Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - VIII ZB 62/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. F. GmbH, verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtabnahme bei der Insolvenzschuldnerin bestellter Ware. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 20. August 2012 verlängert worden.
- 2
- Die Berufungsbegründung ist per Telefax am 20. August 2012 und im Original nebst beglaubigter Abschrift am 23. August 2012 bei Gericht eingegan- gen. Die Berufungsbegründungsschrift trägt den Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei F. und W. . Sie schließt mit der maschinenschriftlichen Namensangabe "A. D. , Rechtsanwalt" ab, die handschriftlich mit einem wellenförmigen Zeichen sowie mit einer nahezu senkrecht verlaufenden leicht gekrümmten Linie überschrieben ist, neben der sich links zwei andeutungsweise erkennbare weitere nahezu senkrechte Linien befinden.
- 3
- Mit Verfügung vom 28. August 2012 hat das Berufungsgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, weil die die Berufungsbegründungsschrift abschließende, nicht als Schriftzug erkennbare gekrümmte, nahezu senkrechte Linie nicht den Anforderungen an eine Unterschrift genüge. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hat vorsorglich unter Wiederholung der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
- 4
- Mit Beschluss vom 21. September 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Berufung sei mangels einer Unterschrift , welche den gesetzlichen Anforderungen an diejenige unter bestimmenden Schriftsätzen genüge, nicht formgerecht eingelegt worden. Die Autorenschaft des Rechtsanwalts D. sei bereits nicht eindeutig gesichert, vielmehr zweifelhaft. Der Vergleich mit anderen Unterschriften dieses Rechtsanwalts in den Akten des vorliegenden Rechtsstreits ergebe nämlich, dass der Klägervertreter vorhergehende und nachfolgende Schriftsätze in anderer Weise unterzeichnet habe. Insbesondere im Hinblick auf die Kürze des Zeichens ließen sich diesem auch sonst keine besonderen charakteristischen Merkmale entnehmen, welche die Wiedergabe eines Namens erkennen ließen. Dem Gebilde lasse sich auch aus diesem Grund die Absicht einer Unterschrift mit vollem Namen nicht entnehmen.
- 5
- Der Antrag des Klägers, ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sei unbegründet. Der Rechtsanwalt müsse sich über den Stand der Rechtsprechung informieren. Es müssten ihm deshalb auch die höchstrichterlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze bekannt sein. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte somit erkennen können und müssen, dass die Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift den allgemein anerkannten und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Anforderungen an eine Unterschrift nicht genügt habe.
- 6
- Schließlich könne sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht auf den Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes berufen. Der Senat habe keine Schriftsätze des Klägervertreters ungerügt hingenommen, die einen der Berufungsbegründungsschrift entsprechenden Schriftzug aufgewiesen hätten.
- 7
- Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 8
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 9
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechts- schutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, juris Rn. 7; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 1).
- 10
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts , die Berufung des Klägers sei nicht innerhalb der bis zum 20. August 2012 verlängerten Frist durch einen von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz begründet worden, ist rechtsfehlerhaft.
- 11
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich , um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 9 mwN). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO). Erforderlich, aber auch genügend ist danach das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzugs, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren , sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 9 f.; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 2 a).
- 12
- In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist jedenfalls dann, wenn die Autorenschaft gesichert ist, bei den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen ein großzügiger Maßstab anzulegen. Denn Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die äußere Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung des Inhalts des Schriftsatzes durch den Anwalt (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a bb), die gewährleistet ist, wenn feststeht, dass die Unterschrift von dem Anwalt stammt (Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, aaO).
- 13
- b) An der Autorenschaft des Klägervertreters bestanden hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - keine Zweifel. Sie ergibt sich daraus, dass die Berufungsbegründungsschrift unter dem Briefkopf als Ansprechpartner "Rechtsanwalt A. D. " aufführt und der von dem Klägervertreter zur Unterzeichnung des Berufungsbegründungsschriftsatzes verwendete handschriftliche Schriftzug, welcher über den maschinenschriftlichen Zusatz "A. D. Rechtsanwalt" gesetzt ist, bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabs noch den Anforderungen an eine formgültige Unterschrift genügt.
- 14
- Dies kann der Senat selbständig und ohne Bindung an die Auffassung des Berufungsgerichts beurteilen (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 11; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, aaO unter II 2 b mwN). Das Schriftgebilde stellt eine zwar einfach strukturierte, gleichwohl aber als solche erkennbare Namensunterschrift dar. Sie ist offensichtlich in flüchtigerem Duktus, jedoch ersichtlich mit der gleichen mechanischen Bewegung hergestellt wie die übrigen in der Gerichtsakte enthaltenen Unterschriften, die das Berufungsgericht nicht beanstandet hat, namentlich die Unterzeichnung der Berufungsschrift und des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
- 15
- 3. Da der Kläger seine Berufung rechtzeitig begründet hat, hätte das Berufungsgericht sie nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung über den von dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit ist der Beschluss des Berufungsgerichts gegenstandslos. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
LG Amberg, Entscheidung vom 21.05.2012 - 41 HKO 1364/10 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.09.2012 - 12 U 1239/12 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; - 1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; - 2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; - 3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; - 4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; - 5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; - 6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.