Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2008 - X ARZ 105/08

bei uns veröffentlicht am21.08.2008
vorgehend
Oberlandesgericht Celle, 4 AR 1/08, 12.03.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 105/08
vom
21. August 2008
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sollen mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand
haben, als Streitgenossen verklagt werden, ohne dass für den Rechtsstreit
ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, ist für die
Gerichtsstandsbestimmung grundsätzlich das als erstes angerufene
Oberlandesgericht zuständig, auch wenn in seinem Bezirk keiner der Streitgenossen
seinen allgemeinen Wohnsitz hat.
BGH, Beschl. v. 21. August 2008 - X ARZ 105/08 - OLG Celle
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Oldenburg bestimmt.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerinnen beabsichtigen die Antragsgegnerinnen, ihre Hausbanken, auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Sie tragen zur Begründung ihrer Klageforderung vor:
2
Sie seien Gesellschaften der S. -Gruppe, die sich bis zu ihrem Zusammenbruch im Jahre 2004 mit der Aufzucht und Schlachtung von Enten und dem Vertrieb von Entenprodukten befasst habe. Aufgrund von Verlusten im Jahr 2003 sei ein Liquiditätsengpass entstanden, der Anfang 2004 kurzfristig habe überbrückt werden müssen. Nachdem Gespräche der S. -Gruppe mit den Antragsgegnerinnen wegen einer Erhöhung des Finanzierungsvolumens erfolglos geblieben seien, hätten die Antragsgegnerinnen die laufenden Kredite im März 2004 mit sofortiger Wirkung gekündigt und die S. -Gruppe unter Fristsetzung zur Rückzahlung sämtlicher Verbindlichkeiten aufgefordert. Die Kündigungen seien vertragswidrig. Noch vor Fristablauf hätten die Antragsgeg- nerinnen die Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögen der Antragstellerinnen beantragt. Die Insolvenzverwalter hätten die Ansprüche auf Ersatz des Schadens, der durch die unberechtigten Kündigungen der Kredite entstanden sei und noch entstehen werde, zur gerichtlichen Geltendmachung freigegeben.
3
Die Antragsgegnerin zu 1 hat eine Niederlassung in Hannover und ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main; die Antragsgegnerin zu 2 hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Oldenburg. Die Allgemeinen Geschäftbedingungen der Antragsgegnerin zu 1, deren Geltung zwischen ihr und der Antragstellerin zu 1 vereinbart ist, sehen in Nr. 6 Abs. 2 vor, dass die Antragsgegnerin nur an dem für ihre kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden könne. Kontoführende Stelle war bei Abschluss des Kreditvertrages die Niederlassung der Antragsgegnerin in Oldenburg, jetzt ist dies ihre Niederlassung in Hannover. Die Antragsgegnerin zu 2 hat mit den Antragstellerinnen eine Gerichtsstandsklausel vereinbart, wonach sie nur an ihrem allgemeinen Gerichtstand verklagt werden kann.
4
Die Antragstellerinnen haben zunächst beim Oberlandesgericht Celle beantragt, das Landgericht Hannover als zuständiges Gericht zu bestimmen. Mit weiterem Schriftsatz haben sie beantragt, die Sache an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu verweisen, und angekündigt, dort zu beantragen, das Landgericht Frankfurt als zuständiges Gericht zu bestimmen.
5
Das Oberlandesgericht Celle hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hält seine Zuständigkeit für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für gegeben, sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung durch die Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte gehindert.
6
II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zulässig.
7
Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor.
8
Das vorlegende Oberlandesgericht vertritt den Standpunkt, es sei als zuerst angerufenes Oberlandesgericht für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig , auch wenn keine der Antragsgegnerinnen in seinem Bezirk ihren allgemeinen Gerichtsstand habe. Es sei nicht sachgerecht, wenn ein Oberlandesgericht gemäß § 36 Abs. 2 ZPO ohne Rücksicht darauf, dass in seinem Bezirk keiner der Beklagten einen allgemeinen Gerichtsstand habe, die Klage aber bei einem ihm nachgeordneten Land- oder Amtsgericht bereits erhoben sei, zur Entscheidung über den Antrag zuständig sei, weil das zuerst mit der Sache befasste Gericht zu seinem Bezirk gehöre, dass es dagegen nicht zuständig sein solle, wenn der Antrag bei ihm vor Klageerhebung gestellt werde. Denn dann hinge es von der nicht selten zufälligen Reihenfolge ab, in der ein Antragsteller die Klage einreiche und den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung stelle. Es entspreche am ehesten dem gesetzgeberischen Anliegen, wenn in den Fällen, in denen der Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor Klageerhebung gestellt werde, das Oberlandesgericht zuständig sei, welches durch Antragstellung zuerst mit der Sache befasst sei, ohne dass es darauf ankomme, ob eine Partei einen allgemeinen Gerichtsstand in seinem Bezirk habe.

9
Mit dieser Rechtsauffassung würde das Oberlandesgericht Celle jedenfalls von derjenigen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Hamburg und des Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen, nach der, wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, das "im Rechtszuge zunächst höhere Gericht" nur eines derjenigen Gerichte sein kann, bei denen die Antragsgegner ihre allgemeinen Gerichtsstände haben (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2005, OLGR 2006, 357 f.; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.03.2006, OLGR 2006, 567, 568; BayObLG, Beschl. v. 08.09.1998, MDR 1999, 115). Für die Zulässigkeit der Vorlage kommt es nicht darauf an, ob die Divergenz das materielle Recht oder wie hier das Prozessrecht betrifft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rdn. 10).
10
III. Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerichte untereinander über die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen und eine Ausweitung solcher Streitigkeiten tunlichst zu vermeiden (Sen.Beschl. v. 19.02.2002 - X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425, 1426). Dies gilt erst recht für das Bestimmungsverfahren selbst. Diesem Sinn der Vorschrift entspricht es am ehesten, dass die Gerichtsstandsbestimmung durch das Oberlandesgericht erfolgt, das im Bestimmungsverfahren zuerst befasst worden ist, wenn eine Klage noch nicht erhoben worden ist und es deshalb noch kein mit der Sache befasstes Gericht gibt.
11
Dies gilt auch im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Auch in einem solchen Fall kommt es, wenn ein anderer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts besteht, nicht darauf an, ob einer der Streitgenossen im Bezirk des angerufenen Oberlandesgerichts seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Bundesgerichthof hat Ausnahmen von dem Grundsatz, dass regelmäßig nur der allgemeine Gerichtsstand einer der als Streitgenossen zu verkla- genden Personen als gemeinsamer Gerichtsstand zu bestimmen ist, zugelassen , wenn sachlich vorrangige Gründe dies rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.04.1986 - IVb ARZ 4/86, NJW 1986, 3209). So kann das für einen Streitgenossen ausschließlich zuständige Gericht auch dann zu dem für den Rechtsstreit gegen sämtliche Streitgenossen zuständigen Gericht bestimmt werden, wenn dort keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Sen.Beschl. v. 20.5.2008 - X ARZ 98/08, WM 2008, 1425; BGH, Beschl. v. 09.10.1986 - I ARZ 487/86, NJW 1987, 439). Ist im Verhältnis zu einem Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart und kann dem anderen Streitgenossen zugemutet werden, sich vor dem im Verhältnis zu einer Partei prorogierten Gericht verklagen zu lassen, kann dieses Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständig bestimmt werden, auch wenn in seinem Bezirk keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH, Beschl. v. 19.03.1987 - I ARZ 903/86, NJW 1988, 646, 647). Besteht im Fall der parteierweiternden Widerklage bei dem angerufenen Gericht kein Gerichtsstand für den bislang nicht am Verfahren Beteiligten, kann der nicht ausschließliche besondere Gerichtsstand des § 33 ZPO bestimmt werden, auch wenn keiner der widerbeklagten Streitgenossen dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Sen.Beschl. v. 24.06.2008 - X ARZ 69/08, zur Veröffentlichung vorgesehen).
12
Dieser auf Gründen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie beruhenden Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes der §§ 12 f. ZPO, nach der ausnahmsweise auch ein anderes als das für den allgemeinen Gerichtsstand eines der Streitgenossen zuständige Gericht bestimmt werden kann, würde es nicht gerecht, wenn auf der anderen Seite nur dasjenige Oberlandesgericht die Gerichtsstandsbestimmung vornehmen dürfte, in dessen Bezirk sich der allgemeine Gerichtsstand eines der Streitgenossen befindet. Kann aus Gründen der Prozessökonomie auch ein von der Wohnsitzzuständigkeit abwei- chendes Gericht als zuständig bestimmt werden, ist es nicht zu rechtfertigen, dass es für die Zuständigkeit des bestimmenden Oberlandesgerichts nur auf die Gerichte des allgemeinen Gerichtsstandes der Streitgenossen ankommen soll. Dies entspräche auch nicht dem bereits oben dargelegten Sinn der Regelung , eine Ausweitung von Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden und möglichst rasch zu einem Ergebnis zu gelangen.
13
3. Diesem Sinn der Vorschrift widerspräche es ebenfalls, wenn, wie die Antragstellerinnen dies beantragt haben, die Sache zunächst an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwiesen würde. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen unterliegt es nicht uneingeschränkt ihrer Disposition, dem mit der Sache befassten Oberlandesgericht die Zuständigkeit wieder zu entziehen. Insoweit ist im öffentlichen Interesse, nämlich zur Vermeidung der mehrmaligen Befassung von Gerichten mit dem gleichen Rechtsstreit, die Parteidisposition eingeschränkt. Dieser übergeordnete Grundsatz, wie er in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO niedergelegt ist (vgl. BGHZ 173, 47 Tz. 10; BGH, Beschl. v. 16.01.1962 - III ARZ 123/62, NJW 1963, 585, 586, zur Gerichtsstandsvereinbarung nach Rechtshängigkeit), beansprucht erst recht Geltung im Verfahren nach § 36 ZPO, das gerade dazu bestimmt ist, die alsbaldige Beschäftigung des zuständigen Gerichts mit der Sache selbst zu ermöglichen (vgl. BGHZ 71, 69, 74).
14
IV. Es erscheint dem Senat zweckmäßig, die Zuständigkeit des Landgerichts Oldenburg zu begründen. Die Antragsgegnerin zu 2 hat dort ihren allgemeinen Gerichtsstand. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 1 sehen vor, dass die Antragsgegnerin nur an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden kann, was bei Abschluss des Kreditvertrags die Niederlassung in Oldenburg war. Unabhängig von der Frage, ob damit das Landgericht Oldenburg wirksam als zuständiges Gericht vereinbart wurde, ist bei ihm jedenfalls ein Anknüpfungspunkt vorhanden. Dies lässt es zweckmäßig erscheinen, dass der Rechtsstreit in Oldenburg geführt wird.
Melullis Scharen Mühlens
Gröning Meier-Beck
Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 12.03.2008 - 4 AR 1/08 -

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Referenzen

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 334/01
vom
19. Februar 2002
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Voraussetzung für eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO ist, daß der Kläger eine
unerlaubte Handlung darlegt.
BGH, Beschl. v. 19. Februar 2002 - X ARZ 334/01 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Februar 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Konstanz bestimmt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Erstattung der sonstigen Kosten richtet sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe:


I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter Beratung beim Abschluß von Anlagegeschäften in Anspruch.
Die Beklagte zu 1 bietet bundesweit Finanzprodukte an. Die Beklagte zu 2 ist eine ihrer Beteiligungsgesellschaften. Der Beklagte zu 3 war als selbständiger Anlageberater für die Beklagte zu 1 tätig.
Am 23. Oktober 1995 schloß die Klägerin, von Beruf Kindergärtnerin, nach einem Gespräch mit dem Beklagten zu 3 zwei Verträge ab, in denen sie sich als stille Gesellschafterin am Geschäftsbetrieb einer Aktiengesellschaft beteiligte. Diese Aktiengesellschaft ist mittlerweile auf die Beklagte zu 1 verschmolzen worden.
Zugleich unterzeichnete die Klägerin eine Vollmacht, die die Beklagte zu 1 ermächtigte, ähnliche Beteiligungsverträge mit anderen Gesellschaften abzuschließen. Aufgrund dieser Vollmacht schloß die Beklagte zu 1 am 1. Januar 1998 im Namen der Klägerin einen weiteren Beteiligungsvertrag mit der Beklagten zu 2.
Die Klägerin behauptete, der Beklagte zu 3 habe die Verträge als sichere und rentable Altersversorgung angepriesen. Er habe mündlich zugesichert, daß ein garantierter Gewinn zu erwarten sei. Auf Risiken habe er nicht hingewiesen. Den Emissionsprospekt, der unter anderem eine umfangreiche Risikobelehrung enthält, habe der Beklagte zu 3 erst nach der Unterschrift ausgehändigt ; dies gehöre zu der eingeschulten Vorgehensweise im Betrieb der Beklagten zu 1.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht Konstanz zunächst die in G. ansässigen Beklagten zu 1 und 2 auf Rückzahlung aller geleisteten Einlagen verklagt. Später hat sie die Klage auf den im Landgerichtsbezirk Konstanz wohnhaften Beklagten zu 3 erweitert. Sie verlangt nunmehr auch entgangenen Gewinn.
Die Beklagten zu 1 und 2 haben die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Konstanz gerügt. Nach einem entsprechenden Hinweis des Landgerichts hat die Klägerin beantragt, für die Beklagten gemäû § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einen gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Antrag dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antrag zurückzuweisen, weil für alle Beklagten auch hinsichtlich konkurrierender vertraglicher Ansprüche der gemeinsame Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) gegeben sei.
II. Die Vorlage ist zulässig.
Gemäû § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des Bundesgerichtshofs mit der Zuständigkeitsbestimmung befaût ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, daû im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) nicht nur über Ansprüche aus Delikt entschieden werden darf, sondern auch über konkurrierende Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung. Damit würde es von einer Rechtsauffassung abweichen, die bislang in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof vertreten wurde (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1973 - VI ZR 199/71, NJW 1974, 410, 411; Urt. v. 11.2.1980
- II ZR 259/78, VersR 1980, 846, 847; Beschl. v. 3.3.1983 - I ARZ 682/82, NJW 1983, 1799; Urt. v. 4.2.1986 - VI ZR 220/84, NJW 1986, 2436, 2437 und Urt. v. 17.10.1986 - V ZR 169/85, BGHZ 98, 362, 368) und die auch in neuerer Zeit von verschiedenen Oberlandesgerichten geteilt wird (KG KGR 1995, 202; OLG Hamburg OLGR Hamburg 1996, 347, 348; OLG Karlsruhe TranspR 1997, 166; OLG Köln MDR 2000, 170; a. A. BayObLG NJW-RR 1996, 508, 509; OLG Koblenz ZMR 1997, 77; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1341; OLG Hamburg MDR 1997, 884; OLG Köln NJW-RR 1999, 1081, 1082; OLG Hamm NJW-RR 2000, 727 f.; KG MDR 2000, 413).
Daû es - wie noch auszuführen sein wird - auf diese Rechtsfrage im Ergebnis nicht ankommt, steht der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen. Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerichte untereinander über die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen (BGHZ 17, 168, 170) und eine Ausweitung von solchen Streitigkeiten tunlichst zu vermeiden (BGHZ 44, 14, 15). Angesichts dessen muû es für die Zulässigkeit einer Vorlage gemäû § 36 Abs. 3 ZPO ausreichen, wenn die Rechtsfrage, die zur Vorlage an den Bundesgerichtshof führt, nach Auffassung des vorlegenden Gerichts entscheidungserheblich ist und wenn dies in den Gründen des Vorlagebeschlusses nachvollziehbar dargelegt wird.
Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluû - noch - gerecht. Das Oberlandesgericht geht in seiner knappen Begründung davon aus, daû der Gerichtsstand des § 32 ZPO im Streitfall grundsätzlich gegeben ist. Von diesem Standpunkt aus ist die Frage, ob in diesem Gerichtsstand auch konkurrierende vertragliche Ansprüche geprüft werden dürfen, entscheidungserheblich.
III. Der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist zulässig und begründet.
1. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

a) Die Beklagten zu 1 und 2 und der Beklagte zu 3 haben keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand.

b) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts ist für den Rechtsstreit kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob an der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach im Gerichtsstand des § 32 ZPO nur Ansprüche aus unerlaubter Handlung geprüft werden dürfen, trotz der seit 1. Januar 1991 geltenden Neufassung des § 17a Abs. 2 GVG festzuhalten ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1997 - VI ZR 408/96, NJW 1998, 988, wo die Frage ebenfalls offengelassen wurde; zur internationalen Zuständigkeit siehe BGHZ 132, 105, 111 ff.). In der Literatur haben sich für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen: MünchKommZPO/Lüke, 2. Aufl., vor § 253 Rdn. 39 u. § 261 Rdn. 59; Zimmermann, ZPO, 5. Aufl., § 32 Rdn. 5; Zöller/Vollkommer, 22. Aufl., § 12 Rdn. 21 u. § 32 Rdn. 20; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, 15. Aufl., § 36 VI 2, S. 181; Schwab, Festschrift Zeuner, 1994, S. 499, 505 ff.; Hoffmann, ZZP 107 (1994), 3, 11 ff.; Geimer, LM § 29 ZPO Nr. 8; Gottwald, JZ 1997, 92, 93; U. Wolf, ZZPInt 2 (1997), 125, 134 f.; Windel, ZZP 111 (1998), 3, 13 f.; Vollkommer, Festschrift Deutsch, 1999, S. 385, 395 ff.; a. A. MünchKommZPO/Patzina, 2. Aufl., § 32 Rdn. 19; Musielak/Smid, 2. Aufl., § 12 Rdn. 10 u. § 32 Rdn. 10; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 32 Rdn. 17; Jauernig, Zivilprozeûrecht, 26. Aufl., § 12 II, S. 42; Würthwein, ZZP
106 (1993), 51, 75 f.; Hager, Festschrift Kissel, 1994, S. 327, 340 mit Fn. 51; Banniza von Bazan, Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs im EuGVÜ, dem Lugano-Abkommen und im deutschen Recht, 1995, S. 152 ff. (mit dem Vorschlag, das Gesetz zu ändern); Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493, 495 ff.; Mankowski, IPRax 1997, 173, 178; Peglau, MDR 2000, 723.
Voraussetzung für eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO ist jedenfalls, daû der Kläger eine unerlaubte Handlung darlegt (BGHZ 132, 105, 110; BGHZ 124, 237, 240 f. m.w.N.). Daran fehlt es hier hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2.
Die Klägerin bringt keine hinreichenden Umstände vor, aus denen eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1 und 2 für das behauptete betrügerische Verhalten des Beklagten zu 3 resultieren könnte.

c) Ein gemeinsamer Gerichtsstand ergibt sich auch nicht aus § 7 HWiG. Die Beklagten haben unwidersprochen vorgetragen, daû beim Abschluû des Vertrages mit der Beklagten zu 2 eine Haustürsituation im Sinne von § 1 Abs. 1 HWiG nicht bestanden hat. Daû die Klägerin die Vollmacht zum Abschluû dieses Geschäfts möglicherweise in einer solchen Situation abgegeben hat, reicht für die Anwendbarkeit des Haustür-Widerrufsgesetzes grundsätzlich nicht aus (BGHZ 144, 223, 226 ff.).
2. Nach allem war gemäû § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO antragsgemäû ein gemeinsamer Gerichtsstand zu bestimmen. Hierbei erschien es dem Senat zweckmäûig, die Zuständigkeit des Landgerichts Konstanz zu begründen.
Zwar ist in diesem Gerichtsbezirk nur der Beklagte zu 3 ansässig. Dieser hat aber die engsten Beziehungen zu dem Geschehen, aus dem die Klageansprüche hergeleitet werden. Zudem haben die Handlungen, aus denen die Klageansprüche hergeleitet werden, ihren Schwerpunkt im Landgerichtsbezirk Konstanz. Dies läût es zweckmäûig erscheinen, den Rechtsstreit in Konstanz zu führen.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 98/08
vom
20. Mai 2008
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genügt es,
dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Streitgenossen
nicht zuverlässig feststellbar ist.

b) Ist für die Ansprüche gegen einen Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand
begründet, so kann das für diesen zuständige Gericht auch
dann zu dem für den Rechtsstreit gegen sämtliche Streitgenossen zuständigen
Gericht bestimmt werden, wenn in seinem Bezirk keiner der Streitgenossen
seinen allgemeinen Gerichtstand hat.

c) Der ausschließliche Gerichtsstand nach § 13 Abs. 2 VerkProspG ist mit
Wirkung zum 1. November 2005 entfallen.
BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008 - X ARZ 98/08 - OLG Köln
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens
und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Düsseldorf bestimmt.

Gründe:


1
I. Der Antragsteller beabsichtigt, die Antragsgegner wegen Kapitalanlagebetrugs als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Zur Begründung seines Antrags auf Gerichtsstandsbestimmung behauptet er:
2
Er habe im Jahre 2005 von der D. AG (im Folgenden: D. AG) Inhaberschuldverschreibungen im Gesamtwert von 15.000,-- € erworben. Die D. AG sei spätestens seit dem Jahre 2003 nicht mehr in der Lage gewesen , die ausgegebenen Inhaberschuldverschreibungen auf der Grundlage operativer Gewinne zurückzuzahlen. Die Verantwortlichen hätten ein "Schneeballsystem" betrieben, bei dem die Begleichung fälliger Zinsen und die Rückführung von Anlagekapital zu keinem Zeitpunkt aus zu erwirtschaftenden Überschüssen , sondern allein aus neu eingehendem Anlagekapital weiterer Investoren habe erfolgen sollen. Alle Verkaufsprospekte, die ihm bei der Zeichnung der Anleihen vorgelegen hätten, seien deswegen unrichtig und unvollständig gewesen.
3
Der Antragsteller will den Antragsgegner zu 1 in seiner Eigenschaft als ehemaligen Vorstand der D. AG, den Antragsgegner zu 2 als "konzeptionellen Kopf" des Anlagebetrugs, den Antragsgegner zu 3, der die D. AG steuerlich beraten hat und Vorstand der Antragsgegnerin zu 5, einer Steuerberatungsaktiengesellschaft , ist, sowie den Antragsgegner zu 4, der bei der Antragsgegnerin zu 5 tätig gewesen ist, als "Hintermänner" aus Prospekthaftung und unerlaubter Handlung in Anspruch nehmen. Gegen den Antragsgegner zu 6, der Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 7, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ist, hält er wegen für die D. AG erstellter falscher Testate ebenfalls Ansprüche aus Prospekthaftung und unerlaubter Handlung für gegeben. Gleiches gilt für den Antragsgegner zu 9, der Mitglied des Aufsichtsrats der D. AG gewesen sei und das "Geschäftsmodell" der D. AG unterstützt habe. Die Antragsgegnerin zu 7 will der Antragsteller aus Prospekthaftung und aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte in Anspruch nehmen. Die Antragsgegnerin zu 8 haftet nach Auffassung des Antragstellers aus unerlaubter Handlung als alleinige Aktionärin der D. AG. Insoweit behauptet er, sie habe die überhöhte Bewertung einer im Jahr 2001 erfolgten Sacheinlage in die D. AG gekannt, in deren Folge die D. AG fälschlich als finanzstark dargestellt worden sei.
4
Ihren allgemeinen Gerichtsstand haben die Antragsgegner zu 1 und 7 im Bezirk des Landgerichts Köln, die Antragsgegner zu 2, 3, 5 und 6 im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth, der Antragsgegner zu 4 im Bezirk des Landgerichts Bamberg und die Antragsgegner zu 8 und 9 in Bremen.
5
Das Oberlandesgericht Köln, bei dem der Antragsteller die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt hat, beabsichtigt, das Landgericht Düsseldorf zum zuständigen Gericht zu bestimmen, weil Düsseldorf der Sitz der D. AG gewesen ist. Es sieht sich aber an einer entsprechenden Anordnung durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. August 2007 (1 AR 45/07, juris) gehindert.
6
II. Die Vorlage ist zulässig.
7
Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof unter anderem dann vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Diese Voraussetzung liegt vor.
8
Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für alle Antragsgegner nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht zuverlässig feststellbar und eine Gerichtsstandsbestimmung daher erforderlich sei. Es beabsichtigt , das Landgericht Düsseldorf zum zuständigen Gericht zu bestimmen. Es hat dazu ausgeführt, Düsseldorf sei der Sitz der D. AG gewesen, und jedenfalls für den Antragsgegner zu 1 als ehemaligem Vorstand gelte gemäß § 32b ZPO die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf. Das Vorliegen eines ausschließlichen Gerichtsstands binde den Senat bei der Ermessensausübung zwar nicht, er sei aber vorrangig zu berücksichtigen, zumal kein anderer der vorliegend in Betracht kommenden Gerichtsstände einen wesentlich engeren Bezug zu dem zu beurteilenden Sachverhalt aufweise. Der beabsichtigten Gerichtsstandsbestimmung stehe jedoch die Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden entgegen, wonach für Streitigkeiten, die auf Prospektangaben im Sinne von § 13 Abs. 1 VerkProspG beruhten und vor dem 1. Juli 2005 veröffentlichte Verkaufsprospekte für andere als von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere beträfen, (weiterhin) das Landgericht Frankfurt am Main ausschließlich zuständig sei.
9
Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage. Zwar steht ein nicht für sämtliche Streitgenossen gegebener ausschließlicher Gerichtsstand der Bestimmung eines anderen Gerichts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen (BGHZ 90, 155, 159 f.; Sen.Beschl. v. 7.2.2007 - X ARZ 423/06, NJW 2007, 1365). Zur Zulässigkeit der Vorlage reicht es jedoch aus, dass das vorlegende Oberlandesgericht einer gegebenen ausschließlichen Zuständigkeit bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts - zu Recht - vorrangige Bedeutung beimessen will.
10
III. Der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist begründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt. Für die Antragsgegner, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und als Streitgenossen in Anspruch genommenen werden sollen, besteht kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand.
11
1. Ein gemeinsamer Gerichtsstand nach § 32 ZPO kann - was für die Gerichtsstandsbestimmung genügt (Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 36 Rdn. 16 m.w.N.) - angesichts der nach dem Vorbringen des Antragstellers unterschiedlichen Tatbeiträge der Antragsgegner nicht zuverlässig festgestellt werden.
12
2. Ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand ergibt sich auch nicht aus § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, wonach für Klagen, mit denen der Ersatz auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten, des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft ausschließlich zuständig ist.
13
a) Der Senat tritt allerdings dem vorlegenden Oberlandesgericht darin bei, dass diese Vorschrift auf den Streitfall anwendbar ist. Eine Konkurrenz zu der Gerichtsstandsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerkProspG in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung besteht nicht. Diese Vorschrift ist durch Artikel 7 KapMuEG mit Wirkung zum 1. November 2005 außer Kraft getreten. Aus der Entstehungsgeschichte und dem Zusammenwirken der Regelungen des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes, des Gesetzes zur Umset- zung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG vom 22. Juni 2005 (Prospektrichtlinie -Umsetzungsgesetzes), des Wertpapierprospektgesetzes und des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16. August 2005 sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass § 13 Abs. 2 VerkProspG auch nach dem 1. November 2005 einen partiellen Anwendungsbereich behalten sollte.
14
§ 13 VerkProspG in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung regelte die Haftung für fehlerhafte Verkaufsprospekte betreffend nicht börsenzugelassene Wertpapiere und andere Vermögensanlagen durch den Verweis auf die Haftungsnormen des Börsengesetzes für börsenzugelassene Wertpapiere (§§ 44 bis 47 BörsG), und sah in Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main vor. § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG, der auf § 13 VerkProspG verweist, ist mit Wirkung zum 1. Juli 2005 gemeinsam mit den Sätzen 2, 3 und 5 der Bestimmung durch Art. 2 Nr. 14 ProspektRL-UmsetzungsG als Übergangsregelung in das Verkaufsprospektgesetz eingefügt worden. Der Regelungsbedarf hierfür ergab sich aus der Tatsache , dass das Verkaufsprospektgesetz bis zum Inkrafttreten des Prospektrichtlinie -Umsetzungsgesetzes und des Wertpapierprospektgesetzes am 1. Juli 2005 zum einen die Anforderungen an den Inhalt von Verkaufsprospekten beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren und anderen Vermögensanlagen (§§ 1 bis 8e VerkProspG in der Fassung bis 30.6.2005), und zum anderen die Haftung für fehlerhafte derartige Prospekte (§ 13 Abs. 1 VerkProspG in der Fassung bis 30.6.2005) geregelt hatte. Seit seinem Inkrafttreten am 1. Juli 2005 regelt nunmehr das Wertpapierprospektgesetz die Anforderungen an den Inhalt von Verkaufsprospekten für das öffentliche Angebot von Wertpapieren und für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt, während es für andere Vermögensanlagen in dieser Hinsicht bei den Regelun- gen des - in diesem Zuge angepassten - Verkaufsprospektgesetzes geblieben ist. Die Haftung für fehlerhafte Prospekte börsenzugelassener Wertpapiere ist in §§ 44 ff. BörsG geregelt, während § 13 Abs. 1 VerkProspG weiterhin die Haftung für fehlerhafte Verkaufsprospekte im Übrigen, also für nicht zum Handel an der inländischen Börse zugelassene Wertpapiere, begründet und wegen der Rechtsfolgen auf §§ 44 bis 47 BörsG mit im Einzelnen geregelten Maßgaben verweist. Im Rahmen der Übergangsvorschriften hat der Gesetzgeber des Prospektrichtlinie -Umsetzungsgesetzes in § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG die Spezialregelung getroffen, dass auf vor dem 1. Juli 2005 im Inland veröffentlichte Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere das bislang geltende Recht weiterhin anzuwenden ist, womit sichergestellt werden sollte , dass aufgrund eines Verkaufsprospekts, insbesondere eines unvollständigen Verkaufsprospekts, von einem Kreditinstitut ausgegebene Wertpapiere auch nach dem 1. Juli 2005 aufgrund eines solchen Verkaufsprospekts öffentlich angeboten werden können (Begr. BT-Drucks. 15/4999 S. 41 zu Art. II Nummer 14). Auf vor dem 1. Juli 2005 veröffentlichte Verkaufsprospekte für andere als in Satz 2 genannte Wertpapiere und Vermögensanlagen hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG die Fortgeltung der alten Fassung des Verkaufsprospektgesetzes bis zum 30. Juni 2006 angeordnet, womit eine bis zu diesem Zeitpunkt befristete Übergangsregelung hinsichtlich der bis zum 30. Juni 2005 auf der Grundlage des bis dahin geltenden Verkaufsprospektgesetzes veröffentlichten Verkaufsprospekte geschaffen worden ist, wie sich aus der Begründung zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz ergibt (BT-Drucks. 15/4999 aaO). In § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG hat der Gesetzgeber schließlich für die in Satz 3 genannten Verkaufsprospekte im Hinblick auf die Haftung die Fortgeltung des § 13 VerkProspG und der §§ 45 bis 47 BörsG in der damals geltenden Fassung angeordnet. Damit beschränkt sich der Regelungsgehalt dieser Vorschrift auf die Frage, welche Haftungsnormen im Falle des Satzes 3 anwendbar sind. Der in § 13 Abs. 2 VerkProspG daneben geregelte ausschließliche Gerichtsstand für Verkaufsprospekte von Vermögensanlagen ist im Zuge dieser Neuregelungen unverändert geblieben. Dass es bei dem alten Gerichtsstand des § 13 Abs. 2 VerkProspG verbleiben sollte, erscheint aus damaliger Sicht des Gesetzgebers folgerichtig.
15
Die Notwendigkeit einer Änderung des § 13 Abs. 2 VerkProspG (und des § 48 BörsG) ergab sich erst - wenig später - im Zusammenhang mit dem Erlass des Kapitalanlagen-Musterverfahrensgesetzes, das am 1. November 2005 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz bezweckt die Bündelung und Konzentration gleichgerichteter Ansprüche vieler Geschädigter aufgrund falscher Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt (vgl. BT-Drucks. 15/5091, S. 1, 13 f.). Zu diesem Zweck wurde - neben der Einführung eines Musterverfahrens - mit § 32b ZPO ein ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen Kapitalmarktinformationen - also auch für die hier in Rede stehende Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG - am Sitz des Emittenten oder Anbieters der Vermögensanlagen geschaffen, der nach dem Willen des Gesetzgebers an die Stelle des bisherigen Gerichtsstands nach § 48 BörsG und § 13 Abs. 2 VerkProspG treten sollte (vgl. BT-Drucks. 15/5091, S. 33). Konsequenterweise hat der Gesetzgeber § 13 Abs. 2 VerkProspG und die korrespondierende Gerichtsstandsregelung für börsenzugelassene Wertpapiere in § 48 BörsG durch Artikel 7 und 8 Nr. 2 KapMuEG aufgehoben.
16
Die Fortgeltung von § 13 Abs. 2 VerkProspG kann nicht damit begründet werden, dass § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG eine Verweisung auf § 13 VerkProspG - und damit auch auf den außer Kraft gesetzten § 13 Abs. 2 VerkProspG - enthält. Soweit das Oberlandesgericht Dresden meint, der Gesetzgeber habe mit § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG seinen Willen zum Ausdruck gebracht, § 13 VerkProspG von der in § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG angeordneten lediglich befristeten Weitergeltung des Verkaufsprospektgesetzes bis zum 30. Juni 2006 auszunehmen, und hieraus die Fortgeltung der Gerichtsstandsbestimmung des § 13 Abs. 2 VerkProspG als einer Spezialregelung ableiten will ("lex posterior generalis non derogat legi priori speciali"), spricht dagegen der Wortlaut der Regelung sowie der Regelungszusammenhang des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes mit dem Börsengesetz. Nachdem auch das Börsengesetz durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz geändert worden war, ergab sich die Notwendigkeit, für die Rechtsfolgen der Haftung für Altfälle, hinsichtlich derer § 13 Abs. 1 VerkProspG in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung mit bestimmten Maßgaben auf §§ 44 bis 47 BörsG verweist, klarzustellen, welche Fassung der mehrfach geänderten §§ 45 bis 47 BörsG, auf die § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG Bezug nimmt, weiter gelten soll. Diese Klarstellung ist Gegenstand der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG. Eine Spezialregelung des Gerichtsstands ist damit nicht getroffen worden, und zu ihr bestand auch kein erkennbarer Anlass.
17
Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Regelung des mit dem Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren geschaffenen § 31 EGZPO, der sich ausschließlich mit der Geltung des § 32b ZPO für Musterverfahren nach dem Kapitalanlagen-Musterverfahrensgesetz befasst. Vielmehr bestätigt die Bestimmung umgekehrt, dass der Gesetzgeber die sofortige Geltung des § 32b ZPO für alle anderen, nicht von § 31 EGZPO erfassten Verfahren gewollt hat.
18
b) Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist aber nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht ohne weiteres für sämtliche Antragsgegner begründet. Zweifel bestehen jedenfalls an einer Prospektverantwortlichkeit der Antragsgegnerin zu 8.
19
3. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht Düsseldorf.
20
Die Bestimmung hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen, wobei die ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO jedenfalls für die gegen den Antragsgegner zu 1 geltend gemachten Ansprüche die Bestimmung eines anderen Gerichts, wie ausgeführt, zwar nicht grundsätzlich hindert, aber bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts erhebliches Gewicht hat. Das nach § 32b ZPO jedenfalls für die gegen einen Streitgenossen zu erhebenden Ansprüche zuständige Gericht kann auch dann als zuständig bestimmt werden, wenn bei diesem Gericht keiner der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Andernfalls könnte - wie auch im Streitfall - derjenige Gerichtsstand , den der Gesetzgeber als ausschließlichen gewollt hat, gegebenenfalls überhaupt nicht berücksichtigt werden, ohne dass dies durch die schützenswerten Interessen der anderen Streitgenossen, denen die Zuständigkeit ihres Wohnsitzgerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ohnedies genommen werden kann, geboten wäre.
21
Der Antragsteller hat die Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf angeregt , die Antragsgegner zu 8 und 9 haben dagegen keine Bedenken erhoben. Der Antragsgegner zu 2 hat zwar die Bestimmung des Gerichtsstands Frankfurt am Main angeregt. Indessen hat weder er noch einer der anderen Antragsgegner seinen Wohnsitz oder Geschäftssitz im Bezirk dieses Gerichts, so dass auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten eine anderweitige Entscheidung nicht geboten ist. Ebenso sind anderweitig anhängige Verfahren auf Schadensersatz wegen falscher Angaben in dem Verkaufsprospekt der D. AG dargetan. Bei den weiteren beim vorlegenden Oberlandesgericht anhängigen Verfahren handelt es sich nicht um Schadensersatzklagen, sondern um weitere Gerichtsstandsbestimmungsverfahren , die entgegen der Auffassung der Antragsgegner zu 6 und 7 keinen Anlass geben, das Landgericht Köln für zuständig zu erklären. Dem im Rahmen des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausschließlich zur Entscheidung berufenen Landgericht Düsseldorf ist daher bei der Gerichtsstandsbestimmung der Vorzug zu geben.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 21.02.2008 - 8 W 84/07 -

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 69/08
vom
24. Juni 2008
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO) gilt nicht für die Widerklage gegen
den bisher am Verfahren nicht beteiligten Widerbeklagten.

b) Die Bestimmung des Gerichts der Klage als gemeinsam zuständiges Gericht
für Klage und Widerklage ist nicht nur dann zulässig, wenn zumindest einer
der Widerbeklagten dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
BGH, Beschl. v. 24. Juni 2008 - X ARZ 69/08 - OLG München
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Augsburg bestimmt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger macht als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seiner 1957 verstorbenen Großmutter gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung an die Miterben geltend.
2
Bedingt durch die Kriegsereignisse des zweiten Weltkrieges war in England Vermögen der Großmutter beschlagnahmt worden, nach der Behauptung der Beklagten darüber hinaus auch Vermögen des 1941 verstorbenen Großvaters. Im Jahre 2005 leistete das Vereinigte Königreich eine Entschädigung. Im Streit stehen Geschehnisse um einen Finanzierungsvertrag im Zusammenhang mit dem Bemühen, das Vereinigte Königreich zu entsprechenden Entschädigungsleistungen zu bewegen. Mit seiner zum Landgericht Augsburg erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines noch offenen Restbetrages in Höhe von 160.000 € aus der Entschädigung an die Erbengemeinschaft. Die Beklagte zu 1 hat Widerklage gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten als Mitglieder der Erbengemeinschaften sowohl nach der Großmutter als auch dem Großvater auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 11.125,50 € erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, aufgrund des zwischen ihr und der "gesamten" Erbengemeinschaft geschlossenen Finanzierungsvertrages stehe ihr im Fall einer Entschädigung eine Erlösbeteiligung in Höhe von 30 % zu. Hiervon habe sie 160.000 € erhalten, offen sei noch ein Restbetrag in Höhe von 6.354,50 €. Darüber hinaus habe sie zur Durchsetzung der Ansprüche der "gesamten" Erbengemeinschaft Kosten in Höhe von 4.771 € vorfinanziert.
3
Der Kläger hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts München II, der Drittwiderbeklagte hatte ihn bei Zustellung der Widerklage im Bezirk des Landgerichts Koblenz. Die Widerklägerin hat beim Oberlandesgericht München beantragt, das für die Klage zuständige Landgericht Augsburg als zuständiges Gericht für die Widerklage zu bestimmen.
4
Das Oberlandesgericht München hat die Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hält die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung für gegeben , sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. April 2002 (Az.: 1 AR 17/02 - juris) gehindert, das bei einer Widerklage gegen die klagende Partei und einen Dritten eine Gerichtsstandsbestimmung nicht mehr für zulässig hält.

II.


5
Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zulässig.
6
Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor.
7
Das vorlegende Oberlandesgericht meint, ein gemeinsamer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand, der die Zuständigkeitsbestimmung ausschlösse, sei nicht gegeben. Insbesondere bestehe für Widerklage und Drittwiderklage kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 33 ZPO am Gericht der Klage. Mit dieser Rechtsauffassung würde das Oberlandesgericht München von derjenigen des Oberlandesgerichts Dresden abweichen, das die Entscheidung des Senats vom 22. Februar 2000 (X ARZ 522/99, NJW 2000, 1871 f.) im Anschluss an Vollkommer/Vollkommer (WRP 2000, 1062 ff.) dahin versteht, dass eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei einer parteierweiternden Widerklage nicht mehr möglich sei, und das deshalb den Gerichtsstand der Widerklage des § 33 ZPO auch auf den Drittwiderbeklagten und (nur) materiell Beteiligten erstrecken möchte.

III.


8
Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt, da die als Streitgenossen in Anspruch genommenen (Dritt-)Widerbeklagten bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, hinsichtlich aller mit der Widerklage verfolgten Klagegründe ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht gegeben ist und auch aus § 33 ZPO kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für die (Dritt-)Widerbeklagten hergeleitet werden kann.
9
1. Ein besonderer Gerichtsstand für die Widerklage in ihrem gesamten Umfang ergibt sich vorliegend nicht aus dem erweiterten Gerichtsstand der Erbschaft nach §§ 27, 28 ZPO. Allerdings macht die Widerklägerin der Sache nach Nachlassverbindlichkeiten geltend, für die der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft nach §§ 27, 28 ZPO einschlägig ist.
10
a) Für die Eröffnung des Gerichtsstands des § 28 ZPO genügt die schlüssige Darlegung einer Nachlassverbindlichkeit durch den Kläger. Das gilt auch, soweit dieselben Tatsachen sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage erheblich sind (sog. doppelrelevante Tatsachen, BGH, Versäumnisurt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, NJW-RR 2008, 516, 517). Dies trifft auch auf das Vorliegen einer Nachlassverbindlichkeit zu, welche sowohl die Zuständigkeit des Gerichts gemäß §§ 27, 28 ZPO als auch die eingeklagte Forderung gemäß §§ 1967, 2058 BGB stützen soll.
11
Nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen der Widerklägerin handelt es sich bei den von ihr geltend gemachten Forderungen um solche, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verfolgung und Realisierung von Nachlassansprüchen durch die Miterben entstanden sind, mithin um sogenannte Nachlasserbenschulden. Diese fallen als Nachlassverbindlichkeiten unter § 28 ZPO (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 28 Rdn. 5). Zu diesen Nachlasserbenschulden gehören alle Verbindlichkeiten, die auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zurückgehen (BGHZ 71, 180, 187; 38, 187, 193). Dies ist hier nach Darstellung der Widerklägerin der Fall.
12
b) Handelt es sich wie hier um mehrere Erben, kommt es für § 28 ZPO auch nicht darauf an, ob sich ein Nachlassgegenstand im Gerichtsbezirk befindet. Entscheidend ist nach § 28 ZPO allein, dass die vorhandenen Erben wie hier noch als Gesamtschuldner haften (vgl. BayObLG NJW 1950, 310; Musielak/ Heinrich, aaO, § 28 Rdn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 28 Rdn. 3, 5). Dies gilt vorbehaltlich der §§ 2060, 2061 BGB, deren Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen, auch für den Fall, dass die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt ist (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2008, 96, 97; BayObLG FamRZ 1999, 1175, 1176).
13
2. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, war der allgemeine Gerichtsstand der Erblasserin gemäß §§ 12, 13 ZPO München. Der damit begründete erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft nach §§ 27, 28 ZPO als gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Widerbeklagten in München hindert eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht, weil - wie die Widerklägerin geltend macht - der Finanzierungsvertrag auch gemeinschaftliches Vermögen der Großeltern und damit auch den Nachlass des Großvaters betrifft. Dieser hatte, wie die Widerklägerin unbestritten vorgetragen hat, im Zeitpunkt seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand in Groß Wartenberg bei Breslau. Insoweit besteht aber für die gleichzeitig auch als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Großvater in Anspruch genommenen Widerbeklagten ein weiterer gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand, der nach §§ 28, 27 Abs. 2, 15 Abs. 1 Satz 2 ZPO bei dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin begründet ist. Ist aber ein weiterer Klagegrund vorgebracht und fehlt es an einem gemeinschaftlichen Gerichtsstand für die Klage in ihrem gesamten Umfang, ist § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO anwendbar (vgl. BayObLG MDR 1981, 233; BayObLGZ 62, 297, 298; 58, 154, 155; 50/51, 37, 38; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 36 Rdn. 42; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 36 Rdn. 27; für Haupt- und Hilfsantrag OLG München JurBüro 1981, 607).
14
3. Ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand für den Drittwiderbeklagten und den Widerbeklagten hinsichtlich der gesamten Widerklage ergibt sich auch nicht aus § 33 ZPO.

15
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet § 33 ZPO für den bisher am Verfahren nicht beteiligten Drittwiderbeklagten keinen Gerichtsstand am Gericht der Klage (BGH, Beschl. v. 28.2.1991 - I ARZ 711/90, NJW 1991, 2838; Sen.Beschl. v. 19.11.1991 - X ARZ 26/91, NJW 1992, 982; BGH, Urt. v. 6.5.1993 - VII ZR 7/93, NJW 1993, 2120; Sen.Beschl. v. 22.2.2000 - X ARZ 522/99, NJW 2000, 1871, 1872; Stein/Jonas/ Roth, aaO, § 33 Rdn. 41; Musielak/Heinrich, aaO, § 33 Rdn. 22 ff.; Vossler, NJW 2006, 117, 121). Danach ist das Gericht der Klage für eine Widerklage, die gegen den Drittwiderbeklagten erhoben wird, örtlich nur zuständig, wenn ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand bei dem Gericht der Drittwiderklage besteht, durch rügelose Einlassung begründet wird oder das übergeordnete Gericht den Gerichtsstand nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt (BGH, Urt. v. 6.5.1993 - VII ZR 7/93, NJW 1993, 2120).
16
b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
17
aa) Allerdings soll nach Vollkommer/Vollkommer § 33 ZPO auch auf eine parteierweiternde Widerklage Anwendung finden. Da nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO regelmäßig nur der allgemeine Gerichtsstand einer der als Streitgenossen zu verklagenden Personen als gemeinsamer Gerichtsstand bestimmt werden könne und da der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2000 (aaO) auf den zu engen Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO abstelle und eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ablehne, müsse künftig die Bestimmung des Prozessgerichts als zuständiges Gericht für die Drittwiderklage ausscheiden, wenn sich die Widerklagezuständigkeit nur auf den besonderen Gerichtsstand des § 33 ZPO stütze. Die parteierweiternde Widerklage käme danach nur noch in Betracht, wenn einer der Streitgenossen vor dem Prozessgericht zufällig auch seinen allgemeinen Gerichtsstand habe (aaO, 1064 f.). Vollkommer/Vollkommer wollen deshalb die Zuständigkeit des Prozessgerichts für den Drittwiderbeklagten mit einer erweiterten Anwendung des § 33 ZPO über die formelle Parteistellung hinaus auf materiell am Streitgegenstand Beteiligte begründen (aaO, 1066 f.; ihnen folgend OLG Dresden, Beschl. v. 17.4.2002 - 1 AR 17/02 - juris; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 33 Rdn. 23 f.).
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bb) Zu einer solchen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 33 ZPO besteht kein Anlass. Entgegen Vollkommer/Vollkommer ist der Entscheidung des Senats nicht zu entnehmen, dass die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes für Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr in Betracht kommt, wenn keiner der Widerbeklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand vor dem Gericht der Klage hat.
19
(1) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geht allerdings nach seinem Wortlaut davon aus, dass mehrere Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) verklagt werden sollen; in einem solchen Fall kann nur ein Gericht bestimmt werden, in dessen Bezirk zumindest einer der Streitgenossen seinen (Wohn-)Sitz hat (BGH, Beschl. v. 9.10.1986 - I ARZ 487/86, NJW 1987, 439). Die Zuständigkeitsregelung insbesondere der §§ 12 und 13 ZPO ist im Interesse einer prozessual gerechten Lastenverteilung möglichst einzuhalten. Der Bundesgerichtshof hat jedoch Ausnahmen zugelassen, wenn sachlich vorrangige Gründe es rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.4.1986 - IVb ARZ 4/86, NJW 1986, 3209). Ist für einen Streitgenossen ein besonderer ausschließlicher Gerichtsstand gegeben, hindert dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Gerichtsstandsbestimmung nicht (vgl. BGHZ 90, 155, 159). Dabei muss im Fall der Bestimmung des ausschließlich örtlich zuständigen Gerichts ausnahmsweise hingenommen werden, dass dort keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH, Beschl. v. 9.10.1986 - I ARZ 487/86, NJW 1987, 439; Sen.Beschl. v. 20.5.2008 - X ARZ 98/08, zur Veröff. vorges.). Ist im Verhältnis zu einem Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart und kann dem anderen Streitgenossen zugemutet werden, sich vor dem im Verhältnis zu einer Partei prorogierten Gericht verklagen zu lassen, kann dieses Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständig bestimmt werden, auch wenn in seinem Bezirk keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH, Beschl. v. 19.3.1987 - I ARZ 903/86, NJW 1988, 646, 647). Nicht zuletzt kann im Fall der parteierweiternden Widerklage die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts über § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO begründet werden, soweit ein Gerichtsstand für die bislang am Verfahren Nichtbeteiligten bei ihm nicht besteht (BGH, Beschl. v. 28.2.1991 - I ARZ 711/90, NJW 1991, 2838). Auch hier wird der dem Schutz des Beklagten dienende allgemeine Grundsatz der §§ 12 f. ZPO, nach dem die Klage grundsätzlich am Sitz des Beklagten zu erheben ist, aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie eingeschränkt, indem der nicht ausschließliche besondere Gerichtsstand des § 33 ZPO bestimmt werden kann, bei dem keiner der widerbeklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
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(2) Nichts anderes ergibt sich aus dem Beschluss des Senats vom 22. Februar 2000. Dort hatte der Senat nur über die Frage zu entscheiden, ob eine Gerichtsstandsbestimmung zulässig ist, wenn die Widerbeklagten einen gemeinsamen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben. Der Senat hat dies mit Hinweis darauf verneint, dass die mit der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verbundene Einschränkung der Zuständigkeitsregeln der §§ 12 f. ZPO dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn der Kläger die Streitgenossen schon vor einem für alle Beklagten zuständigen Gericht in Anspruch nehmen kann (X ARZ 522/99, aaO, 1872).
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In der Entscheidung hat der Senat weiter mit Blick auf die parteierweiternde Widerklage ausdrücklich festgehalten, dass § 33 ZPO nur für den widerbeklagten Kläger, nicht jedoch für einen bisher nicht am Verfahren beteiligten Widerbeklagten gelte. Der Senat hat die Bestimmung des Gerichts der Klage als zuständiges Gericht auch für die Widerklage nur dann durch den Grundsatz der Prozessökonomie als geboten angesehen, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen, das heißt, wenn die Widerbeklagten keinen gemeinsamen Gerichtsstand haben. Dass die Bestimmung des Gerichtsstands unzulässig wäre, wenn der Gerichtsstand der Klage nicht auch ein allgemeiner Gerichtsstand des widerbeklagten Streitgenossen ist, ist der Entscheidung hingegen nicht zu entnehmen.

IV.


22
Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht Augsburg. Die Bestimmung hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen. Bei diesem Gericht, das mit der Sache bereits befasst ist, haben die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand. Für den Kläger ist dort der besondere Gerichtsstand aus § 33 ZPO begründet. Die Widerklägerin hat die Bestimmung dieses Gerichts angeregt. Der Kläger hat dem nicht widersprochen. Auch der Drittwiderbeklagte hat nur Bedenken gegen die Zulässigkeit der Drittwiderklage und des Bestimmungsverfahrens an sich erhoben, ohne in der Sache der Bestimmung des Landgerichts Augsburg zu widersprechen.
23
Nach ständiger Rechtsprechung lässt die hier getroffene Entscheidung die Befugnis des Prozessgerichts unberührt, über die Sachdienlichkeit der Widerklage und der Drittwiderklage gemäß § 263 ZPO selbst zu befinden (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.1991 - I ARZ 711/90, NJW 1991, 2838).
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
OLG München, Entscheidung vom 13.02.2008 - 31 AR 274/07 -

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.