Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2015 - V ZR 234/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke und streiten um ein Wegerecht über den Hofraum des Anwesens der Beklagten. Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt zu dulden, dass die Kläger und von ihnen berechtigte Dritte, wie Besucher und Lieferanten, die näher bezeichnete Grundstücksfläche der Beklagten jederzeit begehen und befahren können und zwar in einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden allgemeinen Breite von 2,55 m und bei Durchfahrten von landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten und Zugmaschinen sowie Lastkraftwagen und Transportern in einer Breite von 3 m. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht deren Verurteilung mit der Begründung aufrechterhalten, den Klägern stehe ein Notwegrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB zu. Ergänzend hat es die Kläger verurteilt, an die Beklagten jährlich im Voraus eine Notwegrente von 180 € zu entrichten. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. In dem angestrebten Revisionsverfahren wollen sie die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
- 2
- Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beklagten nicht dargelegt haben, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
- 3
- 1. Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwer eines Beklagten, der sich - wie hier - gegen die Verurteilung zur Duldung eines Notwegs richtet, bemisst sich nach der Wertminderung , die sein Grundstück hierdurch erleidet. Eine ausgeurteilte Gegenleistung in Form einer Notwegrente bleibt hierbei unberücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, MDR 2014, 461 Rn. 5).
- 4
- 2. Dass das Grundstück der Beklagten durch die vom Berufungsgericht bestätigte Verurteilung eine Wertminderung von mehr als 20.000 € erleidet, haben sie in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
- 5
- a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihr Interesse an der Beseitigung der Duldungsverurteilung nicht gleich hoch zu bewerten wie das Interesse der Kläger an der Verurteilung, das das Berufungsgericht mit 30.000 € bewertet hat. Dieses Interesse bemisst sich nach der Wertsteigerung, welche ihr Grundstück durch die Gewährung eines Notwegerechts erfährt. Es ist nicht identisch mit der aus der Verpflichtung zur Duldung des Notwegs folgenden Wertminderung des Grundstückes der Beklagten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, MDR 2014, 461 Rn. 6 und 8).
- 6
- b) Das von den Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegte „Gutachten - Kurzeinschätzung -“ eines Architekten, in dem die Wertminderung durch das Überfahrtsrecht mit 28.000 € bewertet wird, reicht zur Glaubhaftmachung einer 20.000 € übersteigenden Verkehrswertminderung nicht aus.
- 7
- aa) Dies folgt bereits daraus, dass in dem Gutachten keinerlei Angaben zu dem aktuellen Verkehrswert des Grundstücks der Beklagten enthalten sind und es deshalb an einer tauglichen Vergleichsgröße fehlt (vgl. hierzu auch Senat , Beschluss vom 19. Februar 2015 - V ZR 124/14, juris Rn. 6). Der Sachverständige beschränkt sich insoweit auf die nicht näher begründete Behauptung, er habe den Verkehrswert überschlägig mit und ohne Überfahrtsrecht ermittelt, und die Differenz betrage nach sachverständiger Einschätzung ca. 35.000 €.
- 8
- bb) Auch durch die weitere Überlegung des Sachverständigen, die Umlegung des Weges, die zur Umsetzung der vom Eigentümer geplanten Veränderungen nötig sei, werde Kosten in Höhe von mindestens 35.000 € verursachen , wobei eine ohnehin erforderliche Sanierung in Höhe von ca. 7.000 € zu berücksichtigen sei, wird eine durch die Pflicht zur Duldung des Notwegs eintretende Verkehrswertminderung in Höhe von 28.000 € nicht nachvollziehbar dargelegt.
- 9
- c) Der Hinweis der Beklagten, hinsichtlich des Wertes sei zu berücksichtigen , dass ihnen bereits unter dem 17. Februar 2004 die Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Hundezwingern erteilt und die Einfriedung des Grundstücks nachträglich genehmigt worden sei, besagt über die Höhe der Verkehrswertminderung ihres Grundstücks nichts.
- 10
- 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
- 11
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 3 ZPO. Maßgeblich ist die Beschwer der Beklagten (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG; siehe hierzu auch Senat, Beschluss vom 19. Februar 2015 - V ZR 124/14, juris Rn. 12). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte schätzt der Senat den Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf 5.000 €.
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 26.03.2014 - 3 O 259/13 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.09.2014 - 12 U 81/14 -
moreResultsText
Annotations
(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.