Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2012 - V ZB 183/11

bei uns veröffentlicht am01.03.2012
vorgehend
Amtsgericht Bad Kreuznach, 4 Gs 782/11, 21.05.2011
Landgericht Bad Kreuznach, 1 T 79/11, 17.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 183/11
vom
1. März 2012
in der Zurückschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AsylVfG § 14 Abs. 3 Satz 1, § 55 Abs. 1 Satz 1

a) Mit der förmlichen Asylantragstellung entsteht die Aufenthaltsgestattung nach § 55
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auch dann, wenn der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig
ist. Sie erlischt unter den weiteren Voraussetzungen des § 67 Abs. 1
Nr. 5 oder Nr. 6 AsylVfG erst mit der Entscheidung des Bundesamtes über den
Asylantrag.

b) Liegen im Zeitpunkt der Asylantragstellung die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung
der Haft nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG nicht vor, ist eine Fortdauer
der Sicherungshaft rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit der Haft kann nicht
dadurch beseitigt werden, dass das Beschwerdegericht nachträglich den Haftgrund
austauscht.
BGH, Beschluss vom 1. März 2012 - V ZB 183/11 - LG Bad Kreuznach
AG Bad Kreuznach
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Wassermann beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 21. Mai 2011 und der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 17. Juni 2011 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Land Rheinland-Pfalz zu 10 % und dem Landkreis Bad Kreuznach zu 90 % auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist tunesischer Staatsangehöriger. Er reiste im März 2011 mit Hilfe von Schleusern nach Italien ein, hielt sich anschließend in Frankreich auf, reiste ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland und wurde am 19. Mai 2011 nach Frankreich zurückgeschoben. Einen Tag später reiste er erneut in die Bundesrepublik ein.
2
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Mai 2011 - gestützt auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF - gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Zurückschiebung für die Dauer von sechs Wochen angeordnet. Das weitere Verfahren wurde von der Beteiligten zu 3 geführt. Während des gegen die Haftanordnung gerichteten Beschwerdeverfahrens stellte der Betroffene einen Asylantrag, der am 25. Mai 2011 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einging. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juni 2011 zurückgewiesen. Am 26. September 2011 wurde der Betroffene nach Italien überstellt.
3
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass er durch die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung in seinen Rechten verletzt worden ist. Für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragt er Verfahrenskostenhilfe.

II.

4
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts lässt der gestellte Asylantrag den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF nicht entfallen; denn es stehe fest, dass in Deutschland kein Asylverfahren durchgeführt werde, da nach der Dublin II-Verordnung Italien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Es liege außerdem der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 aF vor. Dem Beschwerdegericht sei es nicht verwehrt, seine Entscheidung auch auf einen von dem Amtsgericht nicht geprüften Haftgrund zu stützen.

III.

5
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sowohl die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht als auch ihre Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
6
1. Das Amtsgericht durfte die Haft nicht anordnen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung oder Zurückschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden. Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Die Darlegungen müssen die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, Rn. 9, juris).
8
b) Diesen gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt der Haftantrag nicht. Die in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG geforderten Darlegungen zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer und zu der Durchführbarkeit der Zurückschiebung innerhalb dieser Haftdauer fehlen. In dem offensichtlich für eine Vielzahl von Fällen vorbereiteten Standardvordruck, der nur die Möglichkeit des Ankreuzens vorformulierter Angaben vorsieht, heißt es in Form eines Textbausteines, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Abschiebung innerhalb der Haftdauer möglich sein werde. Diese universell einsetzbare Leerformel besagt nichts über den konkreten Fall. Es wird weder das Land bezeichnet, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, noch enthält der Haftantrag Angaben darüber, innerhalb welchen Zeitraums Zurückschiebungen in das von der Behörde vorgesehene Land üblicherweise möglich sind (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 264/10, InfAuslR 2011, 398, 399). Ebenso wenig wird dargelegt, weshalb der beantragte Haftzeitraum für die Vorbereitung der Zurückschiebung erforderlich war.
9
c) Durch die ergänzenden Angaben der Beteiligten zu 3 anlässlich der Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht konnte der Verstoß gegen den Begründungszwang nicht rückwirkend geheilt werden, weil es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erfordert (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 140/11 Rn. 7, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211).
10
2. Auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt den Betroffenen in seinen Rechten. Der von ihm während des Beschwerdeverfahrens gestellte Asylantrag führte zu einem der Haft entgegenstehenden Hindernis.
11
a) Mit der Stellung des Asylantrages bei dem zuständigen Bundesamt hat der Betroffene die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, 3 AsylVfG erworben. Damit entfiel seine Ausreisepflicht, die Tatbestandsvoraussetzung für die Sicherungshaft ist (HK-AuslR/Wolff, § 14 AsylVfG Rn. 7). Dem steht nicht entgegen, dass nach den Regelungen der Dublin II-Verordnung nicht Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
12
aa) § 55 Abs. 1 Satz 1, 3 AsylVfG macht die Entstehung des gesetzlichen Aufenthaltsrechts nicht von weiteren Voraussetzungen als der förmlichen Asylantragstellung abhängig. Dies gilt auch, wenn ein Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig ist, weil ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Denn auch in den Fällen des § 27a AsylVfG ist eine Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag erforderlich (§ 31 Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 AsylVfG). Erst dessen Entscheidung führt unter den weiteren Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 6 AsylVfG zum Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (vgl. OLG Schleswig, OLGR 2005, 586, 587; LG Saarbrücken, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 5 T 468/08 Rn. 27, juris; Bergmann in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 55 AsylVfG Rn. 8; Hailbronner, AuslR, Stand 1998, § 55 AsylVfG Rn 18). bb) Auch der Formulierung in § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach der
13
Aufenthalt "zur Durchführung des Asylverfahrens" gestattet wird, lässt sich nicht die Einschränkung entnehmen, dass ein Aufenthaltsrecht erst im Falle einer positiven Zuständigkeitsentscheidung des Bundesamtes und der sich anschließenden eigentlichen Durchführung des Asylverfahrens entsteht. Zwar liegt während des Stadiums der Prüfung, ob ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, noch keine Prüfung des Asylantrags im Sinne der Vorschriften der Dublin II-Verordnung vor (Filzwieser/Sprung, 3. Aufl., Art. 2 Dublin II-Verordnung Anm. K 10). Diese Differenzierung ist jedoch vor allem für die Entstehung der in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung bestimmten Verpflichtungen eines Mitgliedstaates maßgeblich. Für die Frage einer Aufenthaltsgestattung nach nationalem Recht hat sie hingegen keine Bedeutung. Daher ist dem Asylantragsteller auch für die Phase der Zuständigkeitsprüfung durch das Bundesamt der Aufenthalt nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet (vgl. OLG Schleswig, OLGR 2005, 586, 587; LG Saarbrücken, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 5 T 468/08 Rn. 27, juris; LG Göttingen, InfAuslR 1995, 327, 328; Bergmann in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 55 AsylVfG Rn. 8; Hailbronner, AuslR, Stand 1998, § 55 AsylVfG Rn. 19; aA AG Freiberg, Beschluss vom 25. Januar 2005 - XIV B 00039, juris Rn. 27).
14
b) Wird allerdings ein Asylantrag aus der Abschiebungshaft heraus gestellt , steht die Asylantragstellung in den Fällen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen. Die Voraussetzungen dieser Norm sind hier aber nicht erfüllt.
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aa) § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG aF greift nicht ein. Diese Vorschrift ermöglicht die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft trotz Asylantragstellung, wenn sich der Ausländer in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF befindet, weil er sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hat. So verhält es sich hier indes nicht. Der Betroffene hat sich vor der Antragstellung nicht mehr als einen Monat ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten.
16
bb) Die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft war auch nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG aF begründet. Danach steht die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen, wenn sich der Ausländer in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG aF befindet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bei Stellung des Asylantrages befand sich der Betroffene in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF.
17
Zwar hat das Beschwerdegericht - wie von der Beteiligten zu 3 nachträglich beantragt - die Sicherungshaft auch mit dem Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF begründet. Dies ist grundsätzlich zulässig, weil das Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts tritt (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, Rn. 7, 10, juris). Hiervon zu trennen ist jedoch die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG aF vorliegen müssen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt, dass dies der Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung ist. Liegen daher bei Stellung des Asylantrages die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung der Haft nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG - wie im vorliegenden Fall - nicht vor, ist der Betroffene aus der Haft zu entlassen; eine Fortdauer der Sicherungshaft ist rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit der Haft kann nicht dadurch beseitigt werden, dass das Beschwerdegericht eine andere Begründung nachschiebt. Denn für die Frage der Aufrechterhaltung der Sicherungshaft trotz einer Asylantragstellung kommt es nicht darauf an, auf welchen Haftgrund die Haftanordnung hätte gestützt werden können, sondern auf welchen Haftgrund sie tatsächlich gestützt worden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. April 2009 - 20 W 129/09, S. 4, veröffentlicht unter www.asyl.net; LG Saarbrücken, Beschluss vom 6. Dezember 2010, 5 T 514/10 Rn. 27, juris).
18
c) Schließlich durfte die Abschiebungshaft auch nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG, auf dessen Regelungsgedanken sich das Beschwerdegericht stützt, aufrechterhalten werden. Diese Norm kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG erfüllt sind. Das ist - wie ausgeführt - nicht der Fall.

IV.

19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1, § 430 FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, das Land Rheinland-Pfalz und den Landkreis Bad Kreuznach entsprechend der Beteiligung ihrer Behörden zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 21.05.2011 - 4 Gs 782/11 -
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 17.06.2011 - 1 T 79/11 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

9
b) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Der Gesetzgeber hat sich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es dabei bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks 16/6308 S. 291) – dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG in BT-Drucks 16/9733 S. 299). Diese müssen in dem Haftantrag behandelt werden. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. seine Entscheidung zugänglich werden (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Eine solche Darlegung gibt dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der dazu notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 264/10
vom
26. Mai 2011
in der Zurückschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Anordnung von Freiheitsentziehung innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2
MuSchG ist in der Regel unverhältnismäßig.

b) Hat die beteiligte Behörde eine schwangere Betroffene ärztlich untersuchen lassen
, muss sie den Haftrichter über das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung in
dem Haftantrag oder durch Vorlage ihrer Akten unterrichten.
BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 264/10 - LG Dresden
AG Dresden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 5. September 2010 (271 XIV 116/10) und der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 16. September 2010 (2 T 737/10) die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in sämtlichen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Die seinerzeit im siebenten Monat schwangere Betroffene, die russische Staatsangehörige ist und aus Tschetschenien stammt, reiste am 5. September 2010 über Tschechien gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Deutschland ein. Die Eheleute verfügten nicht über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 vom 5. September 2010 hat das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung der Betroffenen Sicherungshaft bis längstens 5. Dezember 2010 verhängt und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Im Rahmen der Anhörung stellte die Betroffene einen Asylantrag, nach dessen Eingang beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 9. September 2010 ein Asylverfahren eröffnet worden ist.
3
Auf die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht die Haftdauer nach persönlicher Anhörung der Betroffenen bis längstens 4. November 2010 verkürzt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Am 5. Oktober 2010 ist die Betroffene aus der Sicherungshaft entlassen worden.
4
Mit der Rechtsbeschwerde möchte sie die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen sowie die Feststellung der Rechtsverletzung erreichen.

II.

5
Das Beschwerdegericht stützt die Sicherungshaft auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Die Betroffene werde sicher nicht untertauchen, solange über ihren Asylantrag noch nicht entschieden sei. Das ändere sich aber, wenn der Asylantrag zurückgewiesen werde. Dann sei die Versuchung groß unterzutauchen , um Zeit zu gewinnen. Denn die Zurückschiebung werde immer unwahrscheinlicher , je näher der Entbindungstermin der Betroffenen rücke. Die Behörde müsse die Abläufe auf das Äußerste beschleunigen, zumal eine Flugreise mit voranschreitender Schwangerschaft kritisch zu sehen sei.

III.

6
1. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist trotz Erledigung ohne Zulassung statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 10) und auch im Übrigen zulässig, § 71 FamFG.
Allerdings ist die neben der Feststellung begehrte Aufhebung der Haftanordnung und der Beschwerdeentscheidung infolge der Erledigung nicht mehr möglich. Der Antrag ist dem Rechtsschutzziel entsprechend dahin auszulegen, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowohl der Entscheidung des Amtsgerichts als auch des Beschwerdegerichts begehrt wird.
7
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil sowohl die Beschwerdeentscheidung als auch die Haftanordnung, die im Fall der Erledigung ebenfalls Gegenstand der Überprüfung ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154 Rn. 14; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 6), einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten.
8
a) Die Haftanordnung ist schon deshalb zu beanstanden, weil sie, wie die Betroffene im Ergebnis zu Recht rügt, auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erfolgte.
9
aa) Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt als eine unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen , die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660). Hierfür sind regelmäßig die Akten der Ausländerbehörde beizuziehen (BVerfG, NVwZ 2008, 304, 305). Etwas anderes gilt nur, wenn sich die entscheidungserheblichen Umstände aus dem Antrag der beteiligten Behörde und den ihm beigefügten Unterlagen ergeben (Senat , Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246, 248 f.). Anders kann der Haftrichter den Sachverhalt nicht, wie nach § 26 FamFG schon einfachrechtlich geboten, von Amts wegen sachgerecht aufklären. Deshalb ist eine Haftanordnung rechtswidrig, wenn ihr die gebotene Tatsachengrundlage fehlt. Ob das dem Haftantrag anzusehen ist, ist unerheblich (vgl. Senat , Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, juris Rn. 5).
10
bb) An der erforderlichen Tatsachengrundlage fehlte es hier. Die beteiligte Behörde hat ihre Akten dem Haftrichter nicht, jedenfalls nicht vollständig vorgelegt. Dies war auch nicht deshalb entbehrlich, weil ihr Haftantrag ausreichend gewesen wäre. Dieser enthielt keine Angaben zu der Schwangerschaft der Betroffenen , auf die es für die Entscheidung offensichtlich ankam. Erkenntnisse hierüber lagen der beteiligten Behörde aber vor. Nach ihrer Stellungnahme in dem Verfahren vor dem Senat hatte sie vor Stellung des Haftantrags die fortgeschrittene Schwangerschaft der Betroffenen erkannt und diese deshalb zunächst im Krankenhaus F. auf ihre Gewahrsamsfähigkeit hin ärztlich untersuchen lassen. Hierbei hatte sich ergeben, dass die Betroffene voraussichtlich am 14. Dezember 2010 entbinden würde. Das war schon für die Antragstellung der beteiligten Behörde und erst recht für die Entscheidung über diesen Antrag von entscheidender Bedeutung. Nach Nr. 62.0.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zum Aufenthaltsgesetz (vom 26. Oktober 2009, GMBl. S. 878 - AVV-AufenthG) sollen Schwangere innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfrist, die sich hier aus § 3 Abs. 2 MuSchG ergibt und mit dem 1. November 2010 begann, grundsätzlich nicht in Haft genommen werden. Die von der beteiligten Behörde dessen ungeachtet beantragte Anordnung von Zurückschiebungshaft bis zum 5. Dezember 2010 kam deshalb von vornherein nicht Betracht und leitete ohne nähere Angaben zur Schwangerschaft in die Irre.
11
b) Auch die Beschwerdeentscheidung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
12
aa) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der Antrag der Beteiligten zu 2 mangels einer ausreichenden Begründung unzulässig war. Die Betroffene hat die erforderlichen Angaben zu ihrer Schwangerschaft in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht selbst vorgetragen. Die Beteiligte zu 2 hat die dazugehörigen ärztlichen Unterlagen auf Anforderung des Beschwerdege- richts im Anschluss an die Anhörung nachgereicht. Damit lag im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ein zulässiger Haftantrag vor (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11).
13
bb) Die Beschwerdeentscheidung hält einer rechtlichen Prüfung aber deswegen nicht stand, weil das Beschwerdegericht die erforderliche Prognose gemäß § 57 Abs. 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vorgenommen hat.
14
(1) Die Haftgerichte sind auf Grund von Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich und auf Grund von § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Insbesondere die für die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG notwendige Prognose hat der Haftrichter auf der Grundlage einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage zu treffen. Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens , dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 329 f. Rn. 14; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144, 145 Rn. 15).
15
(2) Auch wenn der Haftrichter eine Haftdauer von weniger als drei Monaten anordnet, muss er eine Prognose darüber treffen, ob die Abschiebung bei realistischer Betrachtung innerhalb dieser Zeit erfolgen kann. Das ergibt sich schon daraus, dass § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659). Die Prognose muss sich grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht http://www.juris.de/jportal/portal/t/2rdo/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE002800000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2rdo/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100063258&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2rdo/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100067364&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 8 - kommenden Gründe erstrecken, die der Zurückschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, juris Rn. 22; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 22). Zu der Feststellung, ob die Zurückschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß § 26 FamFG dem Gericht nachzufragen (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 363; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, aaO).
16
(3) Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht. Das Beschwerdegericht hat allerdings, anders als das Amtsgericht, den Sachverhalt weiter aufgeklärt und wegen des laufenden Asylverfahrens und der bevorstehenden Entbindung allenfalls ein kurzes Zeitfenster für die Durchführung der Zurückschiebung gesehen. Diesen Umstand hat das Beschwerdegericht zwar zum Anlass genommen, die Behörde auf das Erfordernis einer größtmöglichen Beschleunigung hinzuweisen und die Haft zu verkürzen. Die Durchführbarkeit der Zurückschiebung als solcher hat es aber nicht geprüft. Dazu bestand schon deshalb Anlass, weil sich die Betroffene den Feststellungen zufolge im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits in der 28./29. Schwangerschaftswoche und damit am Beginn des achten Schwangerschaftsmonats befand. Dass eine Flugreise deshalb problematisch war, hat das Beschwerdegericht erörtert, ohne jedoch auf die nahe liegende Frage einzugehen, ob eine Zurückschiebung bei realistischer Betrachtung nicht schon aus diesem Grund scheitern musste. Im Hinblick darauf hätte es gemäß § 26 FamFG Ermittlungen dazu durchführen müssen, ob der Gesundheitszustand der Betroffenen eine Flugreise noch erlaubte und ob sie von Seiten der Fluggesellschaften noch durchgeführt werden würde. Schließlich hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt, dass mit einer Entscheidung über die Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu einem Zeitpunkt gerechnet werden konnte, in dem die Zurückschiebung noch erfolgen konnte.
17
(4) Dass die gebotene, aber unterlassene Prognose die Haft gerechtfertigt hätte, kommt hier nicht ernsthaft in Betracht. Die Betroffene ist bereits am 5. Oktober 2010 und damit knapp drei Wochen nach der Beschwerdeentscheidung entlassen worden.

IV.

18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1, § 430 FamFG; unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Bundesrepublik Deutschland als derjenigen Körperschaft , der die Beteiligte zu 2 angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, juris Rn. 18).

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128 c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 05.09.2010 - 271 XIV 116/10 -
LG Dresden, Entscheidung vom 16.09.2010 - 2 T 737/10 -

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

7
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend, ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags; durch die Konkretisierung des Haftantrags in dem Termin zur Anhörung des Betroffenen vor dem Beschwerdegericht durch den Vertreter der Beteiligten zu 2, der Betroffene solle nach Marokko abgeschoben werden, konnte der Verstoß nicht rückwirkend geheilt werden, weil es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erfordert (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14, 19).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 218/09
vom
29. April 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Abschiebungshaftsachen muss aus den Verfahrensakten zu ersehen sein, dass
der Haftanordnung ein vollständiger Antrag der zuständigen Behörde zugrunde liegt.
BGH, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2010 durch die Richter
Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. November 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Oktober 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Im Übrigen findet keine Auslagenerstattung statt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland ohne Pass und Visum mit Hilfe einer Schleuserorganisation in das Bundesgebiet ein. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 wies er sich mit einem gefälschten französischen Identitätspapier aus und wurde festgenommen. Der Betroffene äußerte in seiner polizeilichen Vernehmung, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Die Beteiligte zu 2 verfügte die Zurückschiebung des Betroffenen nach Griechenland.
2
Bei dem Amtsgericht gingen nach dem Inhalt der Verfahrensakten per Telefax die ersten beiden Seiten des Formularantrags der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung ein; die dritte Seite mit der Darstellung des Sachverhalts, der Antragsbegründung und der Unterschrift fehlte. Das Amtsgericht ordnete am 19. Oktober 2009 nach Anhörung des Betroffenen die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 18. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei dem ein am 19. Oktober 2009 gestellter Asylantrag registriert ist, richtete ein Übernahmeersuchen an die griechischen Behörden.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Betroffene die fehlende Vorlage der "Ausländerakten" gerügt, auf seinen zwischenzeitlich gestellten Asylantrag hingewiesen, eine inhaltlich unzureichende Anhörung durch den Haftrichter und ferner geltend gemacht hat, dass die Zurückschiebung nach Griechenland vor dem Hintergrund der verwaltungsgerichtlichen Praxis nicht innerhalb des angeordneten Haftzeitraums durchgeführt werden könne, hat das Beschwerdegericht ohne erneute Anhörung des Betroffenen nach Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 16. November 2009 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Asylantrag stehe nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Der im Rahmen der Vernehmung formlos gestellte Antrag des aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Betroffenen habe noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG zur Folge. Der förmliche Asylantrag sei erst aus der Haft heraus gestellt worden.
5
Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen Festnahme und Anhörung des Betroffenen habe das Amtsgericht nicht auf den Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 zurückgreifen müssen. Ausländerakten seien im Übrigen noch nicht angelegt gewesen. Zudem sei ein etwaiger Verfahrensfehler durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
6
Zwar lägen wegen des Asylantrags die Voraussetzungen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrundes nicht mehr vor. Die Sicherungshaft könne jedoch auf den begründeten Verdacht gestützt werden, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Die Haftfristen seien gewahrt, die Inhaftierung sei nicht unverhältnismäßig. Da die Personalien des Betroffenen feststünden, sei nicht ersichtlich, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG durchgeführt werden könne. Der Haftrichter sei an die Entscheidung der Beteiligten zu 2, den Betroffenen nach Griechenland zurückzuschieben, gebunden.
7
Schließlich sei der Betroffene nicht nach Ablauf von vier Wochen seit Stellung des Asylantrags aus der Haft zu entlassen. Denn diese Frist gelte nach § 14 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AsylVfG nicht, weil das BAMF ein Übernahmeersuchen an einen zur Übernahme verpflichteten Staat gestellt habe.
8
Von der mündlichen Anhörung habe abgesehen werden können, weil hiervon neue Erkenntnisse nicht zu erwarten gewesen seien und die wesentlichen Feststellungen anhand des Verwaltungsvorgangs hätten getroffen werden können.

III.

9
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert die zwischenzeitliche Erledigung der Hauptsache nichts. Die Regelung in § 62 FamFG, nach der das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung - wie hier - ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 9). Denn unter dem Blickwinkel effektiven Rechtsschutzes ist es unerheblich, in welchem Stadium des Verfahrens sich die angegriffene Entscheidung in der Hauptsache erledigt (vgl. BVerfGK 6, 303, 311).
10
Mit dem auf Feststellung gerichteten Antrag greift der Betroffene einen Beschluss an, der eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet; damit bleibt die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG zulassungsfrei (Senat, aaO, Rdn. 10).
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 14), als auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist fehlerhaft und hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
13
aa) Ob es im Hinblick auf die Sollvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 FamFG zwingend eines unterschriebenen Antrags auf Freiheitsentziehung bedarf , kann allerdings ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der von dem Vertreter der Beteiligten zu 2 bei der Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht mündlich gestellte Haftantrag rechtswirksam war (vgl. hierzu BKBahrenfuss /Rüntz, FamFG, § 25 Rdn. 9; Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 25 Rdn. 19; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG [2009], § 23 Rdn. 10, § 25 Rdn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, aaO, § 25 Rdn. 30 f.). Denn der Antrag war jedenfalls mangels vollständiger Begründung unzulässig.
14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).
15
cc) Danach war der dem Amtsgericht nach dem Inhalt der Verfahrensakten vorliegende schriftliche Antrag der Beteiligten zu 2 unzureichend begründet.
16
(1) Aus dem per Telefax übersandten Antragsfragment und den zusätzlich überreichten Unterlagen ergaben sich die Identität des Betroffenen, die unerlaubte Einreise über den Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 und das Fehlen eines festen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Hieraus konnte der Haftrichter zu den Voraussetzungen der Haft, zu ihrer Verhältnismäßigkeit sowie zu der Erforderlichkeit der Haftdauer keine Anhaltspunkte für eine Überprüfung und weitere Aufklärung des Sachverhalts entnehmen. Über die fehlende Antragsbegründung können die Angaben des Betroffenen in seiner Anhörung nicht hinweghelfen.
17
(2) Daran ändert das Vorbringen der Beteiligten zu 2 nichts, dass anhand des in ihrem Verwaltungsvorgang enthaltenen Telefax-Sendeberichts und auf Grund der Angaben des Betroffenen von einem vollständigen Zugang des Haftantrags auszugehen sei. Sinn und Zweck der Antragsbegründung (s. dazu die Ausführungen unter 2. a) bb) a.E.) erfordern es, dass ihr Vorliegen bei der Anhörung des Betroffenen aus den Verfahrensakten ersichtlich ist. Diese müssen entweder den vollständigen schriftlichen Haftantrag enthalten, oder die Antragsbegründung muss sich aus dem Protokoll über die Anhörung ergeben. Fehlt beides, ist eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Haftanordnung in den Rechtsmittelinstanzen nicht möglich. Das wirkt zu Lasten der antragstellenden Behörde.
18
(3) Da hier aus den Verfahrensakten, die der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 1092; Jansen /Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 27 Rdn. 90; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 74 Rdn. 27), nicht ersichtlich ist, dass ein vollständiger Haftantrag vorlag oder gestellt wurde, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass er fehlte.
19
dd) Durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit dem vollständigen Haftantrag in der Beschwerdeinstanz konnte der Verstoß gegen § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht geheilt werden (vgl. hierzu KG InfAuslR 2009, 356, 357; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Denn bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine Verfahrensgarantie , deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 24; Prütting/ Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 10).
20
ee) Wegen des Verstoßes gegen diese Verfahrensgarantie hat die Entscheidung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt ebenfalls nicht stand.
22
aa) Da ihm der Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 vorlag, fehlte es allerdings nicht mehr an dem Antrag der zuständigen Behörde auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG).
23
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die Stellung des Haftantrags sachlich und örtlich zuständig. Sie ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde. Ihr sind nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 13).
24
(2) Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung lag der Haftantrag der Beteiligten zu 2 dem Beschwerdegericht im Original vor. Aus der Seite 3 des Antrags ergeben sich die für die Haftanordnung nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Darlegungen. Darauf hat die Beteiligte zu 2 in ihrer Beschwerdeerwiderung Bezug genommen.
25
bb) Mit Erfolg macht der Betroffene jedoch geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) lagen nicht vor. Der Betroffene hatte nämlich zuvor keine Gelegenheit, zu einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Haft und damit zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung zu äußern und persönlich zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentzie- hung ankommt, insbesondere zu den von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Grundlagen. Nach dem Protokoll der Anhörung am 19. Oktober 2010 ist nämlich davon auszugehen, dass dem Betroffenen bei dem Amtsgericht lediglich der fragmentarisch vorhandene Haftantrag übersetzt worden ist.
26
cc) Wegen dieses Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 12 m.w.N.).

IV.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Bundesrepublik Deutschland als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffen zu verpflichten.

28
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 19.10.2009 - 381 XIV 198/09 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.11.2009 - 84 T 441/09 B -

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch den Beschluss des Amtsgerichts Lebach vom 12.09.2008 – Az. 5 XIV 1957 B – rechtswidrig war.

2. Dem Saarland werden die Auslagen des Betroffenen sowohl in dem erstinstanzlichen Verfahren als auch in dem Beschwerdeverfahren auferlegt, soweit sie zur zweckentsprechenden Aktenverfolgung notwendig waren.

Gründe

A.

Das Landesverwaltungsamt des Saarlandes als zuständige zentrale Ausländerbehörde hat durch Schreiben vom 12.09.2008 bei dem Amtsgericht Lebach beantragt, gegen den Betroffenen die Abschiebehaft für die Dauer von zwei Wochen anzuordnen.

Der Betroffene ist am 01.12.2007 von Griechenland aus nach Deutschland eingereist und hat am 13.12.2007 einen Asylantrag gestellt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat am 28.01.2008 ein Übernahmeersuchen an Griechenland gerichtet. Die griechischen Behörden haben dieses Ersuchen zunächst nicht beantwortet.

Durch Schreiben vom 02.05.2008 (vgl. Bl. 31 d. A.) hat sich Griechenland bereit erklärt, den Betroffenen aufzunehmen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat durch Bescheid vom 17.04.2008 festgestellt, der Asylantrag des Betroffenen vom 13.12.2007 sei unzulässig, weil Griechenland für die Bearbeitung des Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO zuständig sei.

Gleichzeitig hat das Bundesamt in diesem Bescheid die Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland angeordnet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2008 ist dem Betroffenen am 18.09.2008 zugestellt worden.

Auf den Antrag der zentralen Ausländerbehörde hat das Amtsgericht Lebach nach vorheriger persönlicher Anhörung des Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss vom 12.09.2008 angeordnet, dass der Betroffene bis vorerst 25.09.2008 in Abschiebehaft zu nehmen ist.

Das Amtsgericht hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

Der Betroffene ist am 18.09.2008 aus der Haft heraus nach Griechenland abgeschoben worden.

Durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.09.2008 hat der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lebach vom 12.09.2008 sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,

festzustellen, dass die Anordnung von Abschiebehaft rechtswidrig war.

Der Betroffene weist daraufhin, dass ihm der Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2008 erst am 18.09.2008 zugestellt worden ist.

Er ist der Auffassung, seine Ausreisepflicht sei erst mit der Zustellung des Bescheids des Bundesamtes entstanden.

Die Anordnung der Abschiebehaft sei auch unverhältnismäßig gewesen, da man ihm die Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland habe geben müssen.

Die zentrale Ausländerbehörde verteidigt den angefochtenen Beschluss und weist darauf hin, in dem Haftantrag vom 12.09.2008 sei auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17.04.2008 Bezug genommen worden und dieser Bescheid habe dem Haftantrag beigelegen.

Der Betroffene sei aufgrund des Bescheides vom 17.04.2008 vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, so dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft erfüllt gewesen seien.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 106 Abs 2 S. 1 AufenthG, 3 S. 3, 7 FEVG, 19, 20, 22 FGG zulässig.

Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerde erst nach der Haftentlassung und der Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland eingelegt worden ist.

Da jede Freiheitsentziehung in schwerwiegender Weise in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) eingreift, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG ein umfassendes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung auch dann, wenn diese Freiheitsentziehung bereits beendet ist (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456; Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 28.06.2007, Az. LV 2/07 – zitiert nach juris).

Da jede Inhaftierung eine diskriminierende Wirkung entfaltet, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne eines Rehabilitierungsinteresses grundsätzlich auch nach der Erledigung der Freiheitsentziehung. Im Bereich der Abschiebungshaft besteht dieses Rechtsschutzinteresse trotz prozessualer Überholung jedenfalls bei einer Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder zur Vorbereitung der Ausweisung (vgl. BVerfG a. a. O.; BayObLG InfAuslR 2001, 445).

II.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet und führt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.

1. Das Amtsgericht hat die Haftanordnung in dem angefochtenen Beschluss vom 12.09.2008 auf § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG gestützt.

Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer für die Dauer von längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift haben im vorliegenden Fall deshalb nicht vorgelegen, weil der Betroffene zum Zeitpunkt der Haftanordnung am 12.09.2008 nicht ausreisepflichtig gewesen ist.

2. Der Betroffene hatte nach seiner Einreise nach Deutschland am 01.12.2007 am 13.12.2007 einen Asylantrag gestellt.

Auch wenn man berücksichtigt, dass der Betroffene aus Griechenland, also einem sicheren Drittstatt im Sinne des § 26 a Asylverfahrensgesetz nach Deutschland eingereist war, mit der Folge, dass Griechenland gemäß Art 10 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) für die Entscheidung über die Asylgewährung zuständig war, hat der Betroffene durch diesen in Deutschland gestellten Asylantrag gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 Asylverfahrensgesetz eine Aufenthaltsgestattung erlangt, die bis zu ihrem Erlöschen der Abschiebung des Betroffenen und damit auch der Anordnung von Abschiebehaft entgegen stand.

Diese Aufenthaltsgestattung ist gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 Asylverfahrensgesetz nicht bereits mit dem Erlass des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17.04.2008, sondern erst mit der Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung nach § 34 a Asylverfahrensgesetz erloschen.

Nach § 34 a Abs. 1 Asylverfahrensgesetz ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an – ohne dass es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf – sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

3. Diese Anordnung der Abschiebung durch das Bundesamt wird jedoch gemäß § 31 Abs. 1 S. 4 Asylverfahrensgesetz erst wirksam, wenn die Entscheidung sowohl über den Asylantrag als auch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung dem Ausländer selbst zugestellt worden ist (vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. v. 02.09.2004 – Az. 15 W 83/04, zitiert nach Juris, Rn. 4 – OLGR Hamm 2005, 75).

Da die Zustellung des Bescheides des Bundesamtes vom 17.04.2008 an den Betroffenen erst am 18.09.2008 – dem Tag der Haftentlassung – erfolgt ist, war die Anordnung, die Abschiebungshaft von Anfang an bis zu dem Tag der Haftentlassung rechtswidrig.

4. Ob – wie der Betroffene vortragen lässt – durch die Inhaftnahme des Betroffenen auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen worden ist, weil dem Betroffenen die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland hätte gegeben werden müssen (vgl. dazu OLG Hamm a. a. O., Juris Rn. 7) kann im vorliegenden Fall offen bleiben.

III.

Nach § 16 FEVG – diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn sich die Haftanordnung erledigt und durch gerichtliche Entscheidung die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festgestellt wird (vgl. OLG Hamm a. a. O., Juris Rn. 8) – sind dem Saarland die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, da das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass zur Beantragung der Abschiebungshaft nicht vorgelegen hat.

1. Ob ein begründeter Anlass zur Antragstellung vorgelegen hat, ist nach dem Sachverhalt zu beurteilen, der von der antragstellenden Behörde zur Zeit der Antragstellung unter Ausnutzung aller ihr nach den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Erkenntnisquellen festgestellt werden konnte, ohne dass ein Verschulden eines Mitarbeiters dieser Behörde vorgelegen haben muss (vgl. dazu OLG Hamm a. a. O., Juris Rn. 9 m. w. N.).

2. Die Ausländerbehörde hätte im vorliegenden Fall die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht und in diesem Zusammenhang die Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes vom 17.04.2008 prüfen und dabei feststellen müssen, dass die Zustellung zum Zeitpunkt des Haftantrages noch nicht erfolgt war, so dass der Betroffene damals noch nicht ausreisepflichtig gewesen ist und noch nicht in Haft hätte genommen werden dürfen (vgl. OLG Hamm a. a. O., Juris Rn. 9).

Deshalb sind dem Saarland als zuständiger Gebietskörperschaft die zur Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Zentrales Bereitschaftsgericht für das Saarland – vom 31.10.2010 – ZBG-AR 1645/10 – wird aufgehoben.

Gründe

A.

Der Betroffene ist afghanischer Staatsangehöriger, der am 30.10.2010 in dem ICE Paris – Frankfurt/Main ohne Reisepass und Visum nach Deutschland eingereist ist.

Das Amtsgericht Saarbrücken – Zentrales Bereitschaftsgericht für das Saarland – hat nach vorheriger persönlicher Anhörung des Betroffenen auf Antrag der Bundespolizeidirektion Koblenz, vertreten durch die Bundespolizeiinspektion Bexbach, durch Beschluss vom 31.10.2010 angeordnet, dass der Betroffene bis zum 29.01.2011 in Zurückschiebungshaft zu nehmen ist.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Betroffene sei gemäß § 14 Aufenthaltsgesetz unerlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig.

Es bestehe der Zurückschiebungshaftgrund der §§ 57 Abs. 3 in Verbindung mit 62 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz.

Die beantragte Freiheitsentziehung sei zur Sicherung der Zurückschiebung erforderlich, weil der Betroffene ohne Vollzug der Haft im Bundesgebiet untertauchen würde.

Der Betroffene habe diese Absicht durch den verbotenen Grenzübertritt schlüssig kund getan.

Die Haft sei damit das einzige geeignete Mittel, um sicher zu stellen, dass der Betroffene außer Landes gebracht werden könne.

Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene am 25. November 2010 Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, er habe durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.11.2010 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg Asyl beantragt.

Der Betroffene beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 31.10.2010

aufzuheben.

Die Zentrale Ausländerbehörde des Saarlandes beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Beschwerdeführer sei unerlaubt nach Deutschland eingereist. Deshalb sei der Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz gegeben. Ebenso liege bei dem Beschwerdeführer der Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz vor.

In dem Haftantrag sei ausgeführt, dass die Freiheitsentziehung erforderlich sei, weil der Beschwerdeführer ohne Vollzug der Haft untertauchen werde. Dies führe auch das Amtsgericht Saarbrücken in seinem Beschluss vom 31.10.2010 aus.

Der Beschwerdeführer habe bereits in Ungarn um Asyl nachgesucht.

Da er Ungarn unerlaubt verlassen habe, sei zu befürchten, dass er ein ähnliches Verhalten auch in Deutschland zeigen werde, sobald feststehe, dass er hier kein Bleiberecht erhalte.

Die für den 01.12.2010 vorgesehene Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn sei im Hinblick auf den Asylantrag vom 24.11.2010 unterblieben.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

B.

Die gemäß §§ 106 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz, 58, 59 FamFG zulässige Beschwerde des Betroffenen ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken.

1.

Der Aufenthalt des Betroffenen in Deutschland ist aufgrund seines Asylantrages vom 24.11.2010 gestattet (vgl. §§ 55 Abs. 1 S. 3, 26 a Abs. 2, 14 Abs. 2 Nr. 2, 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 Asylverfahrensgesetz), so dass die gegen ihn verhängte Abschiebungshaft nicht aufrecht erhalten werden darf.

2.

Der Betroffene ist von Frankreich aus, einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a Asylverfahrensgesetz nach Deutschland eingereist. Deshalb hat er die Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 S. 3 Asylverfahrensgesetz erst durch seinen förmlich gestellten Asylantrag erworben. Der Asylantrag ist am 24.11.2010 bei dem gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 Asylverfahrensgesetz zuständigen Bundesamt aus der Haft heraus gestellt worden.

3.

Der Asylantrag ist innerhalb der gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 Asylverfahrensgesetz maßgeblichen Monatsfrist gestellt worden. Der Betroffene ist am 30.10.2010 nach Deutschland eingereist. Die Antragstellung erfolgte am 24.11.2010.

Die Anordnung der Sicherungshaft ist – entgegen der Auffassung der Ausländerbehörde – nur nach § 62 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz, nicht jedoch nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz erfolgt.

In dem Beschluss vom 31.10.2010 ist ausgeführt, dass der Zurückschiebungshaftgrund der §§ 57 Abs. 3 i.V.m. 62 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz besteht, weil der Betroffene unerlaubt eingereist und deshalb vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die Vorschrift des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz wird in dem Beschluss des Amtsgerichts nicht zitiert. Die Begründung des Beschlusses im Übrigen rechtfertigt nicht die Annahme, dass das Amtsgericht die Freiheitsentziehung auch auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz stützen wollte. Die Ausführungen des Amtsgerichts, die beantragte Freiheitsentziehung sei zur Sicherung der Zurückschiebung erforderlich, weil der Betroffene ohne Vollzug der Haft im Bundesgebiet untertauchen werde und diese Absicht durch den verbotenen Grenzübertritt schlüssig kundgetan habe, reicht dazu nicht aus. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der verbotene Grenzübertritt allein nicht den gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz erforderlichen Verdacht begründet, dass sich der betroffene Ausländer der Abschiebung entziehen will. Die erforderliche Absicht des betroffenen Ausländers, die Abschiebung zu verhindern oder ihr sonst zu entgehen, könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn der Betroffene mit einem gefälschten Pass eingereist wäre (vgl. dazu BayOblG NVwZ 1993, 811; OLG Stuttgart, NVwZ-Beil. 1995, 80; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 62 Aufenthaltsgesetz Rdnr. 18) oder wenn sich der Wille des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, aus einer Gesamtschau aller Umstände ergeben würde (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.10.2009, Az 34 Wx 64/09, zitiert nach juris Rdnr. 14; OLG München, OLG R München 2009, 672, zitiert nach juris, Rdnr. 12).

Derartige Erwägungen hat das Amtsgericht jedoch nicht angestellt. Seine Ausführung, die beantragte Freiheitsentziehung sei zur Sicherung der Zurückschiebung erforderlich, weil der Betroffene ohne Vollzug der Haft im Bundesgebiet untertauchen würde, lassen sich nicht auf § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz beziehen. Sie sind allenfalls dazu geeignet, die Erforderlichkeit der Haftanordnung als solche zu begründen.

4.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann auch nicht nachträglich fingiert werden, dass zum Zeitpunkt der Haftanordnung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 30.10.2010 auch der Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz vorgelegen hat (vgl. dazu OLG München, OLG R München 2009, 24 – 25, zitiert nach juris Rdnr. 16; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 29.04.2009 – Az 20 W 129/09 ( www.asyl.net ). Dies widerspräche dem Wortlaut des § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 Asylverfahrensgesetz. Danach kommt es für die Frage der Aufrechterhaltung der Sicherungshaft darauf an, ob die Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet worden ist. Nicht maßgeblich ist dagegen, ob sie auch nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz hätte angeordnet werden können. Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet eine extensive Auslegung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus.

5.

Somit ist Abschiebungshaft sei dem Eingang des Asylantrages des Betroffenen beim Bundesamt am 24. November 2010 ungerechtfertigt.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts war deshalb aufzuheben.

6.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §§ 81, 430 FamFG nicht veranlasst, da die weitere Vollziehung der Abschiebungshaft erst aufgrund des aus der Haft heraus gestellten Asylantrages des Betroffenen unzulässig geworden ist.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.