Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2007 - IX ZB 170/06

bei uns veröffentlicht am18.01.2007
vorgehend
Amtsgericht Stendal, 7 IN 197/06, 02.08.2006
Landgericht Stendal, 25 T 156/06, 20.09.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 170/06
vom
18. Januar 2007
in dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen der
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet,
steht diesem hiergegen grundsätzlich kein Beschwerderecht zu.
BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 - IX ZB 170/06 - LG Stendal
AG Stendal
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak
am 18. Januar 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 20. September 2006 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 32.418 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
einem Mit am 10. Mai 2006 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben beantragte die Schuldnerin wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Durch Beschluss vom 15. Mai 2006 ordnete das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen an und bestellte den weiteren Beteiligten zum Sachverständigen. Dieser gelangte in seinem unter dem 17. Juli 2006 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei; die Kosten des Verfahrens seien gedeckt. Die Schuldnerin erhob gegen das Gutachten Einwendungen , die der weitere Beteiligte nicht für berechtigt hielt.

2
Durch Beschluss vom 2. August 2006 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter bestellt. Hiergegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluss vom 20. September 2006 als unzulässig verworfen hat. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO) und zulässig. Der Entscheidung des Landgerichts liegt eine statthafte sofortige Beschwerde zugrunde (§§ 6, 34 Abs. 2 InsO). Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage zur Beschwer des Schuldners, auf dessen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

III.


4
Rechtsbeschwerde Die ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts mit Recht als unzulässig verworfen.
5
Zulässigkeitsvoraussetzung 1. eines Rechtsmittels nach der Zivilprozessordnung ist die Beschwer des Rechtsmittelführers, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf.

6
a) Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (sogenannte formelle Beschwer; BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt. v. 2. März 1994 - XII ZR 207/92, NJW 1994, 2697; v. 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020; Saenger/Kayser, ZPO vor §§ 511 bis 541 Rn. 7; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. vor § 511 Rn. 20; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. vor § 511 Rn. 13). Für einen Beklagten liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, hingegen in dem Betrag oder in dem Wert seiner Verurteilung (sogenannte materielle Beschwer, vgl. Saenger/Kayser, aaO; Musielak/Ball, aaO).
7
Diese b) Grundsätze sind auf Entscheidungen des Insolvenzgerichts über Insolvenzanträge des Schuldners und der Gläubiger sinngemäß anzuwenden (vgl. OLG Stuttgart NZI 1999, 491, 492; OLG Celle NZI 1999, 493; Braun/Kind, InsO 2. Aufl. § 34 Rn. 8; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 34 Rn. 13, 18; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 34 Rn. 36, 38).
8
aa) Nach § 4 InsO gelten, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Es ist allgemein anerkannt, dass sich die Bezugnahme auch auf das Rechtsmittelrecht erstreckt. Für die Anwendung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze spricht entscheidend die Ausgestaltung des Eröffnungsverfahrens als Parteienstreit (§ 13 Abs. 1 InsO; vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006 - IX ZB 214/05, ZIP 2006, 1456; v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957, 1960 f, z.V.b. in BGHZ). Bis zur Verfahrenseröffnung ist der Antragsteller Herr des Verfahrens , der - de lege lata - jederzeit verfahrensbeendende Erklärungen abgeben kann (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, Vorbem. vor §§ 2 bis 10 Rn. 17; HKInsO /Kirchhof, InsO 4. Aufl. § 13 Rn. 18).
9
bb) Die Gegenauffassung, dass der Schuldner gleichsam einen Antrag gegen sich selbst stelle und die Entscheidung, durch die das Insolvenzverfahren eröffnet werde, allein wegen ihrer Bedeutung beschwerdefähig sein müsse (vgl. Jaeger/Schilken, InsO § 34 Rn. 26; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 34 Rn. 69), trifft nicht zu. Insbesondere kann sie sich nicht auf die Entstehungsgeschichte des § 34 InsO berufen. Die Vorschrift knüpft an § 109 KO an. Dort war vorgesehen, dass gegen den Eröffnungsbeschluss "nur" dem Gemeinschuldner das Recht der sofortigen Beschwerde zustehe. Diese Formulierung wurde damals überwiegend in der Weise interpretiert, dass dem Schuldner, der selbst Konkursantrag stelle, grundsätzlich die für die Rechtsmitteleinlegung erforderliche formelle Beschwer fehle (vgl. Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 109 KO Anm. 3; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 109 Rn. 1 und 1a). Abweichende obergerichtliche Rechtsprechung betraf den Sonderfall, dass der antragstellende Gläubiger mit seinem Begehren, eine Abweisung des Antrags mangels Masse zu erreichen, nicht durchgedrungen war (vgl. OLG Bamberg ZIP 1983, 200; OLG Karlsruhe ZIP 1989, 1070, 1071; OLG Hamm ZIP 1993, 777 f). Hätte der Gesetzgeber bei Rechtsmitteln des antragstellenden Schuldners die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze außer Kraft setzen wollen , hätte es nahegelegen, diesen Punkt zumindest in der Gesetzesbegründung anzusprechen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Nach der amtlichen Begründung war im Gegenteil - mit Ausnahme der Beschwerden gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse - keine Veränderung der Rechtslage bezweckt (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 121 zu § 41 des Entwurfs).
10
2. Bei den Erfordernissen der formellen oder materiellen Beschwer handelt es sich um Hilfen zur Feststellung des Rechtsschutzbedürfnisses des Rechtsmittelführers für die Einlegung seines Rechtsmittels. Dies gilt auch für Beschwerden gegen die Eröffnungsentscheidung (vgl. Jaeger/Schilken, aaO § 34 Rn. 26). Deshalb können es Sinn und Zweck gebieten, die sofortige Beschwerde des antragstellenden Schuldners im Einzelfall als zulässig anzusehen , obwohl er durch die Eröffnungsentscheidung nur materiell beschwert ist.
11
a) In dem Fall, dass der Schuldner einen Insolvenzantrag zwar gestellt, ihn dann aber vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses wieder zurückgenommen hat, dürfte er durch die nachfolgende Eröffnungsentscheidung sogar formell beschwert sein. An diesen Fall knüpfen weitere im Schrifttum erörterte Ausnahmen an (vgl. Braun/Kind, aaO § 34 Rn. 10; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11), die im Streitfall jedoch nicht einschlägig sind, weil die Schuldnerin ihren Insolvenzantrag vor der Eröffnung nicht zurückgenommen hat und kein Streit über die Insolvenzantragsbefugnis oder die Rücknahmebefugnis besteht.
12
b) Die Schuldnerin hat mit ihrer sofortigen Beschwerde vielmehr geltend gemacht, das Insolvenzgericht hätte nicht dem Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen folgen dürfen, weil dieser zu Unrecht die Insolvenzgründe der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit ermittelt habe.
13
aa) Die Beanstandungen erschöpfen sich in dem - näher ausgeführten - Vorwurf, der Sachverständige habe unsorgfältig und lückenhaft gearbeitet. Dagegen wird nicht geltend gemacht, die Vermögens- und/oder Liquiditätslage der Schuldnerin habe sich in dem Zeitraum zwischen dem 10. Mai 2006 (Eingang des Insolvenzantrags) und 2. August 2006 (Eröffnung) nachhaltig verbessert. Hiergegen spricht im Übrigen die von dem Sachverständigen berücksichtigte und von der Schuldnerin auch eingeräumte Kündigung des Bankdarlehens am 23. Mai 2006. Die Schuldnerin trägt hierzu mit Schriftsatz vom 16. August 2006 vor, auf den sich der angefochtene Beschluss und die Rechtsbeschwerde gleichermaßen beziehen, dass sich ihre offenen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Bank auf rund 76.000 € beliefen.
14
bb) Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet ebenso wenig eine Beschwer wie ein Irrtum über die ursprünglichen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung (vgl. HK-InsO/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11). Die gegenteilige Auffassung (vgl. Braun/Kind, aaO § 34 Rn. 10; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 34 Rn. 38; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 34 Rn. 16) ist abzulehnen. Sie läuft darauf hinaus, das Erfordernis der formellen Beschwer für den Antragsteller insgesamt in Frage zu stellen und eröffnet dem Schuldner zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Ob möglicherweise in Fällen etwas anderes gelten muss, in denen die antragstellende Schuldnerin die sofortige Beschwerde darauf stützt, der Eröffnungsbeschluss sei unrechtmäßig ergangen , weil sich ihre Vermögenslage nach Antragstellung verbessert habe und der Eröffnungsgrund zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, aaO S. 1958 f) entfallen sei (vgl. HK-InsO/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11), ist nicht zu entscheiden. Deshalb geht auch die Rüge der Rechtsbeschwerde weitgehend ins Leere, es gebe keinen überzeugenden Grund dafür, den Schuldner schon vor Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses auf einen Einstellungsantrag nach § 212 InsO zu verweisen. Die Verweisung auf die Einstellung des Verfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes erscheint allenfalls dann nicht gerechtfertigt , wenn sich der Sachverhalt, der den Eröffnungsgrund in Frage stellt, erst nach Antragstellung, aber vor Eröffnung ergeben hat. Ist der Eigenantrag dage- gen von vornherein zu Unrecht gestellt, muss sich der Antragsteller an ihm - vorbehaltlich einer Antragsrücknahme, die hier indes erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit unwirksam erfolgte - festhalten lassen.

IV.


15
Mit der bestätigenden Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag der Schuldnerin auf Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses.
Fischer Ganter Raebel
Kayser Cierniak

Vorinstanzen:
AG Stendal, Entscheidung vom 02.08.2006 - 7 IN 197/06 -
LG Stendal, Entscheidung vom 20.09.2006 - 25 T 156/06 -

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(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/03 Verkündet am:
12. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien
aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte
Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes
Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzen.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 37/03 - LG Erfurt
AG Sömmerda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem S ondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäu-
des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, i n der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist „zur Beweiswürdigung“ bis zum 20. März 2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen , haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Parteien mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das Landgericht die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an Verkündungs Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum
20. März 2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüf ung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen
Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.

b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt , hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1993; BAGE 17, 286, 288; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erkennende Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an Verkündungs Statt beabsichtigt war.

c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts , die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.

a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-
schwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt v. 29. Juni 2000, I ZR 29/98, NJWRR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können , insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen , deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muß.

b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 141, 184, 193; Zöller /Greger, aaO., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAGE 23, 146; MünchKommZPO /Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, aaO., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht
in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderun g.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Daß das Amtsgericht die Schriftsatzfrist nur „zur Beweiswürdigung“ gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich , da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 285 Rdn. 2), läßt die ausdrückliche , unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der erwogene „Rücktritt“ vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten : Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGHZ 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz , es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.

c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 Euro. Allerdings läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden mußte (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1989, VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts , die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März
2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider , durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz , die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen hat.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.