Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2012 - IX ZR 212/11

bei uns veröffentlicht am24.05.2012
vorgehend
Landgericht München I, 4 O 14292/10, 19.05.2011
Oberlandesgericht München, 15 U 2375/11, 30.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 212/11
vom
24. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 24. Mai 2012

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Soweit das Berufungsgericht eine Treuhandvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten zugrunde legt, greift der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht ein.
3
a) Zwar handelt ein Rechtsanwalt, der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem Dritten in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung geleistet wird, schon im Blick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4, § 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e BRAO) in aller Regel allein als Vertreter seines Auftraggebers (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, WM 2007, 135 Rn. 8). Jedoch ist eine zusätzliche vertragliche Verpflichtung des Rechtsanwalts in Betracht zu ziehen, wenn sich aus den getroffenen Abreden oder besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt (BGH, aaO Rn. 10). Dies kann etwa gelten, wenn einem Sicherungsbedürfnis des Zahlenden durch den Abschluss einer Treuhandvereinbarung mit dem Anwalt genügt werden soll (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - III ZR 368/03, WM 2004, 1287, 1289 f). Im Streitfall konnte das Berufungsgericht von einer solchen Konstellation ausgehen, weil im Interesse der Klägerin eine besondere Vertragsabrede zwischen ihr und dem Beklagten über die Voraussetzungen der Erfüllung der Zahlungspflicht getroffen worden war.
4
b) Auch ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
5
Das Berufungsgericht hat ersichtlich sämtliche auslegungsrelevanten Umstände - insbesondere die Vertretung der Klägerin durch einen anwaltlichen Bevollmächtigten und die Tätigkeit des Beklagten als anwaltlicher Bevollmächtigter der Aufbaugesellschaft - berücksichtigt. Bei dieser Sachlage ist den An- forderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des Gerichts, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10, WM 2011, 1087 Rn. 13).
6
2. Schließlich kann sich der Beklagte, soweit das Berufungsgericht von ihm geltend gemachte Gegenrechte unberücksichtigt gelassen hat, mangels Darlegung der Entscheidungserheblichkeit nicht auf den Gesichtspunkt einer unzulässigen Überraschungsentscheidung berufen.
7
Die Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Zulassungsgrundes ist mit der Beschwerde vorzutragen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, WM 2003, 992, 993). Daran fehlt es im Streitfall. Ausweislich Nr. 4.2 der Dreiecksvereinbarung wurde - worauf die Nichtzulassungsbeschwerde selbst hinweist - die Vereinbarung erst mit der Zahlung durch die Klägerin wirksam. Kann die Klägerin nach dem Inhalt der mit dem Beklagten getroffenen Treuhandabrede Erstattung des von ihr an den Beklagten entrichteten Betrages verlangen, fehlt es an einer wirksamkeitsbegründenden Zahlung. Dieser Umstand führt zur Wirkungslosigkeit der Vereinbarung. Bei dieser Sachlage bestünden keine Ansprüche, die nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder infolge einer Abtretung an den Beklagten der Klageforderung entgegengesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund hätte es eines näheren Vortrags der Beschwerde bedurft, inwieweit der geltend gemachte Zulassungsgrund überhaupt entscheidungserheblich ist.
Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.05.2011 - 4 O 14292/10 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2011 - 15 U 2375/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2004 - III ZR 368/03

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 214/10 vom 19. Mai 2011 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 14 Abs. 1 Ein Insolvenzantrag ist als rechtsmissbräuchlich zu erachten, wenn mit dem Insolven
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Tenor 1. Auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.11.2015, Az. 12 O 480/14 wird das Urteil dahin abgeändert, dass die im Tenor des Landgerichts unter Ziff. 2 zuerkannten vorgerichtlichen Anwaltskosten nur 2.7

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 16. Feb. 2016 - I-24 U 182/14

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Tenor Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichterin - vom 28.08.2014 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Der Beklagte w

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 368/03
Verkündet am:
13. Mai 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
Zu den Pflichten eines von dem Vermittler von Börsentermingeschäften eingeschalteten
Rechtsanwalts, über dessen Treuhandkonto die Einzahlungen
der Anleger zu deren "Sicherheit" weiterzuleiten waren.
BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - III ZR 368/03 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 12. Zivilsenat, vom 29. November 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin erteilte in der Zeit vom 12. Oktober 19 95 bis zum 22. August 1996 der M.H.F. in H. (im folgenden: M.H.F.) eine Vielzahl von Aufträgen zur Vermittlung und Besorgung von Börsenspekulationsgeschäften. Sie investierte hierfür insgesamt 2.070.000 DM, die - bis auf eine Auszahlung von 12.278,28 DM - sämtlich verlorengingen. Bei der M.H.F. handelte es sich um ein betrügerisches Unternehmen: Sie erteilte zwar den Brokern Kaufaufträge, veräußerte aber die erworbenen Positionen alsbald wieder und verfügte über die Erlöse für eigene Zwecke, wobei sie den
Anlegern durch manipulierte Kontoauszüge vorspiegelte, die betreffenden Ankäufe hätten zu Verlusten geführt. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten, einen Rechtsanwalt, der bei den Einzahlungen der Anleger als Treuhänder eingeschaltet war, auf Schadensersatz - wegen des am 9. Februar 1996 eingezahlten Betrages von 429.000 DM - in Anspruch.
In einem Prospekt der M.H.F. über die von ihr zu vermit telnden Geldanlagen hieß es unter dem Stichwort "Kapitaltransfer":
"... Grundsätzlich sind Ihre Zahlungen über ein RechtsanwaltsAnderkonto bzw. Treuhandkonto zu leiten. Dies geschieht ... zu Ihrer Sicherheit!“
Danach folgte im Prospekt der Hinweis darauf, daß das K apital auf ein unter dem Namen der M.H.F. beim Broker geführtes "Omnibus-Konto" weitergeleitet werde.
Vor den einzelnen Transaktionen übermittelte die M.H. F. der Klägerin (regelmäßig per Fax) jeweils eine formularmäßige - mit ihrem Briefkopf versehene - "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung“, wonach die Zahlungen auf ein bestimmtes Rechtsanwaltsanderkonto des Beklagten zu leisten waren und der Beklagte angewiesen wurde, das Kapital umgehend an den von der M.H.F. beauftragten Broker weiterzuleiten. Weiter hieß es in diesem, von der Klägerin jeweils unterzeichneten Schriftstück:
"Die mit der vorbezeichneten Verwahrungstätigkeit des Rechtsanwalts verbundenen Gebühren und Auslagen einschließlich der Kontoführungsgebühren werden von der M.H.F. GmbH getragen.
Die Aufgabe des Rechtsanwalts erstreckt sich lediglich auf die weisungsgemäße Weiterleitung der Zahlungen. Der Rechtsanwalt haftet ausschließlich für die ordnungsgemäße Erfüllung des ihm erteilten Treuhandauftrages. Dem Kunden zustehende Guthaben werden nach Vertragsabwicklung und Auszahlungsorder aufgrund von der M.H.F. GmbH unwiderruflich erteilter Weisung von dem Broker auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen. Der Rechtsanwalt wird den Betrag in voller Höhe unverzüglich an den Kunden weiterleiten. Die mit dieser Tätigkeit des Rechtsanwaltes verbundenen Gebühren und Auslagen werden von der M.H.F. GmbH getragen."
Die ab dem 31. Januar 1996 unterzeichneten Formulare enthielten den vorstehenden Absatz "Dem Kunden zustehende Guthaben ..." nicht mehr. Dieser Absatz war von da ab durch folgenden Passus ersetzt:
"Der Kunde wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluß auf Gewinnchancen und Verlustrisiken der vom Kunden beabsichtigten Spekulationsgeschäfte hat."
Die Klägerin sandte das unterschriebene Exemplar jewei ls an die M.H.F., die es anschließend dem Beklagten übermittelte, von dem dann die Weiterleitung des Geldes vom Rechtsanwaltsanderkonto auf das Brokerkonto verfügt wurde.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe nicht n ur die Pflicht gehabt , das von ihr überwiesene Geld auf eines der Broker-Konten weiterzuleiten , sondern auch, den ordnungsgemäßen Rückfluß der Gelder vom Broker auf die Anlegerkonten zu überwachen. Darauf habe sie vertraut; wenn sie gewußt
hätte, daß der Beklagte keine Kontrolle über den Rückfluß der Gelder habe, hätte sie die Investitionen nicht getätigt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberland esgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin in Höhe von 208.360,86 DM (= 106.533,21 €) zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben und das Rechtsmittel im übrigen - unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin - zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihren Klageantrag, soweit er abgewiesen worden ist, in Höhe von 208.360,86 DM (= 106.533,21 €) weiter.

Entscheidungsgründe


Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht führt aus, durch die Art und Weise, in der die M.H.F. den Beklagten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Anlageinteressenten eingeschaltet hatte, sei zwischen diesen beiden ein Vertrag zugunsten der Klägerin geschlossen worden:
Es habe zwischen der M.H.F. und dem Beklagten eine über einen längeren Zeitraum dauernde Geschäftsbeziehung bestanden, die auf entgeltliche
Dienstleistungen gerichtet gewesen sei. Dabei habe die M.H.F. mit der Beauftragung des Beklagten zugleich ihre sich aus dem Prospekt ergebende Verpflichtung erfüllt, wonach die Zahlungen der Anleger zu deren "Sicherheit" über ein Rechtsanwaltsanderkonto hätten erfolgen sollen. Die Rechtsbeziehungen zwischen der M.H.F. und dem Beklagten seien im Zusammenhang mit der "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" zu sehen. Da mit dieser die zugesicherte Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto umgesetzt worden sei, sei durch sie für den Anleger ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden: Die unter dem 10. November 1995 und 7. Dezember 1995 unterzeichneten Vereinbarungen hätten in ihrem dritten Absatz ausdrücklich den Rückfluß von Geldern geregelt. Auch dieser habe nach durch die M.H.F. unwiderruflich erteilter Weisung ebenfalls über ein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollen. Damit sei nach dem gewählten Text für den Kunden sichergestellt gewesen, daß die M.H.F. mit den Geldern, welche er zu investieren beabsichtigte und welche er als Erlös zu erhalten hoffte, überhaupt nicht in Berührung kommen konnte. Der Anleger wäre dann zwar den generell mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken ausgesetzt gewesen, nicht aber dem eines direkten Mißbrauchs ihres Geldes durch die M.H.F. Das Sicherungsziel sei damit gerade auf das Risiko gerichtet gewesen, welches sich später verwirklicht habe; daß nämlich die M.H.F. bzw. die für diese tätigen Personen direkten Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten. Der Treuhandauftrag des Beklagten sei damit nicht nur darauf gerichtet gewesen, die Gelder ordnungsgemäß an den Broker weiterzuleiten, sondern auch darauf, dafür zu sorgen, daß rücklaufende Gelder gerade nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen würden. Dies hätte dadurch geschehen können, daß der Beklagte mit den jeweiligen Brokern eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätte, daß diese sich zu einer Überwei-
sung von Rückläufen ausschließlich an ihn verpflichtet hätten. Der Beklagte hätte weiter sicherstellen müssen, daß die M.H.F. den Brokern die weiter im vierten Absatz der "Vereinbarung" vorgesehene unwiderrufliche Weisung für dem Kunden zustehende Guthaben erteilt hatte. Aus diesem Zusammenspiel zwischen dem Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten und der jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" ergäben sich auch hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die vertragliche Beziehung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten als Vertrag zugunsten Dritter - hier zugunsten der Klägerin - zu qualifizieren sei.
Gegen die sich aus diesem Vertragsverhältnis ergebenden V erpflichtungen habe der Beklagte verstoßen, indem er die erforderlichen Sicherungsabreden mit dem Broker nicht getroffen und die Klägerin davon nicht unterrichtet habe. Darauf, daß spätestens seit dem 31. Januar 1996 der den Rückfluß betreffende Passus aus der "Vereinbarung" gestrichen und durch einen anderen Text ersetzt wurde, könne sich der Beklagte nicht berufen. Eine Veränderung in einem derart entscheidenden Punkt hätte die M.H.F., in gleichem Maße aber auch der Beklagte, der Klägerin anzeigen müssen; sich nunmehr, nachdem sich gerade das Risiko verwirklicht habe, welches durch die Vereinbarung habe ausgeschaltet werden sollen, auf diese Veränderung zu berufen, sei unredlich. Wäre die Klägerin von der Veränderung des Formulars in hinreichender Weise informiert worden, so hätte sie - davon ist das Berufungsgericht überzeugt - von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9. Februar 1996 Abstand genommen. Der Schaden der Klägerin belaufe sich also auf 429.000 DM abzüglich der an sie zurückgeflossenen 12.278,28 DM.
Im Hinblick auf ein Mitverschulden der Klägerin sei jedo ch die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes auf die Hälfte zu reduzieren: Es könne nicht übersehen werden, daß die Klägerin durch sorgfältige Lektüre des ihr übersandten Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" hätte erkennen können, daß die bisher gehandhabte Praxis sich verändert hatte. Zwar sei es seitens der M.H.F. unredlich gewesen, der Klägerin ohne weitere Erläuterung ein auf den ersten Blick unverändertes Formular zu übersenden. Indes habe doch "eine gewisse Warnfunktion" darin gelegen, ihr jeweils ein neues Formular zu übersenden und dieses für jede Investition von ihr unterschreiben zu lassen. Die Klägerin könne sich daher nicht völlig auf die mangelnde Information durch die M.H.F. und den Beklagten berufen, sondern müsse sich ihren Leichtsinn im Umgang mit derart hohen Summen zurechnen lassen.

II.


Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung st and.
1. Revision des Beklagten

a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht "überdehne" den Inhalt der zwischen der M.H.F. und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung sowohl in bezug auf deren persönliche als auch deren sachliche Reichweite. Weder sei die Vereinbarung ein echter Vertrag zugunsten der Klägerin oder ein solcher mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin, noch liege eine Pflichtverletzung des Beklagten vor. Durchgreifende Rechtsfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revision hierbei jedoch nicht auf.

aa) Die Auslegung der Vereinbarung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten über die Abwicklung der Einzahlungen durch den Tatrichter als Vertrag zugunsten der Einzahler/Anleger (§ 328 BGB; vgl. Senatsurteile vom 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93 - NJW 1995, 1025 und vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02 - WM 2003, 2382, 2383) oder jedenfalls als Vertrag mit Schutzwirkung zu deren Gunsten (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 288/00 - WM 2001, 2262, 2266; OLG Hamburg WM 2001, 299, 302; Palandt /Heinrichs BGB 63. Aufl. § 328 Rn. 16 ff, 17a, 34) ist möglich. Der Tatrichter durfte aus dem "Zusammenspiel" zwischen dem Vertrag der M.H.F. mit dem Beklagten und den jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung(en) über die Zahlungsabwicklung" die erforderlichen Anhaltspunkte für den Willen der Vertragsparteien (der M.H.F. und des Beklagten) entnehmen, daß dem Schutzund Sicherheitsbedürfnis eines Dritten Rechnung getragen werden sollte. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze oder das Außerachtlassen wesentlichen Verfahrensstoffs durch das Berufungsgericht wird von der Revision nicht dargelegt. Sie versucht im Kern lediglich ihre eigene Auslegung - der Beklagte sei in bezug auf die Zahlungsabwicklung lediglich "der weisungsabhängige Erfüllungsgehilfe der M.H.F." gewesen; eine selbständige Aufgabe sei ihm nicht zugekommen - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. An der Auslegung des Berufungsgerichts führt schon deshalb nichts vorbei, weil der wesentliche Grund für die Einschaltung des Beklagten (eines Rechtsanwalts) und die Einrichtung eines Treuhandkontos nicht darin lag, die M.H.F. bei der Weiterleitung für Börsenspekulationen bestimmter eingehender oder gegebenenfalls an die Anleger zurückfließender Gelder zu entlasten, sondern darin, den Anlageinteressenten eine "Sicherheit" der Art bereitzustellen, wie sie in
dem Prospekt der M.H.F. ausdrücklich angesprochen wurde. Diese "Sicherheit" war den Anlageinteressenten - auch und gerade, um die Anlagebereitschaft zu fördern - in erster Linie im Blick auf ein etwaiges Fehlverhalten (und eine etwaige anschließende Zahlungsunfähigkeit) des unmittelbaren Vertragspartners der Anleger, also der Vermittlerfirma selbst, zu geben. Schon deshalb verfängt die Argumentation der Revision nicht, die Klägerin sei - was ein maßgebliches Kriterien für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin angeht - überhaupt nicht schutzwürdig gewesen, weil sie gegebenenfalls eigene vertragliche Ansprüche gegen ihre Vertragspartnerin, die M.H.F., habe. Dem Drittschutz , den das Berufungsgericht dem vorliegenden Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten entnimmt, steht in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht die (teilweise) Gegenläufigkeit der Interessen des Vertragschließenden (Auftraggebers) und des Dritten entgegen (vgl. Senatsurteil BGHZ 127, 378; BGHZ 129, 136, 168 f; Palandt /Heinrichs aaO Rn. 34).
bb) Ebenfalls um eine rechtsfehlerfreie und damit im Revisionsverfahren bindende tatrichterliche Beurteilung handelt es sich, soweit das Berufungsgericht annimmt, nach dem ursprünglichen Text der von der M.H.F. in den Verkehr gebrachten und auch von den Parteien verwendeten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" sei der Treuhandauftrag des Beklagten auch darauf gerichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß rücklaufende Gelder nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto, überwiesen würden, und die Klägerin habe aufgrund der unter dem 10. November und 7. Dezember 1995 unterzeichneten Vereinbarungen auf die Einhaltung dieser Verpflichtung - eines wesentlichen Bestandteils des gesamten "Sicherungssystems" - vertrauen dürfen.

Die Revision versucht auch in diesem Zusammenhang vergeblich , ihre eigene Auslegung, der Beklagte habe lediglich "dafür zu sorgen (gehabt), daß die bei ihm eingehenden Gelder ordnungsgemäß weitergeleitet werden", an die Stelle der Auslegung des Tatrichters zu setzen. Sie übergeht hierbei insbesondere , daß der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ein Sicherungssystem eingebunden worden war, wie es jedenfalls die Anlageinteressenten nach der Eigendarstellung der M.H.F. erwarten durften. Darauf, ob und in welchem Umfang der Beklagte tatsächlich in der Lage war, die von den Anlegern erwartete nötige "Sicherheit" für die von ihnen eingelegten Gelder zu gewährleisten, kommt es nicht entscheidend an. Wenn der Beklagte insoweit eine Sicherungslücke sah, hätte er sich in ein derartiges Sicherungssystem nicht einbinden lassen dürfen.
cc) Folgerichtig hat das Berufungsgericht den Beklagten f ür verpflichtet angesehen, nach der Änderung des für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" verwendeten Formulars - die nach dem Vortrag des Beklagten auf seinen eigenen Wunsch erfolgt sein soll, nicht mehr mit von den Brokern zurückfließenden Geldbeträgen befaßt zu werden - die Klägerin, die sich auf dieses "Sicherungssystem" eingestellt hatte, darüber zu informieren, daß die Abwicklung der Rückläufe nicht mehr über das Anderkonto erfolgen werde.
Zu Unrecht meint die Revision, die Klägerin sei über d iese Veränderung informiert worden, nämlich durch den geänderten Text des Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung". Ein hinreichender - deutlicher - Hinweis darauf, daß damit aus dem gesamten Sicherungssystem ein wesentlicher Bestandteil herausgenommen worden war, ergab sich hieraus nach dem Zusam-
menhang der Feststellungen des Berufungsgerichts für die Klägerin nicht. Zwar fehlte in dem neuen Formular der Passus betreffend die Behandlung der von dem Broker zurückfließenden Gelder. Die Streichung erfolgte aber ohne jede (warnende) Erläuterung. Der als "Ersatz" eingesetzte Passus, wonach die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluß auf Gewinnchancen und Verlustrisiken derartiger Spekulationsgeschäfte habe, sagte in dieser Richtung überhaupt nichts aus.

b) Hätte der Beklagte die Klägerin über die besagte Veränderung in hinreichender Weise informiert, so hätte, wie das Berufungsgericht in tatrichterlich einwandfreier Würdigung feststellt - wogegen die Revision auch keine begründeten Einwände erhebt -, die Klägerin von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9. Februar 1996 Abstand genommen.
Das Berufungsgericht durfte danach von einem ursächlich au f die Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführenden Schaden der Klägerin in dieser Größenordnung - abzüglich an die Klägerin zurückgeflossener 12.278,28 DM - ausgehen.
Auf der Grundlage des Tatbestandes des Berufungsurteils - wonach die Klägerin die genannten Millionenbeträge über die M.H.F. investierte und verlor -, stellt die Revision auch ohne Erfolg zur Überprüfung, ob der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden sei.
2. Revision der Klägerin

a) Die Revision beanstandet, die Begründung des Berufu ngsgerichts trage nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens gegen die Klägerin. Wenn, wovon revisionsrechtlich auszugehen sei, das neue Formular für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" den maßgeblichen Pflichtenumfang des Beklagten nicht geändert habe und der Beklagte weiterhin verpflichtet gewesen sei, auch den Geldrückfluß zu kontrollieren, um nach Möglichkeit zu vermeiden, daß die M.H.F. bzw. die dort Tätigen direkt Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten, sei begründungsbedürftig, wieso die Klägerin - die auch nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht etwa von einer veränderten Pflichtenstellung ausgegangen sei - einen veränderten Pflichtenumfang hätte annehmen müssen. Eine Obliegenheitsverletzung, die zur Minderung des Anspruchs nach § 254 BGB führe, könne nicht vorliegen, wenn der Geschädigte die an ihn gerichtete Mitteilung nicht anders verstehe, als es ein als Kollegialgericht besetztes Gericht nach Auslegung für richtig halte.

b) Diese Erwägungen treffen nicht den Kern der Begrü ndung des Berufungsgerichts für das von ihm angenommene Mitverschulden der Klägerin.
Während das Berufungsgericht die schadensursächliche Pflicht verletzung des Beklagten darin sieht, daß er die Klägerin nicht darüber informiert hat, daß die Abwicklung der Rückläufe nicht (mehr) über sein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollte, lastet es der Klägerin als Mitverschulden an, daß sie mangels sorgfältiger Lektüre des ihr übersandten (neuen) Formulars die Veränderung der bisher gehandhabten Praxis - fahrlässig - nicht erkannt hat.
Letzteres steht nicht in Widerspruch zu der vorausgehenden Würdigung des Berufungsgerichts, wonach sich – der Sache nach - aus der bisherigen
Vertragsgestaltung und der bisher gehandhabten Praxis für die Klägerin eine gewisse "Vertrauensgrundlage" in Richtung auf die Behandlung (auch) zukünftiger Einzahlungen ergeben hatte. Wenn nach dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts eine solche "Vertrauensgrundlage" für die Klägerin (weiter-) bestand , so schließt dies nicht den nach § 254 BGB relevanten Vorwurf an diese aus, sie hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus der Änderung des Formulars erkennen können, daß die bisherig e Praxis sich verändert hatte. Es handelt sich um unterschiedliche Zurechnungsebenen, vergleichbar etwa der Rechtslage bei Amtshaftungsansprüchen wegen Erteilung einer rechtswidrigen behördlichen Genehmigung: die Eignung einer solchen rechtswidrigen Genehmigung als amtshaftungsrechtlich relevante Vertrauensgrundlage (etwa für Aufwendungen des Begünstigten, die sich dann als fehlgeschlagen erweisen) – und die darauf gründende grundsätzliche Bejahung des haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhangs zwischen der Amtspflichtsverletzung und dem Schaden - läßt die Möglichkeit einer (teilweisen) Risikoüberwälzung auf den Begünstigten nach § 254 BGB unberührt (vgl. nur Senatsurteil BGHZ 134, 268, 296 f).
Die Gewichtung des Mitverschuldens im übrigen ist Sache de s Tatrichters. Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf.
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

13
Das Beschwerdegericht hat das Vorbringen der Schuldnerin, eine Veräußerung von Betriebsvermögen sei ohne die Gefahr einer Rückforderung von Fördergeldern oder Investitionszulagen in Betracht gekommen, ausweislich der Entscheidungsgründe zur Kenntnis genommen. Es hat sich dieser Rechtsansicht jedoch nicht angeschlossen. Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt , die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des Gerichts, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 101/02
vom
19. Dezember 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund für
die Zulassung einer Revision.

b) Die Revision ist nicht schon deshalb zuzulassen, weil das Berufungsgericht die
Anforderungen an die Darlegungslast im Einzelfall überspannt hat. Eine Zulassung
der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt in diesem
Fall in Betracht, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires,
willkürfreies Verfahren vorliegt. Das ist in aller Regel erst dann anzunehmen, wenn
die Auffassung des Gerichts unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar
ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht.

c) Die Revision ist nur dann zuzulassen, wenn die für die Zulassungsgründe
relevante Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Das ist mit der Beschwerde
darzulegen.

d) Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit einer
Rechtsfrage, wenn sich diese aus einem Sachverhalt ergibt, der dem
Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist.
BGH, Beschluß vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 84.011,72

Gründe:


I.


Der Kläger verlangt Architektenhonorar. Die Beklagten wenden sich gegen den Honoraranspruch und machen Schadensersatzansprüche geltend, weil die Baukosten erheblich überschritten worden seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil den Beklagten in Höhe der Honorarforderung Schadensersatzansprüche zustünden. Auf die Berufung des Klägers sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an ihn 42.005,86 Zinsen zu zahlen. Die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche hat das Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 1. Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, welche Anforderungen an einen mit der Mitwirkung bei der Vergabe und der Objektüberwachung betrauten Architekten - im Interesse der Beschränkung der anfallenden Kosten auf das Nötige - bezüglich der Anleitung und Überwachung eines mit Sanierungs- und Renovierungsarbeiten in einem Altbau beauftragten Handwerkers (hier: Malers) und welche Anforderungen im Rechtsstreit bezüglich der Darlegung der Pflichtverletzung und des Schadens an den Bauherren und an den Architekten zu stellen seien, sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, NJW 2002, 3029). Rechtsfehler, die einen über den Einzelfall hinaus wirkenden Rechtsverstoß nicht erkennen lassen, begründen kein öffentliches Interesse an einer Revisionsentscheidung unter einem der gesetzlichen Zulassungsgründe (BGH, Beschluß vom 25. Juli 2002 – V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181).
b) Welche Anforderungen an die Darlegung einer Pflichtverletzung im Zuge der Bauüberwachung und an die Darlegung eines infolge fehlerhafter Vergabe entstandenen Schadens zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Selbst wenn das Berufungsgericht, wie die Beschwerde meint, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft nicht angewandt haben sollte, rechtfertigt das die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Die Beschwerde hat nicht dargelegt,
daß der konkrete Fall Anlaß gibt, die Grundsätze der Darlegungslast in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZR 75/02, BGH NJW 2002, 2957). Ihr Hinweis darauf, nach der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung könnten Bauherren wohl niemals Schadensersatzansprüche gegen Architekten wegen schuldhafter Verteuerung von Baumaßnahmen durchsetzen, ist so nicht richtig. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung ist damit nicht hinreichend dargelegt. 2. Der Beschwerde kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Revision sei deshalb zuzulassen, weil das Berufungsurteil offensichtlich unrichtig sei.
a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund, die Revision zuzulassen. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann zuzulassen, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese Voraussetzungen sind nach der Gesetzesbegründung nicht schon dann gegeben, wenn ein Gericht in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen hat, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Eine Zulassung der Revision kommt in Betracht, wenn materielle oder formelle Fehler bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus allgemeine Interessen nachhaltig berühren. Hierher gehören vor allem die Fälle, in denen Verfahrensgrundrechte, namentlich die Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren, verletzt sind und deswegen Gegenvorstellung erhoben und Verfassungsbeschwerde eingelegt werden könnte (vgl. amtl. Begr. zum ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722,
S. 104; BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, aaO S. 3030; Beschluß vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, aaO). Die abweichende Auffassung des XI. Zivilsenats, dies sei keine Frage der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, sondern eine Frage der grundsätzlichen Bedeutung (Beschluß vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, ZIP 2002. 2148, 2150), teilt der VII. Zivilsenat nicht.
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor
aa) Das Berufungsgericht geht, wie die Beschwerde nicht verkennt, von der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Prüffähigkeit einer Honorarschlußrechnung aus. Danach kommt es auf den Einzelfall an, inwieweit die Rechnung den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers genügt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 – VII ZR 99/99, BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102). Aus dem Umstand, daß ein Auftraggeber eine Prüfung vorgenommen hat, kann im Einzelfall der Schluß gezogen werden, daß die Rechnung prüffähig ist (BGH, Urteil vom 22. November 2001 – VII ZR 168/00, BauR 2002, 468 = NZBau 2002, 90 = ZfBR 2002, 248). Unrichtig ist die Auffassung der Beschwerde, die Anforderungen an die Prüffähigkeit seien verschärft, wenn der Auftraggeber Einwendungen gegen bestimmte Rechnungsansätze erhebe. bb) Die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß § 10 Abs. 3 a HOAI eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten der vorhandenen Bausubstanz verlange, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Beschwerde nicht darlegt, daß im konkreten Fall ein möglicher Verstoß gegen § 10 Abs. 3 a HOAI in Betracht kommt. Die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nur dann zuzulassen, wenn es auf die aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt.
Insoweit gilt nichts anderes als für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Zulassung der Revision setzt allgemein voraus, daß die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 4). Die Entscheidungserheblichkeit ist mit der Beschwerde vorzutragen. Ergibt sie sich nicht ohne weiteres aus dem Berufungsurteil, ist in der Beschwerde darzulegen, aus welchem Parteivortrag sie sich ergibt und warum dieser gemäß § 559 ZPO in der Revision zu berücksichtigen wäre. Ist die Entscheidungserheblichkeit nur bei einem Sachverhalt zu bejahen, den das Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde verfahrensfehlerhaft nicht festgestellt hat, ist eine Verfahrensrüge gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 b) ZPO notwendig. Ob die Revision zuzulassen ist, kann nicht ohne Einbeziehung der Verfahrensrüge in die nach § 543 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Beurteilung entschieden werden, wobei sich die Frage stellen kann, ob sich aus dem Verfahrensfehler bereits - etwa im Hinblick auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten - ein Zulassungsgrund ergeben muß. Allein der Hinweis darauf, daß das Berufungsgericht zu einer Sachverhaltsvariante, für die es auf die Rechtsfrage ankäme, keine Feststellungen getroffen hat, reicht nicht. Die Beschwerde hat sich auf diesen Hinweis beschränkt. Sie hat schon nicht dargelegt, warum davon auszugehen wäre, daß eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten vorhandener Bausubstanz nicht getroffen worden ist. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich dazu nichts. cc) Gleiches gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß der Kläger nach der Senatsrechtsprechung nach Treu und Glauben gehindert sei, ein höheres als das unter Verstoß gegen die HOAI vereinbarte Honorar zu verlangen. Dazu habe es keine Feststellungen
getroffen. Die Beschwerde führt nicht an, daß das Berufungsgericht überhaupt Anlaß hatte, diese Frage zu prüfen. dd) Ob das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Auftraggebers zur Pflichtverletzung des Architekten oder zum daraus entstandenen Schaden überspannt hat, kann dahin stehen. Ein derartiger, auf den Einzelfall bezogener Fehler gäbe keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Zurückweisung von Vorbringen als unschlüssig oder unsubstantiiert kann einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte darstellen, wenn dadurch das rechtliche Gehör versagt wird oder ein Verstoß gegen den Grundsatz des willkürfreien Verfahrens vorliegt. Eine Revision ist in der Regel zuzulassen, wenn nach den Darlegungen der Beschwerde der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3030). Das ist hier nicht der Fall. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör kommt nicht in Betracht. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, daß ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt (BVerfGE 60, 1, 5; 69, 141, 143; 85, 386, 404). Es stellt deshalb keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn ein Gericht das Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt, jedoch als unschlüssig wertet. In Betracht kommt allenfalls ein Verstoß gegen das Grundrecht der betroffenen Partei auf ein faires, willkürfreies Verfahren. Ein derartiger Verstoß kann unter den sonstigen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision führen, wenn ein Gericht die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires
Verfahren verkannt hat, rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind oder das Willkürverbot verletzt ist (vgl. BVerfGE 85, 386, 404; BVerfGE 87, 273, 278). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein belegt keine Willkürlichkeit einer Gerichtsentscheidung. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise mißdeutet wird (vgl. BVerfGE 62, 189, 192; 83, 82, 85; 86, 59, 62). Danach ist auch die Zurückweisung eines Vortrags als unschlüssig oder unsubstantiiert in aller Regel erst dann ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires, willkürfreies Verfahren, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3031). Das Berufungsgericht hat sich von der Erwägung leiten lassen, daß die Vergabe zum Stundenlohn nur dann zu einem Schaden führt, wenn die Vergabe zu Einheitspreisen günstiger gewesen wäre. Auf dieser nicht sachfremden Grundlage ist es konsequent, den Schaden in der Differenz des Stundenlohns zum Werklohn nach einem Einheitspreisvertrag zu sehen. Zu dieser Differenz haben die Beklagten nicht vorgetragen. Ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte liegt in der Zurückweisung ihrer andersartigen Schadensberechnung als unsubstantiiert nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.