Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Aug. 2016 - AK 46/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:310816BAK46.16.0
bei uns veröffentlicht am31.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 46/16
vom
31. August 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310816BAK46.16.0


Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 31. August 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 17. Februar 2016 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2016 - 1 BGs 6/16 geh. -, neu gefasst durch Beschluss vom 25. April 2016 - 1 BGs 28/16 geh. -, in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des neu gefassten Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit Ende des Jahres 2008 bis zu seiner Festnahme im Februar 2016 für den indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (im Folgenden: R&AW) eine geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt, die auf die Mitteilung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet war, und dabei unter Missbrauch einer verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse mitgeteilt oder geliefert, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten werden (strafbar gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
3
Mit Beschluss vom 4. August 2016 (1 BGs 70/16) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass der Vorwurf einer am 7. Mai 2009 begangenen geheimdienstlichen Agententätigkeit in Bezug auf den deutschen Staatsangehörigen A. entfällt.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
6
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa)...


8
...


9
Der Beschuldigte ist zudem innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland sehr bekannt. Er ist aufgrund seiner guten Kontakte zu den indischen diplomatischen Vertretungen häufig bei der Beschaffung von Visa für Reisen nach Indien behilflich und betätigt sich zudem in B. als Priester in einem hinduistischen Tempel.
10
...


11
bb)...

12
Mehrere Kontaktpersonen des Beschuldigten aus dem Generalkonsulat in Frankfurt waren bzw. sind Angehörige indischer Geheimdienste, ...


13
cc) Jedenfalls ab Ende des Jahres 2008 / Anfang des Jahres 2009 lieferte der Beschuldigte den genannten Kontaktpersonen in Kenntnis von deren Zugehörigkeit zu einem indischen Geheimdienst in über 40 Fällen die von diesen angeforderten Informationen zu vorrangig aus Indien stammenden Personen, vor allem zu Anhängern der Glaubensrichtung der Sikhs. Bei etwa zehn dieser Personen bestehen Verdachtsmomente, dass sie Kontakte zu "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen unterhalten. In weiteren sechs Fällen ging es um Personen, die mutmaßlich Organisationen angehörten, die von der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen angesehen werden ("Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam") und gegen die deswegen auch von deutschen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsverfahren geführt werden bzw.

die bereits rechtskräftig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurden. Bei seinen Recherchen griff der Beschuldigte in nahezu allen Fällen auf die ihm nur für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellte, nicht öffentlich zugängliche Datenbank des Ausländerzentralregisters zu und gab die dort ermittelten Informationen (z.B. Passdaten, Lichtbilder, Ausreisedaten, darin gespeicherte Erkenntnisse über strafrechtliche Vorbelastungen oder Daten des Asylverfahrens) an seine Führungsoffiziere weiter. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführliche Darstellung im Haftbefehl vom 25. April 2016.

14
...


15
dd) Als Gegenleistung für seine geschilderte Tätigkeit erhielt er jedenfalls konsularische Unterstützung bei der Beschaffung von Visa für Indien, die er bei den indischen Auslandsvertretungen beschaffte; diese ließ er sich von den Visa -Antragstellern vergüten, wobei die Höhe des Entgelts zwischen 10 € und 400 € variierte. Die Bemühungen zur Visabeschaffung entfaltete er einerseits für indische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung für die Bundesrepublik verfügen und deshalb für die Reise nach Indien ein Visum brauchen; andererseits kooperierte er mit mehreren Reisebüros, für die er Touristenvisa beschaffte. Zahlungen, etwa eine über 7.000 US-Dollar im August 2014, wurden vielfach als Spenden für den Hindu-Tempel, in dem er als Priester tätig war, bezeichnet oder wurden in bar geleistet.
16
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus der Auswertung zahlreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die zunächst durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) und - nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt - aufgrund von Anordnungsbeschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs durchgeführt wurden und anhand derer die Informationslieferungen des Beschuldigten an seine Kontaktpersonen ab September 2014 belegt werden. Anlässlich der Festnahme des Beschuldigten wurde zudem sein Büro bei der Z. durchsucht; dabei wurden unter anderem zwei Aktenordner , beschriftet mit den Namen "A. " und "D. " gefunden und sichergestellt, die die Informationslieferungen von Ende 2008 bis in das Jahr 2014 belegen. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschuldigte häufig Auszüge aus dem AZR erstellte und seinen Kontaktpersonen weiterleitete. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Darstellung und Würdigung der Beweismittel in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2016.
17
Entgegen der Auffassung des Verteidigers des Beschuldigten beruht die Annahme, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien dem indischen Geheimdienst zuzurechnen, nicht auf bloßen Vermutungen oder unbestätigten bzw. nicht belegbaren Behauptungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Zwar heißt es in dessen zu der Einleitung des Ermittlungsverfahrens führenden Behördengutachten vom 31. August 2015 zu Beginn: "Dienstlich wurde be- kannt, dass die genannten Kontaktpersonen (…) dem indischen Nachrichten- dienst angehören …", ohne dass dies an dieser Stelle näher ausgeführt wird. Eine solche bloße Behauptung bestimmter Tatsachen ohne nähere Erläuterung und ohne Offenbarung der Erkenntnisquellen hat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur einen geringen Beweiswert (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 247; vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370; vom 10. April 2008 - AK 4-6/08, juris Rn. 18; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 29). Gleichwohl kann solchen Behördenzeugnissen nicht jeglicher Beweiswert abgesprochen werden, dieser ist vielmehr in jedem Einzelfall zu bestimmen. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen; danach kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder die Objektivierung der genannten Erkenntnisse anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel (BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370).
18
Nach diesen Maßstäben ergibt sich hier Folgendes: Die Behördenzeugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz beschränken sich nicht auf bloße Behauptungen, sondern geben über zahlreiche Seiten die aufgezeichneten Gespräche zwischen dem Beschuldigten und seinen Kontaktpersonen wieder. Eine nachrichtendienstliche Anbindung der Kontaktperson Y. ergibt sich schon daraus, dass dieser bereits spätestens im Jahr 2014 als Führungsoffizier eines indischen Nachrichtendienstes enttarnt worden war. Der gesondert verfolgte S. , die von ihm abgeschöpfte Quelle, ist vom Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 21. Juli 2014 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden; der Senat hat auf die Revision S. s lediglich den Strafausspruch aufgehoben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158), der Schuldspruch ist hingegen in Rechtskraft erwachsen. Die Y. erteilten Informationen betrafen ausweislich der in dem sichergestellten Aktenordner festgestellten Unterlagen Personen, an denen indische Geheimdienste aus den oben dargelegten Gründen ein nachrichtendienstliches Interesse hatten. Aus den Vermerken des Beschuldigten ergibt sich insoweit auch, dass er Aufträge seiner Kontaktperson abarbeitete. Die in dem mit "A. " beschrifteten Aktenordner sichergestellte Korrespondenz enthält gleichartige Vorgänge, was wiederum den Schluss zulässt , dass auch X. als Angehöriger eines indischen Nachrichtendienstes durch den Beschuldigten mit Informationen versorgt wurde. Die späteren Kontaktpersonen W. und V. waren Nachfolger X. als Konsul und schöpften den Beschuldigten ausweislich der aufgezeichneten Gespräche gleichermaßen ab, was wiederum ihre Einbindung in einen indischen Nachrichtendienst im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt. Letzteres gilt auch für den Büroleiter W. , sowie den weiteren O. , die ausweislich der aufgezeichneten Gespräche in die Informationsanforderungen an den Beschuldigten und die Weitergabe der von ihm gelieferten Informationen eingebunden waren. Die geheimdienstliche Einbindung der Kontaktpersonen U. und C. ergibt sich schließlich schon daraus, dass diese Personen den deutschen Sicherheitsbehörden, jedenfalls aber dem Bundesamt für Verfassungsschutz , von der Republik Indien als offizielle Ansprechpartner der Nachrichtendienste R&AW und IB benannt worden sind.
19
Die in den Behördenzeugnissen mitgeteilte Erkenntnis, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien indischen Geheimdiensten zuzuordnen, findet weitere Bestätigung in Gesprächen, in denen der Beschuldigte selbst den V. oder - so seine bisherige Einlassung - den anderen O. als "vom Geheimdienst" bzw. V. als "Chef vom Geheimdienst" und früher "Chef der Polizei" bezeichnete.


...

20
Nach alledem wird in den Behördenzeugnissen nicht bloß eine unüberprüfbare Behauptung aufgestellt, vielmehr werden zahlreiche Indizien genannt, die es als hoch wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Empfänger der vom Beschuldigten erteilten Informationen Mitarbeiter indischer Nachrichtendienste waren bzw. sind und dem Beschuldigten dies auch bekannt war. Der in dem Behördenzeugnis vom 31. August 2015 mitgeteilten Einschätzung, die mithin durch zahlreiche unmittelbar vorliegende Beweismittel objektivierbar ist, kommt deshalb hier auch für sich genommen ein Beweiswert zu. Soweit - was nicht näher belegt ist - die Zurechnung aller Kontaktpersonen zum R&AW vorgenommen wird, weil ...

steht dies in einem gewissen Widerspruch zu den Feststellungen in dem bereits genannten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, nach denen Y. Agent des IB war. Ob indes der Beschuldigte in jedem Fall für den R&AW oder (auch)

für den IB eine geheimdienstliche Agententätigkeit erbrachte oder ob diese Dienste bei der Beschaffung von Informationen vom Beschuldigten bloß zusammenarbeiteten , ist für die Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung.
21
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses der Verdacht belegt, dass sich der Beschuldigte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem er seinen nachrichtendienstlichen Führungsoffizieren insbesondere Tatsachen und Erkenntnisse mitteilte. Er war funktionell in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht eingegliedert.
22
Seine Tätigkeit war auch gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Dies gilt jedenfalls für die von ihm weitergeleiteten Informationen betreffend unbescholtene deutsche Staatsangehörige, Staatsgäste der Bundesrepublik und solche ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen. Denn solche Ausforschungen von Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst hier lebender Ausländer sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft. Diese ist gehalten, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160). Solche Informationslieferungen machten den Großteil der Aktivitäten des Beschuldigten aus, so dass allein der insoweit bestehende drin- gende Tatverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit die Fortdauer der Untersuchungshaft trägt.
23
Der Senat kann deshalb im Ergebnis offen lassen, ob der Beschuldigte auch durch die Weitergabe von Informationen über Angehörige von Organisationen , die in der Bundesrepublik als terroristische Vereinigungen verfolgt werden , oder über Personen, die mutmaßlich "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen nahe standen, das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" verwirklichte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies nicht ohne Weiteres der Fall, wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der mutmaßlichen Mitglieder der Organisationen "Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam" möglicherweise gegeben; ob auch die Personen, die "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen bloß nahe stehen sollen, an solche gelisteten Vereinigungen angebunden waren, darf im weiteren Verfahren nicht aus dem Blick geraten, weil auch insoweit die Strafbarkeit der Ausforschungsbemühungen des Beschuldigten gemäß § 99 Abs. 1 StGB fraglich sein könnte.
24
Soweit im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs - der Argumentation des Generalbundesanwalts folgend - die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals auch mit Blick auf diesen Personenkreis bejaht worden ist, geben die diesbezüglichen rechtlichen Ausführungen bei vorläufiger Würdigung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
25
Die Ausnutzung der Zugriffsmöglichkeit auf amtliche Register und Informationssysteme kann unter der Voraussetzung, dass diese tatsächlich materiell -faktisch geheim gehalten werden (vgl. dazu MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 29 mwN), vorliegend allenfalls den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles im Sinne von § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und - tateinheitlich - den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Allein dies macht indes nicht die Prüfung entbehrlich, ob überhaupt der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit erfüllt ist. Im Übrigen ist in Fällen, in denen Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Beamte als Täter einer geheimdienstlichen Agententätigkeit in Betracht kommen, regelmäßig anzunehmen, dass sie auf ihnen in ihrer amtlichen Tätigkeit zur Verfügung stehende Informationsquellen zugreifen; solche Befugnisse und Erkenntnisquellen machen sie für ausländische Nachrichtendienste als Abschöpfungsobjekt gerade attraktiv. Wollte man in all diesen Fällen das Tatestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" ohne weiteres als gegeben ansehen, liefe das in einer Vielzahl von Fällen darauf hinaus, dass dem Merkmal wider der gesetzgeberischen Intention der wesentliche , Schranken setzende Sinngehalt genommen würde (vgl. dazu BGH aaO, S. 163).
26
In mehrfacher Hinsicht bedenklich erscheint auch, die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals damit zu begründen, dass durch die Ausspähung der mutmaßlichen Mitglieder von terroristischen Vereinigungen in deren Asylgrundrecht (Art. 16a Abs. 1 GG) oder aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitete Aufenthaltsrechte oder gar deren Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) eingegriffen werde: Mit der Meinungsfreiheit kann die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung nicht gerechtfertigt werden, denn dieses Grundrecht findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Dass durch die Tätigkeiten des Beschuldigten in den Bestand von Asyl- und Aufenthaltsrechten der Betroffenen eingegriffen worden wäre oder werden sollte - etwa durch rechtswidrige Abschiebungen -, ist zudem nach dem Stand der derzeitigen Ermittlungen jedenfalls nicht hoch wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang besteht insbesondere kein dringender Tatverdacht dafür, dass ...

und so möglicherweise Methoden zu praktizieren, die mit den Grundwerten der Verfassung nicht in Einklang zu bringen wären (vgl. insoweit BGH aaO, S. 165 f.). Insbesondere kann dafür nicht ohne weiteres herangezogen werden, dass der Beschuldigte - unter Beteiligung weiterer Beamter auch der deutschen Sicherheitsbehörden - in die Vorbereitung des Besuchs einer indischen Expertenkommission eingebunden war. Denn es ist bislang nicht ersichtlich, wie ein solcher Besuch, der unter der Beobachtung und der Kontrolle staatlicher deutscher Stellen stattfindet, zu einem solchen ungeregelten und rechtswidrigen Vorgehen missbraucht werden könnte.
27
Schließlich vermag auch der Hinweis auf das Strafverfolgungsmonopol der Bundesrepublik Deutschland für ihre Staatsangehörigen bzw. auf das jedem Deutschen aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Recht, nicht gegen seinen Willen aus der ihm vertrauten Rechtsordnung entfernt zu werden, vorliegend nicht zu verfangen: Es ist nicht ersichtlich, dass das Vorgehen des Beschuldigten oder seiner Führungsoffiziere darauf gerichtet war, in diese Rechtspositionen einzugreifen.
28
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO: Der Beschuldigte hat im Fall einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründet. Diesem stehen hinreichende persönliche und soziale Bindungen des Beschuldigten im Ergebnis nicht entgegen. Er lebt zwar seit etlichen Jahren in Deutschland und hat hier Familie. Durch das Bekanntwerden des Tatvorwurfs droht der Verlust seiner Arbeitsstelle. Abgesehen davon, dass er dadurch seine regelmäßigen Einnahmen verliert, resultiert daraus auch ein hoher Ansehensverlust - insbesondere innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland. In der Zusammenschau mit den ermittelten finanziellen Anknüpfungspunkten ins Ausland, die im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs im Einzelnen aufgeführt sind, spricht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen wird, als dass er sich ihm stellt.
29
Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
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3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
31
Der Umfang des Verfahrens - die Sachakten umfassen bereits jetzt deutlich mehr als 40 Aktenordner - und seine besondere Schwierigkeit haben ein Urteil innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen.
32
Das Verfahren ist auch mit der gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Seit der Inhaftierung des Beschuldigten sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden, die der Generalbundesanwalt im Einzelnen in seiner Zuschrift vom 8. August 2016 aufgeführt hat. Insbesondere die Auswertung der anlässlich der Festnahme bei der Durchsuchung sichergestellten Aktenordner, die zu der erheblichen Erweiterung des Tatzeitraums geführt hat, aber auch die Auswertung der Ergebnisse der umfangreichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie der zahlreichen vom Beschuldigten genutzten elektronischen Kommunikationsmittel war bislang zeitlich aufwändig und dauert teilweise noch an. Gleichwohl hat das Bundeskriminalamt die Akten dem Generalbundesanwalt am 22. Juli 2016 zur Anklageerhebung vorgelegt; die Anklage soll Anfang September 2016 fertig gestellt werden.

33
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache, soweit sie diese Entscheidung trägt, und der im Falle einer Verurteilung insoweit zu erwartenden Strafe.
Schäfer Gericke Spaniol

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(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
StB 20/08
vom
26. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________________
KWKG § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
AWG § 35
1. Hat der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts
gegen einen die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden
Beschluss des erstinstanzlich zuständigen Senats eines Oberlandesgerichts
zu entscheiden, so hat er das Bestehen eines hinreichenden
Tatverdachts in vollem Umfang eigenständig zu prüfen (Aufgabe von
BGHSt 35, 39).
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Straftat nach § 19 Abs. 1
KWKG die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG erheblich gefährdet.
3. Es verstößt nicht gegen Art. 25 GG, dass § 35 AWG den Geltungsbereich
materiellen deutschen Strafrechts auf Taten erstreckt, die von
deutschen Staatsbürgern im Ausland begangen werden.
BGH, Beschl. vom 26. März 2009 - StB 20/08 - OLG Frankfurt am Main
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2009 gemäß
§§ 199, 203, 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2008 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat;
b) das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten zur Last gelegt wird, gewerbsmäßig handelnd ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter (V. - Ferngläser), welche unmittelbar oder mittelbar für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung im Iran bestimmt sind, abgeschlossen, und dadurch gegen § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV verstoßen zu haben. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
c) im Übrigen das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2008 zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zugelassen. 2. Die Kosten der zurückgenommenen Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2008, soweit mit diesem der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl aufgehoben worden ist, und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhobenen Anklage vorgeworfen, in einem Fall gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und in zwei Fällen gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 6. August 2008 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt, eine Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen sowie ausgesprochen, dass der Angeklagte für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Generalbundesanwalt mit seiner sofortigen Beschwerde. Das Oberlandesgericht hat daneben den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2008 (1 BGs 44/2008) aufgehoben. Seine gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat der Generalbundesanwalt zurückgenommen. Im Übrigen beanstandet er weiterhin den angefochtenen Beschluss und beantragt,
2
a) diesen aufzuheben;
3
b) das Verfahren in Bezug auf die Tat 3 der Anklageschrift (V. - Ferngläser) gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen;
4
c) im Übrigen seine Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zur Hauptverhandlung zuzulassen.
5
Das Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass das Landgericht Frankfurt am Main zur Durchführung des Hauptverfahrens zuständig ist.

I.

6
1. Mit der Anklageschrift sind dem in Frankfurt am Main wohnhaften Angeklagten folgende Straftaten zur Last gelegt worden:
7
a) Er betrieb ein Einzelhandelsunternehmen und vermittelte als Handelsvertreter Veräußerungsgeschäfte über Industriemaschinen, Zubehör und Rohmaterialien vorwiegend mit iranischen Kunden. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterhielt er Kontakte zu dem in Teheran (Iran) ansässigen Unternehmen K. Co. Ltd. (im Folgenden: K. ), das sich mit der Beschaffung von nuklearrelevanten und militärischen Gütern für den Iran befasst und sich zur Umgehung der insoweit geltenden Handelsbeschränkungen mehrerer Tarnfirmen mit Sitz etwa in Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten bedient. Ansprechpartner des Angeklagten waren die Direktorin von K. , Dr. N. , sowie der Mitarbeiter Ka. .
8
aa) Im April 2007 erhielt der Angeklagte von Ka. für eine der Tarnfirmen von K. eine Anfrage zur Lieferung zweier Hochgeschwindigkeitskameras , die zur Entwicklung von Atomsprengköpfen benötigt werden. Er ging zutreffend davon aus, dass die Kameras für das iranische Atomwaffenprogramm bestimmt waren, und fragte bei dem russischen Hersteller, der in Moskau ansässigen B. Company, nach der Ware an. Als Kaufinteressenten benannte er eine Universität im Nahen Osten. Kurze Zeit später traf er mit dem Hersteller eine unwiderrufliche Kaufvereinbarung, in der für ihn eine Provision von 30.630 € vereinbart wurde, und sandte an die Tarnfirma von K. ein entsprechendes verbindliches Angebot. Daraufhin wurde einem seiner iranischen Geldkonten eine Spesenvorauszahlung in Höhe von 3.297,50 € gutgeschrieben. Im Juni 2007 reiste der Angeklagte nach Moskau, um dort die Details des Vertragsschlusses persönlich zu klären. Während eines Aufenthalts im Iran ab dem 21. August 2007 gelang es ihm, die noch offenen Einzelheiten , insbesondere die Übermittlung einer geeigneten Endverbleibserklärung an den Verkäufer, zu regeln. Die Auslieferung der Kameras an den Endkunden im Iran erfolgte bis spätestens 1. November 2007.
9
bb) Im Mai 2006 erhielt der Angeklagte von K. eine Anfrage über die Lieferung verschiedener Produkte des US-amerikanischen Herstellers L. . Als Endkunde sollte eine Tarnfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgeschoben werden. Zur Verschleierung des Endbestimmungslandes schaltete der Angeklagte die in Mannheim ansässige St. GmbH ein. Diese holte ein Angebot des Herstellers ein und bot die Ware dem Angeklagten an. Im März 2007 bat der Angeklagte die St. GmbH um ein erweitertes Angebot. Dieses umfasste Zählrohre für strahlungsfeste Detektoren, die zum Schutz gegen atomare Detonationswirkungen besonders konstruiert oder geändert sind. Nach den Herstellerangaben sind die Geräte speziell für den Einsatz im Nuklearbereich ausgelegt und können zu militärischen Zwecken verwendet werden. Empfänger sollte nunmehr eine Tarnfirma in Dubai sein. Die St. GmbH bot dem Angeklagten die gewünschten Artikel an; dieser leitete das Angebot an Ka. weiter und schloss mit der St. GmbH eine unwiderrufliche Kaufvereinbarung ab. Auf Veranlassung von K. wurde der Kaufpreis in Höhe von 87.245,40 € im April 2007 in drei Raten an die St. GmbH überwiesen. Ende Mai 2007 stellte die St. GmbH beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: BAFA) einen Ausfuhrgenehmigungsantrag. Dieses forderte ein Endverbleibszertifikat und ein detailliertes Kundenprofil an. Der Angeklagte vereinbarte daraufhin mit Ka. , entsprechende Dokumente aus Dubai zu beschaffen bzw. selbst zu erstellen, um auf diese Weise über den wahren Empfänger zu täuschen. Im Juli 2007 erhielt die St. GmbH eine Endverbleibserklärung aus Dubai und leitete diese an das BAFA weiter. In der Folgezeit überlegten der Angeklagte und Ka. weiter, welcher Verwendungszweck dem BAFA plausibel vermittelt werden könnte. Der Angeklagte schlug vor, einen Einsatz in der Landwirtschaft oder der Medizin vorzuspiegeln. Ka. übermittelte sodann zwei Formulierungsvorschläge , auf deren Grundlage der Mitarbeiter F. der St. GmbH dem BAFA mitteilte, die Ware könne zwar in Nuklearanlagen eingesetzt werden, geplant sei aber eine Verwendung in der Zementindustrie. Der Angeklagte reiste am 20. August 2007 in den Iran, um die Angelegenheit mit seinem Auftraggeber zu besprechen. Das BAFA warf weitere Fragen zum Endverbleib der Ware auf, die F. dem Angeklagten per E-Mail zuleitete. Dieser erörterte die Problematik mit den Verantwortlichen bei K. und versuchte vergeblich , F. telefonisch zu erreichen. Einer weiteren Mitarbeiterin der St. GmbH erklärte er, er benötige dringend eine Aussage zur Situation des Detektoren-Geschäfts, da sein Auftraggeber ihm ein Ultimatum gesetzt habe. In der Folgezeit versuchte der Angeklagte mehrfach, seine Ansprechpartner bei der St. GmbH zu erreichen. Trotz seiner Bemühungen gelang es ihm nicht, das Problem zu lösen. Nach seiner Rückkehr aus dem Iran teilte der Angeklagte F. mit, sein Auftraggeber trete von dem Geschäft zurück. In der Folgezeit bemühte er sich erfolglos um die Rückerstattung des bereits geleisteten Kaufpreises sowie um die Ausfuhr der Ware in den Iran über die Slowakei.
10
cc) Im Mai 2007 fragte eine Tarnfirma von K. bei dem Angeklagten nach 20 nachtsichttauglichen Ferngläsern des Schweizer Herstellers V. an. Der Angeklagte bemühte sich in der Folgezeit darum, die Lieferung der Ware nach Iran zu veranlassen. Das Geschäft scheiterte schließlich, weil die Schweizer Genehmigungsbehörde SECO die ihr übermittelte Endverbleibserklärung als nicht ausreichend bewertete.
11
b) In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts sind diese Sachverhalte rechtlich wie folgt gewürdigt:
12
aa) Im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd die Entwicklung von Atomwaffen gefördert, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 17 Abs. 2 KWKG. Einen hinreichenden Tatverdacht dahin, dass die Handlung des Angeklagten die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet und dieser deshalb den Qualifikationstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG verwirklicht habe, hat der Generalbundesanwalt nicht angenommen.
13
bb) Durch die Tat I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs. 9 AWV ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im Sinne von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (im Folgenden: Iranembargo-VO) nach Iran oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran erbracht; dadurch habe er einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt , die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV. Einen hinreichenden Tatverdacht, das Handeln des Angeklagten sei geeignet gewesen, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, so dass er die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG erfüllt habe, hat der Generalbundesanwalt nicht bejaht.
14
cc) Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs. 2 AWV ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter abgeschlossen, welche unmittelbar oder mittelbar für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung im Iran bestimmt sind; mithin habe er einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- oder Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV. Ein Verstoß gegen den Qualifikationstatbestand nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG wird dem Angeklagten auch insoweit nicht zur Last gelegt.
15
2. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Das Ermittlungsergebnis belege im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras) nicht, dass der Iran im Zeitraum von April bis November 2007 Maßnahmen ergriffen habe, um die technologischen Voraussetzungen für die Herstellung von Atomwaffen zu schaffen. Aus einem vom Director of National Intelligence herausgegebenen National Intelligence Estimate vom November 2007 ergebe sich, dass es nach Einschätzung der US-amerikanischen Geheimdienste eher unwahrscheinlich sei, dass der Iran im genannten Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt habe. Auf die dem entgegen stehenden "überaus vagen" Ausführungen in ei- nem Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes (im Folgenden: BND) vom Mai 2008 könne eine Verurteilung des Angeklagten keinesfalls gestützt werden. Die für eine Verurteilung des Angeklagten notwendige Überzeugung vom Bestehen eines iranischen Atomwaffenprogramms lasse sich auch nicht aus der diesbezüglichen Besorgnis der internationalen Staatengemeinschaft gewinnen. Selbst wenn der Iran im Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt habe, sei nicht ausreichend belegt, dass der Angeklagte dies gefördert habe; denn der konkrete Verwendungszweck der Kameras sei unklar. Nach dem Ermittlungsergebnis werde sich auch nicht nachweisen lassen, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe. Eine versuchte Tat komme nicht in Betracht, weil es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme gebe, der Angeklagte habe sich vorgestellt, mit der Vermittlung der Hochgeschwindigkeitskameras die Entwicklung von Atomwaffen durch den Iran zu fördern.
17
Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) sei der Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Iranembargo-VO bis zum 21. August 2007 nicht strafbar gewesen. Nach diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte keine Tätigkeiten mehr entfaltet, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages über die Zählrohre gerichtet gewesen seien. Es lasse sich auch nicht feststellen , dass der Angeklagte bei der Organisation des Transfers der Zählrohre vermittelnd tätig geworden sei oder den Transfer der Zählrohre beinhaltende Transaktionen ausgehandelt oder organisiert habe. Der Senat müsse deshalb der Frage nicht weiter nachgehen, ob die in § 69 o Abs. 9 AWV enthaltene Erstreckung deutscher Strafvorschriften auf Auslandstaten wegen eines Verstoßes gegen Art. 25 GG verfassungswidrig sei. Die Tätigkeiten des Angeklagten seien auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 des Rates vom 22. Juni 2000 (im Folgenden: Dual-Use-Verordnung) strafbar. Es lasse sich nicht beurteilen, ob die Zählrohre unter den Anhang I dieser Verordnung fielen. Unabhängig hiervon habe der Angeklagte mit den Verantwortlichen der St. GmbH nicht verabredet, die Zählrohre ohne Genehmigung auszuführen; die Beteiligten hätten sich vielmehr intensiv um die Erteilung einer solchen Genehmigung bemüht. Schließlich seien die besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG nicht feststellbar; deren Vorliegen lasse sich in der Regel nur aufgrund einer vom Generalbundesanwalt nicht eingeholten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes beurteilen.
18
Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) reiche die vorliegende Auskunft des BAFA nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Ferngläser von Teil I Abschnitt A Position 0005 der Ausfuhrliste erfasst seien; auf diese Auskunft könne eine Verurteilung deshalb keinesfalls gestützt werden. Die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV scheide aus, da diese erst ab dem 22. August 2007 in Betracht komme und der Angeklagte nach diesem Zeitpunkt kein Handels- oder Vermittlungsgeschäft abgeschlossen habe. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG könnten auch bei dieser Tat nicht festgestellt werden.
19
3. Nach Einlegung des Rechtsmittels durch den Generalbundesanwalt mit Schriftsatz vom 13. August 2008 hat der BND unter dem 29. August 2008 ein weiteres Behördenzeugnis erstattet. Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2008 angeordnet, dass eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes dazu eingeholt werden soll, ob die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten konkrete nachteilige Auswirkungen auf die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland hatten, haben konnten, derzeit haben, oder ob solche Auswirkungen in der Zukunft zu erwarten sind. Eine entsprechende, die konkreten Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigende Äußerung war zuvor nicht eingeholt worden. Die ersuchte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ist unter dem 11. Februar 2009 erstellt worden und am 17. Februar 2009 beim Bundesgerichtshof eingegangen.

II.

20
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im noch angegriffenen Umfang, zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens bezüglich der Tat I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) und hinsichtlich der weiteren angeklagten Taten zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main.
21
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten hinsichtlich der Tat I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) vorgeworfen worden ist, sich wegen eines gewerbsmäßig begangenen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV) strafbar gemacht zu haben. Die insoweit zu erwartende Rechtsfolge - möglicherweise nur ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 1 AWG i. V. m. § 70 Abs. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1 AWV - fällt neben der Strafe, die der Angeklagte im Falle der Verurteilung wegen der anderen angeklagten Taten - diese sind jeweils mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bedroht - zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht.
22
2. Bezüglich der verbleibenden angeklagten Taten liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens vor. Das Oberlandesgericht hat - jeweils teilweise - zum einen überspannte Anforderungen an den für die Zulassung der Anklage erforderlichen Tatverdacht gestellt und die zu dessen Klärung erforderliche weitere Aufklärung (§ 202 StPO) unterlassen sowie zum anderen das Ergebnis der Ermittlungen unzutreffend gewürdigt. Im Einzelnen:
23
a) Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens , wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist - wie das Oberlandesgericht zu Beginn seiner Ausführungen zutreffend dargelegt hat - zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 m. w. N.). Das Oberlandesgericht hat bei der weiteren Begründung seiner Entscheidung sodann jedoch mehrfach darauf abgestellt, aus den vorliegenden Beweismitteln lasse sich die für eine Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugung nicht gewinnen. Dies deutet darauf hin, dass es in der Sache einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt hat. Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt , als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126 a StPO der Fall ist (vgl. BGHR aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich.
24
b) Die Überprüfung eines Beschlusses des erstinstanzlich tätig werdenden Oberlandesgerichts, mit dem dieses die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt, durch den Bundesgerichtshof ist indes nicht nur darauf beschränkt, ob das Oberlandesgericht seiner Bewertung des hinreichenden Tatverdachts den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat und sich seine Beurteilung auf dieser Grundlage als rechtlich vertretbar erweist. Eine derart eingeschränkte Kontrolle entspräche zwar der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHSt 35, 39). An dieser hält der Senat jedoch nicht länger fest. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung vielmehr in vollem Umfang nachzuprü- fen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
25
Nach der Einfügung des § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG ist mittlerweile nicht mehr gewährleistet, dass die Besetzung des Strafsenats des Oberlandesgerichts bei der Entscheidung über die Zulassung der Anklage mit derjenigen in der Hauptverhandlung identisch ist. Gerade auf die Identität der Besetzung bei der Eröffnungsentscheidung und in der Hauptverhandlung, wie sie nach damaliger Gerichtsverfassung vorgesehen war, ist in der Entscheidung BGHSt 35, 39, 40 ff. jedoch maßgebend abgehoben worden (so bereits BGHR aaO).
26
Soweit zur Begründung der früheren Auffassung weiter darauf abgestellt worden ist, dass die Beweiswürdigung in einem Urteil des Oberlandesgerichts lediglich mit der Revision - und damit nur in begrenztem Umfang - überprüft werden könne, rechtfertigt dies eine vergleichbar eingeschränkte Nachprüfung einer Nichteröffnungsentscheidung ebenfalls nicht. Zum einen besteht kein Anlass , Beschlüsse eines Oberlandesgerichts, mit denen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, anders zu behandeln als entsprechende Entscheidungen eines Landgerichts; dessen Urteil kann ebenfalls allein mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Zum anderen sind die unterschiedlichen Funktionen von Beschwerde- und Revisionsverfahren zu beachten. Die Beschwerde stellt sowohl die Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung als auch die Rechtsanwendung zur Nachprüfung des Beschwerdegerichts (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. Vor § 304 Rdn. 3). Demgegenüber ist die Revision auf die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. Vor § 333 Rdn. 1). Mit diesem unterschiedlichen Charakter von Beschwerde und Revision verbunden sind jeweils verschiedene Erkenntnismöglichkeiten von Beschwerde- und Revisionsgericht. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beruht auf einer vorläufigen Bewertung des aktenkundigen Ermittlungsergebnisses; diese kann vom Beschwerdegericht in gleicher Weise wie vom Erstgericht vorgenommen werden. Das tatgerichtliche Urteil ergeht auf der Grundlage der aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung des Tatrichters. Die Würdigung der Beweise ist allein seine Aufgabe; die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zu rekonstruieren (vgl. Schoreit in KK 6. Aufl. § 261 Rdn. 51 ff.). Die tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten des Revisionsgerichts bleiben demnach hinter denjenigen des Tatgerichts deutlich zurück.
27
c) Die nach diesen Vorgaben vorzunehmende Bewertung ergibt, dass der Angeklagte hinreichend verdächtig ist, sich im Fall I. 1. a) aa) (B. - Kameras) nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 17 Abs. 2 KWKG strafbar gemacht zu haben; denn das Ermittlungsergebnis liefert ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd die Entwicklung von Atomwaffen im Iran gefördert hat. Der Senat hat insoweit bereits in seiner in dieser Sache ergangenen Haftfortdauerentscheidung vom 26. Juni 2008 (AK 10/08) einen dringenden Tatverdacht bejaht. Es besteht bei erneuter vorläufiger Beurteilung des Ermittlungsergebnisses kein Anlass, nunmehr einen hinreichenden Tatverdacht zu verneinen.
28
aa) Das Entwickeln von Kriegswaffen setzt im Allgemeinen eine Tätigkeit voraus, die nach dem Vorliegen konkreter militärischer, technischer und wirtschaftlicher Forderungen darauf abzielt, eine Kriegswaffe zu schaffen, die es bisher entweder überhaupt oder zumindest nicht mit ihren spezifischen Eigenschaften gegeben hat (vgl. Pathe/Wagner in Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts , 2. Aufl. § 44 Rdn. 117; Heinrich in MünchKomm-StGB § 19 KWKG Rdn. 7). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschl. vom 26. Juni 2008 - AK 10/08) ist es indes nicht erforderlich, dass die Tätigkeit auf die Schaffung einer bislang mit ihren spezifischen Eigenschaften noch nicht existenten Kriegswaffe abzielt (so aber LG Stuttgart NStZ 1997, 290 zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 KWKG). Eine derart enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals widerspricht auch bei "konventionellen" Kriegswaffen - insbesondere vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Verankerung der Kriegswaffenkontrolle in Art. 26 Abs. 2 GG - dem Regelungsziel des Kriegswaffenkontrollgesetzes (vgl. hierzu Holthausen NJW 1991, 203) und wird dem Umstand nicht gerecht, dass im Bereich der Kriegswaffenproduktion mittlerweile nicht das "Erfinden" völlig neuer Waffen, sondern das Erlangen der technologischen Voraussetzungen für eine Eigenproduktion bereits bekannter Kriegswaffen im Vordergrund steht (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 2000, 378, 379; Holthausen NStZ 1997, 290; ders. wistra 1998, 209; Pietsch NStZ 2001, 234). Dies gilt in besonderem Maße für die Entwicklung von Atomwaffen; gerade in diesem Bereich würde der Tatbestand seine intendierte Bedeutung verlieren, wollte man die Beteiligung an einem "Nachentwickeln" derartiger Waffen durch Staaten oder Organisationen, die noch nicht im Besitz atomarer Sprengköpfe sind, aus dem Bereich der Strafbarkeit herausnehmen (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 7). Unter den Begriff des "Entwickelns" von Atomwaffen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KWKG fallen deshalb sämtliche Maßnahmen zur Schaffung der technologischen Voraussetzungen für eine eigene atomare Kampfstoffproduktion einschließlich der Planung und Errichtung von Produktionsanlagen (vgl. OLG Düsseldorf aaO).
29
Nach diesen Maßstäben machen es die vorliegenden Beweismittel bei vorläufiger Bewertung wahrscheinlich, dass zur Tatzeit im Iran Atomwaffen entwickelt wurden. Hierfür sprechen insbesondere bereits die Erkenntnisse, die der BND in der Stellungnahme vom Mai 2008 aufgezeigt hat. Bei dieser Äußerung handelt es sich um ein Behördenzeugnis und nicht um ein Behördengutachten , denn Aufgabe des BND ist es in diesem Zusammenhang, den Beweisstoff durch die Bekundung von ihm festgestellter Tatsachen darzulegen, und nicht auf der Basis bereits vorhandenen Tatsachenmaterials oder angestellter Untersuchungen als Sachverständiger Bewertungen abzugeben (vgl. MeyerGoßner aaO § 256 Rdn. 5 f.). Der BND hat nachvollziehbar dargelegt, nach seiner Einschätzung seien im Iran Entwicklungsarbeiten an Kernwaffen auch nach 2003 zu erkennen. Dies wird u. a. mit Erkenntnissen über Beschaffungsaktivitäten des Iran unter Beteiligung einschlägig bekannter Institutionen bezüglich solcher Güter begründet, die der Entwicklung von Kernwaffen dienen können. Der Wertung des Oberlandesgerichts, diese Aussagen seien "überaus vage" , ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Dies gilt erst recht, nachdem der BND seine Erkenntnis in einem weiteren - allerdings erst nach der angefochtenen Entscheidung erstellten - Zeugnis vom 28. August 2008 spezifiziert und durch die Darlegung weiterer Indizien ergänzt hat. So hat er etwa auf die Entwicklung eines neuen Trägerraketensystems und die Gemeinsamkeiten der Beschaffungsbemühungen des Iran und denjenigen von Ländern mit bereits bekannten Atomwaffenprogrammen - wie z. B. Pakistan und Nordkorea - hingewiesen.
30
Die Bedeutung dieser jedenfalls bei einer Gesamtschau gewichtigen Indizien wird durch die sonstigen Beweismittel nicht derart relativiert, dass der hinreichende Tatverdacht entfällt. Insbesondere der vom Oberlandesgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogene US-amerikanische National Intelligence Estimate vom November 2007 macht aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Beschwerdebegründung vom 13. August 2008 zutreffend ausgeführten Gründen (S. 3 ff.) die Verurteilung des Angeklagten nicht unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für die aktenkundigen Äußerungen der Internationalen Atomenergiebehörde.
31
Der Senat weist allerdings erneut ausdrücklich darauf hin, dass für den hier zu beurteilenden hinreichenden Tatverdacht die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung maßgebend ist. Ob sich eine die Verurteilung des Angeklagten tragende Überzeugung dahin gewinnen lässt, dass der Iran im Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt hat, kann demgegenüber erst aufgrund einer Bewertung der in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme entschieden werden. In deren Rahmen wird es unumgänglich sein, über die Einführung der Behördenzeugnisse des BND hinaus auch den in diesem Zusammenhang vom Generalbundesanwalt angebotenen Zeugenbeweis zu erheben. Daneben wird es in besonderem Maße erforderlich sein, die sonstigen erreichbaren Beweismittel zur Aufklärung dieser Frage zu nutzen; denn es darf nicht verkannt werden , dass es sich bei den Behördenzeugnissen des BND nur um sekundäre Beweismittel handelt, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse und Bewertungen nicht bzw. nicht vollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Beweiswürdigung unter Heranziehung der weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten bedürfen.
32
bb) Bei dem Tatbestand des Förderns i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 2 KWKG handelt es sich um eine zur Täterschaft erhobene selbstständige Form der Beihilfe. Er umfasst diejenigen Hilfeleistungen, die unter § 27 Abs. 1 StGB subsumiert werden können, und damit jede Handlung, welche die Rechtsgutsverletzung des Haupttäters ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert (vgl. Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, KWKG § 19 Rdn. 5 m. w. N.; Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 121 ff.; Holthausen NJW 1991, 203, 204).
33
Das Ergebnis der Ermittlungen macht es wahrscheinlich, dass der Angeklagte durch das Vermitteln des Verkaufs und der Lieferung der Hochgeschwindigkeitskameras in den Iran die dortige Entwicklung von Atomwaffen in diesem Sinne gefördert hat. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts besteht insbesondere eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kameras eine militärische Verwendung finden sollten. Hierfür sprechen vor allem deren spezifische, gerade für die Entwicklung von Kernwaffen erforderliche Eigenschaften , die konkreten, in hohem Maße aufwändigen und konspirativen Umstände der Abwicklung des Geschäfts sowie die sonstigen ermittelten Beschaffungsaktivitäten des "Einkäufers" K. .
34
cc) Das Ermittlungsergebnis belegt schließlich in einem für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreichendem Maße den Vorsatz des Angeklagten. Diesem waren nach seiner eigenen Einlassung die Verwendungsmöglichkeiten der Kameras im militärischen Bereich bekannt. Er handelte bewusst unter Verstoß gegen das Iran-Embargo und trug wesentlich dazu bei, dass die Kameras in einem aufwändigen Verfahren auf konspirative Weise in den Iran gelangten. Außerdem hielt er sich regelmäßig im Iran auf. Diese und die weiteren, vom Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift (S. 37 ff.) aufgeführten Gesichtspunkte machen es wahrscheinlich, dass er die Entwicklung von Atomwaffen im Iran und den Umstand, diese durch die Vermittlung der Lieferung der Kameras zu fördern, jeweils zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.
35
dd) Ein hinreichender Tatverdacht dahin, dass der Angeklagte den in der Anklageschrift nicht aufgeführten Qualifikationstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG verwirklicht hat, besteht auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vom Senat im Zwischenverfahren veranlassten Beweiserhebung nicht.
36
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG setzt voraus, dass durch die Handlung des Täters die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet werden. Der Tatbestand ist - im Gegensatz etwa zu § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG, bei denen es sich um abstraktkonkrete Gefährdungsdelikte handelt (s. u. II. 2. d) cc)) - vom Gesetzgeber, nachdem ursprünglich sogar ein Verletzungsdelikt vorgesehen war (BTDrucks. 11/4609 S. 4, 9), als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden (vgl. BTDrucks. 11/7221 S. 11). Daher genügt eine lediglich potentielle Rechtsgutsgefährdung nicht. Notwendig ist vielmehr, dass für das betroffene Schutzgut eine konkret riskante Situation entsteht, bei der das Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall abhängt (vgl. Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 128; Steindorf aaO KWKG § 19 Rdn. 13; Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 19). Diese Feststellung bereitet bereits bei der Gefährdung von Individualrechtsgütern im Einzelfall regelmäßig Schwierigkeiten. Bei dem hier in Rede stehenden, ein Rechtsgut der Allgemeinheit schützenden und sprachlich weit gefassten Tatbestandsmerkmal ist sie in der Regel erst recht schwer und kaum mit ausreichender Sicherheit zu treffen (für § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ebenso Steindorf aaO KWKG § 19 Rdn. 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht aus einer tatsächlich eingetretenen Störung auf eine konkrete Gefährdung geschlossen werden kann (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 19).
37
Im Übrigen hat der Senat für das Tatbestandsmerkmal "Eignung zur Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland" (vgl. etwa § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG), das sich von dem hier relevanten allerdings durch den erforderlichen Grad der Intensität des Angriffs auf das geschützte Rechtsgut unterscheidet, bereits darauf hingewiesen, dass dieses sprachlich sehr weit gefasst und seine Verwendung deshalb mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in hohem Maße problematisch ist. Sowohl der verfassungsrechtliche Kontext als auch Überlegungen auf der Ebene des einfachen Gesetzes machen deshalb eine einschränkende Auslegung notwendig (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Diese Grundsätze gelten im Rahmen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG entsprechend. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm muss die Gefährdung auch hier "erheblich" sein. Die Annahme des Tatbestandsmerkmals führt zu einer deutlichen Verschärfung der angedrohten Sanktion. Während der Grundtatbestand des § 19 Abs. 1 KWKG Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsieht, reicht der Strafrahmen des § 19 Abs. 2 KWKG von zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Das Rechtsgut der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland steht schließlich in einer Reihe mit den besonders gewichtigen Schutzgütern der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und dem friedlichen Zusammenleben der Völker (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b KWKG).
38
Hieraus folgt, dass eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nur dann vorliegt, wenn anhand konkreter tatsächlicher Umstände festzustellen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden kann, die es ihr unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu wahren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn aufgrund der Tat Akte starker diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien nahe liegend zu erwarten sind. Demgegenüber reicht nicht jede mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B. eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen m. w. N.).
39
In diesem Sinne kann eine Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel dann in Betracht kommen, wenn Atomwaffen oder zu deren Entwicklung bzw. Herstellung geeignete Güter unter Verletzung von völkerrechtlichen Verträgen oder Embargo-Vereinbarungen vom Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aus in andere Staaten, insbesondere einen militärischen Gegner eines Bündnispartners der Bundesrepublik Deutschland gelangen. Gleiches kann etwa gelten, wenn Waffen ausgeführt werden, hinsichtlich derer sich die Bundesrepublik Deutschland im Wege der internationalen Zusammenarbeit der Durchführung einer gemeinsamen Exportkontrolle unterworfen hat, da ein illegaler Export der Bundesrepublik Deutschland in diesen Fällen als Vollzugsdefizit angelastet werden könnte (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 23).
40
Nach diesen Maßstäben machen es auch die vom Auswärtigen Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009 mitgeteilten tatsächlichen Umstände nicht wahrscheinlich, dass in der Hauptverhandlung die dargelegten Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen werden könnten. Das Auswärtige Amt hat keine durch die vorliegende Tat ausgelöste Reaktion eines fremden Staates oder eines inter- bzw. supranationalen Gremiums mitgeteilt. Die von ihm dargelegten Tatsachen reichen auch im Übrigen nicht aus, um von einer durch die Handlung des Angeklagten verursachten Situation auszugehen, bei der das Umschlagen in eine Verletzung in dem beschriebenen Sinn unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall abhängt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aufgezeigten besonderen Aktivitäten der Bundesrepublik Deutschland zur Befriedung der im Nahen und Mittleren Osten bestehenden Konflikte und der besonderen Rolle, die das Empfängerland Iran in der Staatengemeinschaft einnimmt. Soweit das Auswärtige Amt zwei nicht den vorliegenden Fall betreffende kritische Zeitungsartikel - einen amerikanischen aus dem Jahre 2008 und einen israelischen aus dem Jahre 2007 - anführt, kommt diesen vereinzelten Pressemeldungen hier keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Bieneck in Wolffgang/Simonsen, AWG § 34 Rdn. 63). Von besonderem Belang ist demgegenüber, dass die Kameras aus Russland in den Iran gelangten , ohne dass die deutschen Exportkontrollbehörden mit diesem Vorgang in irgendeiner Weise befasst waren. Der Angeklagte beging wesentliche Tatbeiträge wie das Aushandeln der Einzelheiten des Vertrages oder das Beschaffen einer geeigneten Endverbleibsbescheinigung in Russland bzw. im Iran und damit im Ausland. Allein der Umstand, dass er sich als deutscher Staatsbürger an dem Verbringen der Kameras in den Iran beteiligte und einen Teil seiner Aktivitäten von deutschem Staatsgebiet aus entfaltete, reicht vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände deshalb nicht aus, um einen hinreichenden Tatverdacht bezüglich des Qualifikationstatbestandes anzunehmen.
41
d) Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) besteht ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9 Satz 1, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV.
42
aa) Nach § 69 o Abs. 9 AWV bedürfen Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im Sinne von Anhang II der Iranembargo-VO nach Iran oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran, die innerhalb oder außerhalb des Wirtschaftsgebiets von Gebietsansässigen erbracht werden, der Genehmigung. Dieser Genehmigungsvorbehalt entspricht demjenigen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Iranembargo-VO. Gemäß § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV wird nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 AWG u. a. bestraft, wer ohne Genehmigung nach § 69 o Abs. 9 Satz 1 Maklerdienstleistungen erbringt. Die § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV wurden am 21. August 2007 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Hieraus folgt, dass ein hinreichender Verdacht für eine Strafbarkeit nach diesen strafbegründenden Vorschriften nur dann bejaht werden kann, wenn der Angeklagte durch nach diesem Zeitpunkt begangene Handlungen wahrscheinlich gegen den Genehmigungsvorbehalt verstoßen hat. Hierzu gilt:
43
Das Ermittlungsergebnis macht es wahrscheinlich, dass die Zählrohre für nukleare Zwecke konstruiert waren und somit den in Anhang II Nr. IIA0.006 der Iranembargo-VO aufgeführten nuklearen Nachweissystemen unterfielen.
44
Es bestehen ebenfalls ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach dem 21. August 2007 ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Sinne der genannten Vorschriften erbrachte. Nach Art. 1 Buchst. f der Iranembargo-VO sind als Maklerdienstleistungen Tätigkeiten von Personen, Einrichtungen und Partnerschaften anzusehen, die als Vermittler beim Kauf, beim Verkauf oder bei der Organisation des Transfers von Gütern und Technologien tätig sind oder die Transaktionen aushandeln oder organisieren, die den Transfer von Gütern und Technologien beinhalten.
45
Die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien waren zwar bereits vor dem 21. August 2007 getroffen. Es besteht jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte, der am 20. August 2007 in den Iran gereist war, noch in der Zeit danach als Vermittler bei der Organisation des Transfers der Güter tätig war, indem er mit der St. GmbH einerseits und den iranischen Auftraggebern andererseits dessen Modalitäten besprach und insbesondere über eine ausreichende Endverbleibserklärung verhandelte. Dem Oberlandesgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Inhalt der als Beweismittel vorgelegten E-Mails sowie der Telefonate, die der Angeklagte aus dem Iran führte, isoliert betrachtet eher geringe Rückschlüsse auf eine Maklertätigkeit des Angeklagten während seines Aufenthalts im Iran zulässt. Die vom Angeklagten von dort aus entfalteten Bemühungen sind jedoch bei verständiger Würdigung des Gesamtgeschehens als Fortsetzung der bereits zuvor begonnenen, langwierigen und intensiven Tätigkeiten zu sehen, die der Vorlage einer den Anforderungen des BAFA genügenden Endverbleibserklärung dienten. Die Problematik, dem BAFA eine plausible Endverwendung der Detektoren vorzutäuschen, war für die beabsichtigte Ausfuhr der Güter von zentraler Bedeutung und damit wesentlicher Bestandteil der vom Angeklagten als Vermittler für die Ausfuhr der Ware in den Iran noch zu leistenden Tätigkeiten. Vor diesem Hintergrund belegen die in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel bei einer Gesamtschau noch ausreichend die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch nach dem 21. August 2007 Maklerdienstleistungen erbrachte. Ob sich insoweit eine die Verurteilung tragende Überzeugung gewinnen lässt, bleibt der Bewertung des Ergebnisses der in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme vorbehalten.
46
bb) Der wahrscheinlichen Strafbarkeit des Angeklagten steht nicht entgegen , dass er seine Tätigkeiten nach dem 21. August 2007 nicht in der Bundesrepublik Deutschland sondern im Iran erbrachte. Zum einen erstreckt § 69 o Abs. 9 AWV den durch § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV strafbewehrten Genehmigungsvorbehalt ausdrücklich auf Maklerdienstleistungen, die außerhalb des Wirtschaftsgebiets, mithin des Geltungsbereichs des Außenwirtschaftsgesetzes4 Abs. 1 Nr. 1 AWG), von Gebietsansässigen erbracht werden. Als natürliche Person mit Wohnsitz in Frankfurt am Main ist der Angeklagte Gebietsansässiger (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 AWG). Zum anderen bestimmt § 35 AWG, dass § 34 AWG, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch im Ausland gilt, wenn der Täter - wie der Angeklagte - Deutscher ist.
47
Diese Erstreckung des Geltungsbereichs des materiellen deutschen Strafrechts auf Auslandstaten verstößt nicht gegen Art. 25 GG (aA Pottmeyer NStZ 1992, 57). Nach dieser Grundgesetznorm sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gegenüber Vorschriften der einfachen Gesetze vorrangig. Als allgemeine Regeln in diesem Sinne sind u. a. das Prinzip der territorialen Souveränität und das völkerrechtliche Interventionsverbot zu qualifizieren. Aus diesen ergibt sich, dass es jedem Staat grundsätz- lich untersagt ist, sich in Angelegenheiten einzumischen, die der inneren Jurisdiktion eines anderen Staates unterliegen. Von dieser Regel ist indes dann eine Ausnahme zu machen, wenn für die Erstreckung der Strafbarkeit auf Auslandssachverhalte ein legitimierender Anknüpfungspunkt vorliegt (vgl. BGHSt 27, 30, 32 ff.; 34, 334, 336). Eine derartige Legitimation für die Strafbarkeitserstreckung auf Taten im Ausland ist dann gegeben, wenn sie von einem der Prinzipien des internationalen Strafrechts gedeckt ist. Nach der Staatenpraxis ist es grundsätzlich zulässig, den sachlichen Anwendungsbereich einer Rechtsnorm über den durch das eigene Hoheitsgebiet markierten räumlichen Geltungsbereich hinaus auf Auslandssachverhalte zu erstrecken, sofern zwischen dem normierenden Staat und dem von ihm normierten Auslandssachverhalt eine "echte Verknüpfung" gegeben ist. Diese Voraussetzung wird allgemein angenommen, wenn der den Auslandssachverhalt regelnde Normtatbestand zugleich einen mit diesem substantiell hinreichend verknüpften Inlandssachverhalt betrifft (vgl. Holthausen NJW 1992, 214). Eine derartige ausreichende Verknüpfung der Auslandserstreckung mit einem Inlandssachverhalt ist im Außenwirtschaftsrecht aufgrund der in Rede stehenden Schutzgüter der äußeren Sicherheit und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gegeben (vgl. Bieneck aaO § 35 Rdn. 10). Darüber hinaus greift bei § 35 AWG auch das Personalitätsprinzip ein, wonach jeder Staat über seine Staatsangehörigen die Personalhoheit ausübt. Diese verleiht ihm die Kompetenz, sie zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sie sich in fremdem Hoheitsgebiet aufhalten (vgl. Holthausen NJW 1992, 214, 215). Die bei der Regelung von Auslandssachverhalten entstehende Kollision von Territorialitätsprinzip und Personalitätsprinzip ist - jedenfalls im hier relevanten Bereich des Außenwirtschaftsstrafrechts - in dem Sinne zu lösen, dass die Staatsangehörigkeit des Normadressaten als ausreichende Verknüpfung zu dem normierten Auslandstatbestand anzusehen ist (vgl. Diemer in Erbs/Kohlhaas, Straf- rechtliche Nebengesetze, AWG § 35 Rdn. 2; allg. BGH NJW 1969, 1542; NJW 1951, 769 f.; jeweils zu § 3 StGB aF; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Vorbem §§ 3-7 Rdn. 6; vgl. auch § 5 Nr. 3 Buchst. a, Nr. 5 Buchst. b, Nr. 8, 9, 12, 13 StGB).
48
cc) Mit der Anklageschrift des Generalbundesanwalts ist davon auszugehen , dass ein hinreichender Tatverdacht für eine Erfüllung des Qualifkationstatbestands nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG nicht besteht; denn es ist nach dem Ermittlungsergebnis nicht wahrscheinlich, dass die Handlungen des Angeklagten geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Bei diesem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt ist - anders als etwa bei § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG (s. o. II. 2. c) dd)) - der tatsächliche Eintritt einer Gefährdung nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn die Tathandlung nach den objektiven Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefährdung bewirken kann (vgl. Diemer aaO § 34 Rdn. 14, 35; Bieneck aaO § 34 Rdn. 62 ff.; Friedrich in Hocke /Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, AWG § 34 Rdn. 57; vgl. im Übrigen zu diesem Tatbestandsmerkmal ausführlich BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
49
Dies ist aufgrund einer Gesamtschau der konkreten Einzelfallumstände zu entscheiden. Ein wichtiges Indiz hierbei ist, ob staatlichen deutschen Stellen ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass es zu dem Verstoß gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen kommen konnte; denn in diesen Fällen liegt es deutlich näher, dass die Bundesrepublik Deutschland negativen Reaktionen anderer Staaten oder internationaler Organisationen ausgesetzt ist, als bei Fallgestaltungen, in denen den staatlichen Organen kein Fehlverhalten anzulasten ist. Erst recht gilt dies, wenn diese durch ihr Eingreifen eine verbotene oder ohne die erforderliche Genehmigung geplante Lieferung eines Wirt- schaftsgutes sogar verhindert haben. Daneben werden regelmäßig die sonstigen Umstände wie etwa Art und Menge der Ware, deren Verwendungsmöglichkeit und -zweck, das konkrete Empfängerland etc. ebenso in die Gesamtbetrachtung einzustellen sein wie Umfang und Gewicht der konkreten außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Tat gefährdet werden können.
50
Danach ist hier von wesentlicher Bedeutung, dass es dem Angeklagten nicht gelungen ist, das BAFA und damit die deutsche Exportkontrollbehörde durch die Vorlage einer den Tatsachen nicht entsprechenden Endverbleibsbescheinigung zur Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung zu veranlassen, und die Durchführung des Geschäfts maßgebend aus diesem Grunde gescheitert ist. Deshalb liegt es - auch bei Berücksichtigung der sonstigen tatsächlichen Umstände , wie sie das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009 dargelegt hat - bei einer Gesamtbewertung aller relevanten Gesichtspunkte nicht nahe, dass die erfolglose Vermittlungstätigkeit des Angeklagten im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts ihrer Art nach typischerweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet war, Akte starker diplomatischer Missbilligung oder Medienkampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland in wichtigen Partnerländern oder gar negative Reaktionen in einem inter- oder supranationalen Gremium herbeizuführen.
51
3. Zuständig zur Durchführung des Hauptverfahrens ist die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (§ 74 Abs. 1, § 74 c Abs. 1 Nr. 3 GVG). Die allein nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG in Betracht kommende Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, zu dem der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat, ist nicht gegeben; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.
52
a) Soweit das Verfahren mit der Vermittlung der Lieferung der B. - Kameras in den Iran ein Delikt nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz betrifft, sieht § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Tatgericht nur bei Straftaten nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und § 20 Abs. 1 KWKG vor. Aus den dargelegten Gründen (s. o. II. 2. c) dd)) ist der Angeklagte jedoch eines Verstoßes gegen den im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG nicht hinreichend verdächtig.
53
b) Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich auch nicht aus der angeklagten Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV (L. -Detektoren). Bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz hängt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts - soweit im vorigen Fall von Relevanz - u. a. davon ab, dass die Tat nach den Umständen geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen zu dem materiellrechtlichen Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG, hinsichtlich dessen jedoch Anklage nicht erhoben worden ist und nach der Bewertung durch den Senat auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der im Zwischenverfahren durchgeführten Beweiserhebung kein hinreichender Tatverdacht besteht. Soweit dort bestimmt ist, eine in § 34 Abs. 4 AWG bezeichnete "Handlung" müsse geeignet sein, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, während § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG darauf abstellt, ob diese Eignung der "Tat nach den Umständen" zukommt, kommt dieser unterschiedlichen sprachlichen Formulierung in der Sache hier keine maßgebende Bedeutung zu.
54
Aus den entsprechenden Gründen wäre die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch nicht durch die vom Senat vorläufig eingestellte Tat (V. Ferngläser) begründet gewesen.
55
4. Der zuständigen Strafkammer obliegt die nach § 76 Abs. 2 GVG zu treffende Entscheidung über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung (vgl. OLG Koblenz wistra 1995, 282; Meyer-Goßner aaO § 76 GVG Rdn. 4 m. w. N.).
56
5. Mit der teilweisen Eröffnung des Hauptverfahrens entfallen die vom Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung sowie der Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft. Becker RiBGH Dr. Miebach befindet Pfister sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Sost-Scheible Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
S t B 8 / 1 5
vom
12. August 2015
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 12. August
2015 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.


1
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung namens "Oldschool Society". Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 30. April 2015 (3 BGs 59/15) die Durchsuchung der Person und Wohnung des Beschwerdeführers sowie des von ihm genutzten Kraftfahrzeugs nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Die Durchsuchung ist am 6. Mai 2015 vollzogen worden; die Durchsicht aufgefundener Datenträger dauert noch an. Am 2. Juni 2015, eingegangen beim Bundesgerichtshof am 6. Juni 2015, hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. Er beanstandet im Wesentlichen, dass der an- gefochtene Beschluss ausschließlich auf "Angaben vom Hörensagen" beruhe, die aus unzulässiger Quelle von geringer Glaubwürdigkeit, nämlich dem Verfassungsschutz , stammten; Beweisergebnisse würden zudem nicht ausreichend konkret mitgeteilt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2015 nicht abgeholfen und die Sache am selben Tag dem Senat zur Entscheidung übersandt.

II.


2
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
3
1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren gegeben. Hierzu gilt:
4
a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143). Auch Behördenzeugnisse der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder können dazu beitragen, einen konkreten Verdacht in diesem Sinne zu begründen. Zwar handelt es sich hierbei regelmäßig nur um sekundäre Beweismittel, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse nicht oder nur unvollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Würdigung und der Her- anziehung weiterer zur Verfügung stehender Erkenntnismöglichkeiten bedürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 247 zu einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO). Dies nimmt Behördenzeugnissen jedoch nicht von vornherein jeglichen Beweiswert. Der Umfang ihrer Beweiskraft bedarf vielmehr einer Prüfung im Einzelfall. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob sie lediglich zum Beleg eines Anfangsverdachts (§ 160 Abs. 1 StPO) oder zur Begründung einer höheren Verdachtsstufe herangezogen werden. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen. Insoweit kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder Objektivierung anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel.
5
b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Hinsichtlich der nach § 129a StGB erforderlichen Organisationsstruktur des Personenzusammenschlusses ergibt sich der Anfangsverdacht daraus, dass die Gruppe unter dem Namen "Oldschool Society" ein Facebook-Profil unterhielt (etwa Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015, im Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2015 enthaltener Screenshot), auf dem Beiträge veröffentlicht wurden, die einen auf Dauer angelegten und organisierten Personenverbund beschreiben; so etwa der Beitrag vom 15. September 2014 (",Oldschool Society` erhebt sich… Nicht mit uns, wir stehen zusammen, aktiv für unser Vaterland, für die Ehre unserer Ahnen und die Zukunft unserer Kinder…") und der von der "Abteilung für Presse und Öffentlichkeit der OSS" veröffentlichte Beitrag vom 24. September 2014, in dem die "Ideen und Lösungen" der Gruppe vorgestellt wurden (beide Beiträge auszugsweise zitiert im Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Dass ein höherer Organisationsgrad bestand und die Mitglieder bereit waren, sich dem Gruppenwillen unterzuordnen, legt die - auf dem FacebookPortal veröffentlichte (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015) - Satzung nahe, aus der sich unter anderem eine Führungsebene ("President", "Vice-president") und die Aufgabenverteilung auf verschiedene Funktionsträger ergibt, so etwa auf den "Press chief", den "chief of security" und den "Seargent at arms", der Strafen zur Wahrung der Gruppendisziplin umsetzt (hierzu Behördenzeugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz vom 20. März 2015 mit auszugsweise wörtlicher Wiedergabe der "OSS-Regeln": "…Den Anweisungen der Führungsebene ist Folge zu leisten…Zuwiderhandlung wird mit Ausschluss geahndet"). Gestützt werden diese Erkenntnisse durch den Facebook-Beitrag der Gruppe zum "1. Treffen in B. (L. )" nebst der namentlichen Benennung der Teilnehmer (Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2015 mit dort enthaltenen Screenshots des Facebook-Beitrags).
6
Konkrete Anhaltspunkte, dass die Ziele der Organisation darauf gerichtet waren, terroristische Taten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB zu begehen, ergaben sich aus Folgendem:
7
Innerhalb der Gruppe wurde konkret über die Begehung entsprechender Straftaten, insbesondere von Brandanschlägen diskutiert; dies belegen Äußerungen der OSS-Mitglieder R. und O. vom 4. Februar 2015 (u.a.: "… man könnte ja in win paar Häuser wo Ausländer drin wohnen ne Brand oder Farbe Bombe rein werfen" [Fehler wie im Original], Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 8. April 2015). Auch aus dem im Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015 aus- zugsweise wörtlich wiedergegebenen Telefonat zwischen den Mitbeschuldigten K. L. und D. G. vom 25. Dezember 2014 ergibt sich, dass entsprechende Taten Gesprächsthema innerhalb der Gruppe waren ("…Da werden Pläne geschmiedet, wir machen dies und machen das, wir zünden Asylantenheime an und am Ende verläuft das Gespräch wieder im Nichts und nichts ist passiert…", "…Zum Beispiel halt, dass man überall paar Dreiergrup- pen hat, muss ja nicht überall sein, nur da wo ein paar Leut´ wohnen und dann werden halt gezielt Objekte raus gepickt und heißt so jetzt, des und des Wochenende geht es los und dann wird es einfach gemacht. Und wer dann nichts macht fliegt gnadenlos raus, ganz einfach…"). Die Ernsthaftigkeit dieser Ideen wird gestützt durch die vom Bundesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 8. April 2015 mitgeteilten Äußerungen des Mitbeschuldigten O. vom 9. März 2015, wonach die Gruppe nicht legale Ziele verfolgte ("Wir wollen über Tehmen reden, die man nicht im Internet oder am Handy bespricht. Desweiteren haben wir vor ein bis zwei drei ... Aktionen zu starten" [Fehler wie im Original ]). Diesen Erklärungen entspricht, dass die Gruppenmitglieder H. und O. in einem Telefonat vom 8. Januar 2015 über die Beschaffung von Schusswaffen diskutierten (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Auch das aggressive Auftreten der Organisation , wie es etwa in der auf Facebook am 15. Oktober 2014 eingestellten und im Durchsuchungsbeschluss inhaltlich näher dargestellten Grafik ("Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen. Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut, auf dem Asphalt…") zum Ausdruck kommt, deutet auf eine Gewaltbereitschaft der Gruppe hin.
8
Soweit in den jeweiligen Behördenschreiben und -zeugnissen die oben aufgeführten Beweismittel, insbesondere Beiträge in Internetchats, auf Internetplattformen und Telefongespräche, nur - auszugsweise - wiedergegeben werden, bestehen keine Anhaltspunkte, dass die in den Schreiben enthaltene, überwiegend wörtliche Wiedergabe - die auch Fehler im Original übernommen hatte - unzutreffend sein könnte.
9
Vor diesem Hintergrund wird der konkrete Verdacht, dass die Beschuldigten Ziele im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verfolgt haben , ergänzend dadurch gestützt, dass bei dem Gruppentreffen vom 15. November 2014 über den "bewaffneten Kampf gegen Salafisten" gesprochen worden sein soll (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnisse sind insoweit zwar oberflächlich gehalten, insbesondere bleibt unklar, aus welcher Quelle - ebenso wie auch die Erkenntnisse zu den im Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz wörtlich wiedergegebenen Äußerungen vom 4. Februar und vom 9. März 2015 - sie stammen. Angesichts der vorstehend dargestellten weiteren objektivierten Verdachtsmomente sind sie aber gleichwohl geeignet, den Anfangsverdacht weiter zu verstärken.
10
Der Beschwerdeführer ist auch verdächtig, Mitglied der "Oldschool Society" gewesen zu sein. Hinsichtlich der Verdachtsmomente wird auf die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Ausführungen verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Facebook-Beitrag der Vereinigung ein "M. " als anwesende Person genannt wird und auf dem dort eingestellten Gruppenfoto eine Person zu sehen ist, die starke Ähnlichkeit mit dem Beschuldigten aufweist (vgl. Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2014, dort enthaltener Screenshot des Facebook-Beitrags, sowie Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 17. März 2015, dort abgebildetes Lichtbild des Beschwerdeführers).
11
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.
12
3. Ob eine erhebliche Überschreitung der Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO im Einzelfall einer Beschwerde (mit) zum Erfolg verhelfen kann (vgl. KG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 2 Ws 360/14, NStZ-RR 2015, 18 mwN), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde die Beschwerde nicht gemäß § 306 Abs. 2 StPO innerhalb von drei Tagen nach deren Eingang am 6. Juni 2015, sondern erst mit der Abhilfeentscheidung vom 23. Juni 2015 dem Senat vorgelegt. Indes war diese Verzögerung schon nicht erheblich im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung.
13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Becker Schäfer Spaniol
29
Angesichts dieser Indizien, die eine militärische Verwendung der Flugmotoren im iranischen Drohnenprogramm im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nahe legen, kommt es auf die weiteren nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zur Verwendung der Motoren im iranischen Drohnenprogramm, die der Generalbundesanwalt mit seiner Beschwerdebegründung vorgelegt hat, nicht mehr entscheidend an. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob das Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes vom 15. Juli 2013 und das dem Auswärtigen Amt überlassene undatierte "US non-paper", das eine weitere Seriennummer eines der an die Angeklagten gelieferten Motoren mit einer im Südsudan abgeschossenen Drohne in Verbindung bringt, aufgrund ihres geringen Beweiswertes bei der Prüfung eines Tatverdachts berücksichtigt werden könnten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
S t B 8 / 1 5
vom
12. August 2015
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 12. August
2015 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.


1
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung namens "Oldschool Society". Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 30. April 2015 (3 BGs 59/15) die Durchsuchung der Person und Wohnung des Beschwerdeführers sowie des von ihm genutzten Kraftfahrzeugs nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Die Durchsuchung ist am 6. Mai 2015 vollzogen worden; die Durchsicht aufgefundener Datenträger dauert noch an. Am 2. Juni 2015, eingegangen beim Bundesgerichtshof am 6. Juni 2015, hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. Er beanstandet im Wesentlichen, dass der an- gefochtene Beschluss ausschließlich auf "Angaben vom Hörensagen" beruhe, die aus unzulässiger Quelle von geringer Glaubwürdigkeit, nämlich dem Verfassungsschutz , stammten; Beweisergebnisse würden zudem nicht ausreichend konkret mitgeteilt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2015 nicht abgeholfen und die Sache am selben Tag dem Senat zur Entscheidung übersandt.

II.


2
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
3
1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren gegeben. Hierzu gilt:
4
a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143). Auch Behördenzeugnisse der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder können dazu beitragen, einen konkreten Verdacht in diesem Sinne zu begründen. Zwar handelt es sich hierbei regelmäßig nur um sekundäre Beweismittel, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse nicht oder nur unvollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Würdigung und der Her- anziehung weiterer zur Verfügung stehender Erkenntnismöglichkeiten bedürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 247 zu einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO). Dies nimmt Behördenzeugnissen jedoch nicht von vornherein jeglichen Beweiswert. Der Umfang ihrer Beweiskraft bedarf vielmehr einer Prüfung im Einzelfall. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob sie lediglich zum Beleg eines Anfangsverdachts (§ 160 Abs. 1 StPO) oder zur Begründung einer höheren Verdachtsstufe herangezogen werden. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen. Insoweit kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder Objektivierung anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel.
5
b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Hinsichtlich der nach § 129a StGB erforderlichen Organisationsstruktur des Personenzusammenschlusses ergibt sich der Anfangsverdacht daraus, dass die Gruppe unter dem Namen "Oldschool Society" ein Facebook-Profil unterhielt (etwa Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015, im Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2015 enthaltener Screenshot), auf dem Beiträge veröffentlicht wurden, die einen auf Dauer angelegten und organisierten Personenverbund beschreiben; so etwa der Beitrag vom 15. September 2014 (",Oldschool Society` erhebt sich… Nicht mit uns, wir stehen zusammen, aktiv für unser Vaterland, für die Ehre unserer Ahnen und die Zukunft unserer Kinder…") und der von der "Abteilung für Presse und Öffentlichkeit der OSS" veröffentlichte Beitrag vom 24. September 2014, in dem die "Ideen und Lösungen" der Gruppe vorgestellt wurden (beide Beiträge auszugsweise zitiert im Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Dass ein höherer Organisationsgrad bestand und die Mitglieder bereit waren, sich dem Gruppenwillen unterzuordnen, legt die - auf dem FacebookPortal veröffentlichte (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015) - Satzung nahe, aus der sich unter anderem eine Führungsebene ("President", "Vice-president") und die Aufgabenverteilung auf verschiedene Funktionsträger ergibt, so etwa auf den "Press chief", den "chief of security" und den "Seargent at arms", der Strafen zur Wahrung der Gruppendisziplin umsetzt (hierzu Behördenzeugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz vom 20. März 2015 mit auszugsweise wörtlicher Wiedergabe der "OSS-Regeln": "…Den Anweisungen der Führungsebene ist Folge zu leisten…Zuwiderhandlung wird mit Ausschluss geahndet"). Gestützt werden diese Erkenntnisse durch den Facebook-Beitrag der Gruppe zum "1. Treffen in B. (L. )" nebst der namentlichen Benennung der Teilnehmer (Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2015 mit dort enthaltenen Screenshots des Facebook-Beitrags).
6
Konkrete Anhaltspunkte, dass die Ziele der Organisation darauf gerichtet waren, terroristische Taten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB zu begehen, ergaben sich aus Folgendem:
7
Innerhalb der Gruppe wurde konkret über die Begehung entsprechender Straftaten, insbesondere von Brandanschlägen diskutiert; dies belegen Äußerungen der OSS-Mitglieder R. und O. vom 4. Februar 2015 (u.a.: "… man könnte ja in win paar Häuser wo Ausländer drin wohnen ne Brand oder Farbe Bombe rein werfen" [Fehler wie im Original], Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 8. April 2015). Auch aus dem im Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015 aus- zugsweise wörtlich wiedergegebenen Telefonat zwischen den Mitbeschuldigten K. L. und D. G. vom 25. Dezember 2014 ergibt sich, dass entsprechende Taten Gesprächsthema innerhalb der Gruppe waren ("…Da werden Pläne geschmiedet, wir machen dies und machen das, wir zünden Asylantenheime an und am Ende verläuft das Gespräch wieder im Nichts und nichts ist passiert…", "…Zum Beispiel halt, dass man überall paar Dreiergrup- pen hat, muss ja nicht überall sein, nur da wo ein paar Leut´ wohnen und dann werden halt gezielt Objekte raus gepickt und heißt so jetzt, des und des Wochenende geht es los und dann wird es einfach gemacht. Und wer dann nichts macht fliegt gnadenlos raus, ganz einfach…"). Die Ernsthaftigkeit dieser Ideen wird gestützt durch die vom Bundesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 8. April 2015 mitgeteilten Äußerungen des Mitbeschuldigten O. vom 9. März 2015, wonach die Gruppe nicht legale Ziele verfolgte ("Wir wollen über Tehmen reden, die man nicht im Internet oder am Handy bespricht. Desweiteren haben wir vor ein bis zwei drei ... Aktionen zu starten" [Fehler wie im Original ]). Diesen Erklärungen entspricht, dass die Gruppenmitglieder H. und O. in einem Telefonat vom 8. Januar 2015 über die Beschaffung von Schusswaffen diskutierten (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Auch das aggressive Auftreten der Organisation , wie es etwa in der auf Facebook am 15. Oktober 2014 eingestellten und im Durchsuchungsbeschluss inhaltlich näher dargestellten Grafik ("Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen. Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut, auf dem Asphalt…") zum Ausdruck kommt, deutet auf eine Gewaltbereitschaft der Gruppe hin.
8
Soweit in den jeweiligen Behördenschreiben und -zeugnissen die oben aufgeführten Beweismittel, insbesondere Beiträge in Internetchats, auf Internetplattformen und Telefongespräche, nur - auszugsweise - wiedergegeben werden, bestehen keine Anhaltspunkte, dass die in den Schreiben enthaltene, überwiegend wörtliche Wiedergabe - die auch Fehler im Original übernommen hatte - unzutreffend sein könnte.
9
Vor diesem Hintergrund wird der konkrete Verdacht, dass die Beschuldigten Ziele im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verfolgt haben , ergänzend dadurch gestützt, dass bei dem Gruppentreffen vom 15. November 2014 über den "bewaffneten Kampf gegen Salafisten" gesprochen worden sein soll (Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 10. Februar 2015). Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnisse sind insoweit zwar oberflächlich gehalten, insbesondere bleibt unklar, aus welcher Quelle - ebenso wie auch die Erkenntnisse zu den im Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz wörtlich wiedergegebenen Äußerungen vom 4. Februar und vom 9. März 2015 - sie stammen. Angesichts der vorstehend dargestellten weiteren objektivierten Verdachtsmomente sind sie aber gleichwohl geeignet, den Anfangsverdacht weiter zu verstärken.
10
Der Beschwerdeführer ist auch verdächtig, Mitglied der "Oldschool Society" gewesen zu sein. Hinsichtlich der Verdachtsmomente wird auf die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Ausführungen verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Facebook-Beitrag der Vereinigung ein "M. " als anwesende Person genannt wird und auf dem dort eingestellten Gruppenfoto eine Person zu sehen ist, die starke Ähnlichkeit mit dem Beschuldigten aufweist (vgl. Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 26. Februar 2014, dort enthaltener Screenshot des Facebook-Beitrags, sowie Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 17. März 2015, dort abgebildetes Lichtbild des Beschwerdeführers).
11
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.
12
3. Ob eine erhebliche Überschreitung der Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO im Einzelfall einer Beschwerde (mit) zum Erfolg verhelfen kann (vgl. KG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 2 Ws 360/14, NStZ-RR 2015, 18 mwN), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde die Beschwerde nicht gemäß § 306 Abs. 2 StPO innerhalb von drei Tagen nach deren Eingang am 6. Juni 2015, sondern erst mit der Abhilfeentscheidung vom 23. Juni 2015 dem Senat vorgelegt. Indes war diese Verzögerung schon nicht erheblich im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung.
13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Becker Schäfer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 5 1 / 1 4
vom
20. Januar 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine geheimdienstliche Agententätigkeit wird nicht ohne Weiteres im Sinne des
§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ausgeübt,
wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer
einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen
Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem
Haftbefehl gesucht werden.
BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14 - OLG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Juli 2014 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen verübten seit Beginn der 1980er Jahre extremistische Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Sikhs terroristische Anschläge gegen indische Einrichtungen und deren Repräsentanten mit dem Ziel, durch den Einsatz gewalttätiger Mittel ei- nen unabhängigen Staat namens "Khalistan" ("Land der Reinen") zu bilden. Die Anhänger der militanten "Khalistan-Bewegung" sind in mehreren Gruppierungen organisiert, darunter die "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren Auslandsorganisation "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI) sowie die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF). Die BKI und die ISYF sind von der Europäischen Union als terroristische Organisationen gelistet. Der Angeklagte stand von November 2012 bis März 2013 in Kontakt mit einem inoffiziell in Deutschland operierenden Führungsoffizier des indischen Inlandsgeheimdienstes "Intelligence Bureau" (im Folgenden: IB). Er erklärte sich bereit, für den IB als nachrichtendienstlicher Informant tätig zu werden und berichtete dem Führungsoffizier in mehreren Telefonaten über auch in Deutschland aufenthältige indische Staatsangehörige oder Personen indischer Herkunft und gegebenenfalls über deren Zugehörigkeit zu Organisationen, vorrangig aus dem Bereich der extremistischen Sikhs. Der Führungsoffizier beauftragte den Angeklagten insbesondere, Informationen über eine namentlich benannte Person einzuholen, die von den indischen Sicherheitsbehörden wegen terroristischer und krimineller Delikte mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird. Diese Person soll sich einer Waffenausbildung unterzogen haben und zum Führungskader der BK gehören. Seine Ehefrau soll sich mit zwei gemeinsamen Kindern seit Dezember 2012 in Deutschland aufhalten. In Erfüllung dieses Auftrags beschaffte der Angeklagte Informationen über die genannte Person sowie deren Familienmitglieder und gab die gewonnenen Erkenntnisse in zwei Telefongesprächen an den Führungsoffizier weiter.
3
Das Oberlandesgericht hat die Tätigkeit des Angeklagten ohne Einschränkung als geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gewertet. Der Angeklagte sei funktionell in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht eingegliedert und seine Tätigkeit insge- samt gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen. Auch wenn einige der von dem Führungsoffizier benannten und von dem Angeklagten ausgeforschten Organisationen in der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet seien und ein Teil der Personen, denen der Angeklagte nachgeforscht habe, diesen Vereinigungen zuzurechnen sei, bestehe ein Interesse der Bundesrepublik Deutschland, von derartigen Personen und Organisationen ausgehende Gefahren unter Ausübung eigener Staatsgewalt abzuwehren. Demgegenüber habe der Angeklagte die Informationen unter Umgehung der in Deutschland geltenden Rechtshilferegeln weiter gegeben. Im Rahmen der Strafzumessung hat es zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt , dass die Tätigkeit des Angeklagten auch Organisationen und Personen in Deutschland betroffen habe, an deren Aufklärung der indische Staat auch nach europäischer Rechtslage ein anerkennenswertes Interesse besitze und der Schaden für die Integrität der Bundesrepublik Deutschland vor diesem Hintergrund nicht als hoch zu veranschlagen sei.
4
1. Der Schuldspruch hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Die Tätigkeit des Angeklagten war allerdings nicht im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet und somit nicht tatbestandsmäßig, soweit sie die Mitglieder der von der Europäischen Union als terroristisch gelisteten Organisationen, insbesondere das mit internationalem Haftbefehl gesuchte, namentlich benannte Führungsmitglied der BK betraf; denn im Rahmen der bei der Prüfung des genannten Tatbestandsmerkmals anzustellenden Gesamtbetrachtung erlangt auch der Gesichtspunkt Bedeutung, ob die Ausforschung des Betroffenen gerade vor dem Hintergrund seines eigenen Verhaltens den Interessen der Bundesrepublik Deutschland widerspricht. Aufgrund des demnach geringeren Unrechts- und Schuldgehalts der Tat kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Im Einzelnen:
5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.
6
b) Die bisherige Rechtsprechung bedarf allerdings der einschränkenden Präzisierung dahin, dass eine geheimdienstliche Agententätigkeit nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, wenn sie Mitglieder oder Unterstützer von durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigungen, insbesondere mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglieder, betrifft. Dies folgt aus dem am Wortsinn, an Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift ausgerichteten Verständnis des Tatbestandsmerkmals. Hierzu gilt:
7
aa) Bereits der Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" lässt eine Auslegung nicht zu, die auf einen inhaltlichen Antagonismus der Spionagetätigkeit zu den staatlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland verzichtet. Das Tatbestandsmerkmal "gegen" kennzeichnet - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - nach seinem Wortsinn die Ausrichtung, die Hinwendung oder die Zielrichtung und dient dazu, einen Gegensatz, einen Widerstand oder eine Abneigung zu bezeichnen (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., 2010). Auch wenn die Interpretation der Norm nicht an diesem engen Wortsinn haften bleiben darf, sondern daneben die Historie sowie Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick zu nehmen hat, so markiert im Bereich des materiellen Strafrechts der grundsätzlich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Gegenwart zu bestimmende mögliche Wortsinn des Gesetzes doch die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 18. September 2006 - 2 BvR 2126/05, NJW 2007, 1193; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 1 StR 384/06, NJW 2007, 524, 525). Diese Grenze wäre jedenfalls bei einem Verständnis der Norm überschritten, bei dem letztlich allein maßgebend wäre, dass die Spionagetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde, mithin der räumliche Bezug zu deren Staatsgebiet ausreichen würde.
8
bb) Der Wille des Gesetzgebers spricht ebenfalls nicht für eine ausnahmslose Erfassung aller geheimdienstlichen Aktivitäten gegen Ausländer auf deutschem Boden. Die heutige Fassung der Norm beruht in dem hier relevanten Bereich auf der Neugestaltung der Vorschrift durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1968 (BGBl. I S. 741). Durch dieses wurde die zuvor auf Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland aus bestimmten Sachbereichen ausgerichtete Beschränkung des Tatbestands aufgegeben und durch das Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ersetzt. Der Gesetzgeber wollte damit einen zentralen, bewusst weit gefassten Spionagetatbestand als wirksames Instrument zur Abwehr fremder Agententätigkeiten schaffen , der nicht mehr an den Begriff des Staatsgeheimnisses anknüpft, sondern im Ausgangspunkt darauf abzielt, die gesamte Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste zu erfassen, ohne zunächst auf die Natur der Informationen abzustellen , auf die die Spionagetätigkeit gerichtet ist. Die Vorschrift wurde vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst, um alle nachrichtendienstlichen Bestrebungen zu erfassen, gleichgültig, ob sie unmittelbar oder mittelbar deutsche Interessen gefährden, ob sie auf die Abklärung politischer, wirtschaftlicher oder technischer Verhältnisse abzielen (BGH, Urteil vom 21. April 1983 - 3 StR 80/83, BGHSt 31, 317, 322 f.; Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 3 BGs 191/04 - 3 BJs 29/03-4, NStZ 2006, 160). Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte das Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings eine gewichtige Begrenzung dieses so erweiterten Tatbestands darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2012 - AK 10 und 11/12, juris Rn. 13). Dieser umfasst nicht schrankenlos das allgemeine Interesse der Bundesrepublik Deutschland am Unterbleiben jeglicher Operationen fremder Geheimdienste auf ihrem Ge- biet (LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 99 Rn. 8). Vielmehr sollten nur die geheimdienstlichen Operationen fremder Mächte erfasst sein, die sich gegen die Bundesrepublik Deutschland als Zielland richten und ihre Interessen beeinträchtigen. Nach den Gesetzesmaterialien ist dies in der Regel nicht der Fall, wenn ein fremder Geheimdienst nur gegen Angehörige des eigenen Landes oder gegen dritte Länder tätig werde (BT-Drucks. V/2860, S. 23). Damit sollte nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere nicht jegliches Interesse, das die Bundesrepublik Deutschland auch an Angelegenheiten fremder Staaten hat, als Schutzobjekt des § 99 StGB in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1983 - 3 StR 312/83, BGHSt 32, 104, 107). Auch genügt es nicht allein, dass der fremde Nachrichtendienst ohne Kooperation mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen operiert (Lampe NStZ 2004, 210, 211; MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18); denn dies würde dazu führen, dass letztlich jede Agententätigkeit eines fremden Geheimdienstes, die nicht mit den deutschen Diensten koordiniert wäre, von der Strafvorschrift erfasst wäre. Damit würde dem Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" wider der gesetzgeberischen Intention der wesentliche, Schranken setzende Sinngehalt genommen.
9
Der Senat hat allerdings in der Folgezeit in praktischer Umkehrung dieses vom Gesetzgeber intendierten Regel-Ausnahme-Verhältnisses dahin erkannt , dass der Tatbestand des § 99 Abs. 1 StGB von denkbaren seltenen Ausnahmefällen abgesehen auch dann erfüllt sei, wenn die geheimdienstliche Agententätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richte (BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325, 327 ff.). Danach sollte genügen, dass das allgemeine Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Abwehr der Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste berührt wurde, so- weit diese auf die umfassende Ausforschung aller in den Bereich der Bundesrepublik Deutschland einbezogenen Angelegenheiten ausgerichtet war (BGH aaO, BGHSt 29, 325, 331). Gerade vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass dieser, vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehenen (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 267 ff.) Würdigung - jedenfalls auch - die Bewertung der spezifischen, durch die politische Zweiteilung der Welt in Europa geprägten Verhältnisse und die damit einhergehende Erkenntnis zugrunde lag, dass die Ausspähung ausländischer Gruppierungen regelmäßig Teil eines operativen Gesamtkonzepts vor allem der Nachrichtendienste der osteuropäischen Länder war, das darauf gerichtet war, das gesamte Potential des Ziellands Bundesrepublik Deutschland zu erfassen (BGH aaO, 328 f.; Lampe, NStZ 2004, 210, 211; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., Vor § 93 Rn. 3; MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18). Sie kann deshalb nicht ohne Weiteres in vollem Umfang auf die heutigen Verhältnisse übertragen werden. Diese sind im hier interessierenden Bereich unter anderem wesentlich dadurch geprägt, dass in der Bundesrepublik Deutschland ausländische Organisationen tätig sind, die terroristische Ziele verfolgen, welche den Interessen der Bundesrepublik Deutschland eindeutig widerstreiten. Mit der Einführung des § 129b StGB hat der Gesetzgeber zudem eine Wertentscheidung getroffen und deutlich gemacht, dass Tätigkeiten zu Gunsten einer solchen Gruppierung, welche die Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllt, sei es in der Form des Gründens, der Beteiligung als Mitglied, des Unterstützens oder des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer, nach den hier geltenden Wertmaßstäben im materiellen Sinne strafbares Unrecht darstellen. Hiermit ist es nicht vereinbar, wenn die geheimdienstliche Tätigkeit eines Agenten, der eine solche Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland ausspäht, ohne Weiteres regelmäßig als gegen die Interessen der Bundesre- publik Deutschland gerichtet bewertet wird (vgl. KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209, 210).
10
cc) Eine solche Betrachtungsweise stünde auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht im Einklang. Diese gehen dahin, dazu beizutragen, der Bundesrepublik Deutschland den Freiraum zu sichern, den sie benötigt, um sich in den Gegenläufigkeiten der internationalen Politik möglichst ungehindert und wirksam bewegen zu können, ihre eigenen politischen Vorstellungen zum Tragen zu bringen und so die Grundlage zu gewährleisten, auf der sich freiheitliche Demokratie mit ihren Grundrechtsgarantien verwirklichen und weiterentwickeln lässt (BVerfG aaO, BVerfGE 57, 250, 268 f.; Beschluss vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 317 f.). Diese Zwecksetzung ist zwar einerseits weit gefasst, steht aber andererseits doch einer pauschalisierenden Auslegung entgegen, die sich auch im Grenzbereich des Wortlauts der Norm in einem theoretisch-abstrahierenden Verständnis erschöpft, ohne die Besonderheiten des Einzelfalles in wertender Betrachtung in die Beurteilung mit einzubeziehen. Für die hier in Rede stehende Ausforschung von Ausländern oder ihrer Organisationen in Deutschland kann daher nicht davon abgesehen werden, auch die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen in den Blick zu nehmen und diesen auch darauf zu richten, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erweisen. Richtet sich die Ausforschung gegen eine ausländische terroristische Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer, so darf darüber hinaus nicht unberücksichtigt bleiben, dass hiermit gerade ein Zweck verfolgt wird, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbe- sondere europarechtliche Vorgaben (vgl. aus neuerer Zeit etwa den Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28. November 2008, ABl. EU 2008 Nr. L 330 S. 21) obliegt.
11
dd) Danach handelte der Angeklagte zwar gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, soweit seine Ausforschungsbemühungen bloße Sympathisanten der gelisteten Organisationen, Familienangehörige des mit Haftbefehl gesuchten Führungsmitglieds der BK sowie gänzlich unbeteiligte Dritte betrafen. Demgegenüber erfüllte die Tätigkeit des Angeklagten jedoch nicht die Voraussetzungen des § 99 StGB, soweit sie darin bestand, Informationen über die gelisteten Organisationen, deren Mitglieder und Unterstützer sowie insbesondere das mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglied der BK zu beschaffen und weiterzuleiten; insoweit belegen die Feststellungen ein Handeln gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht.
12
ee) Im vorliegenden Fall bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" auch bei Ausforschungen von Mitgliedern oder Unterstützern ausländischer terroristischer Vereinigungen erfüllt sein kann, etwa wenn die deutsche Souveränität in gravierender Weise missachtet wird (Lampe NStZ 2004, 210, 212), operative Methoden praktiziert werden, die mit den Grundwerten der Verfassung kollidieren (MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18), oder eine zumindest abstrakte Gefahr dafür besteht, dass die gewonnenen Erkenntnisse in einer Weise genutzt werden, die den Kern- und Wesensgehalt der nach den Maßgaben des Grundgesetzes schutzwürdigen Belange der Betroffenen beeinträchtigen. Soweit das Oberlandesgericht in den Erwägungen zur rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, der Zweck der Informationsweitergabe sei unklar und nicht ausschließbar allein auf die Abwehr verbrecherischer Bestrebungen gerichtet ge- wesen, bieten die getroffenen Feststellungen hierfür keinen näheren Anhaltspunkt.
13
c) Somit kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben; denn das Oberlandesgericht ist von einem zu hohen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat ausgegangen. Es hat auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung zwar strafmildernd berücksichtigt, dass die Tätigkeit des Angeklagten auch Organisationen und Personen in Deutschland betroffen habe, an deren Aufklärung der indische Staat auch nach europäischer Rechtslage ein anerkennenswertes Interesse besitze, so dass der Schaden für die Integrität der Bundesrepublik Deutschland vor diesem Hintergrund nicht als hoch zu veranschlagen sei. Nach den dargelegten Maßstäben hätte das Tatgericht indes bei der Ermittlung des Unrechts- und Schuldumfangs die Aufklärungsbemühungen des Angeklagten gegen die terroristische Vereinigung bzw. den mit Haftbefehl Gesuchten außer Betracht lassen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht in diesem Fall auf eine geringere Strafe erkannt hätte.
14
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 5 1 / 1 4
vom
20. Januar 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine geheimdienstliche Agententätigkeit wird nicht ohne Weiteres im Sinne des
§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ausgeübt,
wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer
einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen
Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem
Haftbefehl gesucht werden.
BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14 - OLG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Juli 2014 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen verübten seit Beginn der 1980er Jahre extremistische Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Sikhs terroristische Anschläge gegen indische Einrichtungen und deren Repräsentanten mit dem Ziel, durch den Einsatz gewalttätiger Mittel ei- nen unabhängigen Staat namens "Khalistan" ("Land der Reinen") zu bilden. Die Anhänger der militanten "Khalistan-Bewegung" sind in mehreren Gruppierungen organisiert, darunter die "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren Auslandsorganisation "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI) sowie die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF). Die BKI und die ISYF sind von der Europäischen Union als terroristische Organisationen gelistet. Der Angeklagte stand von November 2012 bis März 2013 in Kontakt mit einem inoffiziell in Deutschland operierenden Führungsoffizier des indischen Inlandsgeheimdienstes "Intelligence Bureau" (im Folgenden: IB). Er erklärte sich bereit, für den IB als nachrichtendienstlicher Informant tätig zu werden und berichtete dem Führungsoffizier in mehreren Telefonaten über auch in Deutschland aufenthältige indische Staatsangehörige oder Personen indischer Herkunft und gegebenenfalls über deren Zugehörigkeit zu Organisationen, vorrangig aus dem Bereich der extremistischen Sikhs. Der Führungsoffizier beauftragte den Angeklagten insbesondere, Informationen über eine namentlich benannte Person einzuholen, die von den indischen Sicherheitsbehörden wegen terroristischer und krimineller Delikte mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird. Diese Person soll sich einer Waffenausbildung unterzogen haben und zum Führungskader der BK gehören. Seine Ehefrau soll sich mit zwei gemeinsamen Kindern seit Dezember 2012 in Deutschland aufhalten. In Erfüllung dieses Auftrags beschaffte der Angeklagte Informationen über die genannte Person sowie deren Familienmitglieder und gab die gewonnenen Erkenntnisse in zwei Telefongesprächen an den Führungsoffizier weiter.
3
Das Oberlandesgericht hat die Tätigkeit des Angeklagten ohne Einschränkung als geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gewertet. Der Angeklagte sei funktionell in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht eingegliedert und seine Tätigkeit insge- samt gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen. Auch wenn einige der von dem Führungsoffizier benannten und von dem Angeklagten ausgeforschten Organisationen in der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet seien und ein Teil der Personen, denen der Angeklagte nachgeforscht habe, diesen Vereinigungen zuzurechnen sei, bestehe ein Interesse der Bundesrepublik Deutschland, von derartigen Personen und Organisationen ausgehende Gefahren unter Ausübung eigener Staatsgewalt abzuwehren. Demgegenüber habe der Angeklagte die Informationen unter Umgehung der in Deutschland geltenden Rechtshilferegeln weiter gegeben. Im Rahmen der Strafzumessung hat es zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt , dass die Tätigkeit des Angeklagten auch Organisationen und Personen in Deutschland betroffen habe, an deren Aufklärung der indische Staat auch nach europäischer Rechtslage ein anerkennenswertes Interesse besitze und der Schaden für die Integrität der Bundesrepublik Deutschland vor diesem Hintergrund nicht als hoch zu veranschlagen sei.
4
1. Der Schuldspruch hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Die Tätigkeit des Angeklagten war allerdings nicht im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet und somit nicht tatbestandsmäßig, soweit sie die Mitglieder der von der Europäischen Union als terroristisch gelisteten Organisationen, insbesondere das mit internationalem Haftbefehl gesuchte, namentlich benannte Führungsmitglied der BK betraf; denn im Rahmen der bei der Prüfung des genannten Tatbestandsmerkmals anzustellenden Gesamtbetrachtung erlangt auch der Gesichtspunkt Bedeutung, ob die Ausforschung des Betroffenen gerade vor dem Hintergrund seines eigenen Verhaltens den Interessen der Bundesrepublik Deutschland widerspricht. Aufgrund des demnach geringeren Unrechts- und Schuldgehalts der Tat kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Im Einzelnen:
5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.
6
b) Die bisherige Rechtsprechung bedarf allerdings der einschränkenden Präzisierung dahin, dass eine geheimdienstliche Agententätigkeit nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, wenn sie Mitglieder oder Unterstützer von durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigungen, insbesondere mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglieder, betrifft. Dies folgt aus dem am Wortsinn, an Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift ausgerichteten Verständnis des Tatbestandsmerkmals. Hierzu gilt:
7
aa) Bereits der Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" lässt eine Auslegung nicht zu, die auf einen inhaltlichen Antagonismus der Spionagetätigkeit zu den staatlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland verzichtet. Das Tatbestandsmerkmal "gegen" kennzeichnet - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - nach seinem Wortsinn die Ausrichtung, die Hinwendung oder die Zielrichtung und dient dazu, einen Gegensatz, einen Widerstand oder eine Abneigung zu bezeichnen (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., 2010). Auch wenn die Interpretation der Norm nicht an diesem engen Wortsinn haften bleiben darf, sondern daneben die Historie sowie Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick zu nehmen hat, so markiert im Bereich des materiellen Strafrechts der grundsätzlich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Gegenwart zu bestimmende mögliche Wortsinn des Gesetzes doch die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 18. September 2006 - 2 BvR 2126/05, NJW 2007, 1193; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 1 StR 384/06, NJW 2007, 524, 525). Diese Grenze wäre jedenfalls bei einem Verständnis der Norm überschritten, bei dem letztlich allein maßgebend wäre, dass die Spionagetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde, mithin der räumliche Bezug zu deren Staatsgebiet ausreichen würde.
8
bb) Der Wille des Gesetzgebers spricht ebenfalls nicht für eine ausnahmslose Erfassung aller geheimdienstlichen Aktivitäten gegen Ausländer auf deutschem Boden. Die heutige Fassung der Norm beruht in dem hier relevanten Bereich auf der Neugestaltung der Vorschrift durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1968 (BGBl. I S. 741). Durch dieses wurde die zuvor auf Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland aus bestimmten Sachbereichen ausgerichtete Beschränkung des Tatbestands aufgegeben und durch das Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ersetzt. Der Gesetzgeber wollte damit einen zentralen, bewusst weit gefassten Spionagetatbestand als wirksames Instrument zur Abwehr fremder Agententätigkeiten schaffen , der nicht mehr an den Begriff des Staatsgeheimnisses anknüpft, sondern im Ausgangspunkt darauf abzielt, die gesamte Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste zu erfassen, ohne zunächst auf die Natur der Informationen abzustellen , auf die die Spionagetätigkeit gerichtet ist. Die Vorschrift wurde vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst, um alle nachrichtendienstlichen Bestrebungen zu erfassen, gleichgültig, ob sie unmittelbar oder mittelbar deutsche Interessen gefährden, ob sie auf die Abklärung politischer, wirtschaftlicher oder technischer Verhältnisse abzielen (BGH, Urteil vom 21. April 1983 - 3 StR 80/83, BGHSt 31, 317, 322 f.; Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 3 BGs 191/04 - 3 BJs 29/03-4, NStZ 2006, 160). Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte das Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings eine gewichtige Begrenzung dieses so erweiterten Tatbestands darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2012 - AK 10 und 11/12, juris Rn. 13). Dieser umfasst nicht schrankenlos das allgemeine Interesse der Bundesrepublik Deutschland am Unterbleiben jeglicher Operationen fremder Geheimdienste auf ihrem Ge- biet (LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 99 Rn. 8). Vielmehr sollten nur die geheimdienstlichen Operationen fremder Mächte erfasst sein, die sich gegen die Bundesrepublik Deutschland als Zielland richten und ihre Interessen beeinträchtigen. Nach den Gesetzesmaterialien ist dies in der Regel nicht der Fall, wenn ein fremder Geheimdienst nur gegen Angehörige des eigenen Landes oder gegen dritte Länder tätig werde (BT-Drucks. V/2860, S. 23). Damit sollte nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere nicht jegliches Interesse, das die Bundesrepublik Deutschland auch an Angelegenheiten fremder Staaten hat, als Schutzobjekt des § 99 StGB in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1983 - 3 StR 312/83, BGHSt 32, 104, 107). Auch genügt es nicht allein, dass der fremde Nachrichtendienst ohne Kooperation mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen operiert (Lampe NStZ 2004, 210, 211; MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18); denn dies würde dazu führen, dass letztlich jede Agententätigkeit eines fremden Geheimdienstes, die nicht mit den deutschen Diensten koordiniert wäre, von der Strafvorschrift erfasst wäre. Damit würde dem Merkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" wider der gesetzgeberischen Intention der wesentliche, Schranken setzende Sinngehalt genommen.
9
Der Senat hat allerdings in der Folgezeit in praktischer Umkehrung dieses vom Gesetzgeber intendierten Regel-Ausnahme-Verhältnisses dahin erkannt , dass der Tatbestand des § 99 Abs. 1 StGB von denkbaren seltenen Ausnahmefällen abgesehen auch dann erfüllt sei, wenn die geheimdienstliche Agententätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richte (BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325, 327 ff.). Danach sollte genügen, dass das allgemeine Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Abwehr der Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste berührt wurde, so- weit diese auf die umfassende Ausforschung aller in den Bereich der Bundesrepublik Deutschland einbezogenen Angelegenheiten ausgerichtet war (BGH aaO, BGHSt 29, 325, 331). Gerade vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass dieser, vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehenen (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 267 ff.) Würdigung - jedenfalls auch - die Bewertung der spezifischen, durch die politische Zweiteilung der Welt in Europa geprägten Verhältnisse und die damit einhergehende Erkenntnis zugrunde lag, dass die Ausspähung ausländischer Gruppierungen regelmäßig Teil eines operativen Gesamtkonzepts vor allem der Nachrichtendienste der osteuropäischen Länder war, das darauf gerichtet war, das gesamte Potential des Ziellands Bundesrepublik Deutschland zu erfassen (BGH aaO, 328 f.; Lampe, NStZ 2004, 210, 211; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., Vor § 93 Rn. 3; MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18). Sie kann deshalb nicht ohne Weiteres in vollem Umfang auf die heutigen Verhältnisse übertragen werden. Diese sind im hier interessierenden Bereich unter anderem wesentlich dadurch geprägt, dass in der Bundesrepublik Deutschland ausländische Organisationen tätig sind, die terroristische Ziele verfolgen, welche den Interessen der Bundesrepublik Deutschland eindeutig widerstreiten. Mit der Einführung des § 129b StGB hat der Gesetzgeber zudem eine Wertentscheidung getroffen und deutlich gemacht, dass Tätigkeiten zu Gunsten einer solchen Gruppierung, welche die Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllt, sei es in der Form des Gründens, der Beteiligung als Mitglied, des Unterstützens oder des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer, nach den hier geltenden Wertmaßstäben im materiellen Sinne strafbares Unrecht darstellen. Hiermit ist es nicht vereinbar, wenn die geheimdienstliche Tätigkeit eines Agenten, der eine solche Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland ausspäht, ohne Weiteres regelmäßig als gegen die Interessen der Bundesre- publik Deutschland gerichtet bewertet wird (vgl. KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209, 210).
10
cc) Eine solche Betrachtungsweise stünde auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht im Einklang. Diese gehen dahin, dazu beizutragen, der Bundesrepublik Deutschland den Freiraum zu sichern, den sie benötigt, um sich in den Gegenläufigkeiten der internationalen Politik möglichst ungehindert und wirksam bewegen zu können, ihre eigenen politischen Vorstellungen zum Tragen zu bringen und so die Grundlage zu gewährleisten, auf der sich freiheitliche Demokratie mit ihren Grundrechtsgarantien verwirklichen und weiterentwickeln lässt (BVerfG aaO, BVerfGE 57, 250, 268 f.; Beschluss vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 317 f.). Diese Zwecksetzung ist zwar einerseits weit gefasst, steht aber andererseits doch einer pauschalisierenden Auslegung entgegen, die sich auch im Grenzbereich des Wortlauts der Norm in einem theoretisch-abstrahierenden Verständnis erschöpft, ohne die Besonderheiten des Einzelfalles in wertender Betrachtung in die Beurteilung mit einzubeziehen. Für die hier in Rede stehende Ausforschung von Ausländern oder ihrer Organisationen in Deutschland kann daher nicht davon abgesehen werden, auch die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen in den Blick zu nehmen und diesen auch darauf zu richten, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erweisen. Richtet sich die Ausforschung gegen eine ausländische terroristische Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer, so darf darüber hinaus nicht unberücksichtigt bleiben, dass hiermit gerade ein Zweck verfolgt wird, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbe- sondere europarechtliche Vorgaben (vgl. aus neuerer Zeit etwa den Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28. November 2008, ABl. EU 2008 Nr. L 330 S. 21) obliegt.
11
dd) Danach handelte der Angeklagte zwar gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, soweit seine Ausforschungsbemühungen bloße Sympathisanten der gelisteten Organisationen, Familienangehörige des mit Haftbefehl gesuchten Führungsmitglieds der BK sowie gänzlich unbeteiligte Dritte betrafen. Demgegenüber erfüllte die Tätigkeit des Angeklagten jedoch nicht die Voraussetzungen des § 99 StGB, soweit sie darin bestand, Informationen über die gelisteten Organisationen, deren Mitglieder und Unterstützer sowie insbesondere das mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglied der BK zu beschaffen und weiterzuleiten; insoweit belegen die Feststellungen ein Handeln gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht.
12
ee) Im vorliegenden Fall bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" auch bei Ausforschungen von Mitgliedern oder Unterstützern ausländischer terroristischer Vereinigungen erfüllt sein kann, etwa wenn die deutsche Souveränität in gravierender Weise missachtet wird (Lampe NStZ 2004, 210, 212), operative Methoden praktiziert werden, die mit den Grundwerten der Verfassung kollidieren (MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 18), oder eine zumindest abstrakte Gefahr dafür besteht, dass die gewonnenen Erkenntnisse in einer Weise genutzt werden, die den Kern- und Wesensgehalt der nach den Maßgaben des Grundgesetzes schutzwürdigen Belange der Betroffenen beeinträchtigen. Soweit das Oberlandesgericht in den Erwägungen zur rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, der Zweck der Informationsweitergabe sei unklar und nicht ausschließbar allein auf die Abwehr verbrecherischer Bestrebungen gerichtet ge- wesen, bieten die getroffenen Feststellungen hierfür keinen näheren Anhaltspunkt.
13
c) Somit kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben; denn das Oberlandesgericht ist von einem zu hohen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat ausgegangen. Es hat auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung zwar strafmildernd berücksichtigt, dass die Tätigkeit des Angeklagten auch Organisationen und Personen in Deutschland betroffen habe, an deren Aufklärung der indische Staat auch nach europäischer Rechtslage ein anerkennenswertes Interesse besitze, so dass der Schaden für die Integrität der Bundesrepublik Deutschland vor diesem Hintergrund nicht als hoch zu veranschlagen sei. Nach den dargelegten Maßstäben hätte das Tatgericht indes bei der Ermittlung des Unrechts- und Schuldumfangs die Aufklärungsbemühungen des Angeklagten gegen die terroristische Vereinigung bzw. den mit Haftbefehl Gesuchten außer Betracht lassen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht in diesem Fall auf eine geringere Strafe erkannt hätte.
14
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.