und 2005 nicht hergeleitet werden, der Kläger zu 1 habe den Änderungen des Berechtigungsvertrages zugestimmt. Die Bestimmung lautet: Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Abänderungen des Berechtigungsvertrages , so gelten auch diese Abänderungen als Bestandteil des Berechtigungsvertrages. Abänderungen oder Ergänzungen sind dem Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Die Zustimmung des Berechtigten zur Änderung oder Ergänzung gilt als erteilt, wenn er nicht binnen zwölf Wochen seit Absendung der schriftlichen Mitteilung ausdrücklich schriftlich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen. Die schriftliche Mitteilung erfolgt in dem auf die Mitgliederversammlung folgenden, an alle Mitglieder versandten, „GEMA -Brief“.
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Eine Vertragsklausel, nach der das Schweigen auf ein Angebot zur Vertragsänderung als Zustimmung gilt, kann nicht ihrerseits aufgrund dieser Fiktion Bestandteil des Vertrags werden, sondern muss von den Vertragsparteien zuvor tatsächlich vereinbart worden sein. Da dies aber weder festgestellt noch vorgetragen ist, ist § 1 lit. h Abs. 4 des Berechtigungsvertrages 2002 und 2005 im Streitfall selbst dann nicht Bestandteil des zwischen dem Kläger zu 1 und der GEMA bestehenden Berechtigungsvertrages geworden, wenn der Kläger zu 1 dieser Regelung nicht widersprochen haben sollte.
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III. Danach ist die Klage der Klägerin zu 2 auf die Revision der Beklagten unter Aufhebung bzw. Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.03.2005 - 308 O 554/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 18.01.2006 - 5 U 58/05 -

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.