Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - IX ZR 164/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ließ im Jahr 1998 von einem Bauunternehmer den Keller seines Wohnhauses erstellen. Im September 2003 erhob der Bauunternehmer Klage auf Zahlung restlichen Werklohns. Die vom Kläger mit seiner Vertretung beauftragten Beklagten beriefen sich wegen im Januar 2003 bekannt gewordener Durchfeuchtungserscheinungen im Keller auf ein Zurückbehaltungsrecht.
- 2
- Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch , weil sie es versäumt hätten, die Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche zu verhindern. Die Klage hat in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat sein am 12. Oktober 2011 verkündetes Urteil am 25. Januar 2012 ergänzt. Mit ihrer Beschwerde erstreben die Beklagten die Zulassung der Revision nur gegen das Urteil vom 12. Oktober 2011.
II.
- 3
- Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Aus demselben Grund ist es gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten ihre anwaltlichen Pflichten dadurch verletzt, dass sie den Eintritt der Verjährung der Ansprüche des Klägers wegen der Durchfeuchtung des Kellers nicht geprüft und deshalb eine fehlerhafte Strategie zur Geltendmachung dieser Rechte verfolgt hätten. Dadurch sei dem Kläger der Anspruch auf Mangelbeseitigung durch den Bauunternehmer verloren gegangen und der geltend gemachte Schaden in Gestalt der Kosten der Mangelbeseitigung und weiterer Kosten entstanden. Die Ansprüche gegen den Bauunternehmer seien auch durchsetzbar gewesen. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 15. September 2009 im Einzelnen vorgetragen, warum dies der Fall gewesen wäre. Die Beklagten hätten keine konkreten, hiergegen sprechende Umstände dargelegt, sondern sich auf die bloße Behauptung beschränkt, der Kläger habe sich nicht ausreichend und das Landgericht überhaupt nicht mit der Frage der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs gegen den Bauunternehmer befasst.
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- 2. Damit übergeht das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 und verletzt deren Anspruch auf rechtliches Gehör.
- 6
- a) Im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 erwidern die Beklagten auf den Schriftsatz des Klägers vom 15. September 2009 und führen im Einzelnen aus, welche Umstände gegen die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen des Klägers gegen den Bauunternehmer sprächen. Unter Berufung auf das Zeugnis des Bauunternehmers wird unter anderem vorgetragen, es habe für das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Bauunternehmer keine Vermögenshaftpflichtversicherung bestanden, der Bauunternehmer sei seit Ende der 90er Jahre wirtschaftlich angeschlagen und ab Mitte 2003 nicht mehr in der Lage gewesen, titulierte Forderungen zu befriedigen, woran sich bis zum heutigen Tag nichts geändert habe. Ein Kontokorrentkredit, auf den im Wege der Pfändung hätte zugegriffen werden können, habe nicht bestanden. Eine Teilungsversteigerung der dem Bauunternehmer und seiner Ehefrau gehörenden Immo- bilie hätte weder den Bauunternehmer zur Zahlung veranlasst noch - aufgrund der Lage und des Zustands der Immobilie - zu einem nachhaltigen Erlös geführt.
- 7
- b) Die Formulierung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten sich auf die Behauptung beschränkt, der Kläger habe sich nicht ausreichend und das Landgericht überhaupt nicht mit der Frage der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs gegen den Bauunternehmer befasst, lässt sich nicht damit erklären, dass nach § 287 ZPO für die Darlegung und den Nachweis des entstandenen Schadens durch den Geschädigten geringere Anforderungen gelten. Sie erlaubt nur den Schluss, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 entweder nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. In beiden Fällen ist der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 145 f; 96, 205, 216 f; BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 300).
- 8
- c) Das angefochtene Urteil beruht auf der Gehörsverletzung. Dies ist bereits dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen anders entschieden hätte (BVerfGE 60, 247, 250; 89, 381, 392 f; BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - IX ZR 202/08, NZI 2010, 681 Rn. 10). Wird ein Rechtsanwalt wegen der Vereitelung eines Anspruchs seines Mandanten in Regress genommen, setzt eine Verurteilung voraus , dass der vereitelte Anspruch durchsetzbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, NJW 1986, 246, 247; vom 18. März 2004 - IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522; vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 35 ff; G. Fischer in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/ Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1176; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 882 ff; Borgmann in Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., Kap. V Rn. 104). Ob sich das Berufungsgericht auch bei Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 und erforderlichenfalls nach Erhebung angebotener Beweise von der Durchsetzbarkeit der Ansprüche des Klägers überzeugt hätte, erscheint offen.
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 19.05.2011 - 6 O 1592/08 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 12.10.2011 - 5 U 122/11 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.