Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - V ZB 13/17

bei uns veröffentlicht am21.08.2019
vorgehend
Amtsgericht Erding, 6 XIV 45/16, 23.12.2016
Landgericht Landshut, 62 T 1/17, 03.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 13/17
vom
21. August 2019
in der Zurückweisungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2019:210819BVZB13.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Landshut - 6. Zivilkammer - vom 3. Januar 2017 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 23. Dezember 2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene, nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger , reiste am 9. Dezember 2016 mit dem Flugzeug nach Deutschland ein und legte bei der Einreisekontrolle am Flughafen München einen verfälschten senegalesischen Reisepass vor, der auf einen Aliasnamen lautete und mit einem verfälschten italienischen Schengen-Visum versehen war. Auf die Androhung der Einreiseverweigerung durch die beteiligte Behörde reagierte der Betroffene am 12. Dezember 2016 mit der Stellung eines Asylantrags, den das zuständige Bundesamt im sog. Flughafenverfahren nach § 18a AsylG mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 als offensichtlich unbegründet zurückwies. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 verweigerte die beteiligte Behörde dem Betroffenen die Einreise. Beide Bescheide wurden dem Betroffenen am 21. Dezember 2016 zugestellt. Seinen dagegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Dezember 2016 zurück.
2
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 23. Dezember 2016 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 22. Januar 2017 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach Ablauf des Haftzeitraums mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen.

II.


3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Haft rechtmäßig. Insbesondere lägen die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 5 AufenthG vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Zurückweisung innerhalb der beantragten Frist nicht möglich sei, lägen nicht vor.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Der Statthaftigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass die beteiligte Behörde eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt hat.
6
a) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung findet zwar nach § 70 Abs. 4 FamFG die Rechtsbeschwerde nicht statt. Das gilt aber nur, wenn das Beschwerdegericht tatsächlich im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden hat. Hat es eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen, ist die Rechtsbeschwerde statthaft (Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 5). Das gilt erst recht, wenn schon das Amtsgericht entgegen dem Antrag der beteiligten Behörde eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen hat (Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - V ZB 38/18, juris Rn. 9-11).
7
b) So liegt es hier.
8
aa) Ob über den Antrag der beteiligten Behörde auf Anordnung von Sicherungshaft im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren entschieden worden ist, ist durch Auslegung der ergangenen Entscheidungen festzustellen (Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 9; ebenso für Haftanordnung: Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - V ZB 38/18, juris Rn. 10). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5, vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7, vom 11. Oktober 2017 - V ZB 127/17, NVwZ-RR 2018, 162 Rn. 7 und vom 17. Oktober 2018 - V ZB 38/18, juris Rn. 10).
9
bb) Danach haben die Vorinstanzen eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen. Weder die Entscheidung des Amtsgerichts noch die Entscheidung des Landgerichts lässt auch nur ansatzweise erkennen, dass im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden werden sollte. Die maßgeblichen Vorschriften werden nicht angeführt. Eine Auseinandersetzung mit den besonderen Voraussetzungen des § 427 FamFG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung findet nicht statt. Die den beiden Beschlüssen jeweils angefügten Rechtsmittelbelehrungen beschreiben die Rechtslage bei einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, nicht diejenige bei einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung. Auch inhaltlich haben das Amts- und das Landgericht keine vorläufige, sondern eine endgültige Entscheidung getroffen. Das ergibt sich aus einer auffälligen Abweichung der Feststellungen sowohl des Amtsgerichts als auch des Landgerichts von dem Vortrag der beteiligten Behörde. Diese hatte in ihrem Antrag den zu erwartenden Ablauf der Zurückweisung des Betroffenen nach Senegal nur grob geschildert und darauf hingewiesen, dass die dafür notwendigen Absprachen mit der senegalesischen Botschaft wegen eines Botschafterwechsels erst in der ersten Kalenderwoche des Jahres 2017 getroffen werden könnten und erst danach ein Antrag in der Hauptsache gestellt werden solle. Demgegenüber gelangen sowohl das Amts- als auch das Landgericht auf der Grundlage der Angaben der Behörde zu der Feststellung, dass in der beantragten Haftdauer von vier Wochen nicht bloß die Absprachen mit der senegalesischen Botschaft gelingen könnten, sondern die Zurückweisung des Betroffenen in den Senegal. Sie haben damit keine nur vorläufige, sondern eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen.
10
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Anordnung der Zurückweisungshaft durch das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.
11
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert. Dies gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht, sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (Senat, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 9 und vom 17. Oktober 2018 - V ZB 38/18, juris Rn. 13).
12
b) Das Amtsgericht hat die Zurückweisungshaft gegen den Betroffenen zwar nicht von sich aus angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde. Das Amtsgericht hat nämlich, wie dargelegt , eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen. Demgegenüber hatte die beteiligte Behörde eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 427 FamFG und in diesem Rahmen die vorläufige Anordnung von Zurückweisungshaft für die Dauer von vier Wochen beantragt. Den Antrag zur Hauptsache wollte die beteiligte Behörde, wie ausgeführt, erst stellen, wenn die Einzelheiten mit der senegalesischen Botschaft hatten abgestimmt werden können. Der Antrag ist in dieser Hinsicht eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.
13
c) Das Amtsgericht durfte deshalb über die Zurückweisungshaft nicht im Hauptsacheverfahren entscheiden. Der Antrag einer beteiligten Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einer einstweiligen Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1, § 427 FamFG steht nämlich einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Haupt- sacheverfahren - schon wegen der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen - nicht gleich (zu den Einzelheiten: Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 11-13).
14
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Haberkamp Hamdorf

Vorinstanzen:
AG Erding, Entscheidung vom 23.12.2016 - 6 XIV 45/16 (B) -
LG Landshut, Entscheidung vom 03.01.2017 - 62 T 1/17 -

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(1) Bei Ausländern aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29a), die über einen Flughafen einreisen wollen und bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen, ist das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen, soweit die Unterbringung auf dem Flughafengelände während des Verfahrens möglich oder lediglich wegen einer erforderlichen stationären Krankenhausbehandlung nicht möglich ist. Das Gleiche gilt für Ausländer, die bei der Grenzbehörde auf einem Flughafen um Asyl nachsuchen und sich dabei nicht mit einem gültigen Pass oder Passersatz ausweisen. Dem Ausländer ist unverzüglich Gelegenheit zur Stellung des Asylantrags bei der Außenstelle des Bundesamtes zu geben, die der Grenzkontrollstelle zugeordnet ist. Die persönliche Anhörung des Ausländers durch das Bundesamt soll unverzüglich stattfinden. Dem Ausländer ist danach unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich selbst vorher anwaltlichen Beistands versichert. § 18 Abs. 2 bleibt unberührt.

(2) Lehnt das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, droht es dem Ausländer nach Maßgabe der §§ 34 und 36 Abs. 1 vorsorglich für den Fall der Einreise die Abschiebung an.

(3) Wird der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ist dem Ausländer die Einreise zu verweigern. Die Entscheidungen des Bundesamtes sind zusammen mit der Einreiseverweigerung von der Grenzbehörde zuzustellen. Diese übermittelt unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht eine Kopie ihrer Entscheidung und den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes.

(4) Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der Entscheidungen des Bundesamtes und der Grenzbehörde zu stellen. Der Antrag kann bei der Grenzbehörde gestellt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen. § 36 Abs. 4 ist anzuwenden. Im Falle der rechtzeitigen Antragstellung darf die Einreiseverweigerung nicht vor der gerichtlichen Entscheidung (§ 36 Abs. 3 Satz 9) vollzogen werden.

(5) Jeder Antrag nach Absatz 4 richtet sich auf Gewährung der Einreise und für den Fall der Einreise gegen die Abschiebungsandrohung. Die Anordnung des Gerichts, dem Ausländer die Einreise zu gestatten, gilt zugleich als Aussetzung der Abschiebung.

(6) Dem Ausländer ist die Einreise zu gestatten, wenn

1.
das Bundesamt der Grenzbehörde mitteilt, dass es nicht kurzfristig entscheiden kann,
2.
das Bundesamt nicht innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags über diesen entschieden hat,
3.
das Gericht nicht innerhalb von vierzehn Tagen über einen Antrag nach Absatz 4 entschieden hat oder
4.
die Grenzbehörde keinen nach § 15 Abs. 6 des Aufenthaltsgesetzes erforderlichen Haftantrag stellt oder der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

5
b) Das - im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte - Rechtsmittel des Betroffenen richtet sich gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme und ist deshalb statthaft. Dem steht nicht entgegen , dass das Amtsgericht eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 427 FamFG erlassen hat. Das Beschwerdegericht hat unmissverständlich zum Aus- druck gebracht, eine Entscheidung zur Hauptsache treffen zu wollen, indem es „zur Klarstellung“ ausgesprochen hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts keine einstweilige Anordnung, sondern eine endgültige Entscheidung gemäß §§ 417 ff. FamFG darstelle. Ob das Beschwerdegericht zu einer solchen Vorgehensweise verfahrensrechtlich befugt war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Rechtsbeschwerde.
10
(1) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende , nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7; Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5).
5
b) Das - im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte - Rechtsmittel des Betroffenen richtet sich gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme und ist deshalb statthaft. Dem steht nicht entgegen , dass das Amtsgericht eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 427 FamFG erlassen hat. Das Beschwerdegericht hat unmissverständlich zum Aus- druck gebracht, eine Entscheidung zur Hauptsache treffen zu wollen, indem es „zur Klarstellung“ ausgesprochen hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts keine einstweilige Anordnung, sondern eine endgültige Entscheidung gemäß §§ 417 ff. FamFG darstelle. Ob das Beschwerdegericht zu einer solchen Vorgehensweise verfahrensrechtlich befugt war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Rechtsbeschwerde.
10
(1) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende , nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7; Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5).

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

5
1. Richtig ist zwar, dass im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob die Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im regulären Verfahren ergangen ist, etwa dann, wenn der einzige Hinweis auf eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung die Nennung (auch) des § 427 FamFG ist. Solche Zweifel sind dann aufzuklären. Anhaltspunkte für die Qualifikation als Haftanordnung im regulären Verfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Hafthöchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschlüsse vom 12. Mai 2011 - V ZB 296/10, juris Rn. 8 f. und vom 26. Januar 2012 - V ZB 96/11, juris Rn. 5).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 127/17
vom
11. Oktober 2017
in der Abschiebungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2017:111017BVZB127.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 2. Mai 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt und die Abschiebung nach Georgien angedroht. Nachdem der Betroffene an der deutsch-holländischen Grenze aufgegriffen worden war, hat das Amtsge- richt mit Beschluss vom 4. Januar 2017 „im Wege der einstweiligen Anordnung“ Haft bis zum 14. Februar 2017 zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Am 9. Februar 2017ist der Betroffene nach Georgien abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, damit dieses die Feststellung treffe, dass er durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden sei.

II.


2
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Haft rechtmäßig , insbesondere liege der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor. Soweit das Amtsgericht „im Wege der einstweiligen Anordnung“ entschie- den habe, handle es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung, da erkennbar keine vorläufige Entscheidung habe getroffen werden sollen.

III.


3
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Sie richtet sich gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene Entscheidung zu einer freiheitsentziehenden Maßnahme. Indem das Beschwerdegericht die von dem Amtsgericht verwendete Formulierung „im Wege der einstweiligen Anordnung“ als unschädliche Falschbezeichnung qualifiziert hat, hat es unmissver- ständlich zum Ausdruck gebracht, dass es eine Entscheidung zur Hauptsache trifft.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ein im Wege der einstweiligen Anordnung ergangener Beschluss des Amtsgerichts war, durfte das Beschwerdegericht keine Entscheidung in der Hauptsache treffen.
5
a) Hat das Amtsgericht im einstweiligen Anordnungsverfahren entschieden , wird hierdurch der Gegenstand eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens festgelegt. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, einen im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Beschluss nachträglich als Hauptsacheentscheidung anzusehen. Durch einen solchen Wechsel von der einen in die andere Verfahrensart würde die vom Gesetzgeber angeordnete Unterscheidung von Hauptsacheverfahren und einstweiligem Anordnungsverfahren, für die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gelten, missachtet. Zudem würde auch die Regelung des § 70 Abs. 4 FamFG unterlaufen (ausführlich zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 7 ff.).
6
b) Das Beschwerdegericht sieht die Entscheidung des Amtsgerichts rechtsfehlerhaft als Entscheidung in der Hauptsache an.
7
aa) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe , die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbe- lehrung (vgl. hierzu Senat Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7 mwN).
8
bb) Danach ist die Haftanordnung des Amtsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen. Zwar stellt sie die Haftgründe abschließend und nicht nur vorläufig fest und enthält auch keine Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung. Zudem bezieht sich die beigefügte Rechtsmittelbelehrung auf eine im Hauptsacheverfahren ergangene Entscheidung. Gleichwohl bestehen aber keine Zweifel an dem Vorliegen einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung. Der Amtsrichter hat im Tenor der Haftanordnung ausdrücklich auf eine Beschlussfassung im Wege der einstweiligen Anordnung hingewiesen. Bereits hieraus folgt eindeutig, dass er nicht im regulären Verfahren, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung vorgehen wollte (vgl. Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 6). Zudem wird dies durch den Nichtabhilfebeschluss be- stätigt. Dort erläutert der Amtsrichter, dass die von ihm „im Wege der einstweiligen Anordnung“ getroffene Entscheidung als ein „Minus“ von dem primär auf eine Hauptsacheentscheidung gerichteten Haftantrag der beteiligten Behörde erfasst sei.
9
c) Da hiernach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich eine einstweilige Anordnung war, durfte das Beschwerdegericht keine Entscheidung in der Hauptsache treffen.
10
3. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Eine eigene Entscheidung des Senats ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil es um die Rechtmäßigkeit einer im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Ent- scheidung des Amtsgerichts geht und in diesem Verfahren eine Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht vorgesehen ist. Über den im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Antrag des Betroffenen auf Feststellung , dass die Haftanordnung ihn in seinen Rechten verletzt, hat deshalb abschließend das Beschwerdegericht zu befinden.
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:

AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 04.01.2017 - 2a XIV 3977 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 02.05.2017 - 7 T 40/17 -

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

10
(1) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende , nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13, FGPrax 2015, 91 Rn. 7; Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5).

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteiligten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer für Dänemark, Norwegen und Schweden.

2

Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum 26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m. § 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin belehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgelegen hätten.

III.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Betroffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet.

6

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledigung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4) - ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70 Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62 FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige Anordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, FGPrax 2011, 143 Rn. 7).

7

b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde, sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG aus.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsacheverfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.

9

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemäße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgarantie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19; Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO Rn. 12).

10

b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen) die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteiligten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zudem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften (§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.

11

c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.

12

aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Hauptsacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseitigen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfügung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheitsentziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293). Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftanordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Gericht nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom 1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsacheverfahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, indem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den Antrag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).

13

bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen, dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412 Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Behörde die Freiheitsentziehung beantragt.

14

d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt worden.

15

aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Behörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG, InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180, 181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig, MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).

16

bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt, dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das damit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssachen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255; InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Freiheitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffenen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.

17

cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62 AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Begründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG genügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfassungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftantrags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 29).

IV.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 81Abs. 1, § 83Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                  Schmidt-Räntsch                  Czub

                    Kazele                                Göbel

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.