Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2009 - II ZR 98/08

published on 19/01/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2009 - II ZR 98/08
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Landgericht Mühlhausen, 1 HKO 101/06, 16/05/2007
Thüringer Oberlandesgericht, 6 U 530/07, 10/03/2008

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 98/08
vom
19. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Voraussetzungen einer Universalversammlung im Sinne von § 51 Abs. 3
GmbHG, bei deren Einberufung die Ladungsvorschriften nicht beachtet worden sind,
gehört nicht nur, dass alle Gesellschafter anwesend sind, sondern dass sie mit der
Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung einverstanden
sind; das Einverständnis kann auch konkludent erteilt werden.
BGH, Beschluss vom 19. Januar 2009 - II ZR 98/08 - OLG Jena
LG Mühlhausen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Januar 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 10. März 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 50.000,00 €

Gründe:

1
Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht , wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die - grundsätzlich zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führenden - Mängel der Einberufung der Gesellschafterversammlung vom 29. August 2006 seien nicht geheilt worden, weil keine Vollversammlung "zur Beschlussfassung" mit Einverständnis des Klägers stattgefunden habe, den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die hier unstreitig vorliegenden, an sich zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse führenden Einberufungsmängel gemäß § 51 Abs. 3 GmbHG durch eine Vollversammlung (Universalversammlung) geheilt werden können, wobei Voraussetzung einer solchen Vollversammlung ist, dass nicht nur sämtliche Gesellschafter anwesend sind, sondern auch das Einvernehmen aller Anwesenden mit der Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung besteht (BGHZ 100, 264, 269 f.; Sen.Urt. v. 8. Dezember 1997 - II ZR 216/97, DStR 1998, 348; v. 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Tz. 18; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 18. Aufl. § 51 Rdn. 31 m.w.Nachw.; Scholz/K. Schmidt/Seibt, GmbHG 10. Aufl. § 51 Rdn. 32 f. m.w.Nachw.).
3
2. Das Berufungsgericht hat jedoch bei seiner Beurteilung, das Gesamtverhalten des Klägers in der Gesellschafterversammlung vom 29. August 2006 lasse die Annahme nicht zu, der Kläger sei mit der Abhaltung der Versammlung zur Beschlussfassung einverstanden gewesen, den Vortrag der Beklagten nur unvollständig zur Kenntnis genommen und die für die Richtigkeit dieser Darstellung angetretenen Beweise durch Vernehmung der Zeugen nicht erhoben. Dieser Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist entscheidungserheblich, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht nach der gebotenen Befragung der Zeugen zur Annahme des Einverständnisses des Klägers mit der Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung gelangt wäre.
4
a) Das Berufungsgericht hat lediglich darauf abgestellt, dass die übrigen Gesellschafter aus der Tatsache, dass der Kläger sich an den Verhandlungstisch gesetzt und ihnen gegenüber eine "einladende Handbewegung" gemacht habe, nicht auf ein Einverständnis des Klägers – auch – mit der Beschlussfassung hätten schließen dürfen.
5
b) Die Beklagte hat jedoch darüber hinaus mehrfach vorgetragen und durch Zeugen unter Beweis gestellt, dass dem Kläger zunächst vor Beginn der Versammlung die Tagesordnungspunkte bekannt gegeben worden seien. Auf die "ausdrückliche" Frage, ob er mit den Tagesordnungspunkten und der Durchführung der Gesellschafterversammlung hierzu unter Verzicht auf jedwede Formen und Fristen einverstanden sei, habe er seine Zustimmung erteilt. Er habe sich erst nach Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte an den Verhandlungstisch gesetzt und eine Handbewegung gemacht, dass sich die übrigen Gesellschafter ebenfalls setzen sollten, was diese - erst - daraufhin getan hätten. Der Kläger habe sodann an den Abstimmungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten durch Stimmenthaltung mitgewirkt und sich lediglich geweigert , das über die Gesellschafterversammlung gefertigte Protokoll zu unterzeichnen.
6
c) Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass die Tatsache allein, dass ein Gesellschafter bei einer Vollversammlung anwesend ist und sich an der Abstimmung beteiligt, nicht zwingend bedeuten muss, dass von einer die Einladungsmängeln heilenden Vollversammlung auszugehen ist (siehe nur Sen.Urt. v. 8. Dezember 1997 - II ZR 216/97 aaO). Es ist daher für die Feststellung, ob der Kläger durch seine Anwesenheit und Mitwirkung an der Gesellschafterversammlung deren Abhaltung einschließlich der Beschlussfassung konkludent zugestimmt hat, von entscheidender Bedeutung, wie er sich nach Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, während des Verlaufs der Versammlung und bei den Abstimmungen verhalten hat.
7
3. Die danach erforderliche tatrichterliche Klärung wird das Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren durch Würdigung des gesamten Sachvortrags der Beklagten und durch Befragung der von der Beklagten benannten Zeugen herbeizuführen haben.
8
Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger, wie er behauptet, nur wie paralysiert am Tisch gesessen, geschwiegen und sich nicht etwa ausdrücklich der Stimme enthalten, sondern auch insoweit nur geschwiegen habe, spräche dies eher gegen eine konkludente Zustimmung. Sollte er hingegen, wie die Beklagten behaupten, in Kenntnis der Tagesordnungspunkte und auch auf Nachfrage ausdrücklich mit der Abhaltung einer Gesellschafterversammlung zu den Tagesordnungspunkten einverstanden gewesen sein, sich zu diesen in irgendeiner Form geäußert und z.B. auf die entsprechende Frage des Versammlungsleiters ausdrücklich erklärt haben, dass er sich der Stimme zu den jeweili- gen Beschlüssen enthalte, würde ein solches Verhalten auf eine konkludente Zustimmung - auch - zur Beschlussfassung hindeuten.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 16.05.2007 - 1 HKO 101/06 -
OLG Jena, Entscheidung vom 10.03.2008 - 6 U 530/07 -
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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(1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken.

(2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden.

(3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind.

(4) Das gleiche gilt in bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken.

(2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden.

(3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind.

(4) Das gleiche gilt in bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind.