Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2013 - III ZR 257/12

bei uns veröffentlicht am27.06.2013
vorgehend
Landgericht Münster, 15 O 317/10, 25.07.2011
Oberlandesgericht Hamm, 34 U 133/11, 28.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 257/12
vom
27. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2013 durch den
Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und
Dr. Remmert

beschlossen:
Auf die Gegenvorstellung der Kläger wird der Senatsbeschluss vom 7. März 2013 dahingehend geändert, dass der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 680.000 € festgesetzt wird.

Gründe:


I.


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 7. März 2013 die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zurückgewiesen und den Streitwert auf 762.000 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die von den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger eingelegte Gegenvorstellung, mit der sie die Festsetzung des Streitwerts auf 680.000 € begehren. Sie machen geltend, die vom Landgericht als entgangener Gewinn zugesprochenen Zinsen vor Rechtshängigkeit stellten eine Nebenforderung dar und seien daher nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

II.


2
1. Die Gegenvorstellung ist zulässig. Sie ist dahingehend auszulegen, dass sie im Namen der Kläger eingelegt worden ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 68 GKG Rn. 5). Als solche ist sie mit dem Ziel der Herabsetzung des Streitwerts zulässig (BGH, Beschluss vom 12. Februar 1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986, 737; Hartmann aaO).
3
2. Die Gegenvorstellung ist auch begründet.
4
a) Die Kläger haben mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde unter Aufhebung des Berufungsurteils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils angestrebt, durch das die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 248.000 € an den Kläger zu 1 und von 432.000 € an den Kläger zu 2 verurteilt worden sind. Die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff ZPO zu addierenden Hauptforderungen der Kläger belaufen sich somit auf insgesamt 680.000 € (zur Wertaddition bei von einzelnen Streitgenossen selbständig ver- folgten Ansprüchen vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16 "Streitgenossen" ). Zusätzlich hat das Landgericht die Beklagten zur Zahlung von jeweils 4 % Zinsen bis zum 20. Dezember 2010 (Rechtshängigkeit) und weiteren Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verurteilt. Der zuerst genannte Zinsbetrag beruht auf einem von den Klägern auf "entgangenen Gewinn" gestützten Anspruch (entgangene Anlagezinsen). Angesichts der betroffenen Zinszeiträume ergeben sich insofern Zinsbeträge für den Kläger zu 1 von rund 30.000 € und für den Kläger zu 2 von rund 52.000 €. Diese Beträge hat der Senat - wie auch in anderen Verfahren, die entgangene Anlagezinsen zum Gegenstand hatten - bei der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss vom 7. März 2013 berücksichtigt.

5
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest. Bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind allein die Hauptforderungen in Höhe von vorliegend 680.000 €. Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung und erhöht den Streitwert nicht. Der Senat schließt sich insofern der neueren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats an (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 14 und vom 15. Januar 2013 - XI ZR 370/11, BeckRS 2013, 02155; siehe auch Senatsbeschluss vom heutigen Tage - III ZR 143/12). Wenn der Kläger statt der gesetzlichen Verzugs - oder Rechtshängigkeitszinsen oder zusätzlich zu diesen entgangene Anlagezinsen geltend macht, ändert das nichts daran, dass es sich auch in diesem Fall um eine von der Hauptforderung abhängige Nebenforderung handelt. Das gilt entsprechend, wenn entgangene Zinsen - wie vorliegend - für den Zeitraum vor Eintritt des Verzugs oder der Rechtshängigkeit begehrt werden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 aaO unter Hinweis auf RGZ 158, 350, 351). Die Forderung auf Ersatz der wegen einer hypothetischen Alternativanlage entgangenen Anlagezinsen setzt notwendig voraus, dass die Forderung auf Ersatz des verlorengegangenen Kapitals tatsächlich besteht. Nur wenn und soweit das tatsächlich getätigte Anlagegeschäft der Rückabwicklung unterliegt, ist ein ersatzfähiger Gewinn wegen einer dadurch entgangenen anderweitigen Anlagemöglichkeit denkbar (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. März 2012 - I-6 U 253/10, juris Rn. 6 mwN).
6
Die mangelnde Berücksichtigung von als Zinsen geltend gemachtem entgangenem Gewinn entspricht im Übrigen dem Gedanken, dass die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte gemäß § 4 Abs. 1 ZPO nicht durch die Schwierigkeit der Wertermittlung derartiger Nebenforderungen aufgehalten werden soll, und dem daraus folgenden Postulat einer praktischen, einfachen und klaren Wertermittlung (RG aaO mwN; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1960 - VII ZR 42/59, LM ZPO § 4 Nr. 14), das gleichermaßen für die Wertfestsetzung gemäß § 43 Abs. 1 GKG gilt.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 25.07.2011 - 15 O 317/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.06.2012 - I-34 U 133/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Zivilprozessordnung - ZPO | § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen


(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht,

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt. (2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Ha

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(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 370/11
vom
15. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und
Pamp sowie die Richterin Dr. Menges

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, § 544 ZPO). Der Feststellungsantrag ist lediglich mit 1.533,88 € zu veranschlagen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2009 - XI ZR 498/07, juris). Dass dem Kläger eine Inanspruchnahme durch die Treuhänderin auf Freistellung von Ansprüchen aus § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB gerichtet auf Rückzahlung ausgeschütteter Beträge in einem Umfang drohte, der eine höhere Bewertung des Feststellungsantrags rechtfertigte, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers erhöht der von ihm neben der Hauptforderung in Höhe von 15.338,76 € begehrte Ausgleich entgangenen Gewinns in Höhe von 4.686,84 €, das sind 2% p.a. aus 15.338,76 € vom 21. September 1994 bis zum 31. Dezember 2009, als Nebenforderung Beschwer und Streitwert nicht (dazu Senatsbeschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, WM 2012, 1211 Rn. 14). Die vom Kläger zitierten Anmerkungen zu der dem zugrundeliegenden Rechtsprechung des Senats (Hansens, RVGreport 2012, 312, 313; ders., zfs 2012, 587) geben keinen Anlass , von dieser Bewertung abzugehen. Der vom Kläger weiter angeführte Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. September 1992 (II ZR 277/90, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 74) betraf die Geltendmachung eines "Zinsanspruchs" - so dort wörtlich , insoweit nicht abgedruckt in KostRsp. ZPO § 4 Nr. 74 - unter dem Gesichtspunkt einer "selbständigen zum Schadenersatz verpflichtenden Handlung" und damit eine andere Fallgestaltung (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 17. März 2009 - XI ZR 142/08, juris Rn. 4 aE). Im Übrigen könnte die Nichtzulassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg haben.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO). Streitwert: bis 19.000 € Wiechers Grüneberg Maihold Pamp Menges
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 30.07.2010 - 2 O 494/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2011 - 9 U 140/10 -

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.