Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - IV ZR 229/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: bis 4.800.000 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin fordert aus eigenem Recht und abgetretenen Rechten zahlreicher Schwestergesellschaften von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen und Schadensersatz aus einer von der HEROS-Gruppe mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung", deren Bedingungen auszugsweise im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09 - Geldtransporte I HEROS I, VersR 2011, 918 Rn. 1) und im Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (IV ZR 38/09 - Geldtransporte II HEROS II, juris Rn. 1) wiedergegeben sind, ferner aus einer ihr erteilten Versiche- rungsbestätigung. Sie und ihre Schwestergesellschaften sind Versicherte dieses Vertrages. Die Klägerin gehört - wie bereits ihre Rechtsvorgängerin - dem D. -Konzern an, innerhalb dessen sie für das Betriebsmanagement unter Einschluss aller damit zusammenhängenden Dienstund Serviceleistungen zuständig ist, zu denen auch die Organisation von Werttransporten zählt. Aufgrund zweier noch mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin in den Jahren 1996 und 2003 geschlossener Verträge über Geldtransporte hatte die HEROS-Transport GmbH die Geldtransport- und -entsorgungsleistungen für circa 600 Filialen zahlreicher zur D. - Gruppe gehörender Unternehmen zu erbringen.
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- Nach Behauptung der Klägerin haben sie und ihre Schwestergesellschaften infolge vertragswidrigen Verhaltens der HEROS-Gruppe bei der so genannten Bargeldentsorgung in der Zeit vom 15. bis 20. Februar 2006 Schäden in Höhe von mehr als 8,6 Mio. € erlitten. Auf deren Erstattung hat sie die Beklagte entsprechend deren Beteiligungsquote von 62,5% zunächst in Höhe von 5.390.210,66 € in Anspruch genommen, den Rechtsstreit sodann nach Erhalt mehrerer Zahlungen des HEROSInsolvenzverwalters in Höhe von insgesamt 673.142,17 € (einseitig) für erledigt erklärt und ihre Klagforderung auf nunmehr noch 4.717.068,49 € reduziert. Hilfsweise hat sie - gestützt auf den Versicherungsvertrag der HEROS-Gruppe mit der Police Nr. 7265, an welchem auf Versichererseite die Beklagte zu 30% beteiligt war - Zahlung von 2.264.192,88 € begehrt. Vor dem Landgericht hatte die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag Erfolg und daneben die Feststellung erstritten, dass der Rechtsstreit in Höhe von 323.108,24 € erledigt sei. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen das landgerichtliche Urteil haben beide Parteien Berufungen eingelegt, von denen lediglich die Berufung der Beklagten Erfolg hatte und zur Abweisung der Klage insgesamt geführt hat. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
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- II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Zulassung der Revision war schon im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geboten, so dass es auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Übrigen nicht ankommt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter 2 m.w.N.).
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- 1. Das Berufungsgericht, das schon einen Versicherungsfall für nicht erwiesen angesehen hat, hält die Klage unabhängig davon auch deshalb für unbegründet, weil es angenommen hat, die Beklagte habe den unter der Police Nr. 7509 geführten Versicherungsvertrag mit ihrem an den Insolvenzverwalter der HEROS-Gruppe gerichteten Schreiben vom 8. Januar 2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Bei diesem mit Wirkung zum 1. Dezember 2001 geschlossenen Vertrag habe es sich ungeachtet des bereits zuvor unter der Police Nr. 7265 bestehenden langjährigen Versicherungsverhältnisses um einen Neuabschluss gehandelt, bei dem die Verantwortlichen der HEROS-Gruppe der Beklagten das von der HEROS-Gruppe seit langem praktizierte Schneeballsystem des fortlaufenden vertragswidrigen Zugriffs auf Kundengelder und die dadurch verursachten Liquiditätslücken (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 5) arglistig verschwiegen hätten.
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- Insoweit deckt die Beschwerdeführerin keine Rechtsfehler auf, die die Zulassung der Revision erfordern.
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- a) Keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, inwieweit die Arglistanfechtung in Ziffer 13.4 der Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen werden konnte. Der Bundesgerichtshof hat einen vergleichbaren vertraglichen Anfechtungsausschluss bereits mit Urteil vom 17. Januar 2007 (VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 Rn. 17 f.) für unwirksam erachtet. Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen. Ergänzend wird dazu auf den Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (aaO Rn. 27-33) verwiesen. Da ein Ausschluss der Arglistanfechtung nicht wirksam vereinbart werden konnte, kommt es auf die von der Beschwerde umfangreich erörterte Frage, ob das Berufungsgericht die genannte Klausel unzutreffend ausgelegt, dabei Vortrag der Klägerin übergangen und abweichend von Urteilen der Oberlandesgerichte Hamm (vom 18. Dezember 2009 - 20 U 137/08, juris Rn. 100 ff.; vgl. dazu SenatsUrteil vom 9. November 2011 - IV ZR 16/10, juris Rn. 45, 46) und Düsseldorf (vom 5. November 2008 - 18 U 188/07, juris Rn. 139 ff.; vgl. dazu Senatsurteil vom 9. November 2011 - IV ZR 251/08, juris Rn. 60 ff.) entschieden hat, nicht an.
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- Mit ihrer Versicherungsbestätigung hat die Beklagte auch nicht der Klägerin gegenüber wirksam auf die Geltendmachung der Arglistanfechtung verzichtet. Ein solcher Verzicht setzt - ähnlich wie die Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte gemäß § 144 BGB - in der Regel die Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB 71. Aufl. § 144 Rn. 2). Diese Kenntnis hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Ein ausnahmsweise möglicher konkludenter Verzicht ist der Versicherungsbestätigung nicht zu entnehmen. Ein Motiv der Beklagten für einen solchen Verzicht ist ohnehin nicht ersichtlich.
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- b) § 334 BGB steht der Geltendmachung der Anfechtungsfolgen gegenüber der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Als Versicherte des zwischen der HEROS-Gruppe und den beteiligten Versicherern geschlossenen Vertrages kann sie Rechte nur so erwerben, wie die Versicherungsnehmerin sie gestaltet hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1967 - II ZR 37/64, VersR 1967, 343 unter IV; BK/Hübsch, VVG § 75 Rn. 4). Der Klägerin stehen nach § 334 BGB mithin alle Einwendungen entgegen, die dem Versicherer aus dem Vertrag oder auch dessen Nichtigkeit erwachsen. Dazu zählt die Anfechtung (vgl. nur BK/Hübsch, VVG § 74 Rn. 27). Sie konnte die Beklagte deshalb auch mit Wirkung für die Versicherten gegenüber der Versicherungsnehmerin erklären.
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- c) Die Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die - für die Anwendbarkeit des § 123 Abs. 1 BGB entscheidende - Feststellung des Berufungsgerichts, es sei mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2001 zum Neuabschluss des Versicherungsvertrages (Police Nr. 7509) und nicht lediglich zu einer Änderung des seinerzeit schon bestehenden Vertrages (Police Nr. 7265) gekommen, erfordern ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Der Senat hat die damit in Zusammenhang stehenden Rügen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten (Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Dazu weist er ergänzend auf folgendes hin:
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- aa) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten Fallumständen zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue Grundla- ge zu stellen und nicht lediglich einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Der maßgebliche Wille der Vertragsparteien muss dabei seinen Niederschlag in den Vertragsverhandlungen und Vertragserklärungen finden. Für einen neuen Vertrag spricht die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, etwa des versicherten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertragsparteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09 aaO Rn. 21; Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 - IVa ZR 111/87, r+s 1989, 22, 23; OLG Saarbrücken VersR 2007, 1681, 1682; OLG Köln VersR 2002, 1225; BK/Riedler, VVG § 38 Rn. 9; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 37 Rn. 5; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 38 Rn. 6).
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- bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht ohne durchgreifenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, die Police Nr. 7509 sei als neuer, zum 1. Dezember 2001 in Kraft getretener Vertrag anzusehen. Entscheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klägerin hat es - entgegen dem Vorwurf der Beschwerde - nicht übergangen. Vielmehr hat es sich mit den Tatsachen, die als Indizien gegen einen Neuabschluss des Versicherungsvertrages vorgetragen und unter Beweis gestellt worden sind, im Rahmen seiner Abwägung der Fallumstände befasst, ohne jedoch daraus die von der Klägerin gewünschten Schlüsse zu ziehen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerin erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen. Zum einen war das Berufungsgericht nicht gehalten, sämtliche in seine Gesamtbetrachtung einbezogenen Gesichtspunkte ungeachtet ihres Gewichts ausdrück- lich in den Urteilsgründen zu erörtern; die Beschwerdeführerin verkennt aber vor allem, dass der Einwand, zahlreiche vom Berufungsgericht als Indiz für den Neuabschluss herangezogene Änderungen des Vertragswerkes seien ihrer Art nach auch schon bei anderer Gelegenheit im Rahmen des laufenden Vertrages vorgekommen, eine indizielle Wirkung dieser Umstände für einen Neuabschluss im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht entfallen lässt.
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- cc) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtschau der entscheidungserheblichen Umstände, die sich insbesondere nicht als willkürlich i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG erweist, schließt der Senat weiter aus, dass einzelne von der Beschwerde herausgegriffene Aspekte das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten, mögen sie auch - für sich betrachtet - auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten.
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- Das gilt zum einen, soweit das Berufungsgericht übersehen hat, dass Werttransporte von und zu einer Bank in Dänemark bereits seit 1996 auf der Grundlage einer Zusatzvereinbarung von der Police Nr. 7265 umfasst waren, weshalb seine Annahme, die in Ziffer 4.1.11 der Police Nr. 7509 getroffene "Sondervereinbarung Dänemark" spreche für eine Neuregelung, nicht trägt. Es gilt zum anderen, soweit das Berufungsgericht - ebenfalls nicht ganz unbedenklich - angenommen hat, die anlässlich der Währungsumstellung von DM zu Euro abgeschlossenen zusätzlichen Versicherungsverträge hätten das mit dieser Währungsumstellung verbundene Versicherungsrisiko nur unzureichend abgedeckt. Es gilt schließlich für die Frage, ob die Erweiterung des Versicherungsschutzes auf Subunternehmer der HEROS-Gruppe bereits zur Zeit der Geltung der Police Nr. 7265 vereinbart worden war. Der Senat schließt aus, dass das Berufungsgericht, hätte es die genannten Punkte anders behandelt, auch insgesamt zu einer anderen Bewertung der Police Nr. 7509 gelangt wäre.
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- d) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, die HEROSGruppe habe der Beklagten bei Abschluss der Police Nr. 7509 ihr bis dahin praktiziertes Schneeballsystem offenbaren müssen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09 aaO Rn. 35-40).
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- e) Die Erörterungen des Berufungsgerichts zum arglistigen Verhalten des HEROS-Geschäftsführers W. , seinem Wissen um die Vertragsverhandlungen im Jahre 2001 und dazu, dass es nach § 166 Abs. 2 BGB für die Arglistanfechtung nicht auf eine etwaige Unkenntnis der Mitarbeiter der Versicherungsmaklerin vom Schneeballsystem ankommt, setzen sich erkennbar mit dem dazu gehaltenen Vortrag der Klägerin auseinander.
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- Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht bei Prüfung des Vorsatzes der HEROS-Verantwortlichen annimmt, dem HEROS-Geschäftsführer W. sei im Jahre 2001 bewusst gewesen, dass ein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen werden sollte.
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- f) Im Ergebnis ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Beschwerde gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe Ende 2001 von dem Schneeballsystem der HEROS-Gruppe nichts gewusst und ihre Vertragserklärung sei durch diesen Irrtum verursacht. Ein Revisionszulassungsgrund ist damit nicht dargetan.
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- aa) Allerdings durfte das Berufungsgericht den Irrtum der Beklagten , das heißt ihre Unkenntnis vom Schneeballsystem der HEROSGruppe , nicht im Wege des Anscheinsbeweises feststellen, weil der dafür vorausgesetzte typische Geschehensablauf hier nicht vorliegt, vielmehr die in Rede stehenden außergewöhnlichen Vorgänge einer Typisierung nicht zugänglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1995 - II ZR 209/94, NJW 1996, 1051 unter 2 m.w.N.).
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- bb) Im Ergebnis hat sich dieser Rechtsfehler des Berufungsgerichts aber nicht ausgewirkt; das Berufungsurteil beruht darauf nicht.
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- (1) Es ist tatrichterliche Aufgabe festzustellen, ob die Beklagte Ende 2001 wusste, dass sie mit dem Abschluss der Police ein Geldtransportunternehmen versicherte, das schon seit Jahren systematisch auf Kundengelder zugriff und hierdurch eine ungedeckte Finanzlücke in dreistelliger Millionenhöhe verursacht hatte. Insoweit obliegt der Beklagten, wie das Berufungsgericht im Ansatz noch zutreffend angenommen hat, der Beweis für ihren behaupteten Irrtum.
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- Verübt der Erklärungsgegner seine Täuschung durch Verschweigen , besteht der Irrtum des Erklärenden in einem Nichtwissen. Will er sich auf die Unkenntnis der verschwiegenen Umstände berufen, muss er mithin darlegen und unter Beweis stellen, er habe diese Umstände nicht gekannt. Hierfür gelten die Regeln über Darlegung und Beweis von Negativtatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2000 - V ZR 285/99, NJW 2001, 64 unter III; Palandt/Ellenberger, BGB 71. Aufl. § 123 Rn. 30). Dabei genügt der Anfechtende seiner Darlegungslast zunächst mit der Behauptung, die betreffenden Umstände seien ihm vom Erklä- rungsgegner verschwiegen worden und auch nicht auf andere Weise zur Kenntnis gelangt. Sodann ist es Aufgabe des Gegners, Umstände darzulegen , aus denen sich das Wissen des Anfechtenden um die verschwiegenen Tatsachen ergibt. Diese in erster Linie den Erklärungsgegner, mithin die Versicherungsnehmerin (HEROS), treffende sekundäre Darlegungslast trifft auch denjenigen Versicherten, der - wie die Klägerin - an Stelle der Versicherungsnehmerin Rechte aus dem angefochtenen Vertrag herleiten will.
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- (2) Das Berufungsgericht hätte, nachdem sich die Beklagte auf einen durch Verschweigen des Schneeballsystems hervorgerufenen Irrtum berufen hatte, prüfen müssen, ob der Klagvortrag insoweit geeignet war, substantiiert und schlüssig darzulegen, dass die Beklagte entgegen ihrer Behauptung Wesen und Ausmaß des von HEROS im Jahre 2001 unterhaltenen Schneeballsystems kannte.
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- (3) Das Berufungsgericht hat bei seiner rechtsirrtümlichen Prüfung, ob der von ihm herangezogene Anscheinsbeweis erschüttert sei, den Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Indizien als wahr unterstellt und anschließend unter Abwägung der Gesamtumstände zugrunde gelegt, dass selbst dann, wenn sich alle Behauptungen der Klägerin beweisen ließen, daraus nicht folge, dass die Beklagte Ende 2001 vom Schneeballsystem der HEROS-Gruppe in seiner tatsächlichen Dimension positive Kenntnis gehabt habe. Es hat damit im Ergebnis festgestellt, der Vortrag der Klägerin reiche letztlich nicht aus, um die Irrtumsbehauptung der Beklagten ernstlich zu erschüttern. Der Senat schließt aus, dass es - hätte es erkannt, dass die Klägerin nicht lediglich einen Anscheinsbeweis erschüttern, sondern eine sekundäre Darlegungslast erfüllen musste - zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Eine Verletzung von Ver- fahrensgrundrechten der Klägerin liegt darin nicht. Misst der Tatrichter dem Parteivortrag nach Würdigung aller Umstände keine ausreichende Indizwirkung für das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache bei, ist der Vortrag damit nicht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen, er kann vielmehr analog § 244 Abs. 3 StPO davon absehen, Beweis über die dann bedeutungslosen Indiztatsachen zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 241/91, BGHZ 121, 266, 270 f.).
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- cc) In der Sache IV ZR 38/09 (Beschluss vom 21. September 2011 aaO), in der die Klage einer anderen Versicherten vom Berufungsgericht ebenfalls mit der Begründung abgewiesen worden war, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag mit der HEROS-Gruppe wirksam angefochten , hat der Senat die Revision zugelassen. Alleiniger Zulassungsgrund war jedoch, dass das Berufungsgericht einen Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugen W. und S. zur Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund übergangen und damit gegen Art. 103 Abs. 1GG verstoßen hatte (aaO Rn. 12 ff.). Das dortige Berufungsurteil war deshalb nach § 544 Abs. 7 ZPO im Beschlusswege aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurück zu verweisen.
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- Eine solche Verfahrensrüge erhebt die Beschwerdeführerin nicht (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - IV ZR 41/11, juris Rn. 10-17).
- 26
- (1) Soweit sie stattdessen beanstandet, das Berufungsgericht habe ihr Recht auf rechtliches Gehör durch die Weigerung verletzt, zwei Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hannover (4212 Js 27241/07 und 4212 Js 16308/10) beizuziehen, fehlt es bereits an einer in zulässiger Form (§§ 544 Abs. 2 Satz 3, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO) erhobenen Verfahrensrüge.
- 27
- Nach § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassungsgründe darzulegen. Will sich der Beschwerdeführer darauf stützen, das Gericht habe bei Erlass der angefochtenen Entscheidung mittels eines Verfahrensfehlers das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, so müssen für die Darlegung die gleichen Anforderungen gelten, wie sie die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO aufgestellt hat (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - IV ZR 41/11, juris Rn. 10 f.; BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - IV ZR 67/54, BGHZ 14, 205, 209 f.; BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, NJW 2003, 831 f. unter II 2 b bb; vom 11. Februar 2003 - XI ZR 153/02, NJW-RR 2003, 1003 f. unter 1; vom 2. Dezember 2004 - IX ZR 56/04, juris unter 1 f., jeweils m.w.N.). Demzufolge sind in der Beschwerdebegründung die Tatsachen anzugeben , aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergibt. § 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO soll das Revisionsgericht auf diese Weise entlasten und davor schützen, den gesamten Akteninhalt selbst daraufhin erforschen zu müssen, welche Tatsachen, insbesondere auch Anträge und deren Bescheidung, den Gegenstand einer Verfahrensrüge bilden sollen (BGHZ aaO S. 210).
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- (2) Grundsätzlich genügt ein Antrag auf Beiziehung von Akten nach § 432 ZPO nicht den gesetzlichen Erfordernissen, wenn die antragstellende Partei nicht näher bezeichnet, welche Urkunden oder Aktenteile sie für erheblich hält (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, VersR 1994, 1231 unter II 1 b m.w.N. Auch für den Antrag nach § 432 ZPO gelten die Substantiierungserfordernisse des § 424 Abs. 1 Nr. 1-3 ZPO (Zöller/Geimer, ZPO 29. Aufl. § 432 Rn. 2). Danach sind die Urkunden und die Tatsachen, die durch diese Urkunden bewiesen werden sollen , ferner der Inhalt der betreffenden Urkunden möglichst genau zu bezeichnen. Das soll dem Tatrichter die Prüfung eröffnen, ob der Antrag zulässig erhoben oder lediglich in unzulässiger Weise auf einen Ausforschungsbeweis gerichtet ist.
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- Will eine Partei mit der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen, ihr Antrag auf Beiziehung von Ermittlungsakten sei zu Unrecht abgelehnt worden, muss das Revisionsgericht anhand des Beschwerdevorbringens überprüfen können, ob der Tatrichter die vorgenannten Maßstäbe beachtet oder den Antrag rechtsfehlerhaft beschieden und dabei möglicherweise das Recht der Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat.
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- (3) Schon daran fehlt es hier, weil die Beschwerde den maßgeblichen Verfahrensgang nicht im Einzelnen darlegt. Der Senat kann anhand des Rügevorbringens nicht nachprüfen, inwieweit die Klägerin in der Lage gewesen wäre, ihren Sachvortrag dazu zu konkretisieren, was das Berufungsgericht den Ermittlungsakten in Bezug auf Kenntnisse des Zeugen S. vom Schneeballsystem der HEROS-Gruppe (zu Ende des Jahres 2001) hätte entnehmen können und welche Beweismittel dafür im Einzelnen in den Ermittlungsakten vorhanden waren. Die Nichtzulassungsbeschwerde benennt auch nicht exakt die Beweisbehauptungen, die mit Hilfe der Aktenbeiziehung hätten erwiesen werden sollen. Dass sie stattdessen mehrere Aktenseiten aufzählt, auf denen sich Behauptungenin Bezug auf eine mutmaßliche Bestechlichkeit des Zeugen S.
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- (4) Es tritt hinzu, dass eine Gehörsverletzung des Tatrichters nur dann die Zulassung der Revision erfordert, wenn das angefochtene Urteil auf der Gehörsverletzung beruht. Da der Beschwerdeführer einer Nichtzulassungsbeschwerde gehalten ist, die Revisionszulassungsgründe darzulegen, muss sich die Beschwerdebegründung auch dazu äußern. Das hätte hier insbesondere Ausführungen zu der Frage erfordert, aufgrund welcher Urkunden der Ermittlungsakten sich bestimmte Beweistatsachen ergeben sollten , aus denen auf die Kenntnis der Beklagten vom Schneeballsystem der HEROS-Gruppe Ende des Jahres 2001 hätte geschlossen werden können. Daran fehlt es.
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- dd) Keine Bedenken bestehen dagegen, dass das Berufungsgericht die Kausalität des Irrtums der Beklagten für ihre Vertragserklärung im Wege des Anscheinsbeweises als erwiesen angesehen hat.
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- (1) Zwar hat der II. Zivilsenat im Urteil vom 20. November 1995 (II ZR 209/94, NJW 1996, 1051 unter 2) darauf hingewiesen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen Täuschung und Vertragsabschluss meist nicht mittels Anscheinsbeweises festgestellt werden könne (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 10. April 1958 - II ZR 324/56, WM 1958, 991, 992; vom 20. September 1968 - V ZR 137/65, NJW 1968, 2139). Dies hat seinen Grund darin, dass diese Beweisführung einen typischen Geschehensablauf voraussetzt, während die einem Vertragsschluss zugrunde liegende Willensentschließung in der Regel von individuellen Umständen des Einzelfalles abhängt. Der II. Zivilsenat hat aber nicht in Abrede gestellt, dass bei bestimmten Rechtsgeschäften und unter be- sonderen Umständen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung dennoch eine ausreichende Typizität gegeben sein kann.
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- (2) So liegt der Fall hier. Es versteht sich, dass der Versicherer einer Geldtransportfirma nicht bereit ist, Versicherungsschutz zu gewähren , der unter anderem auch die Unterschlagung von Kundengeldern durch die Versicherungsnehmerin umfassen soll, wenn er weiß, dass diese Versicherungsnehmerin bereits seit Jahren durch systematischen rechtswidrigen Zugriff auf Kundengelder Millionenschäden verursacht hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, hier sei nach der Lebenserfahrung die Täuschung geeignet gewesen, die Vertragserklärung der Beklagten zu beeinflussen, ist deshalb nicht zu beanstanden und steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einklang (vgl. dazu BGH, Urteile vom 12. November 1957 - VIII ZR 311/56, NJW 1958, 177; vom 5. Dezember 1975 - V ZR 34/74, WM 1976, 111; vom 12. Mai 1995 - V ZR 34/94, NJW 1995, 2361).
- 35
- g) Im Beschluss vom 21. September 2011 (aaO Rn. 53-59) hat der Senat allerdings im Rahmen eines rechtlichen Hinweises die Begründung beanstandet, mit der das Berufungsgericht es - wie auch im vorliegenden Rechtsstreit - verneint hat, dass die Arglistanfechtung über den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. 7509 hinaus auch die zeitgleiche einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt. Soweit dem Berufungsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB ein Rechtsfehler unterlaufen ist, gebietet dies nicht die Zulassung der Revision.
- 36
- An einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es schon deshalb, weil die allein auf Umständen des Ein- zelfalles beruhende Entscheidung nur für die beiden zwischen der HEROS-Gruppe und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungspolicen und die dazu erklärte Arglistanfechtung bedeutsam ist. Zwar ist mittelbar eine Reihe Versicherter dieser beiden Verträge nach ihrer Behauptung mit erheblichen Schäden betroffen, doch handelt es sich insoweit sämtlich um ehemalige Auftraggeber der Versicherungsnehmerin (HEROS-Gruppe) und damit um einen abgeschlossenen Kreis von Geschädigten , weshalb sich die vom Berufungsgericht entschiedene Rechtsfrage nicht in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 191; vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223). Einen verallgemeinerungsfähigen unrichtigen Rechtssatz hat das Berufungsgericht bei Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB nicht aufgestellt. Seine Entscheidung steht deshalb nicht in Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 16. Mai 2007 (VersR 2007, 1681), so dass die Zulassung der Revision auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen muss (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin bei der Prüfung des § 139 BGB verletzt hätte, ist nicht ersichtlich.
- 37
- 2. Soweit das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte sowohl aus dem angefochtenen Vertrag als auch aus der Versicherungsbestätigung verneint hat, zeigt die Beschwerde keinen Rechtsfehler auf, der die Zulassung der Revision erfordert. Ergänzend verweist der Senat dazu auf das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09 aaO Rn. 68).
- 38
- 3. Die Rügen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat auch im Übrigen geprüft, sie greifen nicht durch. Von einer weite- ren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
- 39
- 4. Hält nach allem die Abweisung der Klage infolge der Arglistanfechtung der Prüfung im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde stand, kommt es auf Fragen des Versicherungsfalleshier nicht an.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 27.05.2009- 6 O 368/06 -
OLG Celle, Entscheidung vom 16.09.2010- 8 U 115/09 -
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Annotations
Einwendungen aus dem Vertrag stehen dem Versprechenden auch gegenüber dem Dritten zu.
Ist die Versicherungssumme erheblich niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles, ist der Versicherer nur verpflichtet, die Leistung nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert zu erbringen.
Einwendungen aus dem Vertrag stehen dem Versprechenden auch gegenüber dem Dritten zu.
(1) Übersteigt die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) erheblich, kann jede Vertragspartei verlangen, dass die Versicherungssumme zur Beseitigung der Überversicherung unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie mit sofortiger Wirkung herabgesetzt wird.
(2) Schließt der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig; dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben.
(2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
(3) Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.
(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.
(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge); - 2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar: - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.
(1) Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen einer öffentlichen Behörde oder eines öffentlichen Beamten, so wird der Beweis durch den Antrag angetreten, die Behörde oder den Beamten um die Mitteilung der Urkunde zu ersuchen.
(2) Diese Vorschrift ist auf Urkunden, welche die Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts zu beschaffen imstande sind, nicht anzuwenden.
(3) Verweigert die Behörde oder der Beamte die Mitteilung der Urkunde in Fällen, in denen eine Verpflichtung zur Vorlegung auf § 422 gestützt wird, so gelten die Vorschriften der §§ 428 bis 431.
Der Antrag soll enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Urkunde; - 2.
die Bezeichnung der Tatsachen, die durch die Urkunde bewiesen werden sollen; - 3.
die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; - 4.
die Angabe der Umstände, auf welche die Behauptung sich stützt, dass die Urkunde sich in dem Besitz des Gegners befindet; - 5.
die Bezeichnung des Grundes, der die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt. Der Grund ist glaubhaft zu machen.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.