Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2013 - III ZR 257/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Senat hat mit Beschluss vom 7. März 2013 die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zurückgewiesen und den Streitwert auf 762.000 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die von den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger eingelegte Gegenvorstellung, mit der sie die Festsetzung des Streitwerts auf 680.000 € begehren. Sie machen geltend, die vom Landgericht als entgangener Gewinn zugesprochenen Zinsen vor Rechtshängigkeit stellten eine Nebenforderung dar und seien daher nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
II.
- 2
- 1. Die Gegenvorstellung ist zulässig. Sie ist dahingehend auszulegen, dass sie im Namen der Kläger eingelegt worden ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 68 GKG Rn. 5). Als solche ist sie mit dem Ziel der Herabsetzung des Streitwerts zulässig (BGH, Beschluss vom 12. Februar 1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986, 737; Hartmann aaO).
- 3
- 2. Die Gegenvorstellung ist auch begründet.
- 4
- a) Die Kläger haben mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde unter Aufhebung des Berufungsurteils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils angestrebt, durch das die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 248.000 € an den Kläger zu 1 und von 432.000 € an den Kläger zu 2 verurteilt worden sind. Die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff ZPO zu addierenden Hauptforderungen der Kläger belaufen sich somit auf insgesamt 680.000 € (zur Wertaddition bei von einzelnen Streitgenossen selbständig ver- folgten Ansprüchen vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16 "Streitgenossen" ). Zusätzlich hat das Landgericht die Beklagten zur Zahlung von jeweils 4 % Zinsen bis zum 20. Dezember 2010 (Rechtshängigkeit) und weiteren Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verurteilt. Der zuerst genannte Zinsbetrag beruht auf einem von den Klägern auf "entgangenen Gewinn" gestützten Anspruch (entgangene Anlagezinsen). Angesichts der betroffenen Zinszeiträume ergeben sich insofern Zinsbeträge für den Kläger zu 1 von rund 30.000 € und für den Kläger zu 2 von rund 52.000 €. Diese Beträge hat der Senat - wie auch in anderen Verfahren, die entgangene Anlagezinsen zum Gegenstand hatten - bei der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss vom 7. März 2013 berücksichtigt.
- 5
- b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest. Bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind allein die Hauptforderungen in Höhe von vorliegend 680.000 €. Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung und erhöht den Streitwert nicht. Der Senat schließt sich insofern der neueren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats an (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 14 und vom 15. Januar 2013 - XI ZR 370/11, BeckRS 2013, 02155; siehe auch Senatsbeschluss vom heutigen Tage - III ZR 143/12). Wenn der Kläger statt der gesetzlichen Verzugs - oder Rechtshängigkeitszinsen oder zusätzlich zu diesen entgangene Anlagezinsen geltend macht, ändert das nichts daran, dass es sich auch in diesem Fall um eine von der Hauptforderung abhängige Nebenforderung handelt. Das gilt entsprechend, wenn entgangene Zinsen - wie vorliegend - für den Zeitraum vor Eintritt des Verzugs oder der Rechtshängigkeit begehrt werden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 aaO unter Hinweis auf RGZ 158, 350, 351). Die Forderung auf Ersatz der wegen einer hypothetischen Alternativanlage entgangenen Anlagezinsen setzt notwendig voraus, dass die Forderung auf Ersatz des verlorengegangenen Kapitals tatsächlich besteht. Nur wenn und soweit das tatsächlich getätigte Anlagegeschäft der Rückabwicklung unterliegt, ist ein ersatzfähiger Gewinn wegen einer dadurch entgangenen anderweitigen Anlagemöglichkeit denkbar (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. März 2012 - I-6 U 253/10, juris Rn. 6 mwN).
- 6
- Die mangelnde Berücksichtigung von als Zinsen geltend gemachtem entgangenem Gewinn entspricht im Übrigen dem Gedanken, dass die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte gemäß § 4 Abs. 1 ZPO nicht durch die Schwierigkeit der Wertermittlung derartiger Nebenforderungen aufgehalten werden soll, und dem daraus folgenden Postulat einer praktischen, einfachen und klaren Wertermittlung (RG aaO mwN; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1960 - VII ZR 42/59, LM ZPO § 4 Nr. 14), das gleichermaßen für die Wertfestsetzung gemäß § 43 Abs. 1 GKG gilt.
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 25.07.2011 - 15 O 317/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.06.2012 - I-34 U 133/11 -
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Annotations
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.
(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.
(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.