vorgehend
Amtsgericht Hamburg, 41 C 81/12, 21.12.2012
Landgericht Hamburg, 311 S 16/13, 26.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 30/13
vom
8. April 2014
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2014 durch den
Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Milger sowie die Richter
Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 11 des Landgerichts Hamburg vom 26. April 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 940,80 €.

Gründe:

I.

1
Die während des Prozesses verstorbene Rechtsvorgängerin des Beklagten war Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Hamburg.
2
Mit Schreiben vom 25. Januar 2012 bat die Klägerin die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) unter Darlegung des Erhöhungsgrundes , einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 €/Monat auf 393,60 €/Monat ab 1. April 2012 zuzustimmen. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 20. März 2012 ausdrücklich ab und führte im folgenden Text unter anderem aus: "Einer Erhöhung meiner Netto-Kaltmiete von 362,88 € auf 371,84 € würde ich zustimmen". Zu einer Vereinbarung über eine Nettokaltmie- te in Höhe von 371,84 € kam es in der Folge nicht; auch Zahlungen in dieser Höhe leistete der Beklagte nicht.
3
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten, der Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 € auf 393,60 € ab 1. April 2012 zuzustimmen. In den Instanzen hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses teilweise unzulässig, weil er einer Mieterhöhung auf 371,84 € in dem Schreiben vom 20. März 2012 zugestimmt habe.
4
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, einer Erhöhung der Netto- kaltmiete von 362,88 € auf 385,28 € ab 1. April 2012 zuzustimmen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
5
Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige. Der Wert sei vorliegend nach § 9 ZPO mit dem 42-fachen Wert der von dem Beklagten beanstandeten Mieterhöhung zu bemessen. Da der Beklagte, wie er selbst vortrage , bereits vorprozessual einer Mieterhöhung auf monatlich 371,84 € zugestimmt habe, liege die von ihm beanstandete Mieterhöhung lediglich in der Differenz zwischen 371,84 € und der vom Amtsgericht ausgeurteilten neuen Miete von 385,28 €, mithin bei 13,44 €. Der 42-fache Wert dieses Betrags liege mit 564,48 € unter dem vom Gesetz in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgeschriebenen Wert des Beschwerdegegenstands von 600 €.

II.

6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil gemäß den nachstehenden Ausführungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen und damit den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt, denn es hat dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 19. März 2013 - VIII ZB 45/12, NJW 2013, 2361 Rn. 7 mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von 600 €.
8
a) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, bemisst sich im auf unbestimmte Zeit geschlossenen Wohnraummietverhältnis die Berufungsbeschwer für Klagen auf Mieterhöhung am dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Mietererhöhungsbetrags (Senatsbeschluss vom 28. November 2006 - VIII ZB 9/06, WuM 2007, 32 unter II 2).
9
b) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts , im Streitfall betrage die Beschwer des Beklagten in Anwendung dieser Vorgaben lediglich 564,48 €.
10
Mit der rechtlichen Wertung, der Wert des Beschwerdegegenstandes betrage deshalb nur 564,48 €, weil der Beklagte dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin bereits vorprozessual zugestimmt habe, verkennt das Berufungsgericht , dass der Wert des Beschwerdegegenstandes des Beklagten dem Wert seiner Verurteilung in erster Instanz entspricht (materielle Beschwer; vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 - IX ZB 170/06, NJW-RR 2007, 765, Rn. 6). Da das Amtsgericht den Beklagten verurteilt hat, einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 € auf 385,28 € ab 1. April 2012 zuzustimmen und der Beklagte diese Verurteilung mit seiner Berufung in vollem Umfang zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt hat, beträgt im Streitfall der Wert des Beschwerdegegenstandes 940,80 € (= 42 x 22,40 €).
11
Der angefochtene Beschluss kann mithin keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 21.12.2012 - 41 C 81/12 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.04.2013 - 311 S 16/13 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen


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Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 9/06
vom
28. November 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterinnen
Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig - 12. Zivilkammer - vom 3. Januar 2006 aufgehoben. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Der Gebührenstreitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 330,24 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Erhöhung der Miete für ihre Wohnung von bisher monatlich 144,75 € netto auf nunmehr monatlich 172,27 € netto mit Wirkung ab dem 1. Mai 2004 zuzustimmen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei nach § 511 Abs. 2 ZPO unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 41 Abs. 5 GKG 600 € nicht übersteige. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil gemäß den nachstehenden Ausführungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
3
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes auf Seiten der Beklagten den nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von 600 €.
4
Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist gemäß § 2 ZPO nach den §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen. Für Klagen auf künftig wiederkehrende Leistungen , zu denen auch Klagen auf Mieterhöhung gehören, gilt § 9 ZPO (Senatsbeschluss vom 21. Mai 2003 - VIII ZB 10/03, BGHReport 2003, 1036 = AnwBl 2003, 597 = JurBüro 2004, 207 unter II 2 a; vgl. auch BVerfG NJW 1996, 1531). Die vom Berufungsgericht angezogene Vorschrift des § 41 Abs. 5 GKG ist nur für den Gebührenstreitwert maßgeblich; für die Bestimmung des hier in Rede stehenden Wertes des Beschwerdegegenstandes ist sie dagegen ohne Bedeutung. Insoweit gilt nichts anderes als für die im Kern inhaltsgleiche Vorgängerregelung des § 16 Abs. 5 GKG a.F. (dazu Senatsbeschluss, aaO).
5
Nach § 9 ZPO kommt es auf den dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges der wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen an (Satz 1); bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist (Satz 2). Da zwischen den Parteien ein Wohnraummietverhältnis auf unbestimmte Zeit besteht und der Mieterhöhungsbetrag nach dem von der Beklagten uneingeschränkt angefochtenen Urteil des Amtsgerichts monatlich 27,52 € netto beträgt, errechnet sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 1,155,84 € (= 42 x 27,52 €).
6
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Er ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die Berufung der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat hinsichtlich der Gerichtskosten für das Rechtsbe- schwerdeverfahren von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.
Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
AG Eilenburg, Entscheidung vom 26.08.2005 - 4 C 860/04 -
LG Leipzig, Entscheidung vom 03.01.2006 - 12 S 592/05 -
6
a) Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (sogenannte formelle Beschwer; BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt. v. 2. März 1994 - XII ZR 207/92, NJW 1994, 2697; v. 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020; Saenger/Kayser, ZPO vor §§ 511 bis 541 Rn. 7; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. vor § 511 Rn. 20; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. vor § 511 Rn. 13). Für einen Beklagten liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, hingegen in dem Betrag oder in dem Wert seiner Verurteilung (sogenannte materielle Beschwer, vgl. Saenger/Kayser, aaO; Musielak/Ball, aaO).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.