Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2019 - 3 StR 280/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Februar 2019 einstimmig beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Revisionsvorbringen zu vier im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus G-10-Beschränkungsmaßnahmen erhobenen Verfahrensrügen , das sich offensichtlich an dem Beschluss des Senats vom 3. Mai 2017 (3 StR 498/16, juris) ausrichtet, gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen: Anders als in jenem Verfahren geht es vorliegend nicht darum, dass aus G-10-Beschränkungsmaßnahmen stammende Erkenntnisse unmittelbar als Beweismittel zur Überführung des Angeklagten verwertet worden sind. Die Erkenntnisse aus den G-10-Beschränkungsmaßnahmen mündeten vielmehr in ein Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz, das - neben weiteren polizeilichen Erkenntnissen - vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung des Anfangsverdachts einer Straftat nach § 89a StGB und zum Erlass darauf aufbauender Durchsuchungsbeschlüsse herangezogen worden ist. Im Rahmen des Vollzugs dieser Beschlüsse wurden ein Laptop und ein Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellt, auf denen sich WhatsApp- und Skype-Chats befanden, die das Kammergericht als Beweismittel verwertet hat, um den Beschwerdeführer wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Variante 1 StGB zu verurteilen. Für diese Verfahrenskonstellation gilt Folgendes: 1. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung reicht der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht aus, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. hierzu: BGH, Beschlüsse vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3; vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 2; LR/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 102 Rn. 12, § 105 Rn. 65). Dabei können Behördenzeugnisse zur Begründung eines Anfangsverdachts grundsätzlich herangezogen werden, wobei der konkrete Beweiswert des Zeugnisses von seinem Inhalt und davon abhängig ist, ob es - wie hier - lediglich dem Beleg eines Anfangsverdachts oder der Begründung eines höheren Verdachtsgrades dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2018 - AK 5/18; vom 30. November 2017 - AK 61/17; vom 8. November 2017 - AK 54/17; vom 17. August 2017 - AK 34/17; vom 4. Januar 2013 - StB 10/12; vom 14. Oktober 2011 - AK 17/11; alle Beschlüsse zitiert nach juris).
Es ist danach nicht zu beanstanden, dass der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten sich zur Begründung des Anfangsverdachts (auch) auf das Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz gestützt hat. Dieses ging seinem Inhalt nach über die pauschale Behauptung hinaus, der Beschwerdeführer sei Unterstützer des IS und möglicherweise in Anschlagsplanungen in Berlin involviert; die in dem Behördenzeugnis genannten Anhaltspunkte wurden durch polizeilichen Erkenntnisse gestützt, so dass bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte vorlagen, auf die ein Anfangsverdacht gestützt werden konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. August 2016 - AK 46/16, juris Rn. 17; vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR § 102 Tatverdacht 3). 2. Angesichts dessen war der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten von Rechts wegen nicht gehalten, Informationen über die Rechtmäßigkeit der G-10-Maßnahme einzuholen, etwa die Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz anzufordern und nach gegebenenfalls abgegebener Sperrerklärung des Bundesministeriums des Inneren Gegenvorstellung zu erheben. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Rechtmäßigkeit der G-10-Maßnahme sprachen , lagen nicht vor; ein pauschales Misstrauen gegenüber den in die Beantragung , Anordnung und Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen involvierten Behörden und Gremien, die an Recht und Gesetz gebunden sind, ist nicht angezeigt (so auch: OLG München, Beschluss vom 2. Februar 2018 - 9 St 10/17, BeckRS 2018, 9058 Rn. 17). 3. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Kammergericht verpflichtet gewesen ist, Aufklärungsbemühungen zur Rechtmäßigkeit der G-10Maßnahmen zu entfalten, kann offen bleiben, weil die von ihm ergriffenen Maßnahmen - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift zutreffend ausgeführt hat - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl.
BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - 3 StR 498/16, juris Rn.14 mwN) jedenfalls ausreichend gewesen sind. 4. In der konkreten Verfahrenskonstellation wäre richtiger Bezugspunkt einer etwaigen Rechtmäßigkeitsprüfung allerdings nicht - wie vom Beschwerdeführer und ihm folgend vom Kammergericht angenommen - die G-10Maßnahme , sondern die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten gewesen, weil diese die ermittlungsrichterlichen Entscheidungen darstellten, auf deren Grundlage die verwerteten Beweismittel gewonnen wurden. Für die insoweit vorzunehmende Prüfung gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit ermittlungsrichterlicher Beschlüsse (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 16. Februar 1995 - 4 StR 729/94, BGHSt 41, 30, 31 ff.; Beschlüsse vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 f.; vom 26. Februar 2003 - 5 StR 423/02, BGHSt 48, 240, 248; vom 8. Februar 2018 - 3 StR 400/17, NJW 2018, 2809 Rn. 17) und aus einer etwaigen Rechtswidrigkeit gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen (zur in ständiger Rechtsprechung des BGH vertretenen Abwägungslösung vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. Januar 2011 - 3 StR 332/10, BGHSt 56, 127 Rn. 13 mwN; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 47 ff. mwN; BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, BVerfGE 130, 1, 29 ff.; zur Frage der sog. Fernwirkung vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1 Rn. 21 ff.; zur Begründung eines Anfangsver- dachts durch einem Verwertungsverbot unterliegende Beweismittel vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417 Rn. 42).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er
- 1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen, - 2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder - 3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.
(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.
(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.
Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.