Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2019 - 3 StR 562/18

bei uns veröffentlicht am07.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 562/18
vom
7. August 2019
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zu den Rechtsfolgen einer völkerrechtswidrigen Entführung, insbesondere für
die Rechtswidrigkeit der sich anschließenden Freiheitsentziehung im Entführerstaat.
BGH, Beschluss vom 7. August 2019 - 3 StR 562/18 - KG Berlin
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:070819B3STR562.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 25. Juli 2018 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall zu einer über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
Nach den Feststellungen des Kammergerichts wird dem Opfer der hier verfahrensgegenständlichen Entführung, einem v. Staatsangehörigen (im Folgenden: der Geschädigte), in der Sozialistischen Republik V. (im Folgenden: V. ) vorgeworfen, als Geschäftsführer eines staatlichen Unternehmens einen dreistelligen Millionenbetrag unterschlagen zu haben. Tatsächlich machte seine Firma hohe Verluste, was zu einer Untersuchung führte; diese wurde indes im Jahr 2015 eingestellt, weil ihm nichts vorzuwerfen war. Danach bekleidete er weiter öffentliche und Parteiämter. In der Folgezeit entwickelte sich ein parteiinterner Machtkampf, in dem sich die konservative , an China ausgerichtete Linie durchsetzte. Der Geschädigte gehörte der pro-westlichen Strömung an, die im Weiteren diskreditiert werden sollte. Zu diesem Zweck wurde das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen und ein Hausarrest verhängt. Unter anderem deshalb setzte er sich im Jahr 2016 nach Deutschland ab, wo sich bereits seine Ehefrau befand und wo er politisches Asyl beantragte. Der Antrag wurde - allerdings erst nach der verfahrensgegenständlichen Entführung im Jahr 2017 - positiv beschieden.
3
Im September 2016 wiesen deutsche Behörden den Geschädigten betreffende Aufenthaltsermittlungs- und Auslieferungsersuchen V. mangels ersichtlicher Straftaten zurück; der Aufforderung zu substanzieller Nachbesserung kamen die v. Behörden nicht nach. Stattdessen stellten sie eigene Ermittlungen an, durch die ihnen spätestens im November 2016 bekannt wurde, dass der Geschädigte sich in Deutschland aufhielt und eine enge Beziehung zu einer Freundin - ebenfalls einev. Staatsangehörige - unterhielt. Diese Informationen gaben v. Sicherheitsbehörden an die Bundespolizei weiter, um die Festnahme des Geschädigten und seine an- schließende Auslieferung nach V. zu erreichen. Um die Dringlichkeit der Auslieferungsbemühungen zu unterstreichen, wandte sich der v. Ministerpräsident schriftlich und persönlich an die Bundeskanzlerin, die indes auf die Unabhängigkeit der insoweit allein entscheidungsbefugten deutschen Justiz verwies.
4
Nachdem v. staatliche Stellen erfahren hatten, dass der Geschädigte und seine Freundin sich Mitte Juli 2017 erneut zu einem mehrtägigen Treffen in B. verabredet hatten, wurde innerhalb des v. Geheimdienstes beschlossen, die beiden im Wege einer nachrichtendienstlichen Operation zu entführen und nach V. zu bringen. Dem Geschädigten sollte dort der Prozess gemacht werden.
5
Zur Durchführung der Operation wurde eine Gruppe aus mehreren Personen zusammengestellt, die in B. im Wege eines arbeitsteiligen Vorgehens die beiden späteren Entführungsopfer ausspähen sollte, um einen günstigen Ort und eine günstige Gelegenheit für die Entführung zu ermitteln. Zu dieser Gruppe gehörten Mitarbeiter des v. Geheimdienstes, Botschaftsangehörige , aber auch mehrere in Europa lebende Personen v. Herkunft, unter ihnen der in P. lebende Angeklagte. Geplant und koordiniert wurde die nachrichtendienstliche Operation im Wesentlichen von dem stellvertretenden Leiter der für die innere Sicherheit V. zuständigen Hauptabteilung "Allgemeine Sicherheit", einem Mitarbeiter des v. Geheimdienstes und einer weiteren namentlich noch nicht ermittelten Person.
6
Der Angeklagte erklärte sich bereit, an der geheimdienstlichen Operation in Deutschland teilzunehmen und dazu Tatbeiträge zu leisten. Er war in den Gesamtplan im Wesentlichen eingeweiht; insbesondere war ihm der geheim- dienstliche Hintergrund der Operation bekannt. Ihm war weiter bewusst, dass dem Geschädigten nach seiner gewaltsamen Ergreifung und seiner Verbringung nach V. länger als für eine Woche die Freiheit entzogen werden würde.
7
Ab dem 16. Juli 2017 trafen nach und nach die auswärtigen Tatbeteiligten in B. ein. Der Angeklagte mietete am 18. Juli 2017 in P. einen BMW X5 an und übergab das Fahrzeug unmittelbar danach einem weiteren Tatbeteiligten, der damit nach B. fuhr. In den folgenden Tagen wurde das Fahrzeug zu verschiedenen Observations- und Abschöpfungsmaßnahmen sowie organisatorischen Fahrten im Stadtgebiet von B. verwendet. Nachdem am 19. Juli 2017 die Freundin des Geschädigten am Flughafen in B. eingetroffen war, wurde sie - ebenfalls unter Verwendung des vom Angeklagten beschafften BMW X5 - von einem Teil der Tatbeteiligten ausgespäht. Auch in den folgenden Tagen wurden die späteren Entführungsopfer beim jeweiligen Verlassen des von ihnen gebuchten Hotels observiert und verfolgt. Am 20. Juli 2017 mietete der Angeklagte in P. das spätere Tatfahrzeug, einen siebensitzigen Multivan Volkswagen T5, an und fuhr damit nach B. , wo er spätabends ankam und mit weiteren Tatbeteiligten zusammentraf. Am folgenden Tag unterstützte der Angeklagte diese insbesondere durch Anmietung von Hotelzimmern und brachte den BMW X5 nach P. zurück, wo er sich für weitere Einsätze bereithielt.
8
Am Morgen des 23. Juli 2017 verließen der Geschädigte und seine Freundin ihr Hotel; zum gleichen Zeitpunkt setzten sich die Entführer in dem vom Angeklagten beschafften Multivan in Bewegung und folgten den Entführungsopfern zum Tatort in , wo sie den körperlichen Widerstand leistenden Geschädigten und seine Freundin in den Wagen trugen bzw. zerrten. Anschließend fuhr das Fahrzeug zur v. Botschaft. Von dort wurden die beiden Opfer nach V. gebracht, wo die Freundin schon am 24. Juli 2017 eintraf. Der Geschädigte verblieb zunächst bis zum 25. Juli 2017 in der v. Botschaft in B. und wurde von dort über nach V. gebracht.
9
Unmittelbar nach der Tat begab sich der Angeklagte mit einem weiteren Tatbeteiligten von P. nach B. und erledigte dort logistische Tätigkeiten zur Verschleierung der geheimdienstlichen Operation. Anschließend fuhren sie zur v. Botschaft, von wo aus der Angeklagte den dort abgestellten Multivan nach P. verbrachte und das Fahrzeug am folgenden Tag an den Vermieter zurückgab.
10
Nachdem die umgehend tätig gewordene B. Kriminalpolizei ermittelt hatte, dass die Entführung unter anderem durch v. Tatbeteiligte unter Einschaltung der v. Botschaft durchgeführt worden war, übermittelte bereits am 1. August 2017 ein Vertreter des Auswärtigen Amts gegenüber dem Botschafter V. den ausdrücklichen Protest der Bundesrepublik Deutschland und forderte die unverzügliche Rückreise des Geschädigten. Zudem wurde ein tatbeteiligter Botschaftsmitarbeiter als persona non grata ausgewiesen.
11
Nur zwei Tage später, am 3. August 2017, wurde der Geschädigte im v. Staatsfernsehen präsentiert. Dort schilderte er wahrheitswidrig , er sei freiwillig nach V. zurückgekehrt, um sich den Behörden zu stellen. Zwischenzeitlich wurde er in zwei Verfahren vor dem Volksgerichtshof in Ha. im Januar bzw. Februar 2018 jeweils zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Rechtsmittel dagegen nahm er Anfang Mai 2018 zurück.

B.


12
Die Revision des Angeklagten ist nicht begründet.
13
I. Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen teilweise bereits als unzulässig, jedenfalls aber insgesamt als unbegründet.
14
II. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
15
1. Der Schuldspruch wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit begegnet entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Auffassung keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit gilt:
16
a) Eine geheimdienstliche Agententätigkeit übt aus, wer eine aktive Mitarbeit für einen fremden Nachrichtendienst entfaltet und dadurch seine Bereitschaft verwirklicht, sich funktionell in dessen Ausforschungsbestrebungen einzugliedern , ohne dass damit notwendigerweise eine Eingliederung in den organisatorischen Apparat des Geheimdienstes verbunden sein muss (BGH, Urteil vom 5. Juli 1972 - 3 StR 4/71, BGHSt 24, 369, 372; MüKoStGB/Lampe/Hegmann , 3. Aufl., § 99 Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier angesichts der unterschiedlichen festgestellten Aktivitäten des Angeklagten erfüllt; es handelte sich um "geheimdienstliches" Verhalten, also um ein Handeln, das dem Bild entspricht, welches für die Arbeit von Agenten und anderen Hilfspersonen, die für nachrichtendienstliche Zwecke eingesetzt werden, typisch ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1972 - 3 StR 4/71, BGHSt 24, 369, 372; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 99 Rn. 4 mwN). Dies ergibt sich mit Blick auf die vom Angeklagten teilweise erbrachten, nach außen alltäglich erscheinenden Handlungen aus deren Einbettung in die mit erheblicher Konspiration geheim gehaltene Operation des v. Geheimdienstes.
17
b) Die Ausübung der geheimdienstlichen Tätigkeit muss - worauf die Revision im Ansatz zu Recht hingewiesen hat - auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet sein. Der Tatbestand erfasst aber nicht nur die Informationsübermittlung im engeren Sinne, sondern schließt alle Vorbereitungshandlungen und Hilfsdienste ein. Ohne Bedeutung ist weiterhin, zu welchem Zweck die erlangten Informationen von dem fremden Nachrichtendienst verwendet werden. Insbesondere muss der Endzweck gerade nicht in einer Informationsvermittlung - etwa durch Lagebeurteilungen - liegen, sondern kann auch in der Vorbereitung staatsterroristischer Anschläge, von Sabotageakten oder anderen verbrecherischen Vorhaben zu sehen sein (MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 17 mwN). So verhielt es sich hier: Die geheimdienstliche Operation verfolgte als Endziel zwar die völkerrechtswidrige Entführung von zwei v. Staatsangehörigen; Bedingung ihres Gelingens und damit notwendiges Zwischenziel war indes die engmaschige Ausspähung der Tatopfer. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten Observationsmaßnahmen nahmen die Mittäter des Angeklagten unter anderem unter Verwendung eines von ihm beschafften Fahrzeugs vor.
18
c) Die Tätigkeit des Angeklagten war auch gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Der von der Verteidigung zitierten, vereinzelt und ohne nähere Begründung in der Literatur vertretenen Auffassung, das Tatbestandsmerkmal sei nicht erfüllt bei nur gegen einzelne deutsche Staatsangehörige gerichteten Maßnahmen, wie etwa dem Ausforschen von deren Aufenthaltsort, um sie zur Strafverfolgung ins Ausland zu entführen (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 99 Rn. 21), aus der die Revision den Schluss zieht, diese Grundsätze müssten erst recht gelten, wenn - wie hier - ein ausländischer Staatsangehöriger zum Zweck der Strafverfolgung entführt werde, ist nicht zu folgen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass bietet , gilt insoweit:
19
Das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325, 331; vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 5). Das ist bei einer geheimdienstlichen Tätigkeit eines ausländischen Geheimdienstes auf deutschem Staatsgebiet regelmäßig der Fall (BGH, Beschluss vom 4. April 2019 - StB 54-55/18, NStZ-RR 2019, 177, 179).
20
Werden deutsche Staatsangehörige ausgeforscht, ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen zudem bereits daraus, dass die Bundesrepublik ihren Staatsangehörigen - etwa aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG - gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 4. April 2019 - StB 54-55/18, NStZ-RR 2019, 177, 179; Urteil vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 593).
21
Werden hingegen ausländische Staatsangehörige Opfer der Maßnahmen eines fremden Nachrichtendienstes, kann ausnahmsweise anderes gelten. Denn das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" erfordert grundsätzlich eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist. Insoweit können Bedenken etwa dann bestehen, wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 6; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Ein solcher Fall war hier indes nicht gegeben: Die beiden Entführungsopfer waren in der Bundesrepublik Deutschland unbescholten. Zudem war die geheimdienstliche Operation auf die - strafbare (dazu sogleich unter 2.) - gewaltsame Entführung der v. Staatsangehörigen gerichtet; damit erschöpfte sich das Vorgehen des Angeklagten und seiner Mittäter nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung, sondern erfüllte unabhängig davon einen weiteren Straftatbestand. Schon dies führt zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 592).
22
d) Der Angeklagte handelte als Mittäter und nicht lediglich als Gehilfe. Täter ist jedermann, der sich in die Ausforschungsbestrebungen des fremden Nachrichtendienstes integriert, sich mit seiner aktiven Tätigkeit also bewusst in dessen Dienst stellt, ohne dass damit eine Eingliederung in dessen Organisationsstruktur verbunden sein muss. Auch die Tätigkeit, mit der die Informationsbeschaffung durch andere nur unterstützt wird, begründet Täterschaft und nicht etwa lediglich Beihilfe (vgl. eingehend BGH, Urteil vom 5. Juli 1972 - 3 StR 4/71, BGHSt 24, 369, 377 f.; Beschluss vom 2. Dezember 1985 - 3 StR 424/85, NStZ 1986, 165, 166; MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 29 mwN).
23
2. Auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall zu einer über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Insbesondere stellen die Tatbeiträge des Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht strafbare Beihilfehandlungen zur jeweiligen Haupttat dar.
24
Die Entführung und die sich anschließende Freiheitsberaubung der Freundin des Geschädigten, der in V. nichts zur Last gelegt wurde, erweisen sich ohne Weiteres als tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft. Dasselbe gilt hinsichtlich der Ergreifung des Geschädigten; insoweit bedarf näherer Betrachtung allein das Merkmal des Qualifikationstatbestands der über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB, weil sich der Geschädigte in V. wegen angeblicher Unterschlagung verantworten sollte und sich spätestens vier oder fünf Tage nach seiner Ergreifung aufgrund eines v. Haftbefehls und im Anschluss daran aufgrund zweier rechtskräftiger Urteile in V. in Haft befand. Hierzu im Einzelnen:
25
Die objektiv tatbestandsmäßige Freiheitsberaubung kann grundsätzlich gerechtfertigt sein, wenn sie sich als Freiheitsentziehung auf tragfähiger gesetzlicher Grundlage darstellt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Grenzen der Eingriffsgrundlage nicht überschritten werden. Dabei führt zwar nicht schon jeder Verfahrensmangel zur Rechtswidrigkeit des Vollzuges; wird indes das vorgeschriebene Verfahren zum Zwecke der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme gar nicht erst betrieben, sondern umgangen, kann sogar in den Fällen eine rechtswidrige Freiheitsberaubung vorliegen, in denen die sachlichen Anordnungsvoraussetzungen gegeben waren (LK/ Schluckebier, StGB, 12. Aufl., § 239 Rn. 23 mwN).
26
a) So verhält es sich hier zunächst hinsichtlich der Ausspähung und Ergreifung des Geschädigten: Nachdem die deutschen Behörden seine Auslieferung verweigert und dabei festgestellt hatten, eine Straftat von ihm sei nicht zu erkennen, umgingen v. Stellen die Regelungen der Rechtshilfe, da sie auf diesem Weg ihr Ziel, des Geschädigten habhaft zu werden, in absehbarer Zeit nicht erreichen konnten. Die nicht abgedeckte geheimdienstliche Operation auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, an deren Ende der Geschädigte mit Gewalt ergriffen und nach V. verbracht wurde, erweist sich zudem wegen der damit verbundenen massiven Souveränitätsverletzung als völkerrechtswidrig (Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 99, 105 mwN; Bauer, Die völkerrechtswidrige Entführung , 1968, S. 31 mwN), ohne dass entschieden werden müsste, ob anderes gälte, wenn die später festgenommene Person lediglich von auf fremdem Hoheitsgebiet agierenden Ermittlern oder V-Leuten mit List dazu veranlasst wurde, sich in den späteren Gerichtsstaat zu begeben (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1994 - 2 BvR 435/87, NJW 1995, 651; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 2 StR 588/86, NJW 1987, 3087; Urteil vom 2. August 1984 - 4 StR 120/83, NStZ 1984, 563). Hinzu kommt, dass der Geschädigte in Deutschland Asyl beantragt hatte; das der Bundesrepublik Deutschland zustehende Recht der Gewährung territorialen Asyls begründete - nicht erst ab Asylgewährung, sondern jedenfalls bereits ab Antragstellung - für andere Staaten zusätzlich die Pflicht, den Geschädigten als Person, die in Deutschland Zuflucht gefunden hatte, nicht zu verfolgen, festzunehmen und zu entführen (Bauer, Die völkerrechtswidrige Entführung, 1968, S. 41 f., 46). Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen das Völkerrecht vor.
27
b) Rechtsfolge einer Verletzung des Völkerrechts der vorliegenden Art ist grundsätzlich, dass der daraus resultierende Schaden gegenüber dem verletzten Staat im Ganzen wiedergutzumachen ist (Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 228 f. mwN; Bauer, Die völkerrechtswidrige Entführung, 1968, S. 87 f. mwN). Bei einer völkerrechtswidrigen Entführung bedeutet dies, dass der Entführte an den Aufenthaltsstaat zumindest dann zurückzugeben ist (Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 229 mwN; Bauer, Die völkerrechtswidrige Entführung , 1968, S. 94 f. mwN), wenn dieser die Rückgabeverpflichtung ausdrücklich gegenüber dem Entführerstaat geltend macht (Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 230 f. mwN; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1985 - 2 BvR 1190/84, NStZ 1986, 178; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 2 StR 588/86, NJW 1987, 3087).
28
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt: Die Bundesrepublik Deutschland hatte bereits am 1. August 2017 und damit nur etwas mehr als eine Woche nach der Entführung der beiden v. Staatsangehörigen aus B. gegen dieses Vorgehen des v. Geheimdienstes protestiert, einen v. Diplomaten ausgewiesen und die unverzügliche Rückkehr des Geschädigten nach Deutschland verlangt.
29
c) Einem solchen Restitutionsverlangen ist umgehend zu entsprechen; die Rückgabe erst nach jahrelanger Haftverbüßung entspricht einer Verweigerung der geschuldeten Wiedergutmachung in Form der Naturalrestitution und stellt ein erneutes völkerrechtswidriges Delikt dar (Wilske, Die völkerrechtswid- rige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 233 f. mwN). Aus diesem Grund konnten auch das sich an die Entführung anschließende Strafverfahren und die darin verhängten Urteile - selbst wenn diese zu Recht gesprochen worden wären - die (weitere) Freiheitsberaubung des Geschädigten nicht rechtfertigen.
30
Dies gilt eingedenk dessen, dass eine völkerrechtswidrige Verbringung die Durchführung eines Strafverfahrens nicht grundsätzlich hindert, weil eine dahingehende allgemeine Regel des Völkerrechts nicht existiert (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 1985 - 2 BvR 1190/84, NStZ 1986, 178; vom 13. Juni 1986 - 2 BvR 837/85, NJW 1986, 3021). Denn auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist zu berücksichtigen , ob der Staat, dessen Souveränität verletzt worden ist, Ansprüche aus der völkerrechtswidrigen Verletzung seiner Gebietshoheit geltend macht, die einer (weiteren) Durchführung des Strafverfahrens entgegenstehen. Insoweit ist anerkannt , dass letzteres insbesondere in Betracht kommt, wenn entsprechend der völkerrechtlichen Praxis der verletzte Staat Wiedergutmachung in Form der unverzüglichen Rücklieferung des Entführten verlangt (vgl. BGH, Urteile vom 2. August 1984 - 4 StR 120/83, NStZ 1984, 563; vom 1. Februar 1985 - 2 StR 482/84, NStZ 1985, 361; Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 2 StR 588/86, NJW 1987, 3087; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1985 - 2 BvR 1190/84, NStZ 1986, 178). Damit übereinstimmend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass infolge eines solchen Rückführungsverlangens die völkerrechtswidrige Veränderung des Aufenthalts des Betroffenen rückgängig zu machen ist und das Strafverfahren vorläufig eingestellt werden muss, um eben diese Rückführung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 2 StR 588/86, NJW 1987, 3087).
31
Daraus folgt hier, dass ungeachtet der Frage, ob nach Rückgabe des Entführten an den Aufenthaltsstaat das Strafverfahren - in dessen Abwesenheit - fortgesetzt werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - 2 StR 588/86, juris Rn. 2 ff. zur wegen § 350 StPO möglichen Fortsetzung des Revisionsverfahrens; BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1994 - 2 BvR 435/87, NJW 1995, 651, 652; kritisch zu dieser Rechtsprechung Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000, S. 337 Fn. 428 mit zahlreichen Nachweisen zur ebenfalls kritischen überwiegenden Auffassung in der Literatur), jedenfalls die Freiheitsentziehung durch den Entführerstaat V. während der Dauer des Verfahrens nicht aufrechterhalten werden durfte. Mithin erweist sich auch die sich an die völkerrechtswidrige Entführung anschließende Freiheitsentziehung während und aufgrund des Strafverfahrens als rechtswidrig und damit insgesamt als eine über eine Woche dauernde Freiheitsberaubung im Sinne von § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB.
32
Nach alledem kann offen bleiben, ob insbesondere aufgrund der wissentlichen Missachtung der Regelungen der Rechtshilfe und der Umgehung eines formellen Auslieferungsverfahrens sowie des Eingriffs in das Asylrecht des Geschädigten vorliegend - wie das Kammergericht angenommen hat - ein auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für möglich gehaltener "extrem gelagerter Ausnahmefall" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 1986 - 2 BvR 837/85, NJW 1986, 3021, 3022) vorlag, der ein Verfahrenshindernis begründen konnte. Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahren gegen den Geschädigten nur als Schauprozess gegen ein abtrünniges ehemaliges Parteimitglied darstellten und lediglich den Deckmantel eines Wirtschaftsstrafverfahrens trugen, wovon sich das Kammergericht keine sichere Überzeugung hat verschaffen können.
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(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 211/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR211.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 5. Januar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Kammergerichts lieferte der aus Sri Lanka stammende, im Jahr 1984 in die Bundesrepublik eingereiste und im Jahr 1998 eingebürgerte, nicht vorbestrafte Angeklagte, der als Angestellter der Zentralen Ausländerbehörde B. umfassenden Zugang zum allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters und zur Visadatei hatte sowie über Kontakte zu anderen Ausländerbehörden in Deutschland verfügte, seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern beim indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (R&AW) in der Zeit von Anfang Januar 2013 bis zum 8. Februar 2016 in insgesamt 46 Fällen die von diesen gewünschten In- formationen, die überwiegend in Deutschland lebende indische Staatsangehörige betrafen. In 40 dieser Fälle recherchierte er dazu nach im Ausländerzentralregister bzw. in der Visadatei gespeicherten Daten über die auszuforschenden Personen, die er in 38 Fällen seinen Kontaktpersonen preisgab. In sechs Fällen standen die auszuspähenden Personen extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe, in acht weiteren Fällen waren die betroffenen sechs Personen Mitglieder oder Unterstützer solcher Organisationen.
3
Der R&AW, der direkt dem indischen Premierminister untersteht und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Er setzt hierbei sowohl offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte als auch verdeckt operierende, nicht offiziell als solche registrierte Mitarbeiter ein. Für den indischen Geheimdienst sind Erkenntnisse über geopolitisch wichtige Staaten und Regionen wie Pakistan, die Kaschmir- und Punjab-Region sowie weitere benachbarte Länder Indiens von großem Interesse. Daneben liegt ein weiterer Schwerpunkt des R&AW auf der Aufklärung des nationalen und internationalen Terrorismus. Insoweit sind vor allem die separatistischen Bewegungen der Sikhs im Punjab und die tamilischen Freiheitsbestrebungen im Nachbarland Sri Lanka von Bedeutung.
4
Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sollte insbesondere der Ausspähung der in Deutschland aufhältigen oppositionellen und militanten Sikhs sowie sonstiger indischer Oppositioneller dienen. Hierfür war aus Sicht des R&AW ein umfassender Datenabgleich mit den deutschen amtlichen Registern notwendig, auf die der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Seit Anfang Januar 2013 bestand die vorrangige Aufgabe des Angeklagten folglich darin, zu nachrichtendienstlichen Zwecken Informationen über verschiedene Anhänger der Sikhs und Vertreter der Unabhängigkeit des Punjabs zu beschaffen. Von besonderem Interesse für den R&AW waren die radikalen Sikh-Organisationen "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren internationale Abteilung, die "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI), die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF) und die "Khalistan Zindabad Force" (im Folgenden: KZF). In mehreren Fällen erhob und/oder übermittelte der Angeklagte aber auch Informationen über Mitglieder der aus Sri Lanka stammenden Vereinigung "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (im Folgenden: LTTE). Die Organisationen BK, ISYF, KZF und LTTE waren im Tatzeitraum von der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet.
5
Der Angeklagte war als Sachbearbeiter der Zentralen Ausländerbehörde für die Beschaffung von Passersatzpapieren, vorrangig für indische Staatsangehörige , zuständig, die zur Vorbereitung einer Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise nach Androhung der Abschiebung benötigt werden. Da die betroffenen Personen regelmäßig kein Interesse an der Beschaffung solcher Dokumente haben, unterhalten die deutschen Ausländerbehörden eigene Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen, um die Ausstellung der notwendigen Papiere gleichwohl zu ermöglichen. Aus diesen Gründen hielt der Angeklagte regelmäßigen Kontakt zum indischen Generalkonsulat in F. und zur indischen Botschaft in B. , wo auch seine nachrichtendienstlichen Führungspersonen des R&AW residierten.
6
Das Kammergericht ist in allen 46 Fällen davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten für den Geheimdienst einer fremden Macht erbrachte geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Dieses Merkmal sei in den Fällen, in denen unbescholtene deutsche Staatsbürger und ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik gewesen seien, von den Ausforschungsbemühungen des Ange- klagten betroffen waren, ebenso erfüllt, wie in denjenigen, in denen der Angeklagte in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige ausgespäht habe, denen ein Asylrecht zustand oder die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise betätigten. Letztlich gelte aber auch hinsichtlich der Personen, die extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe stünden oder deren Mitglieder oder Unterstützer seien, nichts anderes. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der gravierenden Souveränitätsverletzung , die in dem nachrichtendienstlich motivierten Zugriff auf das Ausländerzentralregister zu sehen sei, der Verschlechterung der Quellenlage der deutschen Dienste, der zumindest abstrakten Gefahr, dass die Erkenntnisse vom R&AW in einer Weise genutzt werden könnten, die den Kern und Wesensgehalt schutzwürdiger Belange der Betroffenen beeinträchtigen, der auf die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts der Betroffenen gerichteten Zwecksetzung, der bewussten und massiven Untergrabung der Schutzvorkehrungen für die besonders sensiblen Daten der ausgespähten Personen, die zudem in der Mehrzahl der genannten Fälle auch weitere Straftatbestände erfüllt habe.
7
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
8
1. Zu Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in allen 46 Fällen der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat, indem er dem R&AW und damit dem Geheimdienst einer frem- den Macht seine beruflich erworbenen Erkenntnisse zur Verfügung stellte und damit eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübte, die auf die Mitteilung von Tatsachen und Erkenntnissen gerichtet war. Diese Tätigkeit war auch jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Insoweit gilt:
9
a) In der überwiegenden Zahl der Fälle richteten sich die Ausspähungsbemühungen gegen unbescholtene deutsche Staatsbürger, ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik waren, sowie gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (Fälle 2, 3, 6-13, 15, 18, 22-24, 28-29, 31-32, 34-35, 39-40, 44 und 46 der Urteilsgründe). In all diesen Fällen ist die Verwirklichung des Merkmals unproblematisch, weil die Ausforschungsbemühungen eines fremden Dienstes in der Regel dazu geeignet sind, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN).
10
b) Nichts anderes gilt in den Fällen 1, 14, 16, 19, 20 und 45 der Urteilsgründe , die Personen betrafen, die teilweise extremistischen SikhOrganisationen lediglich nahestanden oder zu solchen Organisationen Kontakt hatten bzw. von den Auftraggebern des Angeklagten als "Unruhestifter" bezeichnet oder bezüglich derer terroristische Aktivitäten seitens der indischen Sicherheitsbehörden bloß vermutet wurden.
11
Der Umstand, dass Personen mit extremistischen Organisationen oder gar terroristischen Vereinigungen sympathisieren, ist für sich genommen nicht strafbar. Ihre Ausforschung durch einen ausländischen Geheimdienst stellt sich damit nicht als eine Aufgabe dar, deren Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland obläge. Insoweit verbleibt es bei den unter a) dargelegten Grundsätzen, wonach die Agententätigkeit in diesen Fällen gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde (vgl. auch BGH aaO, S. 165), zumal sich die Ausforschungsbemühungen im Fall 16 der Urteilsgründe gar gegen einen ehemaligen indischen Staatsangehörigen richteten, der nach seiner Einbürgerung nunmehr deutscher Staatsangehöriger ist.
12
c) Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Kammergericht bei seiner Entscheidung im Blick gehabt hat, ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings nicht ohne Weiteres erfüllt, wenn die Ausforschungsbemühungen sich - wie hier in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33, 38 und 43 der Urteilsgründe - gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Erforderlich ist vielmehr eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist; nicht ausreichend ist der bloß örtliche Bezug zum Bundesgebiet oder der Umstand, dass ein ausländischer Nachrichtendienst im Bundesgebiet ohne Koordination mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen agiert (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 161, 163; vgl. auch MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 21 mwN).
13
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor- zunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick genommen werden müssen, wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erwiesen. Andererseits dürfe nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt werde, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliege (BGH aaO, S. 164 f. mwN).
14
aa) Der Senat präzisiert diese Rechtsprechung zunächst dahin, dass das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand erfüllt. Danach gilt hier:
15
(1) In den Fällen 4, 17, 15, 26 und 33 der Urteilsgründe machte sich der Angeklagte durch seine Ausforschungsbemühungen zugleich wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar, indem der die Daten, die im allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters (vgl. § 2 ff. AZRG) und in der Visadatei (vgl. § 28 ff. AZRG) gespeichert waren und auf die er aufgrund seiner dienstlichen Stellung und mithin als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB Zugriff hatte, seinen geheimdienstlichen Auftraggebern offenbarte. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Dateien aus den amtlichen Datenbanken um Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB handel- te, weil sie nur den berechtigten Nutzern innerhalb der zugriffsberechtigten Behörden und damit einem begrenzten Personenkreis zugänglich, und weil sie geheimhaltungsbedürftig waren: Es handelte sich um Tatsachen, deren Geheimhaltung dem Angeklagten nach seiner dienstrechtlichen Verschwiegenheitspflicht oblag, weil sie nicht von vornherein als so belanglos anzusehen waren , dass sie ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung nicht bedurften (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 488/00, BGHSt 46, 339, 341; LK/Vormbaum, StGB, 12. Aufl., § 353b Rn. 8 mwN). Auch handelt es sich beim Ausländerzentralregister und der Visadatei gerade nicht um Register, aus denen bei Darlegung eines besonderen Interesses jedermann Auskünfte erhält (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist weiter die Wertung des Kammergerichts, der Angeklagte habe durch die Offenbarung dieses Dienstgeheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Verschwiegenheit der Verwaltung, insbesondere der Ausländerbehörden, tiefgreifend gestört habe. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f.). Allerdings bedarf es in dieser Konstellation einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen seinen eigenständigen, nach der Intention des Gesetzgebers den Tatbestand einschränkenden Bedeutungsgehalt zu erhalten. In diesem Rahmen müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, BGHR StGB § 353b Abs. 1 Interessen, öffentliche 1 mwN; vgl. auch LK/Vormbaum aaO, Rn. 27). Unter Beachtung dieser Grundsätze beeinträchtigte der Angeklagte die Aufgabenerfüllung der Zentralen Ausländerbe- hörde ernstlich, weil er als Angestellter mit hoher persönlicher Reputation und beruflicher Anerkennung - nicht nur in seiner Heimatbehörde sondern auch in anderen deutschen Ausländerbehörden - einem ausländischen Geheimdienst letztlich nahezu ungehinderten Zugang zu behördlichen Registern gewährte, in denen sensible persönliche Daten der betroffenen Ausländer umfassend gespeichert sind. Der Zweck dieser Informationsübermittlung lag in der Ausforschung von Angehörigen der indischen Opposition, die nach Offenbarung der Daten durch den R&AW oder andere staatliche indische Stellen unter Druck gesetzt werden konnten. Dadurch wurden letztlich auch Schutzpflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den hier aufhältigen ausländischen - und deutschen - Staatsangehörigen verletzt. All dies läuft dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Aufgabenerledigung der Ausländerbehörden in erheblichem Maße entgegen.
16
(2) In den genannten Fällen und darüber hinaus in den Fällen 25 und 38 der Urteilsgründe verwirklichte der Angeklagte zudem einen weiteren Straftatbestand , der indes jedenfalls aufgrund der mit der Anklageerhebung vorgenommenen Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 StPO nicht in den Schuldspruch aufzunehmen war:
17
Schon indem er sich die Daten aus dem Ausländerzentralregister und aus der Visadatei beschaffte, erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, aus den genannten Registern abruft. Hier handelte es sich in allen Fällen um nicht offenkundige, personenbezogene Daten der betroffenen ausländischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte handelte auch unbefugt: Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Umgang mit den Daten nicht von verwaltungsrechtlichen Vorschriften gestattet wird bzw. gegen darin normierte Verbote oder Erlaubnisvorbehalte verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402 zu dem vergleichbaren § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Hier war dem Angeklagten als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Zugriff auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AZRG) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG nur zur Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben gestattet. Zugriff auf die Visadatei durfte er gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 AZRG ebenfalls nur zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden nehmen. Diesen Zwecken dienten die im Auftrag seiner nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen oder eigeninitiativ zur Weitergabe an diese beschafften Informationen nicht.
18
(3) Das Vorgehen des Angeklagten erschöpfte sich demgemäß nicht in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit , vielmehr griff er zu Mitteln, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als strafbar erweisen. Dieser - in mehreren Fällen sogar zweifache - Verstoß gegen weitere Straftatbestände führt zu der Beurteilung , dass es sich um eine "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtete Agententätigkeit handelte: Das Merkmal ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; es genügt vielmehr eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN). Diese Voraussetzung wird durch die Verletzung allgemeiner Straftatbestände erfüllt, denn die Beachtung der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber gegebenen Rechtsordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
19
(4) Waren die Handlungen des Angeklagten damit auch in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33 und 38 der Urteilsgründe "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet, entfällt dieses Merkmal nicht dadurch, dass der Angeklagte zugleich auf andere Weise den Interessen der Bundesrepublik gedient hätte, etwa weil er - offenbar nicht völlig zu Unrecht - erhoffte, sozusagen als Gegenleistung für die Übermittlung der Informationen die zur Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit benötigten Passersatzpapiere für ausreisepflichtige indische Staatsbürger vom indischen Generalkonsulat in F. zu erhalten. Auch wenn die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger grundsätzlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, besteht ein solches jedenfalls nicht, wenn zur Erreichung dieses Ziels illegale Methoden eingesetzt werden müssen. Konkret betrafen die Informationslieferungen des Angeklagten nach den Feststellungen des Kammergerichts zudem in keinem Fall eine Person, für die eine deutsche Ausländerbehörde die Ausstellung von Ersatzpapieren zu deren Abschiebung benötigte.
20
(5) Gegen die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" spricht letztlich auch nicht, dass der Angeklagte als Agent, der zugleich die Strafvorschrift des § 353b StGB verletzte, auch unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen mitteilte, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wurden, und damit das Regelbeispiel des besonders schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllte.
21
Es könnte aus systematischen Gründen allerdings bedenklich sein, wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes, die die Annahme einer gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit be- dingt, stets zugleich auch zur Erfüllung des Regelbeispiels führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Dies ist beim Zusammentreffen von § 99 StGB mit § 353b StGB indes nicht der Fall: Weder erfordert der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit einen Verrat von Dienstgeheimnissen, noch führt die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets dazu, dass allein deshalb eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen kann sich insbesondere in den Fällen, in denen dem Täter das Dienstgeheimnis nicht anvertraut, sondern in anderer Weise bekanntgeworden ist, oder in den Fällen des § 353b Abs. 2 StGB auch strafbar machen, wer keine verantwortliche Stellung innehat, die ihn besonders zur Geheimhaltung verpflichtet. Umgekehrt zeigt gerade der vorliegende Fall, dass auch ohne die Mitteilung von Tatsachen , die zur Erfüllung des Regelbeispiels des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich ist, ein Straftatbestand verwirklicht sein kann, der hier bereits - wie dargelegt - in dem Datenabruf nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG lag. Da sich schon deshalb die Agententätigkeit des Angeklagten gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland richtete, war der Grundtatbestand des § 99 Abs. 1 StGB auch unabhängig von dem das Regelbeispiel des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllenden Geheimnisverrat vollendet.
22
(6) In den Fällen 5, 21, 27, 30, 36, 37, 41 und 42 der Urteilsgründe bezogen sich die Aufträge der nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen des Angeklagten und seine Recherchen und Informationslieferungen auf ausländische Staatsangehörige, die sich im Tatzeitpunkt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Auch insoweit hat das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" im Ergebnis zutreffend bejaht: In all diesen Fällen verwirklichte der Angeklagte zugleich die Straftatbestände des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG, was nach obigen Darlegungen zu einer Beeinträchtigung deutscher Interessen führt.
23
bb) Im Fall 43 der Urteilsgründe gab der Angeklagte eigeninitiativ an seine nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen die Lichtbilder eines sri-lankischen und eines deutschen Staatsangehörigen sri-lankischer Herkunft weiter, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung LTTE sind und gegen die in Deutschland deswegen Ermittlungsverfahren geführt werden. Die Lichtbilder hatte er als Abonnent des elektronischen Newsletters der tamilischen Gemeinde und damit aus einer allgemein zugänglichen Quelle erhalten.
24
In diesem Fall ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen allerdings schon daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger, dem die Bundesrepublik gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (vgl. etwa Art. 16 Abs. 2 GG), ausgespäht wurde - mag er auch Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Senat schließt aus, dass es sich auf die Bemessung der Strafe ausgewirkt hat, dass das Kammergericht in diesem Fall auch hinsichtlich des sri-lankischen Staatsangehörigen von der Erfüllung des § 99 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, was mit Blick auf die oben dargelegten Maßgaben und die weiter zu beachtenden Grundsätze (dazu sogleich unter 2.) zweifelhaft erscheinen könnte.
25
2. Es kommt nach alldem nicht mehr darauf an, ob auch weitere in dieser Sache angestellte Erwägungen sich als tragfähig erweisen, um das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu begründen. Insoweit geben die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils und des Generalbundesanwalts in seinem Plädoyer in der Hauptverhandlung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
26
Es könnte fraglich sein, ob dem Umstand des Zugriffs auf das Ausländerzentralregister , der wegen der damit verbundenen Verwirklichung weiterer Straftatbestände nach den oben dargelegten Grundsätzen zu einem Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland führt, weitere eigenständige Bedeutung dergestalt zukommt, dass damit eine "gravierende" Souveränitätsverletzung begründet werden kann, die wiederum für sich genommen die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" trägt.
27
Die Voraussetzungen für Datenübermittlungen nach den Regelungen des AZRG bzw. der Regelungen für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit sowie für Rechtshilfeersuchen ausländischer Staaten werden durch ausländische Geheimdienste, die in Deutschland ohne Abdeckung deutscher Behörden agieren, regelmäßig missachtet werden. Insoweit erscheint fraglich, ob diese Rechtsverletzungen für sich genommen zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" herangezogen werden können, weil darin möglicherweise nicht mehr zu sehen ist, als die mit jeder nicht abgedeckten geheimdienstlichen Operation auf deutschem Bundesgebiet einhergehende Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nach den oben genannten Grundsätzen und der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 23) indes gerade nicht ausreichen sollte. Nichts anderes dürfte gelten, soweit das Kammergericht auf die Verschlechterung der Abschöpfungsmöglichkeiten der deutschen Nachrichtendienste abgestellt hat; auch darin könnte lediglich eine Souveränitätsverletzung zu sehen sein. Aus dem gleichen Grund bestehen auch Bedenken, ob der Ge- danke, die Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer durch einen ausländischen Geheimdienst müsse bei der Prüfung des Merkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls dann nicht zu Gunsten des Agenten berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehörden selbst bereits tätig geworden seien, weil diesen ansonsten ausländische Aufklärungsbemühungen "aufgedrängt" werden könnten, sich als tragfähig erweist.
28
Schließlich könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sein, wenn sich das Kammergericht mit der Wendung, ein eigenständiges Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland erkläre sich daraus, dass die traditionellen westlichen Bündnissysteme nicht mehr so festgefügt, verlässlich und sicher erschienen wie im vergangenen Jahrhundert, für eine Ausweitung des Tatbestands unter Außerachtlassung der Motive des historischen Gesetzgebers ausgesprochen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch
5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 46/16
vom
31. August 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310816BAK46.16.0


Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 31. August 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 17. Februar 2016 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2016 - 1 BGs 6/16 geh. -, neu gefasst durch Beschluss vom 25. April 2016 - 1 BGs 28/16 geh. -, in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des neu gefassten Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit Ende des Jahres 2008 bis zu seiner Festnahme im Februar 2016 für den indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (im Folgenden: R&AW) eine geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt, die auf die Mitteilung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet war, und dabei unter Missbrauch einer verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse mitgeteilt oder geliefert, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten werden (strafbar gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
3
Mit Beschluss vom 4. August 2016 (1 BGs 70/16) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass der Vorwurf einer am 7. Mai 2009 begangenen geheimdienstlichen Agententätigkeit in Bezug auf den deutschen Staatsangehörigen A. entfällt.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
6
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa)...


8
...


9
Der Beschuldigte ist zudem innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland sehr bekannt. Er ist aufgrund seiner guten Kontakte zu den indischen diplomatischen Vertretungen häufig bei der Beschaffung von Visa für Reisen nach Indien behilflich und betätigt sich zudem in B. als Priester in einem hinduistischen Tempel.
10
...


11
bb)...

12
Mehrere Kontaktpersonen des Beschuldigten aus dem Generalkonsulat in Frankfurt waren bzw. sind Angehörige indischer Geheimdienste, ...


13
cc) Jedenfalls ab Ende des Jahres 2008 / Anfang des Jahres 2009 lieferte der Beschuldigte den genannten Kontaktpersonen in Kenntnis von deren Zugehörigkeit zu einem indischen Geheimdienst in über 40 Fällen die von diesen angeforderten Informationen zu vorrangig aus Indien stammenden Personen, vor allem zu Anhängern der Glaubensrichtung der Sikhs. Bei etwa zehn dieser Personen bestehen Verdachtsmomente, dass sie Kontakte zu "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen unterhalten. In weiteren sechs Fällen ging es um Personen, die mutmaßlich Organisationen angehörten, die von der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen angesehen werden ("Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam") und gegen die deswegen auch von deutschen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsverfahren geführt werden bzw.

die bereits rechtskräftig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurden. Bei seinen Recherchen griff der Beschuldigte in nahezu allen Fällen auf die ihm nur für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellte, nicht öffentlich zugängliche Datenbank des Ausländerzentralregisters zu und gab die dort ermittelten Informationen (z.B. Passdaten, Lichtbilder, Ausreisedaten, darin gespeicherte Erkenntnisse über strafrechtliche Vorbelastungen oder Daten des Asylverfahrens) an seine Führungsoffiziere weiter. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführliche Darstellung im Haftbefehl vom 25. April 2016.

14
...


15
dd) Als Gegenleistung für seine geschilderte Tätigkeit erhielt er jedenfalls konsularische Unterstützung bei der Beschaffung von Visa für Indien, die er bei den indischen Auslandsvertretungen beschaffte; diese ließ er sich von den Visa -Antragstellern vergüten, wobei die Höhe des Entgelts zwischen 10 € und 400 € variierte. Die Bemühungen zur Visabeschaffung entfaltete er einerseits für indische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung für die Bundesrepublik verfügen und deshalb für die Reise nach Indien ein Visum brauchen; andererseits kooperierte er mit mehreren Reisebüros, für die er Touristenvisa beschaffte. Zahlungen, etwa eine über 7.000 US-Dollar im August 2014, wurden vielfach als Spenden für den Hindu-Tempel, in dem er als Priester tätig war, bezeichnet oder wurden in bar geleistet.
16
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus der Auswertung zahlreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die zunächst durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) und - nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt - aufgrund von Anordnungsbeschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs durchgeführt wurden und anhand derer die Informationslieferungen des Beschuldigten an seine Kontaktpersonen ab September 2014 belegt werden. Anlässlich der Festnahme des Beschuldigten wurde zudem sein Büro bei der Z. durchsucht; dabei wurden unter anderem zwei Aktenordner , beschriftet mit den Namen "A. " und "D. " gefunden und sichergestellt, die die Informationslieferungen von Ende 2008 bis in das Jahr 2014 belegen. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschuldigte häufig Auszüge aus dem AZR erstellte und seinen Kontaktpersonen weiterleitete. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Darstellung und Würdigung der Beweismittel in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2016.
17
Entgegen der Auffassung des Verteidigers des Beschuldigten beruht die Annahme, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien dem indischen Geheimdienst zuzurechnen, nicht auf bloßen Vermutungen oder unbestätigten bzw. nicht belegbaren Behauptungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Zwar heißt es in dessen zu der Einleitung des Ermittlungsverfahrens führenden Behördengutachten vom 31. August 2015 zu Beginn: "Dienstlich wurde be- kannt, dass die genannten Kontaktpersonen (…) dem indischen Nachrichten- dienst angehören …", ohne dass dies an dieser Stelle näher ausgeführt wird. Eine solche bloße Behauptung bestimmter Tatsachen ohne nähere Erläuterung und ohne Offenbarung der Erkenntnisquellen hat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur einen geringen Beweiswert (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 247; vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370; vom 10. April 2008 - AK 4-6/08, juris Rn. 18; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 29). Gleichwohl kann solchen Behördenzeugnissen nicht jeglicher Beweiswert abgesprochen werden, dieser ist vielmehr in jedem Einzelfall zu bestimmen. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen; danach kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder die Objektivierung der genannten Erkenntnisse anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel (BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370).
18
Nach diesen Maßstäben ergibt sich hier Folgendes: Die Behördenzeugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz beschränken sich nicht auf bloße Behauptungen, sondern geben über zahlreiche Seiten die aufgezeichneten Gespräche zwischen dem Beschuldigten und seinen Kontaktpersonen wieder. Eine nachrichtendienstliche Anbindung der Kontaktperson Y. ergibt sich schon daraus, dass dieser bereits spätestens im Jahr 2014 als Führungsoffizier eines indischen Nachrichtendienstes enttarnt worden war. Der gesondert verfolgte S. , die von ihm abgeschöpfte Quelle, ist vom Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 21. Juli 2014 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden; der Senat hat auf die Revision S. s lediglich den Strafausspruch aufgehoben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158), der Schuldspruch ist hingegen in Rechtskraft erwachsen. Die Y. erteilten Informationen betrafen ausweislich der in dem sichergestellten Aktenordner festgestellten Unterlagen Personen, an denen indische Geheimdienste aus den oben dargelegten Gründen ein nachrichtendienstliches Interesse hatten. Aus den Vermerken des Beschuldigten ergibt sich insoweit auch, dass er Aufträge seiner Kontaktperson abarbeitete. Die in dem mit "A. " beschrifteten Aktenordner sichergestellte Korrespondenz enthält gleichartige Vorgänge, was wiederum den Schluss zulässt , dass auch X. als Angehöriger eines indischen Nachrichtendienstes durch den Beschuldigten mit Informationen versorgt wurde. Die späteren Kontaktpersonen W. und V. waren Nachfolger X. als Konsul und schöpften den Beschuldigten ausweislich der aufgezeichneten Gespräche gleichermaßen ab, was wiederum ihre Einbindung in einen indischen Nachrichtendienst im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt. Letzteres gilt auch für den Büroleiter W. , sowie den weiteren O. , die ausweislich der aufgezeichneten Gespräche in die Informationsanforderungen an den Beschuldigten und die Weitergabe der von ihm gelieferten Informationen eingebunden waren. Die geheimdienstliche Einbindung der Kontaktpersonen U. und C. ergibt sich schließlich schon daraus, dass diese Personen den deutschen Sicherheitsbehörden, jedenfalls aber dem Bundesamt für Verfassungsschutz , von der Republik Indien als offizielle Ansprechpartner der Nachrichtendienste R&AW und IB benannt worden sind.
19
Die in den Behördenzeugnissen mitgeteilte Erkenntnis, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien indischen Geheimdiensten zuzuordnen, findet weitere Bestätigung in Gesprächen, in denen der Beschuldigte selbst den V. oder - so seine bisherige Einlassung - den anderen O. als "vom Geheimdienst" bzw. V. als "Chef vom Geheimdienst" und früher "Chef der Polizei" bezeichnete.


...

20
Nach alledem wird in den Behördenzeugnissen nicht bloß eine unüberprüfbare Behauptung aufgestellt, vielmehr werden zahlreiche Indizien genannt, die es als hoch wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Empfänger der vom Beschuldigten erteilten Informationen Mitarbeiter indischer Nachrichtendienste waren bzw. sind und dem Beschuldigten dies auch bekannt war. Der in dem Behördenzeugnis vom 31. August 2015 mitgeteilten Einschätzung, die mithin durch zahlreiche unmittelbar vorliegende Beweismittel objektivierbar ist, kommt deshalb hier auch für sich genommen ein Beweiswert zu. Soweit - was nicht näher belegt ist - die Zurechnung aller Kontaktpersonen zum R&AW vorgenommen wird, weil ...

steht dies in einem gewissen Widerspruch zu den Feststellungen in dem bereits genannten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, nach denen Y. Agent des IB war. Ob indes der Beschuldigte in jedem Fall für den R&AW oder (auch)

für den IB eine geheimdienstliche Agententätigkeit erbrachte oder ob diese Dienste bei der Beschaffung von Informationen vom Beschuldigten bloß zusammenarbeiteten , ist für die Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung.
21
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses der Verdacht belegt, dass sich der Beschuldigte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem er seinen nachrichtendienstlichen Führungsoffizieren insbesondere Tatsachen und Erkenntnisse mitteilte. Er war funktionell in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht eingegliedert.
22
Seine Tätigkeit war auch gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Dies gilt jedenfalls für die von ihm weitergeleiteten Informationen betreffend unbescholtene deutsche Staatsangehörige, Staatsgäste der Bundesrepublik und solche ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen. Denn solche Ausforschungen von Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst hier lebender Ausländer sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft. Diese ist gehalten, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160). Solche Informationslieferungen machten den Großteil der Aktivitäten des Beschuldigten aus, so dass allein der insoweit bestehende drin- gende Tatverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit die Fortdauer der Untersuchungshaft trägt.
23
Der Senat kann deshalb im Ergebnis offen lassen, ob der Beschuldigte auch durch die Weitergabe von Informationen über Angehörige von Organisationen , die in der Bundesrepublik als terroristische Vereinigungen verfolgt werden , oder über Personen, die mutmaßlich "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen nahe standen, das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" verwirklichte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies nicht ohne Weiteres der Fall, wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der mutmaßlichen Mitglieder der Organisationen "Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam" möglicherweise gegeben; ob auch die Personen, die "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen bloß nahe stehen sollen, an solche gelisteten Vereinigungen angebunden waren, darf im weiteren Verfahren nicht aus dem Blick geraten, weil auch insoweit die Strafbarkeit der Ausforschungsbemühungen des Beschuldigten gemäß § 99 Abs. 1 StGB fraglich sein könnte.
24
Soweit im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs - der Argumentation des Generalbundesanwalts folgend - die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals auch mit Blick auf diesen Personenkreis bejaht worden ist, geben die diesbezüglichen rechtlichen Ausführungen bei vorläufiger Würdigung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
25
Die Ausnutzung der Zugriffsmöglichkeit auf amtliche Register und Informationssysteme kann unter der Voraussetzung, dass diese tatsächlich materiell -faktisch geheim gehalten werden (vgl. dazu MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 29 mwN), vorliegend allenfalls den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles im Sinne von § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und - tateinheitlich - den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Allein dies macht indes nicht die Prüfung entbehrlich, ob überhaupt der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit erfüllt ist. Im Übrigen ist in Fällen, in denen Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Beamte als Täter einer geheimdienstlichen Agententätigkeit in Betracht kommen, regelmäßig anzunehmen, dass sie auf ihnen in ihrer amtlichen Tätigkeit zur Verfügung stehende Informationsquellen zugreifen; solche Befugnisse und Erkenntnisquellen machen sie für ausländische Nachrichtendienste als Abschöpfungsobjekt gerade attraktiv. Wollte man in all diesen Fällen das Tatestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" ohne weiteres als gegeben ansehen, liefe das in einer Vielzahl von Fällen darauf hinaus, dass dem Merkmal wider der gesetzgeberischen Intention der wesentliche , Schranken setzende Sinngehalt genommen würde (vgl. dazu BGH aaO, S. 163).
26
In mehrfacher Hinsicht bedenklich erscheint auch, die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals damit zu begründen, dass durch die Ausspähung der mutmaßlichen Mitglieder von terroristischen Vereinigungen in deren Asylgrundrecht (Art. 16a Abs. 1 GG) oder aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitete Aufenthaltsrechte oder gar deren Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) eingegriffen werde: Mit der Meinungsfreiheit kann die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung nicht gerechtfertigt werden, denn dieses Grundrecht findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Dass durch die Tätigkeiten des Beschuldigten in den Bestand von Asyl- und Aufenthaltsrechten der Betroffenen eingegriffen worden wäre oder werden sollte - etwa durch rechtswidrige Abschiebungen -, ist zudem nach dem Stand der derzeitigen Ermittlungen jedenfalls nicht hoch wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang besteht insbesondere kein dringender Tatverdacht dafür, dass ...

und so möglicherweise Methoden zu praktizieren, die mit den Grundwerten der Verfassung nicht in Einklang zu bringen wären (vgl. insoweit BGH aaO, S. 165 f.). Insbesondere kann dafür nicht ohne weiteres herangezogen werden, dass der Beschuldigte - unter Beteiligung weiterer Beamter auch der deutschen Sicherheitsbehörden - in die Vorbereitung des Besuchs einer indischen Expertenkommission eingebunden war. Denn es ist bislang nicht ersichtlich, wie ein solcher Besuch, der unter der Beobachtung und der Kontrolle staatlicher deutscher Stellen stattfindet, zu einem solchen ungeregelten und rechtswidrigen Vorgehen missbraucht werden könnte.
27
Schließlich vermag auch der Hinweis auf das Strafverfolgungsmonopol der Bundesrepublik Deutschland für ihre Staatsangehörigen bzw. auf das jedem Deutschen aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Recht, nicht gegen seinen Willen aus der ihm vertrauten Rechtsordnung entfernt zu werden, vorliegend nicht zu verfangen: Es ist nicht ersichtlich, dass das Vorgehen des Beschuldigten oder seiner Führungsoffiziere darauf gerichtet war, in diese Rechtspositionen einzugreifen.
28
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO: Der Beschuldigte hat im Fall einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründet. Diesem stehen hinreichende persönliche und soziale Bindungen des Beschuldigten im Ergebnis nicht entgegen. Er lebt zwar seit etlichen Jahren in Deutschland und hat hier Familie. Durch das Bekanntwerden des Tatvorwurfs droht der Verlust seiner Arbeitsstelle. Abgesehen davon, dass er dadurch seine regelmäßigen Einnahmen verliert, resultiert daraus auch ein hoher Ansehensverlust - insbesondere innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland. In der Zusammenschau mit den ermittelten finanziellen Anknüpfungspunkten ins Ausland, die im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs im Einzelnen aufgeführt sind, spricht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen wird, als dass er sich ihm stellt.
29
Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
30
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
31
Der Umfang des Verfahrens - die Sachakten umfassen bereits jetzt deutlich mehr als 40 Aktenordner - und seine besondere Schwierigkeit haben ein Urteil innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen.
32
Das Verfahren ist auch mit der gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Seit der Inhaftierung des Beschuldigten sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden, die der Generalbundesanwalt im Einzelnen in seiner Zuschrift vom 8. August 2016 aufgeführt hat. Insbesondere die Auswertung der anlässlich der Festnahme bei der Durchsuchung sichergestellten Aktenordner, die zu der erheblichen Erweiterung des Tatzeitraums geführt hat, aber auch die Auswertung der Ergebnisse der umfangreichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie der zahlreichen vom Beschuldigten genutzten elektronischen Kommunikationsmittel war bislang zeitlich aufwändig und dauert teilweise noch an. Gleichwohl hat das Bundeskriminalamt die Akten dem Generalbundesanwalt am 22. Juli 2016 zur Anklageerhebung vorgelegt; die Anklage soll Anfang September 2016 fertig gestellt werden.

33
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache, soweit sie diese Entscheidung trägt, und der im Falle einer Verurteilung insoweit zu erwartenden Strafe.
Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 211/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR211.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 5. Januar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Kammergerichts lieferte der aus Sri Lanka stammende, im Jahr 1984 in die Bundesrepublik eingereiste und im Jahr 1998 eingebürgerte, nicht vorbestrafte Angeklagte, der als Angestellter der Zentralen Ausländerbehörde B. umfassenden Zugang zum allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters und zur Visadatei hatte sowie über Kontakte zu anderen Ausländerbehörden in Deutschland verfügte, seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern beim indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (R&AW) in der Zeit von Anfang Januar 2013 bis zum 8. Februar 2016 in insgesamt 46 Fällen die von diesen gewünschten In- formationen, die überwiegend in Deutschland lebende indische Staatsangehörige betrafen. In 40 dieser Fälle recherchierte er dazu nach im Ausländerzentralregister bzw. in der Visadatei gespeicherten Daten über die auszuforschenden Personen, die er in 38 Fällen seinen Kontaktpersonen preisgab. In sechs Fällen standen die auszuspähenden Personen extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe, in acht weiteren Fällen waren die betroffenen sechs Personen Mitglieder oder Unterstützer solcher Organisationen.
3
Der R&AW, der direkt dem indischen Premierminister untersteht und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Er setzt hierbei sowohl offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte als auch verdeckt operierende, nicht offiziell als solche registrierte Mitarbeiter ein. Für den indischen Geheimdienst sind Erkenntnisse über geopolitisch wichtige Staaten und Regionen wie Pakistan, die Kaschmir- und Punjab-Region sowie weitere benachbarte Länder Indiens von großem Interesse. Daneben liegt ein weiterer Schwerpunkt des R&AW auf der Aufklärung des nationalen und internationalen Terrorismus. Insoweit sind vor allem die separatistischen Bewegungen der Sikhs im Punjab und die tamilischen Freiheitsbestrebungen im Nachbarland Sri Lanka von Bedeutung.
4
Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sollte insbesondere der Ausspähung der in Deutschland aufhältigen oppositionellen und militanten Sikhs sowie sonstiger indischer Oppositioneller dienen. Hierfür war aus Sicht des R&AW ein umfassender Datenabgleich mit den deutschen amtlichen Registern notwendig, auf die der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Seit Anfang Januar 2013 bestand die vorrangige Aufgabe des Angeklagten folglich darin, zu nachrichtendienstlichen Zwecken Informationen über verschiedene Anhänger der Sikhs und Vertreter der Unabhängigkeit des Punjabs zu beschaffen. Von besonderem Interesse für den R&AW waren die radikalen Sikh-Organisationen "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren internationale Abteilung, die "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI), die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF) und die "Khalistan Zindabad Force" (im Folgenden: KZF). In mehreren Fällen erhob und/oder übermittelte der Angeklagte aber auch Informationen über Mitglieder der aus Sri Lanka stammenden Vereinigung "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (im Folgenden: LTTE). Die Organisationen BK, ISYF, KZF und LTTE waren im Tatzeitraum von der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet.
5
Der Angeklagte war als Sachbearbeiter der Zentralen Ausländerbehörde für die Beschaffung von Passersatzpapieren, vorrangig für indische Staatsangehörige , zuständig, die zur Vorbereitung einer Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise nach Androhung der Abschiebung benötigt werden. Da die betroffenen Personen regelmäßig kein Interesse an der Beschaffung solcher Dokumente haben, unterhalten die deutschen Ausländerbehörden eigene Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen, um die Ausstellung der notwendigen Papiere gleichwohl zu ermöglichen. Aus diesen Gründen hielt der Angeklagte regelmäßigen Kontakt zum indischen Generalkonsulat in F. und zur indischen Botschaft in B. , wo auch seine nachrichtendienstlichen Führungspersonen des R&AW residierten.
6
Das Kammergericht ist in allen 46 Fällen davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten für den Geheimdienst einer fremden Macht erbrachte geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Dieses Merkmal sei in den Fällen, in denen unbescholtene deutsche Staatsbürger und ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik gewesen seien, von den Ausforschungsbemühungen des Ange- klagten betroffen waren, ebenso erfüllt, wie in denjenigen, in denen der Angeklagte in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige ausgespäht habe, denen ein Asylrecht zustand oder die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise betätigten. Letztlich gelte aber auch hinsichtlich der Personen, die extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe stünden oder deren Mitglieder oder Unterstützer seien, nichts anderes. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der gravierenden Souveränitätsverletzung , die in dem nachrichtendienstlich motivierten Zugriff auf das Ausländerzentralregister zu sehen sei, der Verschlechterung der Quellenlage der deutschen Dienste, der zumindest abstrakten Gefahr, dass die Erkenntnisse vom R&AW in einer Weise genutzt werden könnten, die den Kern und Wesensgehalt schutzwürdiger Belange der Betroffenen beeinträchtigen, der auf die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts der Betroffenen gerichteten Zwecksetzung, der bewussten und massiven Untergrabung der Schutzvorkehrungen für die besonders sensiblen Daten der ausgespähten Personen, die zudem in der Mehrzahl der genannten Fälle auch weitere Straftatbestände erfüllt habe.
7
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
8
1. Zu Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in allen 46 Fällen der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat, indem er dem R&AW und damit dem Geheimdienst einer frem- den Macht seine beruflich erworbenen Erkenntnisse zur Verfügung stellte und damit eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübte, die auf die Mitteilung von Tatsachen und Erkenntnissen gerichtet war. Diese Tätigkeit war auch jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Insoweit gilt:
9
a) In der überwiegenden Zahl der Fälle richteten sich die Ausspähungsbemühungen gegen unbescholtene deutsche Staatsbürger, ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik waren, sowie gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (Fälle 2, 3, 6-13, 15, 18, 22-24, 28-29, 31-32, 34-35, 39-40, 44 und 46 der Urteilsgründe). In all diesen Fällen ist die Verwirklichung des Merkmals unproblematisch, weil die Ausforschungsbemühungen eines fremden Dienstes in der Regel dazu geeignet sind, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN).
10
b) Nichts anderes gilt in den Fällen 1, 14, 16, 19, 20 und 45 der Urteilsgründe , die Personen betrafen, die teilweise extremistischen SikhOrganisationen lediglich nahestanden oder zu solchen Organisationen Kontakt hatten bzw. von den Auftraggebern des Angeklagten als "Unruhestifter" bezeichnet oder bezüglich derer terroristische Aktivitäten seitens der indischen Sicherheitsbehörden bloß vermutet wurden.
11
Der Umstand, dass Personen mit extremistischen Organisationen oder gar terroristischen Vereinigungen sympathisieren, ist für sich genommen nicht strafbar. Ihre Ausforschung durch einen ausländischen Geheimdienst stellt sich damit nicht als eine Aufgabe dar, deren Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland obläge. Insoweit verbleibt es bei den unter a) dargelegten Grundsätzen, wonach die Agententätigkeit in diesen Fällen gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde (vgl. auch BGH aaO, S. 165), zumal sich die Ausforschungsbemühungen im Fall 16 der Urteilsgründe gar gegen einen ehemaligen indischen Staatsangehörigen richteten, der nach seiner Einbürgerung nunmehr deutscher Staatsangehöriger ist.
12
c) Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Kammergericht bei seiner Entscheidung im Blick gehabt hat, ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings nicht ohne Weiteres erfüllt, wenn die Ausforschungsbemühungen sich - wie hier in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33, 38 und 43 der Urteilsgründe - gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Erforderlich ist vielmehr eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist; nicht ausreichend ist der bloß örtliche Bezug zum Bundesgebiet oder der Umstand, dass ein ausländischer Nachrichtendienst im Bundesgebiet ohne Koordination mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen agiert (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 161, 163; vgl. auch MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 21 mwN).
13
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor- zunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick genommen werden müssen, wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erwiesen. Andererseits dürfe nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt werde, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliege (BGH aaO, S. 164 f. mwN).
14
aa) Der Senat präzisiert diese Rechtsprechung zunächst dahin, dass das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand erfüllt. Danach gilt hier:
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(1) In den Fällen 4, 17, 15, 26 und 33 der Urteilsgründe machte sich der Angeklagte durch seine Ausforschungsbemühungen zugleich wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar, indem der die Daten, die im allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters (vgl. § 2 ff. AZRG) und in der Visadatei (vgl. § 28 ff. AZRG) gespeichert waren und auf die er aufgrund seiner dienstlichen Stellung und mithin als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB Zugriff hatte, seinen geheimdienstlichen Auftraggebern offenbarte. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Dateien aus den amtlichen Datenbanken um Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB handel- te, weil sie nur den berechtigten Nutzern innerhalb der zugriffsberechtigten Behörden und damit einem begrenzten Personenkreis zugänglich, und weil sie geheimhaltungsbedürftig waren: Es handelte sich um Tatsachen, deren Geheimhaltung dem Angeklagten nach seiner dienstrechtlichen Verschwiegenheitspflicht oblag, weil sie nicht von vornherein als so belanglos anzusehen waren , dass sie ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung nicht bedurften (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 488/00, BGHSt 46, 339, 341; LK/Vormbaum, StGB, 12. Aufl., § 353b Rn. 8 mwN). Auch handelt es sich beim Ausländerzentralregister und der Visadatei gerade nicht um Register, aus denen bei Darlegung eines besonderen Interesses jedermann Auskünfte erhält (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist weiter die Wertung des Kammergerichts, der Angeklagte habe durch die Offenbarung dieses Dienstgeheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Verschwiegenheit der Verwaltung, insbesondere der Ausländerbehörden, tiefgreifend gestört habe. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f.). Allerdings bedarf es in dieser Konstellation einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen seinen eigenständigen, nach der Intention des Gesetzgebers den Tatbestand einschränkenden Bedeutungsgehalt zu erhalten. In diesem Rahmen müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, BGHR StGB § 353b Abs. 1 Interessen, öffentliche 1 mwN; vgl. auch LK/Vormbaum aaO, Rn. 27). Unter Beachtung dieser Grundsätze beeinträchtigte der Angeklagte die Aufgabenerfüllung der Zentralen Ausländerbe- hörde ernstlich, weil er als Angestellter mit hoher persönlicher Reputation und beruflicher Anerkennung - nicht nur in seiner Heimatbehörde sondern auch in anderen deutschen Ausländerbehörden - einem ausländischen Geheimdienst letztlich nahezu ungehinderten Zugang zu behördlichen Registern gewährte, in denen sensible persönliche Daten der betroffenen Ausländer umfassend gespeichert sind. Der Zweck dieser Informationsübermittlung lag in der Ausforschung von Angehörigen der indischen Opposition, die nach Offenbarung der Daten durch den R&AW oder andere staatliche indische Stellen unter Druck gesetzt werden konnten. Dadurch wurden letztlich auch Schutzpflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den hier aufhältigen ausländischen - und deutschen - Staatsangehörigen verletzt. All dies läuft dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Aufgabenerledigung der Ausländerbehörden in erheblichem Maße entgegen.
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(2) In den genannten Fällen und darüber hinaus in den Fällen 25 und 38 der Urteilsgründe verwirklichte der Angeklagte zudem einen weiteren Straftatbestand , der indes jedenfalls aufgrund der mit der Anklageerhebung vorgenommenen Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 StPO nicht in den Schuldspruch aufzunehmen war:
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Schon indem er sich die Daten aus dem Ausländerzentralregister und aus der Visadatei beschaffte, erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, aus den genannten Registern abruft. Hier handelte es sich in allen Fällen um nicht offenkundige, personenbezogene Daten der betroffenen ausländischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte handelte auch unbefugt: Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Umgang mit den Daten nicht von verwaltungsrechtlichen Vorschriften gestattet wird bzw. gegen darin normierte Verbote oder Erlaubnisvorbehalte verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402 zu dem vergleichbaren § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Hier war dem Angeklagten als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Zugriff auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AZRG) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG nur zur Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben gestattet. Zugriff auf die Visadatei durfte er gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 AZRG ebenfalls nur zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden nehmen. Diesen Zwecken dienten die im Auftrag seiner nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen oder eigeninitiativ zur Weitergabe an diese beschafften Informationen nicht.
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(3) Das Vorgehen des Angeklagten erschöpfte sich demgemäß nicht in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit , vielmehr griff er zu Mitteln, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als strafbar erweisen. Dieser - in mehreren Fällen sogar zweifache - Verstoß gegen weitere Straftatbestände führt zu der Beurteilung , dass es sich um eine "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtete Agententätigkeit handelte: Das Merkmal ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; es genügt vielmehr eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN). Diese Voraussetzung wird durch die Verletzung allgemeiner Straftatbestände erfüllt, denn die Beachtung der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber gegebenen Rechtsordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
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(4) Waren die Handlungen des Angeklagten damit auch in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33 und 38 der Urteilsgründe "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet, entfällt dieses Merkmal nicht dadurch, dass der Angeklagte zugleich auf andere Weise den Interessen der Bundesrepublik gedient hätte, etwa weil er - offenbar nicht völlig zu Unrecht - erhoffte, sozusagen als Gegenleistung für die Übermittlung der Informationen die zur Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit benötigten Passersatzpapiere für ausreisepflichtige indische Staatsbürger vom indischen Generalkonsulat in F. zu erhalten. Auch wenn die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger grundsätzlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, besteht ein solches jedenfalls nicht, wenn zur Erreichung dieses Ziels illegale Methoden eingesetzt werden müssen. Konkret betrafen die Informationslieferungen des Angeklagten nach den Feststellungen des Kammergerichts zudem in keinem Fall eine Person, für die eine deutsche Ausländerbehörde die Ausstellung von Ersatzpapieren zu deren Abschiebung benötigte.
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(5) Gegen die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" spricht letztlich auch nicht, dass der Angeklagte als Agent, der zugleich die Strafvorschrift des § 353b StGB verletzte, auch unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen mitteilte, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wurden, und damit das Regelbeispiel des besonders schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllte.
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Es könnte aus systematischen Gründen allerdings bedenklich sein, wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes, die die Annahme einer gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit be- dingt, stets zugleich auch zur Erfüllung des Regelbeispiels führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Dies ist beim Zusammentreffen von § 99 StGB mit § 353b StGB indes nicht der Fall: Weder erfordert der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit einen Verrat von Dienstgeheimnissen, noch führt die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets dazu, dass allein deshalb eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen kann sich insbesondere in den Fällen, in denen dem Täter das Dienstgeheimnis nicht anvertraut, sondern in anderer Weise bekanntgeworden ist, oder in den Fällen des § 353b Abs. 2 StGB auch strafbar machen, wer keine verantwortliche Stellung innehat, die ihn besonders zur Geheimhaltung verpflichtet. Umgekehrt zeigt gerade der vorliegende Fall, dass auch ohne die Mitteilung von Tatsachen , die zur Erfüllung des Regelbeispiels des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich ist, ein Straftatbestand verwirklicht sein kann, der hier bereits - wie dargelegt - in dem Datenabruf nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG lag. Da sich schon deshalb die Agententätigkeit des Angeklagten gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland richtete, war der Grundtatbestand des § 99 Abs. 1 StGB auch unabhängig von dem das Regelbeispiel des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllenden Geheimnisverrat vollendet.
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(6) In den Fällen 5, 21, 27, 30, 36, 37, 41 und 42 der Urteilsgründe bezogen sich die Aufträge der nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen des Angeklagten und seine Recherchen und Informationslieferungen auf ausländische Staatsangehörige, die sich im Tatzeitpunkt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Auch insoweit hat das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" im Ergebnis zutreffend bejaht: In all diesen Fällen verwirklichte der Angeklagte zugleich die Straftatbestände des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG, was nach obigen Darlegungen zu einer Beeinträchtigung deutscher Interessen führt.
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bb) Im Fall 43 der Urteilsgründe gab der Angeklagte eigeninitiativ an seine nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen die Lichtbilder eines sri-lankischen und eines deutschen Staatsangehörigen sri-lankischer Herkunft weiter, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung LTTE sind und gegen die in Deutschland deswegen Ermittlungsverfahren geführt werden. Die Lichtbilder hatte er als Abonnent des elektronischen Newsletters der tamilischen Gemeinde und damit aus einer allgemein zugänglichen Quelle erhalten.
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In diesem Fall ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen allerdings schon daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger, dem die Bundesrepublik gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (vgl. etwa Art. 16 Abs. 2 GG), ausgespäht wurde - mag er auch Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Senat schließt aus, dass es sich auf die Bemessung der Strafe ausgewirkt hat, dass das Kammergericht in diesem Fall auch hinsichtlich des sri-lankischen Staatsangehörigen von der Erfüllung des § 99 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, was mit Blick auf die oben dargelegten Maßgaben und die weiter zu beachtenden Grundsätze (dazu sogleich unter 2.) zweifelhaft erscheinen könnte.
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2. Es kommt nach alldem nicht mehr darauf an, ob auch weitere in dieser Sache angestellte Erwägungen sich als tragfähig erweisen, um das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu begründen. Insoweit geben die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils und des Generalbundesanwalts in seinem Plädoyer in der Hauptverhandlung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
26
Es könnte fraglich sein, ob dem Umstand des Zugriffs auf das Ausländerzentralregister , der wegen der damit verbundenen Verwirklichung weiterer Straftatbestände nach den oben dargelegten Grundsätzen zu einem Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland führt, weitere eigenständige Bedeutung dergestalt zukommt, dass damit eine "gravierende" Souveränitätsverletzung begründet werden kann, die wiederum für sich genommen die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" trägt.
27
Die Voraussetzungen für Datenübermittlungen nach den Regelungen des AZRG bzw. der Regelungen für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit sowie für Rechtshilfeersuchen ausländischer Staaten werden durch ausländische Geheimdienste, die in Deutschland ohne Abdeckung deutscher Behörden agieren, regelmäßig missachtet werden. Insoweit erscheint fraglich, ob diese Rechtsverletzungen für sich genommen zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" herangezogen werden können, weil darin möglicherweise nicht mehr zu sehen ist, als die mit jeder nicht abgedeckten geheimdienstlichen Operation auf deutschem Bundesgebiet einhergehende Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nach den oben genannten Grundsätzen und der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 23) indes gerade nicht ausreichen sollte. Nichts anderes dürfte gelten, soweit das Kammergericht auf die Verschlechterung der Abschöpfungsmöglichkeiten der deutschen Nachrichtendienste abgestellt hat; auch darin könnte lediglich eine Souveränitätsverletzung zu sehen sein. Aus dem gleichen Grund bestehen auch Bedenken, ob der Ge- danke, die Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer durch einen ausländischen Geheimdienst müsse bei der Prüfung des Merkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls dann nicht zu Gunsten des Agenten berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehörden selbst bereits tätig geworden seien, weil diesen ansonsten ausländische Aufklärungsbemühungen "aufgedrängt" werden könnten, sich als tragfähig erweist.
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Schließlich könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sein, wenn sich das Kammergericht mit der Wendung, ein eigenständiges Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland erkläre sich daraus, dass die traditionellen westlichen Bündnissysteme nicht mehr so festgefügt, verlässlich und sicher erschienen wie im vergangenen Jahrhundert, für eine Ausweitung des Tatbestands unter Außerachtlassung der Motive des historischen Gesetzgebers ausgesprochen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Dem Angeklagten, seinem gesetzlichen Vertreter und dem Verteidiger sowie dem Nebenkläger und den Personen, die nach § 214 Absatz 1 Satz 2 vom Termin zu benachrichtigen sind, sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, so ist dieser zu laden.

(2) Der Angeklagte kann in der Hauptverhandlung erscheinen oder sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. Die Hauptverhandlung kann, soweit nicht die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, auch durchgeführt werden, wenn weder der Angeklagte noch ein Verteidiger anwesend ist. Die Entscheidung darüber, ob der Angeklagte, der nicht auf freiem Fuß ist, zu der Hauptverhandlung vorgeführt wird, liegt im Ermessen des Gerichts.

(3) (weggefallen)

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.