Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2005 - VI ZB 47/03

published on 19/04/2005 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2005 - VI ZB 47/03
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 47/03
vom
19. April 2005
im Rechtsbeschwerdeverfahren
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. April 2005 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 4. Juni 2003 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen. Streitwert: 2.200 €

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung eines Zaunes auf dem Grundstück einer Erbengemeinschaft geltend, welcher er angehört. Er hat dabei in erster Instanz auf Zahlung an sich selbst geklagt. Auf Seite 2 seines erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 14. Januar 2003 hat er ausgeführt: "Eine Erbengemeinschaft ist eine BGB-Gesellschaft, also eine Personengesellschaft. Hier kann jeder Teilhaber einzeln für die gesamte Gesellschaft
in Anspruch genommen werden. Umgekehrt ist dies auch so, daß jeder Teilhaber für die Gesellschaft handeln kann, besonders wenn es sich um dringende Angelegenheiten handelt. Das ist hier gegeben. Zudem bin ich als Teilhaber durch die Schädigungen mit betroffen, da auch mein Vermögensanteil beschädigt wird. Ich bin deshalb sehr wohl legitimiert, die Klage einzureichen". Das Amtsgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2003 darauf hingewiesen, daß er Leistung an alle Miterben oder Hinterlegung verlangen müsse. Als der Kläger daraufhin seinen Antrag nicht entsprechend umgestellt hat, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt und in der Berufungsbegründungsschrift vom 17. April 2003 seinen Klageantrag auf Hinterlegung der Klagesumme zugunsten der Erbengemeinschaft umgestellt. Nach den Hinweisbeschlüssen des Berufungsgerichts vom 23. April 2003 und vom 19. Mai 2003, daß dies unzulässig sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Juni 2003 angekündigt, nunmehr Antrag auf Zahlung an sich selbst und nur hilfsweise auf Hinterlegung zugunsten der Erbengemeinschaft stellen zu wollen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluß vom 4. Juni 2003 als unzulässig verworfen, weil der Kläger mit seiner Berufungsbegründung vom 17. April 2003 das Ersturteil hinsichtlich der dort ausgesprochenen Klageabweisung des von ihm persönlich geltend gemachten Anspruchs nicht angegriffen, sondern vielmehr unter Heranziehung desselben Sachverhaltes nunmehr Zahlung an die Erbengemeinschaft verlangt habe. Der Streitgegenstand der Leistungsklage sei die Frage, ob das Gericht die im Antrag bezeichnete Rechtsfolge aussprechen könne. Dadurch, daß der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr Zahlung an sich selbst, sondern an die Erbengemeinschaft verlangt habe, habe er die vom Gericht auszusprechende Rechts-
folge geändert und sein ursprüngliches Begehren auf Zahlung an sich selbst nicht mehr weiterverfolgt. Daher fehle es an einem rechtzeitigen Angriff gegen die Beschwer durch das Ersturteil. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 3. Juni 2003 angekündigt habe, nunmehr Antrag auf Zahlung an sich selbst und nur hilfsweise auf Zahlung an die Erbengemeinschaft stellen zu wollen, sei die angekündigte Erweiterung des Berufungsantrages unzulässig. Zwar könne auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist die Erweiterung des Berufungsantrages erfolgen, dies gelte jedoch nur dann, wenn die Erweiterung des Berufungsantrages durch die Berufungsbegründung gedeckt sei. Im vorliegenden Fall beziehe sich die Berufungsbegründung gerade nicht darauf, daß der Beklagte nicht zur Zahlung an den Kläger persönlich verurteilt worden sei, sondern die Berufungsbegründung verfolge allein das Ziel, den Beklagten zur Zahlung an die Erbengemeinschaft verurteilen zu lassen. Der nunmehr angekündigte neue Antrag sei wegen Verfristung der Berufungsmöglichkeit nicht mehr zulässig. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er seinen Antrag auf eine sachliche Entscheidung durch das Berufungsgericht weiterverfolgt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 575, 576 ZPO). Sie ist auch begründet, da das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zu Unrecht als unzulässig verworfen hat.
1. Die prozessualen Erklärungen der Parteien sind vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90 - NJW 1991, 2630). Diese Auslegung ergibt im vorliegenden Fall, daß der Kläger bereits im ersten Rechtszug einen Anspruch der Erbengemeinschaft geltend gemacht hat, was sich insbesondere aus seinem Schriftsatz vom 14. Januar 2003 ergibt. Die vom Kläger darin geäußerte Rechtsauffassung ist zwar insoweit unrichtig, als er die Erbengemeinschaft als BGB-Gesellschaft bezeichnet. Entscheidend ist jedoch, daß er damit und mit dem Hinweis, "daß jeder Teilhaber für die Gesellschaft handeln kann" eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, ein Recht der Erbengemeinschaft im Prozeß geltend zu machen. Soweit der Kläger in seinen weiteren Ausführungen darauf hinweist, er sei zudem als Teilhaber durch die Schädigungen auch selbst betroffen, da auch sein Vermögensanteil beschädigt werde, so stellt dies lediglich eine laienhafte Begründung für die von ihm in Anspruch genommene Befugnis dar, das Recht der Erbengemeinschaft im eigenen Namen im Prozeß geltend zu machen, die sich jedoch bereits aus der gesetzlichen Bestimmung des § 2039 Satz 1 BGB ergibt. Ob der klagende Erbe Zahlung an sich selbst verlangen kann, ist hingegen eine Frage der materiell-rechtlichen Einziehungsbefugnis, die das Amtsgericht im vorliegenden Fall mangels Vorliegens einer entsprechenden Ermächtigung der Erbengemeinschaft verneinen durfte. 2. Soweit der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag auf Zahlung an sich selbst in seiner Berufungsbegründung umgestellt hat auf Zahlung an die Erbengemeinschaft, ist die Auffassung des Berufungsgerichts, es fehle wegen der damit verbundenen Klageänderung an einem rechtzeitigen Angriff auf die Beschwer durch das Ersturteil, von Rechtsirrtum beeinflußt. Da der Kläger nach wie vor einen Anspruch der Erbengemeinschaft geltend macht, ist der Übergang von dem ursprünglichen Antrag auf Zahlung an sich selbst, dem das Amtsgericht sachlich nicht entsprochen hat, zu einem Antrag auf Hinterlegung
zugunsten der Erbengemeinschaft keine Klageänderung, sondern lediglich eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Beschränkung des ursprünglichen Klageantrages (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1989 - VII ZR 84/89 - NJW-RR 1990, 505 m.w.N.; zur Zulässigkeit nach neuem Recht, vgl. BGHZ 158, 295, 305 ff.). 3. Der Beschluß des Berufungsgerichts konnte nach alledem keinen Bestand haben. Auf die Rechtsbeschwerde war er aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erbe
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Annotations

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.