Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2012 - V ZR 276/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.411,16 € (§ 41 GKG).
Gründe:
I.
- 1
- Aufgrund eines Vertrages aus dem Jahre 1984 mit der D. nutzt der Beklagte ein Gebäude als Atelier und als Wohnung sowie das umlie- gende Gelände, darunter das Flurstück 667, als "Gartenausstellungsgelände". Im Mietvertrag wird das Objekt als "Gebäude … 128 m²" beschrieben. Im Jahre 1987 kam es einvernehmlich zu einer Erweiterung der genutzten Außenfläche. Ende 1991 kündigte die D. das Mietverhältnis, unterlag mit ihrer Räumungsklage aber vor dem AG Ratingen, das den Vertrag als Wohnungsmietvertrag wertete.
- 2
- 2004 erwarb eine GmbH das Eigentum an dem Flurstück 667. Sie kündigte das ihrer Auffassung nach hinsichtlich des Grundstücks bestehende Leihverhältnis ; dem Räumungsbegehren kam der Beklagte nicht nach.
- 3
- 2007 verkaufte die GmbH das Flurstück 667 an die klagende Stadt, welche sich auf die Kündigung durch die GmbH bezog und Räumung und Herausgabe verlangte. Mit Schreiben vom 26. März 2008 kündigte sie auch selbst noch einmal außerordentlich ein eventuell bestehendes Leihverhältnis und ordentlich einen eventuell bestehenden Mietvertrag u. a. unter Berufung auf den Kündigungsgrund einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung.
- 4
- Am 16. Dezember 2008 wurde die Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
- 5
- In dem sich anschließenden Räumungs- und Herausgabeprozess ist es vor allem um die Frage gegangen, ob über Haus und Gelände ein einheitliches Mietverhältnis besteht oder ob nur das Gebäude gemietet wurde und das Grundstück leihweise genutzt wird.
- 6
- Das Landgericht ist von einem einheitlichen Mietvertrag ausgegangen, den die Klägerin wirksam gekündigt habe. Anzuwenden seien die Vorschriften über die Wohnraummiete. Als Kündigungsgrund hat es § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen; ein berechtigtes Interesse sei im Hinblick auf den öffentlichen Bedarf an der Fläche zu bejahen. Es hat auf Räumung und Herausgabe erkannt.
- 7
- Das Oberlandesgericht hat nur die Herausgabeverurteilung bestätigt, ist dabei aber nicht von einem einheitlichen Mietvertrag ausgegangen, sondern davon, dass nur das Gebäude vermietet, das Gelände hingegen leihweise genutzt worden sei.
- 8
- Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde.
II.
- 9
- Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, § 544 Abs. 7 ZPO.
- 10
- 1. Der Beklagte hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das Zeugnis des damals zuständigen Sachbearbeiters der D. (J. ) vorgetragen , dass nach den Absprachen mit der D. nicht nur das Gebäude , sondern auch die umliegenden Flächen von dem Mietvertrag erfasst werden sollten. Das Gelände sei nämlich ziemlich heruntergekommen und verwildert gewesen, und dem Beklagten sei es daher zu dem Zweck überlassen worden, es zu kultivieren und zu verschönern.
- 11
- Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht, wie der Beklagte zu Recht rügt, übergangen. Es durfte den Vortrag nicht deswegen unbeachtet lassen, weil ihn der Beklagte in der zweiten Instanz nicht ausdrücklich wiederholt hat. Denn das Landgericht war seiner Auffassung, dass es sich um einen einheitlichen Mietvertrag über Haus und Garten handele, gefolgt. Das Berufungsgericht hätte daher einen Hinweis erteilen müssen, dass es in diesem Punkt anderer Ansicht sei, und dem Beklagten Gelegenheit geben müssen, Vortrag und Beweisantrag hierzu zu wiederholen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2004 - II ZR 356/02, NJW-RR 2005, 39, 40).
- 12
- Der Vortrag war auch nicht deswegen unerheblich, weil sich aus dem Mietvertrag klar ergeben hätte, dass nur das Gebäude Gegenstand des Vertrages war. Zwar heißt es dort - und darauf stellt das Berufungsgericht entscheidend ab -, dass das "Gebäude Am O. 3, R. " in einer Größe von "128 m²" vermietet werde. Der Vertrag enthält indes eine Reihe von Hinweisen, die es erlauben, den Vertrag auch dahin auszulegen, dass eine Fläche mit vermietet werden sollte, so etwa die Gestattung, das Gelände durch einen Zaun einzufrieden, ferner die Verpflichtung des Beklagten, "die Grenzen der Mietsache sichtbar zu halten", sowie die Obliegenheit, die Wasserversorgung auf eigene Kosten durchzuführen, was die Benutzung von auf dem Gelände befindlichen Sickergruben erforderlich machte.
- 13
- Das Berufungsgericht geht auch selbst davon aus, dass der Beklagte das umliegende Gelände nutzen durfte, nimmt als Rechtsgrundlage insoweit aber einen Leihvertrag an. Das ist möglich, findet im Vertragstext aber keine Erwähnung und liegt daher nicht näher als die Annahme, das Gelände sei mitvermietet.
- 14
- 2. Vor diesem Hintergrund gewinnt der ebenfalls unter Beweis (Zeugen S. , J. und Dö. ) gestellte Vortrag des Beklagten in 1. Instanz indizielle Bedeutung, dass das schon von der D. umzäunte Gelände eine Einheit dargestellt habe, das nach einer vorgelegten Zeichnung die nunmehrigen Flurstücke 703 und 667, also gerade auch den hier streitigen Grundstücksteil umfasst habe. Dieses Gelände habe der Beklagte zum Zwecke der Verschönerung und zur Behebung eingetretener Missstände nutzen sollen. Auch diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen.
- 15
- 3. Der übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich.
- 16
- Ist von einem Mietvertrag über Gebäude und umliegende Flächen auszugehen , so konnte die Klägerin die Kündigung im März 2008 noch nicht aussprechen , weil der Eintritt in den Mietvertrag erst mit dem Eigentumserwerb erfolgt, § 566 BGB. Eigentümerin wurde sie erst im Dezember 2008.
- 17
- Zum anderen ist nur das Flurstück 667 an die Klägerin veräußert worden ; das Flurstück, auf dem das Gebäude steht, gehört entweder noch der D. oder ist an einen Dritten veräußert worden. Eine gesonderte Kündigung nur das Flurstück 667 betreffend wäre bei einem einheitlichen Mietvertrag nicht möglich gewesen. D. /Dritter und Klägerin hätten das Mietverhältnis nur insgesamt und damit nur gemeinsam, als Bruchteilsgemeinschafter (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 399/03, NJW 2005, 3781), kündigen können. Daran fehlt es.
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.11.2010 - 5 O 339/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.06.2011 - I-10 U 161/10 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Das Entgelt nach Satz 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.
(2) Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.
(3) Werden der Anspruch auf Räumung von Wohnraum und der Anspruch nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Wohnraum in demselben Prozess verhandelt, werden die Werte nicht zusammengerechnet.
(4) Bei Ansprüchen nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch für die Rechtsmittelinstanz der für den ersten Rechtszug maßgebende Wert zugrunde zu legen, sofern nicht die Beschwer geringer ist.
(5) Bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum ist der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung, bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung einer Durchführung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen einer sonst möglichen Mietminderung durch den Mieter maßgebend. Endet das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres, ist ein entsprechend niedrigerer Betrag maßgebend.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.