Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - V ZB 40/15

bei uns veröffentlicht am16.09.2015
vorgehend
Amtsgericht Nürnberg, 59 XIV 5/15, 15.02.2015
Landgericht Nürnberg-Fürth, 18 T 1191/15, 13.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 40/15
vom
16. September 2015
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Steht - gegebenenfalls nach einer Auslegung der vom Amtsgericht in einer Abschiebehaftsache
getroffenen Entscheidung - fest, ob im Hauptsacheverfahren (§ 417 ff.
FamFG) oder im einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 427 FamFG) entschieden
worden ist, wird hierdurch auch der Gegenstand eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens
festgelegt.
Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, eine tatsächlich im Hauptsacheverfahren
ergangene Entscheidung des Amtsgerichts nachträglich als eine einstweilige Anordnung
oder einen im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Beschluss nachträglich
als Hauptsachentscheidung anzusehen.
BGH, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Göbel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 18. Zivilkammer - vom 13. März 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist mazedonischer Staatsangehöriger. Er reiste spätestens am 1. September 2012 visumsfrei in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung. Nachdem er diesen Antrag zurückgenommen hatte, tauchte er unter. Mit bestandskräftiger Verfügung der Beteiligten zu 2 vom 16. September 2014 wurde der Betroffene ausgewiesen und unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise bis spätestens 28. September 2014 aufgefordert. Nachdem er am 14. Februar 2015 in Polizeigewahrsam genommen worden war, beantragte die Beteiligte zu 2 am selben Tag die Anordnung der Abschiebehaft gegen den Betroffenen bis zum 29. März 2015. Für den Fall, dass über den Antrag nicht sofort entschieden werden könnte, beantragte sie die Anordnung der Sicherungshaft im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer von sechs Wochen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15. Februar 2015 durch einstweilige Anordnung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 427 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG die vorläufige Freiheitsentziehung des Betroffenen zum Zwecke der Sicherungshaft bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis Ablauf des 29. März 2015 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 13. März 2015 mit der Feststellung zurückgewiesen, dass die angefochtene Entscheidung nicht im Wege der einstweiligen Anordnung erlassen worden sei. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene, der am 24. März 2015 in sein Heimatland abgeschoben worden ist, die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und die Feststellung, dass er durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Februar 2015 in seinen Rechten verletzt sei.

II.

2
Das Beschwerdegericht meint, die Anordnung der Sicherungshaft sei in der Sache nicht zu beanstanden. Zur Klarstellung sei jedoch auszusprechen, dass die Entscheidung tatsächlich keine einstweilige Anordnung, sondern eine endgültige Entscheidung in der Sache gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, §§ 417 ff. FamFG darstelle. Das Amtsgericht habe keinerlei Feststellungen dazu getroffen, warum eine endgültige Entscheidung nicht habe ergehen können. Insbesondere lasse der Beschluss nicht erkennen, warum die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung noch nicht abschließend hätten festgestellt werden können. Auch habe das Amtsgericht die Sicherungshaft für den gesamten durch die Behörde beantragten Zeitraum ausgesprochen, so dass eine Haupt- sacheentscheidung vorweggenommen worden sei. Insofern habe das Amtsgericht tatsächlich eine endgültige Entscheidung getroffen, für die es sämtliche Formalitäten eingehalten habe. Die antragstellende Behörde habe eine einstweilige Anordnung auch nur hilfsweise beantragt. Diese Feststellung werde zugunsten des Betroffenen getroffen, um ihm das gegen die endgültige Entscheidung zustehende Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nicht durch die falsche Bezeichnung als einstweilige Anordnung zu nehmen.

III.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
4
a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG - ohne Zulassung statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 6 mwN). Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen. Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).
5
b) Das - im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte - Rechtsmittel des Betroffenen richtet sich gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme und ist deshalb statthaft. Dem steht nicht entgegen , dass das Amtsgericht eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 427 FamFG erlassen hat. Das Beschwerdegericht hat unmissverständlich zum Aus- druck gebracht, eine Entscheidung zur Hauptsache treffen zu wollen, indem es „zur Klarstellung“ ausgesprochen hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts keine einstweilige Anordnung, sondern eine endgültige Entscheidung gemäß §§ 417 ff. FamFG darstelle. Ob das Beschwerdegericht zu einer solchen Vorgehensweise verfahrensrechtlich befugt war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Rechtsbeschwerde.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Beschwerdegericht hat eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen, obwohl Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich ein im Wege der einstweiligen Anordnung ergangener Beschluss des Amtsgerichts war.
7
a) Die Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) sind nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren. Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes hat sich dafür entschieden , die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweilige Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff. ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks. 16/6308 S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks. 16/6308 S. 293). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG unterscheiden sich von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG. Deshalb kann eine Freiheitsentziehung als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig , als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtswidrig sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10 und vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 13). Umgekehrt kann eine Freiheitsentziehung als Beschluss in der Hauptsache rechtmäßig sein, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 427 FamFG jedoch als vorläufige Anordnung rechtswidrig sein. Die hiernach gebotene Unterscheidung zwischen dem Verfahren auf Erlass einer vorläufigen Anordnung und dem Beschluss in der Hauptsache hat zur Folge, dass der Antrag einer Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung keine Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren ist (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 11, 13).
8
b) Wenn eine Behörde - wie hier in Gestalt eines Haupt- und Hilfsantrages - sowohl eine Entscheidung in der Hauptsache als auch eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt, kann sich die Frage stellen, ob die auf einen solchen Antrag ausgesprochene Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren können insbesondere das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende , nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen und die Rechtsmittelbelehrung sein (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7).
9
c) Steht - gegebenenfalls nach einer Auslegung der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung - fest, ob im Hauptsacheverfahren oder im einstweiligen Anordnungsverfahren entschieden worden ist, wird hierdurch auch der Gegenstand eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens festgelegt. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, eine tatsächlich im Hauptsacheverfahren ergangene Entscheidung des Amtsgerichts nachträglich als eine einstweilige Anordnung oder einen im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Beschluss nachträglich als Hauptsachentscheidung anzusehen. Durch einen sol- chen Wechsel von der einen in die andere Verfahrensart würde die vom Gesetzgeber angeordnete Unterscheidung von Hauptsacheverfahren und einstweiligen Anordnungsverfahren, für die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gelten, missachtet. Zudem würde auch die Regelung des § 70 Abs. 4 FamFG unterlaufen. Hierin hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass einstweilige Anordnungen - im Unterschied zu den Hauptsachentscheidungen - keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen. Vielmehr endet der Rechtsmittelzug in diesen Verfahren beim Beschwerdegericht, das auch die Voraussetzungen für das Vorliegen einer einstweiligen Anordnung zu überprüfen hat.
10
d) Vorliegend war für die von dem Beschwerdegericht vorgenommene „Klarstellung“, dass es sich bei dem Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Feb- ruar 2015 um eine endgültige Entscheidung im Sinne des § 417 ff. FamFG handele, kein Raum. Aus dem Tenor und den Beschlussgründen ergibt sich eindeutig, dass das Amtsgericht die Entscheidung nicht versehentlich als einstweilige Anordnung bezeichnet hat, sondern eine solche tatsächlich auch erlassen wollte. Hierin fügt sich, dass in der Rechtsmittelbelehrung die für Beschwerden gegen einstweilige Anordnungen geltende Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) angegeben wird. Die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen eine Hauptsachentscheidung beträgt demgegenüber einen Monat (§ 63 Abs. 1 FamFG). Auch die Beteiligten haben den Beschluss, den der Betroffene mit der Beschwerde angegriffen hat, nicht als Entscheidung in der Hauptsache verstanden. Da hiernach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich eine einstweilige Anordnung war, durfte das Beschwerdegericht keine Entscheidung in der Hauptsache treffen.
11
3. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Eine eigene Entscheidung des Senats ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil es um die Rechtmäßigkeit einer im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Entscheidung des Amtsgerichts geht und in diesem Verfahren eine Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht vorgesehen ist. Über den im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Antrag festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Februar 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, hat deshalb abschließend das Beschwerdegericht zu befinden. Wie es selbst - wenn auch im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Klarstellung des Beschlusses des Amtsgerichts - ausführt, hatdas Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, warum anstelle einer endgültige Entscheidung eine einstweilige Anordnung nach § 427 FamFG ergehen musste.
Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland Kazele Göbel

Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 15.02.2015 - 59 XIV 5/15 (B) -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 13.03.2015 - 18 T 1191/15 -

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(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet: 1

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(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

7
b) Mit der Regelung des § 70 Abs. 4 FamFG hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen. Diese Regelung darf nicht durch die Zulassung von Feststellungsanträgen in Verfahren unterlaufen werden, in denen der Rechtsweg bis zum Rechtsbeschwerdegericht eröffnet ist. Folgerichtig setzt auch die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens nach § 52 FamFG voraus, dass sich die einstweilige Anordnung noch nicht erledigt hat. § 62 FamFG ist nicht mit der Folge entsprechend anwendbar, dass im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit einer einstweiligen Anordnung festgestellt werden könnte (Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 52 Rn. 3). An der für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt es insoweit schon deshalb, weil die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Anordnung auch sonst nicht den Verfahrensgegenstand des Hauptsacheverfahrens bildet. Das Gericht der Hauptsache hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer - nicht nur vorläufigen - Haftanordnung gegeben sind. Verneint es dies aufgrund der im Hauptsacheverfahren zur Verfügung stehenden besseren Erkenntnismöglichkeiten, scheidet zwar eine (weitere) Inhaftierung des Betroffenen aus. Das rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, die einstweilige Anordnung sei deshalb rechtswidrig gewesen. Denn eine vorläufige Haftanordnung ist schon dann rechtmäßig, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (§ 427 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.

(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.

(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.

(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.

(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.

10
bb) Ein weiterer Mangel des Haftantrags liegt darin, dass entgegen § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG jegliche Begründung zu der Durchführ- barkeit der Zurückschiebung und zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer von drei Monaten fehlt. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen bzw. Zurückschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2012 – V ZB 127/11, Rn. 7 f., juris; Beschluss vom 27. Oktober 2011 – V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 12 f.). Diese Angaben waren hier nicht deshalb entbehrlich, weil bei Rückübernahmen nach der Dublin II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, Abl. L 50/1 vom 25. Februar 2003) grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können. Denn das gilt nur, wenn festgestellt ist, dass der Mitgliedstaat zur Rückübernahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 29. September 2010 – V ZB 233/10, Rn. 13, juris [insoweit in NVwZ 2011, 320 nicht abgedruckt]). Angaben zu der Rücknahmeverpflichtung Großbritanniens nach der Dublin II-Verordnung enthält der Haftantrag jedoch nicht. Konnte die Behörde unmittelbar nach der Verhaftung des Betroffenen noch keine solchen Angaben machen, hätte sie sich darauf beschränken müssen , eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG zu beantragen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.