Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2013 - V ZB 107/13

bei uns veröffentlicht am07.11.2013
vorgehend
Landgericht Kiel, 3 T 157/13, 18.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 107/13
vom
7. November 2013
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 18. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 2. Mai 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Landeshauptstadt Kiel auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist serbischer Staatsangehöriger. Mit Verfügung vom 17. September 2012 wurde er bestandskräftig aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Am 1. Mai 2013 wurde er festgenommen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2013 Sicherungshaft bis längstens 16. Mai 2013 angeordnet. Am 15. Mai 2013 wurde der Betroffene nach Serbien abgeschoben. Seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

2
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft vor. Das Verfahren sei auch formell ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zwar sei dem Betroffenen vor der Anhörung durch das Amtsgericht der Haftantrag nicht ausgehändigt worden. Hiervon habe aber angesichts des dem Haftantrag zugrunde liegenden einfach gelagerten Sachverhalts abgesehen werden dürfen.

III.

3
Die zulässige (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 210, 150, 151 Rn. 9 f.) Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haftanordnung hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
4
Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung ergibt sich schon daraus, dass dem Betroffenen der Haftantrag vor seiner gerichtlichen Anhörung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 23 Abs. 2 FamFG). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wurde ihm der Haftantrag nicht ausgehändigt. Dies stellt eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Dem Betroffenen muss in jedem Fall - also auch bei einem einfach gelagerten Sachverhalt - eine Kopie des Haftantrags ausgehändigt und dieser erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; das ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich zu dokumentieren (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9 mwN).
5
Der Mangel ist nicht dadurch geheilt worden, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nach Einlegung der Beschwerde der Haftantrag übermittelt worden ist. Denn eine Heilung (mit Wirkung für die Zukunft) tritt erst mit einer Anhörung des Betroffenen ein, in der er sich zu dem ihm nunmehr bekannten Haftantrag äußern kann (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87, 88). An einer solchen Anhörung fehlt es.

IV.

6
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann Roth Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Kiel, Entscheidung vom 02.05.2013 - 43 XIV 276 B -
LG Kiel, Entscheidung vom 18.07.2013 - 3 T 157/13 -

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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 23 Verfahrenseinleitender Antrag


(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeignete

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9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).

(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.

(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.

9
b) Die Haftanordnung hätte auch deshalb nicht ergehen dürfen, weil der Antrag dem Betroffenen nach dem Protokoll zu Beginn der Anhörung vor dem Amtsgericht lediglich „bekanntgegeben“, aber nicht ausgehändigt worden ist. Das genügt nicht. Der Haftantrag kann dem Betroffenen zwar erst zu diesem Zeitpunkt eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16 mwN). Das bedeutet aber nicht, dass sich der Haftrichter in einem solchen Fall darauf beschränken dürfte, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Vielmehr muss dem Betroffenen in jedem Fall eine Kopie des Haftantrags ausgehändigt werden und dies in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8). Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen. Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können. Das bestätigt ein Blick auf § 41 Abs. 2 Satz 4 FamFG. Danach kann ein Beschluss einem Anwesenden zwar mündlich bekannt gegeben werden. Er muss ihm aber dessen ungeachtet zusätzlich schriftlich bekannt gegeben werden. Das gilt im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes auch für die Übermittlung des Antrags nach § 23 Abs. 2 FamFG und ist hier versäumt worden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 224/11
vom
6. Dezember 2012
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein in dem Antrag auf Verlängerung der Abschiebungshaft in Bezug genommener
Haftantrag muss dem Betroffenen vor seiner Anhörung ausgehändigt werden. Unterbleibt
dies, wird die darin liegende Verletzung des Anspruchs des Betroffenen
auf rechtliches Gehör bei der Entscheidung über die Haftverlängerung nicht
dadurch behoben, dass dem Betroffenen die richterliche Haftanordnung ausgehändigt
worden ist, auch wenn in jenem Beschluss der von der Ausländerbehörde
vorgetragene Sachverhalt dargestellt ist (Fortführung von Senat, Beschluss vom 3.
November 2011 - V ZB 169/11, Rn. 6, juris).
BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11 - LG Hannover
AG Hannover
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. September 2011 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 8. August 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Goslar auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist ein in Deutschland geborener türkischer Staatsangehöriger. Er wurde nach Begehung von Straftaten 1994 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben.
2
Spätestens im November 2010 reiste der Betroffene illegal und ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet ein. Er hielt sich danach im Kreis Goslar bei seiner Lebensgefährtin auf, einer mit einem anderen Mann verheirateten Mutter von drei Kindern. Die Lebensgefährtin erwartete von dem Betroffenen ein Kind. Den Antrag des Betroffenen, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, lehnte die Beteiligte zu 2 (Ausländerbehörde) ab und forderte ihn auf, binnen sieben Tagen auszureisen. Danach war der Betroffene zunächst nicht auffindbar. Die Beteiligte zu 2 beantragte im März 2011 bei dem Amtsgericht Goslar einen Haftbeschluss zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen, erließ gegen ihn im Mai 2011 eine Ausweisungsverfügung und begründete ergänzend ihren Haftantrag gegenüber dem Amtsgericht im Juni 2011. Nach dem Aufgreifen des Betroffenen am 15. Juli 2011 ordnete das Amtsgericht Goslar auf den Antrag der Beteiligten zu 2 Haft zur Sicherung der Abschiebung für sechs Wochen an.
3
Nach der Inhaftierung beantragte der Betroffene unter Hinweis auf die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin erneut erfolglos eine Aufenthaltserlaubnis. Seinen Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung wies das Verwaltungsgericht zurück; die dagegen erhobene Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.
4
Im Hinblick auf das damals noch schwebende Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und den Umstand, dass eine Vorführung des Betroffenen bei dem türkischen Generalkonsulat erst Anfang September 2011 erfolgen konnte, hat das Amtsgericht Hannover auf Antrag der Beteiligten zu 2 am 8. August 2011 die Verlängerung der Haft bis einschließlich 15. September 2011 angeordnet. Den Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtsverletzung durch die Haftverlängerung hat das Landgericht Hannover zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, dass der Betroffene durch die am 8. August 2011 angeordnete Verlängerung der Abschiebungshaft nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Verlängerungsantrag nicht die gemäß § 417 Abs. 2 FamFG erforderlichen Angaben zur Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthalten habe und dass der erste Haftantrag dem Betroffenen nicht ausgehändigt worden sei. Die für die Entscheidung über die Haftanordnung erforderlichen Informationen der Ausländerbehörde seien im Beschluss des Amtsgerichts über die Haftanordnung wiedergegeben; diesen habe der Betroffene erhalten. Damit sei dessen Anspruch auf rechtliches Gehör hinreichend gewahrt worden.

III.

6
Das gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 i.V.m. mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 210, 150, 151 Rn. 9 f.) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsmittel ist begründet, da die Anordnung über die Haftverlängerung den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
7
1. Der Haftverlängerungsantrag entsprach allerdings den Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG.
8
a) Für Abschiebungshaftanträge werden nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, FGPrax 2010, 316, 317). In gleicher Weise zu begründen ist der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft, weil nach § 425 Abs. 3 FamFG für die Verlängerung der Freiheitsentziehung die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend gelten (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10 Rn. 12, juris).
9
b) Der Antrag auf Haftverlängerung vom 2. August 2011 genügte für sich genommen diesen Anforderungen nicht, da er sich nur zu den von der Behörde nach der Inhaftierung vorgenommenen Maßnahmen verhielt. Eine verkürzte Begründung des Verlängerungsantrags durch Bezugnahme auf den in der Gerichtsakte befindlichen Haftantrag ist allerdings zulässig, wenn sich bei den nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden Umständen im Vergleich zu dem Haftantrag nichts geändert hat, und der in Bezug genommene Haftantrag dem Betroffenen ausgehändigt worden ist (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 50/11, Rn. 9, juris).
10
2. Der angefochtene Beschluss beruht jedoch auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
11
a) Der in dem Verlängerungsantrag in Bezug genommene Haftantrag ist dem Betroffenen nicht ausgehändigt worden. Zur Wahrung des Grundrechts des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist es jedoch grundsätzlich erforderlich, dass ihm der Haftantrag vor seiner Anhörung ausgehändigt und (mündlich) übersetzt wird (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 331 Rn. 16 f. und vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8 f.). Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt worden, da der Haftantrag ausweislich des Vermerks über den Anhörungstermin zur Haftanordnung (§ 28 Abs. 4 Satz 1 FamFG) nur seinem wesentlichen Inhalt nach bekanntgegeben und auch danach dem Betroffenen nicht ausgehändigt wurde.
12
b) Die darin liegende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht behoben worden.
13
aa) Sie wurde nicht - wie das Beschwerdegericht meint - schon durch die Bekanntgabe der gerichtlichen Haftanordnung mit der Folge geheilt, dass es einer Aushändigung des in dem Verlängerungsantrag in Bezug genommenen Haftantrags nicht mehr bedurft hätte. Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen ) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8 und vom 27. September 2012 - V ZB 50/12, Rn. 7, juris). Mit der Bekanntgabe des begründeten Beschlusses gemäß § 41 FamFG wird der Betroffene über die für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Gesichtspunkte, aber nicht über das gesamte Vorbingen der Behörde zur Begründung ihres Haftantrags informiert.
14
Die Aushändigung der gerichtlichen Haftanordnung an denBetroffenen vermag die erforderliche Aushändigung des Haftantrags der Behörde auch dann nicht zu ersetzen, wenn in dem Beschluss der von den Beteiligten vorgetragene Sachverhalt wiedergegeben worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn - was hier nicht der Fall war - der Beschluss den Haftantrag in seinem Wortlaut wiedergibt, solange der Betroffene dies dem Beschluss nicht entnehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. November 2011 - V ZB 169/11, Rn. 6, juris).
15
bb) Der Verfahrensmangel ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Betroffene mit der seinem neuen Verfahrensbevollmächtigten am 5. September 2011 gewährten Akteneinsicht Kenntnis von dem Inhalt des Haftantrags erlangt hat. Eine Heilung des Verstoßes (mit Wirkung für die Zukunft) ist nämlich erst in einer Anhörung möglich, in der sich der Betroffene zu dem ihm nunmehr bekannten Haftantrag äußern kann (vgl. Senatsbeschluss vom 20. März 2012 - V ZB 59/12, Rn. 12, juris). Diese konnte hier nicht eintreten, weil die Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht am 21. September 2011 und somit erst nach dem Ablauf der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 8. August 2011 bis zum 15. September 2011 verlängerten Haft stattfand.
16
3. Die den Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamG auszusprechen, dass der Betroffene durch den Beschluss über die Verlängerung der Abschiebungshaft in seinen Rechten verletzt worden ist.

IV.

17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 08.08.2011 - 43 XIV 168/11 -
LG Hannover, Entscheidung vom 23.09.2011 - 8 T 55/11 -

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.