Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2017 - III ZR 39/17

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Dr. Arend
beschlossen:
Die Revision des Klägers gegen das zweite Versäumnisurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Dezember 2016 - 7 EK 1/14 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 6.000 €
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens in Anspruch.
- 2
- In dem auf den 10. November 2016 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht ist für den Kläger niemand erschienen. Das Gericht hat zunächst mehrere Ablehnungsgesuche des Klägers wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig verworfen und sodann die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 16. November 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Telefax vom 30. November 2016 Einspruch eingelegt. Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 1. Dezember 2016 ist daraufhin der Einspruchstermin nach § 341a ZPO auf den 15. Dezember 2016 bestimmt worden. Den Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2016 auf Teilnahme an der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 zurückgewiesen. In dem Verhandlungstermin am 15. Dezember 2016 ist für den Kläger wiederum niemand erschienen. Nach Zurückweisung von Anhörungsrügen, eines erneuten Antrags auf Einrichtung einer Videokonferenz und Verwerfung weiterer Ablehnungsgesuche des Klägers hat das Oberlandesgericht ein zweites Versäumnisurteil erlassen, mit dem der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 10. November 2016 verworfen worden ist.
- 3
- Hiergegen hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers Revision und hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, dem Kläger einen Notanwalt zu bestellen.
II.
- 4
- Der Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ist unbegründet.
- 5
- Nach § 78b Abs. 1 ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist aussichtslos, weil die Säumnis des Klägers in dem Verhandlungstermin vom 15. Dezember 2016 nicht unverschuldet war. Seine Säumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO).
- 6
- Nach § 565 i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts (§ 345 ZPO) der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat. Das gleiche gilt für ein zweites Versäumnisurteil, das von dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht im Rahmen eines Entschädigungsprozesses wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens (§§ 198 ff GVG) erlassen wurde (Senatsurteil vom 8. Oktober 2015 - III ZR(Ü) 1/15, NJW 2015, 3661 Rn. 8 ff).
- 7
- Die Säumnis des Klägers war deshalb nicht unverschuldet, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht verhindert war, den Verhandlungstermin am 15. Dezember 2016 um 13.00 Uhr wahrzunehmen. Ausweislich des Aktenvermerks des Berichterstatters vom selben Tag hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Terminstag lediglich geltend gemacht, erst um 12.15 Uhr in Köln anzukommen. Auf das Angebot der Senatsvorsitzenden den Termin gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt im Laufe des Tages zu verschieben, hat der Prozessbevollmächtigte lediglich erklärt, "das sei ihm alles unzumutbar". Soweit er mit am 15. Dezember 2016 um 12.45 Uhr beim Oberlandesgericht per Telefax eingegangenen Ausdrucken aus den Internetseiten der Deutschen Bahn AG geltend gemacht haben sollte, der Zugverkehr zwischen Frankfurt am Main und Köln sei wegen einer Streckensperrung unterbrochen, hat die Vorinstanz im Verhandlungsprotokoll zutreffend ausgeführt, dass dies nicht zu einer hinreichenden Entschuldigung führe, da nicht ersichtlich sei, dass der Ge- richtsort nicht mit anderen Verkehrsmitteln oder auf anderer Strecke innerhalb des Terminstags erreichbar sei. Nach alledem lag kein Verhinderungsgrund vor, der dem Erlass eines zweiten Versäumnisurteils entgegengestanden hätte.
- 8
- Soweit der Kläger nunmehr im Rahmen seines Antrags auf Bestellung eines Notanwalts erstmals behauptet, sein Anwalt habe den Gerichtsort wegen Sperrung einer Zugstrecke nicht erreichen können, kommt es darauf nicht an. Denn eine Säumnis ist nur dann unverschuldet, wenn der Anwalt, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. Daran fehlt es ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte hat sich gegenüber dem Oberlandesgericht nur allgemein und unerheblich auf Unzumutbarkeit berufen.
- 9
- Der Kläger kann auch nicht geltend machen, der Verhandlungstermin vom 15. Dezember 2016 sei nicht ordnungsgemäß angeordnet worden. Die unter anderem gegen die Vorsitzende gerichteten Ablehnungsgesuche des Klägers sind zu Recht als substanzlos und rechtsmissbräuchlich behandelt worden und hinderten die Vorsitzende nicht an der Bestimmung des Einspruchstermins. Der Kläger wusste auch, dass sein Anwalt zu dem Termin erscheinen musste, da das Oberlandesgericht seinen Antrag auf Durchführung einer Videokonferenz mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 unanfechtbar abgelehnt hatte (§ 128a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 ZPO.
- 10
- Mit der Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil kann nicht geltend gemacht werden, dass bei Erlass des ersten Versäumnisurteils kein Fall der schuldhaften Säumnis vorgelegen habe (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - V ZB 1/99, BGHZ 141, 351, 355).
III.
- 11
- Die Revision war auf Kosten des Klägers als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden ist (§§ 548, 549 Abs. 1 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO müssen sich die Parteien vor dem Bundesgerichtshof durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies gilt auch für den Entschädigungsprozess nach §§ 198 ff GVG (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/ Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 201 GVG Rn. 14). Für eine Einschränkung der Singularzulassung im Wege der verfassungskonformen Auslegung besteht keine Veranlassung.
- 12
- In Verfahren nach §§ 198 ff GVG ist die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil ohne Zulassung und ohne Höhe der Beschwer statthaft (Senatsurteil vom 8. Oktober 2015 aaO Rn. 11). Die nur vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist daher gegenstandslos.
- 13
- Da der Entschädigungsprozess abgeschlossen ist, kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht in Betracht.
Liebert Arend
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 15.12.2016 - 7 EK 1/14 -

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Wird der Einspruch nicht als unzulässig verworfen, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen.
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden.
(2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder Anschlussberufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. § 511 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu.
(1) Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.
(2) Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.
(3) Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.
Die Frist für die Einlegung der Revision (Revisionsfrist) beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.
(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.
(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.