Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2015 - IX ZB 77/14

bei uns veröffentlicht am05.03.2015
vorgehend
Amtsgericht Halle (Saale), 59 IN 457/14, 07.10.2014
Landgericht Halle, 3 T 86/14, 14.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IXZB 77/14
vom
5. März 2015
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann
und den Richter Dr. Fischer
am 5. März 2015

beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin, ihr für die Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 14. November 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen , wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Die M. AG (nachfolgend: Schuldnerin) beantragte am 29. September 2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wegen Überschuldung mit vorläufiger Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO. Es wurden Mitglieder für einen Gläubigerausschuss vorgeschlagen , die mit ihrer Bestellung einverstanden seien. Der Vorstand der Schuldnerin und die vorgesehenen Mitglieder des Gläubigerausschusses schlugen als vorläufigen Sachwalter Rechtsanwalt Dr. P. vor.
2
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 29. September 2014 wurde Rechtsanwalt Prof. Dr. F. zum vorläufigen Sachwalter bestimmt. Ihm wur- de das Kassenführungsrecht übertragen. Er wurde auch mit der Gutachtenerstattung beauftragt. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 wurde ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Dieser beschloss am 2. Oktober 2014 einstimmig , dass er mit der Durchführung eines Eröffnungsverfahrens nach § 270a InsO nicht einverstanden sei und regte mit Unterstützung des vorläufigen Sachwalters den Wechsel mit Verfügungsbefugnis ins Regelinsolvenzverfahren und die Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Verfügungsbefugnis an.
3
Mit Beschluss vom 7. Oktober 2014 hat das Insolvenzgericht in Abänderung des Beschlusses vom 29. September 2014 der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und den vorläufigen Sachverwalter zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 14. November 2014 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Am 25. November 2014 hat die Schuldnerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Prof. Dr. F. zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin beim Bundesgerichtshof machen die Fertigung der Rechtsbeschwerdebegründung von der Zahlung eines Vorschusses abhängig. Diesen kann die Schuldnerin nicht bezahlen. Der Insolvenzverwalter lehnt es ab, den Vorschuss aufzubringen. Der Antrag, ihn mit einer einstweiligen Verfügung hierzu zu zwingen, hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.
4
Nunmehr beantragt die Schuldnerin Prozesskostenhilfe für die Begründung der Rechtsbeschwerde.

II.


5
Der Prozesskostenhilfeantrag ist unbegründet.
6
Nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO wäre hierfür unter anderem Voraussetzung , dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde. Insoweit macht die Antragstellerin geltend, dass nach den Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtskräftig feststehe , dass der Insolvenzverwalter die Kosten nicht aus der Masse zur Verfügung stellen müsse. Insolvenzfreies Vermögen der Schuldnerin sei nicht vorhanden. Die Schuldnerin sei rechtlos gestellt, wenn ihr nicht Prozesskostenhilfe gewährt werde, was mit § 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar sei. Wirtschaftlich Beteiligte, denen die Aufbringung der Kosten zugemutet werden könnte, seien nicht vorhanden. Die Aktien befänden sich in Streubesitz, die Inhaber seien nicht individualisierbar , weil es sich um Inhaberaktien handele.
7
1. Das nach dem Willen des Gesetzgebers auf besondere Ausnahmefälle zugeschnittene Tatbestandsmerkmal des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wonach die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde, ist im Streitfall nicht erfüllt.
8
Der Gesetzgeber hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe an juristische Personen durch § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO in Einklang mit der Verfassung an das spezielle Erfordernis geknüpft, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Beschränkung trägt den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen Rechnung. Ihre Rechtsträgerschaft ist an ein ausreichendes Gesellschaftsvermögen gebunden. Dieses ist die Voraussetzung sowohl für ihre Gründung als auch für ihre weitere Existenz. Mit der Insolvenzeröffnung werden sie (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG) aufgelöst. Sie besitzen demnach nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - IX ZB 145/09, ZIP 2011, 540 Rn. 8 f mwN).
9
Der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich mithin auf Sachverhalte , die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können. Ein allgemeines Interesse kann angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen würde, die juristische Person gehindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhinge, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht (BGH, aaO Rn. 10). Ohne Bedeutung ist dagegen das Einzelinteresse an einer richtigen Entscheidung oder der Umstand, dass Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung zu beantworten sind (BGH, aaO Rn. 10 mwN).
10
2. Berücksichtigt man die hier in Betracht kommenden Umstände, läuft die Unterlassung der Rechtsverfolgung durch die Schuldnerin keinen allgemeinen Interessen zuwider:
11
Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011, durch das mit Wirkung vom 1. März 2012 § 270a in die Insolvenzordnung eingefügt worden ist, soll zwar der Zugang zur Eigenverwaltung vereinfacht und im Eröffnungsverfahren vermieden werden, dass nach einem mit dem Insolvenzantrag des Schuldners verbundenen Antrag auf Eigenverwaltung durch die Bestellung eines starken vorläufigen Verwalters das Vertrauen der Geschäftspartner in die Geschäftsleitung des Schuldners zerstört wird (BT-Drucks. 17/5712 S. 1, 19, 39 f). Es läuft aber nicht allgemeinen Interessen zuwider, wenn nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls in einem abändernden Beschluss auf Vorschlag des vorläufigen Sachwalters und entsprechend dem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses doch ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Dies gilt vor allem, wenn die vorgenommene Bestellung des vorläufigen starken Insolvenzverwalters nach mehreren Monaten wieder rückgängig gemacht werden müsste, weil die Wirkungen von Rechtshandlungen, die von ihm oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, unberührt bleiben müssten (§ 34 Abs. 3 Satz 3 InsO entsprechend ).
12
3. Die Unterlassung der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens läuft hier allgemeinen Interessen auch deshalb nicht zuwider, weil infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Dezember 2014 die Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters verfahrensrechtlich überholt ist und seit diesem Zeitpunkt keine weiteren rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet.
13
Die Schuldnerin könnte ihr Anliegen im Rechtsbeschwerdeverfahren nur noch mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag dergestalt weiterverfolgen, dass festgestellt wird, dass die abändernde Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters rechtswidrig gewesen sei. Ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag ist in der Insolvenzordnung nicht allgemein vorgesehen. Er findet nur statt, wenn eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil des Schuldners oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles ausnahms- weise erfordert, möglich erscheinen (BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 133/03, BGHZ 158, 212, 216 f; vom 11. Januar 2007 - IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 Rn. 9 ff; vom 17. September 2009 - IX ZB 214/08, KTS 2010, 222).
14
Ein derartiger schwerer Grundrechtseingriff kann in der Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters bei einem vom Schuldner - wenn auch mit dem Ziel der Eigenverwaltung - gestellten Insolvenzantrag nicht gesehen werden. Auch eine fortwirkende Beeinträchtigung, die eine Sachentscheidung erforderte, liegt jedenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vor. Die Wirksamkeit der Eröffnung wird von der Schuldnerin nicht in Frage gestellt.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 07.10.2014 - 59 IN 457/14 -
LG Halle, Entscheidung vom 14.11.2014 - 3 T 86/14 -

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Insolvenzordnung - InsO | § 34 Rechtsmittel


(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldne

Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

Insolvenzordnung - InsO | § 270a Antrag; Eigenverwaltungsplanung


(1) Der Schuldner fügt dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung bei, welche umfasst: 1. einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, dur

Aktiengesetz - AktG | § 262 Auflösungsgründe


(1) Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst 1. durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit;2. durch Beschluß der Hauptversammlung; dieser bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaß

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(1) Der Schuldner fügt dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung bei, welche umfasst:

1.
einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll,
2.
ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
3.
eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
4.
eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
5.
eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

(2) Des Weiteren hat der Schuldner zu erklären,

1.
ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
2.
ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
3.
ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs nachgekommen ist.

Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

(1) Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst

1.
durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit;
2.
durch Beschluß der Hauptversammlung; dieser bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen;
3.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft;
4.
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird;
5.
mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist;
6.
durch Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Dieser Abschnitt gilt auch, wenn die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird.

8
b) Das nach dem Willen des Gesetzgebers auf besondere Ausnahmefälle (BGH, Beschl. v. 20. Januar 1965 - VIII ZR 304/62, NJW 1965, 585) zugeschnittene Tatbestandsmerkmal des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wonach die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde, ist im Streitfall nicht erfüllt.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

9
a) Die sofortige Beschwerde setzt wie jedes andere Rechtsmittel auch eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus, die im Zeitpunkt der Entscheidung noch gegeben sein muss. Ihr Wegfall macht das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2006 - IX ZB 34/05, WM 2006, 2329, 2330). Die angefochtenen Beschlüsse betreffen nach § 21 InsO angeordnete Sicherungsmaßnahmen. Diese haben sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 56); eine Sachentscheidung ist nicht mehr möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Januar 2004 - IX ZB 197/03, ZIP 2004, 425, 426).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 214/08
vom
17. September 2009
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 17. September 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 21. August 2008 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Insolvenzgericht bestellte im Eröffnungsverfahren zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Es verbot dem Schuldner, über Bankkonten und Außenstände ganz oder teilweise zu verfügen. Drittschuldnern verbot es, an den Schuldner zu zahlen. Im Übrigen untersagte es Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen waren. Die hiergegen insbesondere auf die fehlende internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts gestützte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19. September 2008 eingelegte und mit Schriftsatz vom 12. November 2008 begründete Rechtsbeschwerde. Bereits am 5. November 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden.

II.


2
Die nach §§ 6, 7, 21 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die angefochtenen Sicherungsmaßnahmen den Schuldner nicht mehr beschweren, nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (vgl. Beschl. v. 16. Juli 2009 - IX ZB 260/08).
3
1. Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 InsO angeordneten Sicherungsmaßnahmen haben sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt. Eine ersetzende Sachentscheidung hierüber ist nicht mehr möglich. Die mit Hilfsantrag des Schuldners erstrebte Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht zur erneuten Entscheidung ist wegen der eingetretenen prozessualen Überholung durch die Verfahrenseröffnung ebenfalls ausgeschlossen.
4
Der Schuldner ist auch nicht zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen. Ein solcher wäre allerdings ebenfalls unzulässig. Eine solche Rechtsschutzform ist weder in der Zivilprozessordnung noch in der Insolvenzordnung allgemein vorgesehen. Sie findet daher im Insolvenzverfahren nur statt, wenn eine tief greifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil des Schuldners oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ausnahmsweise erfordert , möglich erscheinen (BGHZ, aaO S. 216 f; BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2006 - IX ZB 34/05, WM 2006, 2329, 2330; v. 11. Januar 2007 - IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 f). Solche Rechtsschutzgründe sind nach der Verfahrenseröffnung im Rechtsmittelverfahren nicht ersichtlich und werden von dem Schuldner auch nicht geltend gemacht. Die Wirksamkeit der Verfahrenseröffnung wird von ihm nicht in Zweifel gezogen.
5
2. Bei dem besonders schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person hält das Bundesverfassungsgericht ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag unabhängig davon für gegeben , ob die Gerichte bei typischem Ablauf des Verfahrens rechtzeitig eine Entscheidung treffen können (BVerfGE 104, 220, 234; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2006 - IX ZB 34/05, aaO S. 2330). Hierzu zählen die üblichen Sicherungsmaßnahmen , die - wie hier - allein in die Vermögenssphäre des Schuldners eingreifen, nicht. Dies wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 01.07.2008 - 1 IN 244/08 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 21.08.2008 - 4 T 165/08 -