Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2015 - 5 StR 9/15

bei uns veröffentlicht am14.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR9/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2015 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Juli 2014 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 277 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten E. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 256 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt; ferner hat es einen Wertersatzverfall in Höhe von fünf Millionen Euro angeordnet, für den beide Angeklagte gesamtschuldnerisch haften. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mit Verfahrensrügen.
2
Keines der Rechtsmittel hat Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Näherer Erörterung bedürfen nur die folgenden beiden Rügen einer Verletzung des § 243 Abs. 4 StPO:
3
1. Soweit die Angeklagten geltend machen, der Vorsitzende der Strafkammer habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung Erörterungen stattgefunden hätten, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen sei, ist diese Rüge jedenfalls unbegründet.
4
Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine sogenannte Negativmitteilung , wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG, NJW 2014, 3504 f.). Eine solche Negativmitteilung ist hier nach dem Revisionsvorbringen, das durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft Bestätigung gefunden hat, nicht erfolgt. Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt aber nur vor, wenn das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei fest- steht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, „in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand“ (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506; siehe auch Senat, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 5 StR 258/13 mwN).
5
So verhält es sich hier. Nach der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsgegenerklärung mitgeteilten dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Richters hat es keine Gespräche gegeben, „die in irgendeiner Weise der Vorbe- reitung einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO gedient hätten.“ Der Wahrheitsgehalt dieser unwidersprochen gebliebenen dienstlichen Erklärung steht für den Senat außer Zweifel, zumal auch die Revisionen keinerlei Anhaltspunkte für weitere im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte und die Frage einer Verständigung berührende Erörterungen vorgebracht haben. Vielmehr gibt die Revision des Angeklagten E. eine Erklärung von dessen Instanzverteidigern wieder, selbst an keinem Vorgespräch teilgenommen zu haben.
Soweit der Revisionsverteidiger dieses Angeklagten darüber hinaus die ein- schränkende Äußerung der Instanzverteidiger vorträgt, „(sie) können aber auch nicht ausschließen, dass wenigstens der Versuch einer Verständigung von Verteidigern der Mitangeklagten unternommen worden sei," vermag diese nicht tatsachengestützte Spekulation die Beweiskraft der vom Senat freibeweislich zu verwertenden Äußerung des Vorsitzenden nicht einzuschränken (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 520/14). Ohne sich noch zu eigenen freibeweislichen Erhebungen veranlasst sehen zu müssen, kann der Senat mithin ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen die Negativmitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht.
6
2. Die Revisionen rügen weiter, der Vorsitzende der Strafkammer habe entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht vollständig über ein Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung unterrichtet, das die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand gehabt habe.
7
a) Den Rügen liegt aufgrund des Revisionsvorbringens, das sich auf eine Erklärung des Instanzverteidigers des Angeklagten E. stützt und im Protokoll in Bezug auf das Geschehen innerhalb der Hauptverhandlung seine Bestätigung findet, sowie aufgrund der in der Revisionsgegenerklärung mitgeteilten dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden Richters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft folgender Verfahrensgang zugrunde:
8
Am 2. Juli 2014, dem 40. Tag der Hauptverhandlung, die nach mehreren Verfahrensabtrennungen und Verurteilungen der früheren insgesamt acht Mitangeklagten nur noch gegen die beiden Angeklagten durchgeführt wurde, fand vor Aufruf der Sache ein Gespräch der Verteidiger beider Angeklagten mit der Strafkammer und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft statt. Voraus- gegangen war die Ankündigung des Vorsitzenden im Zusammenhang mit einem noch unerledigten Antrag auf Akteneinsicht in die Daten auf diversen sichergestellten Datenträgern, dass er hierzu neue Informationen vom LKA habe. Einer der Verteidiger nutzte diese Mitteilung zu der Anfrage, ob die Strafkam- mer bereit sei, „über den weiteren Gang der Verhandlung ein Rechtsgespräch zu führen.“ Zu einem solchen Gespräch war die Strafkammer bereit. Deren Vorsitzender hatte – wie die Revisionen mit einer weiteren Verfahrensrüge vorgetragen haben – an einem früheren Verhandlungstag die Anfrage des Verteidigers eines ehemals Mitangeklagten, ob es bilaterale Absprachen der Strafkammer mit einzelnen Angeklagten gegeben habe, verneint und erläuternd hinzugefügt , seine Kammer sei bekannt dafür, keine Absprachen zu treffen; der beisitzende Richter hatte im Zuge des Verfahrens über Ablehnungsgesuche, die an diese Äußerung anknüpften und in der grundsätzlichen Nichtanwendung des § 257c StPO durch die Strafkammer eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Rechtsanwendungsverweigerung zu Lasten des Angeklagten sahen, erklärt, dass der Vorsitzende damit die Gepflogenheit der Strafkammer zutreffend dargelegt habe.
9
In dem Gespräch vom 2. Juli 2014 beschrieb der Vorsitzende zunächst den Umfang des sichergestellten Datenmaterials, dessen Auswertung sich wohl über Wochen oder Monate hinziehen könne. Die Verteidiger des Angeklagten E. trugen daraufhin vor, der Angeklagte habe wegen einer schweren Erkrankung seines Vaters Interesse an einer schnellen Beendigung des Verfahrens und an einer Haftverschonung. Die Verteidiger suchten mit ihrem Vortrag von der Strafkammer „endlich irgendein Signal zu erhalten“, welches Strafmaß bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten zu erwarten sei. Sie argumentierten unter Würdigung der Einlassung eines ehemals Mitangeklagten zum Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten E. und in Kenntnis der gegen die früheren Mitangeklagten in den abgetrennten Verfahren bereits verhängten Strafen, dass eine Strafe von knapp sieben Jahren für den Angeklagten E. ausreichend sei. Für den Angeklagten S. kündigte dessen Verteidiger an, dass er eine Einlassung zur Sache abgeben wolle. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass für ihn eine Haftverschonung des Angeklagten E. nicht in Betracht komme. Er begründete seine negative Haltung auf Nachfrage der Verteidigung unter anderem damit, dass er die Beweisaufnahme für nahezu abgeschlossen halte und keine weitergehenden Ergebnisse mehr erwarte, selbst wenn das Gericht den bereits gestellten Anträgen der Verteidigung noch nachgehen sollte; ein Geständnis sei für ihn angesichts der bereits erfolgten Verurteilungen der früheren Mitangeklagten ohne Bedeutung. Außerdem verfüge der Angeklagte E. über ausgeprägte Auslandskontakte und er habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine höhere Freiheitsstrafe als die gesondert Verfolgten zu erwarten. Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußerte der Strafkammervorsitzende, dass von ihm oder den anderen Richtern zur Straferwartung keine Zahlen genannt würden, die Kammer aber ein Geständnis auch jetzt noch zugunsten der Angeklagten bewerten werde. Aus seiner Sicht käme aber für den Angeklagten E. eine Haftverschonung ebenso wenig in Betracht wie eine Strafe in dem von der Verteidigung genannten Bereich. Möglich sei allerdings eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 StPO. Hierüber wurden beide Angeklagte durch ihre Verteidiger unterrichtet.
10
Nach Eintritt in die Verhandlung teilte der Vorsitzende den Inhalt des Gesprächs nicht mit. Zum verzögerten Verhandlungsbeginn wurde im Protokoll der Hinweis aufgenommen, dass „der Aufruf der Sache verspätet (erfolgte), da au- ßerhalb der Hauptverhandlung ein Rechtsgespräch stattfand.“ Der Vorsitzende gab den Inhalt eines Schriftsatzes zu dem Akteneinsichtsgesuch der Verteidiger bekannt. Sodann erklärten die Verteidiger beider Angeklagten die Rücknahme des Akteneinsichtsgesuchs und aller noch nicht beschiedenen Beweisanträge. In seiner anschließenden Einlassung räumte der Angeklagte E. die Ankla- gevorwürfe unter Einschränkung des Tatzeitraums als „im Wesentlichen zutreffend“ ein und machte hierzu weitere Ausführungen. Am folgenden Hauptver- handlungstag endete das Verfahren, nachdem sich zuvor auch der Angeklagte S. noch geständig eingelassen und das Landgericht hinsichtlich der von dem Angeklagten E. nicht eingestandenen Taten das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hatte.
11
b) Die Rügen bleiben ohne Erfolg.
12
aa) Diejenige des Angeklagten S. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
13
bb) Eine Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO liegt nicht vor.
14
Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende über Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung machen. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit , Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13,NJW 2014, 2514, 2515 mwN; Beschlussvom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Mitteilungspflichtig ist danach jedes ausdrückli- che oder konkludente Bemühen um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können.
15
Ein verständigungsbezogenes (Vor-)Gespräch ist als Unterfall der „Erörterung des Verfahrensstandes“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310, S. 12) von sonstigen zur Verfahrensförderung geeigneten Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten abzugrenzen, wie gesetzessystematisch das Nebeneinander der Bestimmungen der §§ 257b, 257c StPO für Erörterungen innerhalb der Hauptverhandlung zeigt. Während sich § 257b StPO auf kommunikative Elemente beschränkt, die der Transparenz und Verfahrensförderung dienen, aber nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung gerichtet sind, ist diese in § 257c StPO gesondert geregelt (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 13). Als Gegenstände von unverbindlichen Erörterungen , die das Gericht ohne Verständigungsbezug allein als Ausdruck transparenten kommunikativen Verhandlungsstils führen kann, sind als verfassungsrechtlich unbedenklich etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses angesehen worden (BVerfGE 133, 168, 228 Rn. 106). Darüber hinaus hielt der Gesetzgeber auch die Mitteilung einer Ober- und Untergrenze der nach dem Verfahrensstand vorläufig zu erwartenden Strafe durch das Gericht für ein Beispiel einer offenen Verfahrensführung (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 12; siehe auch Schneider, NStZ 2014, 198, zur Bekanntgabe einer Strafmaßprognose als bloßer „Wissenserklärung“), die inzwischen eine selbstverständliche Anforde- rung an eine sachgerechte Prozessleitung ist (BVerfG, aaO).
16
Vor diesem Hintergrund weist hier die Erörterung der Verfahrensbeteilig- ten, die von der Verteidigung selbst als Rechtsgespräch „über den weiteren Gang der Verhandlung“ initiiert worden ist, nachdem bedingt durch ein Akten- einsichtsgesuch der Verteidiger eine erhebliche Verlängerung des fortgeschrittenen Verfahrens zu erwarten war, keinen Verständigungsbezug auf. Zwar ist es den Instanzverteidigern beider Angeklagten nach dem übereinstimmenden Revisionsvorbringen bei dem Gespräch mit der Strafkammer auch darum gegangen , eine Äußerung des Gerichts zur Straferwartung zu erhalten. Diese Intention hat jedoch weder ausdrücklich zu einer Anfrage nach der Möglichkeit einer Verständigung geführt, noch stand eine solche konkludent im Raum. Den Instanzverteidigern war vielmehr die grundsätzlich ablehnende Haltung der Strafkammer gegenüber Verfahrensabsprachen aufgrund der in einem früheren Verfahrensstadium erfolgten und zum Gegenstand eines Befangenheitsantrags gemachten Bemerkung des Vorsitzenden bekannt. Diese Haltung war unverändert geblieben, wie der Vorsitzende mit der seine Stellungnahme einleitenden Bemerkung nachdrücklich klargestellt hat, niemand werde irgendwelche Zahlen von ihm oder den anderen Richtern hören. Außerdem war der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft schon vor der Stellungnahme des Vorsitzenden dem Vortrag der Verteidigung des Angeklagten E. und dessen Wunsch nach einer Haftverschonung – auch für die Verteidigung unmissverständlich – entgegengetreten. Auch insoweit stellte sich die Frage nach einer Verfahrenserledigung durch Verständigung, die eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt hätte (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO), nicht. Die nachfolgenden Äußerungen des Vorsitzenden, die aus der Sicht der Instanzverteidiger des Angeklagten E. ohnehin „sehr vage“ geblieben waren, haben sich daher nicht als Vorbereitung einer Verständigung, sondern nur als Akte eines kommunikativen Verfahrensstils verstehen lassen. Insbesondere hat zwischen seiner Ablehnung einer Haftverschonung des Angeklagten E. und eines von dessen Verteidigung in Erwägung gezogenen Verfahrensergebnisses einerseits und einer von der Verteidigung in den Raum gestellten Ablegung eines Geständnisses andererseits keine Verknüpfung bestanden, wie sie ein Verständigungsverfahren nach § 257c StPO mit dem Gegenseitigkeitsverhältnis von der Zusage eines Strafrahmens (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) und der Abgabe eines Geständnisses bzw. der Zusage sonstigen Prozessverhaltens als Gegenleistung des Angeklagten (§ 257c Abs. 2 StPO) kennzeichnet.
17
Ebenso wenig hat der Hinweis des Vorsitzenden, ein Geständnis auch im fortgeschrittenen Verfahrensstadium noch strafmildernd zu berücksichtigen, einen solchen synallagmatischen Konnex zwischen einem prozessualen Verhalten des Angeklagten und dem Verfahrensergebnis begründet, der zur Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO wegen einer dann im Raum stehenden Verständigungsmöglichkeit führt (BVerfGE 133, 168, 216 Rn. 85). Die allgemein gehaltene Erklärung des Vorsitzenden hat sich erkennbar auf die Stellungnahme des Staatsanwalts zur fehlenden Bedeutung eines Geständnisses angesichts der für ihn vor dem Ende stehenden Beweisaufnahme bezogen. Sie hat insofern eine Selbstverständlichkeit beinhaltet und gehört – wie dargelegt – zum beispielhaften Inhalt unverbindlicher Erörterungen ohne Verständigungsbezug.
18
cc) Nach dem Verfahrensablauf kann der Senat ausschließen, dass eine gesetzeswidrige Absprache angestrebt oder gar getroffen wurde.
Sander Dölp König
Berger Bellay

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 258/13
vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 14. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im Ausspruch über das Absehen von der Verfallsanordnung
nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen und versuchten Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass dem Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.193.056,40 Euro die Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Senat bereits durch Beschluss vom 17. September 2013 (NStZ 2014, 32) hinsichtlich des angefochtenen Schuld- und Strafausspruchs nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten aufgehoben, weil sie ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt habe (BVerfG, NJW 2014, 3504). Auch die neuerliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten, die auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist, führt lediglich zur Aufhebung der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO (vgl. insoweit Senat aaO).
2
Der Erörterung bedarf allein die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Der Angeklagte macht geltend, die Strafkammervorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Diese Rüge ist jedenfalls unbegründet:
3
1. Soweit die Revision vorträgt, der mit dem Verfahren befasste Staatsanwalt habe während des Ermittlungsverfahrens mit den beiden Verteidigern des Angeklagten und des (ehemals) Mitangeklagten mehrere Gespräche geführt , in denen er bei geständigen Einlassungen als Verfahrensergebnis (jeweils ) eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren und eine Entlassung aus der Untersuchungshaft als angemessen bezeichnet und angekündigt habe, sich beim Gericht durch entsprechende Anträge dafür stark zu machen, handelt es sich um ein Geschehen vor der Anklageerhebung. Schon deshalb werden solche der Regelung des § 160b StPO unterfallende Erörterungen von der Vor- schrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht erfasst, die lediglich „Erörterungen nach §§ 202a, 212“ StPO betrifft.
4
Dass zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach Anklageerhebung noch weitere auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden haben, von denen das Gericht auch nur beiläufig Kenntnis erlangt hat, teilt weder die Revision mit, noch ergibt sich dies aus den eingeholten dienstlichen Äußerungen. Es kommt mithin nicht auf die eher zu verneinende Frage an, ob bei Gesprächen über Strafvorstellungen, die vor Beginn der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft mit der Verteidigung – anders als es die §§ 202a, 212 StPO vorsehen – ohne Beteiligung des Gerichts geführt werden, eine Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO allein durch eine Kenntniserlangung des Gerichts begründet werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115; siehe auch Urteil vom 29. November 2011 – 1 StR 287/11, NStZ 2012, 347, 348; ablehnend KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 36).
5
2. Ebenfalls nicht als mitteilungspflichtige Erörterung einzuordnen ist ein Gespräch des Verteidigers des Mitangeklagten mit dem beisitzenden Richter vor Beginn der Hauptverhandlung. Nach den Darlegungen der Revision hat der Verteidiger angefragt, ob seitens der Strafkammer Interesse an einer Verfahrensabsprache bestehe, und über den Inhalt der Gespräche mit dem Staatsanwalt informiert. Hierzu habe der Richter abweisend reagiert. Dies ist durch die vom Senat im Freibeweisverfahren eingeholte dienstliche Erklärung des beisitzenden Richters im Wesentlichen bestätigt und weiter konkretisiert worden. Danach ist die Anfrage des Verteidigers am Rande eines Telefonats zur organisatorischen Abwicklung einer Aktenrückgabe erfolgt und hat sich auf eine generelle Aufgeschlossenheit der Strafkammer gegenüber Verständigungen nach § 257c StPO bezogen. Er habe sich „nicht bemüßigt gesehen, Erklärungen namens der Kammer abzugeben“, und fürseine Person lediglich erklärt, „dem Rechtsinstitut einer Verständigung nach § 257c StPO wenig abgewinnen“ zu können. Er habe auf die Mitteilung des Verteidigers über eine vom Staatsanwalt in Aussicht gestellte Antragstellung im Rahmen seines Schlussvortrags vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Strafkammer an Anträge der Staatsanwaltschaft zur Höhe etwaiger Strafen nicht gebunden sei.
6
Damit hatte das Telefonat – auch ungeachtet der Frage, ob es sich um eine Erörterung des „Gerichts“ handelte (vgl.BGH, Beschluss vom 20. Okto- ber 2010 – 1 StR 400/10, NStZ 2011, 592, 593) – keinen verständigungsbezogenen Gesprächsinhalt, der eine Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO hätte auslösen können (vgl. Schneider, NStZ 2014, 192, 198). Der beisitzende Richter hat keinen Standpunkt zu einem möglichen Ergebnis des Verfahrens vertreten und kein Verhalten gezeigt, das als Vorbereitung von Verständigungsgesprächen oder gar als Eintritt in ein solches hätte (miss)verstanden werden können. Vielmehr hat er sich für seine Person vorbehaltlos Gesprächen mit dem Ziel einer Verständigung nach § 257c StPO abgeneigt gezeigt und ist auf ein diesbezügliches Ansinnen des Verteidigers, wollte man es in der aus Sicht der Revision „vorfühlenden“ Anfrage überhaupt erkennen, jedenfalls nicht eingegangen.
7
3. a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine so genannte Negativmitteilung , wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG, NJW 2014, 3504 f.; anders noch Senat, Beschluss vom 17. September 2013 im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Ver- fahrensfehler liegt aber nur vor, wenn das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, „in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand“ (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 – 4 StR 121/13, NStZ 2013, 541, vom 3. September 2013 – 1 StR 237/13, BGH NStZ 2013, 724, vom 29. Januar 2014 – 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115 und vom 25. November 2014 – 2 StR 171/14, NJW 2015, 266, 267).
8
So verhält es sich hier. Der Senat hat freibeweislich dienstliche Erklärungen von der Vorsitzenden Richterin und dem Berichterstatter sowie dem staatsanwaltschaftlichen Sitzungsvertreter eingeholt. Danach hat es über den dargestellten Kontakt zwischen dem beisitzenden Richter und dem Verteidiger des Mitangeklagten keine Gespräche gegeben, die eine Verständigung zum Gegenstand gehabt hatten. Der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Erklärungen steht für den Senat außer Zweifel, zumal auch die Revision keinerlei Anhaltspunkte für weitere im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte und die Frage einer Verständigung berührende Erörterungen vorgetragen hat. Mithin schließt der Senat sicher aus, dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen die Negativmitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht.
9
b) Ein Beruhen lässt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht damit begründen, dass der Beschwerdeführer sich in dem Glauben befunden habe, es hätten Verständigungsgespräche stattgefunden, und ihn eine Negativmitteilung möglicherweise von der Abgabe seines Geständnisses abgehalten hätte. Den Angeklagten vor dem behaupteten Irrtum zu bewahren, dass eine von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in den Raum gestellte Straferwartung mit dem Gericht abgestimmt worden sei, unterfällt – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506) – nicht dem Schutzzweck des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sichert über das Transparenzgebot neben der Kontrolle eines Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14) auch den Informationsgleichstand sämtlicher Verfahrensbeteiligter über Erörterungen in den nicht öffentlich geführten Verfahrensstadien des Zwischen- und des Hauptverfahrens vor Beginn der Hauptverhandlung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in der öffentlichen Hauptverhandlung zu erfüllenden Mitteilungspflicht die Konsequenz aus der in §§ 202a, 212 StPO zugelassenen Möglichkeit von Vorgesprächen über eine Verständigung gezogen (siehe BT-Drucks. 16/12310 S. 12), jedoch keine weitergehende Informationspflicht jenseits der von diesen Regelungen erfassten Erörterungen begründet (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 – 32 Ss 87/11, NStZ 2012, 285, 286).
10
Der Schriftsatz vom 23. Februar 2015 hat dem Senat vorgelegen.
Sander Dölp König
Berger Bellay

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR520/14
vom
18. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2014 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Juli 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 4. November 2014 bemerkt der Senat zu der Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO: Der Senat kann in dem hier gegebenen Fall, dass eine sog. Negativmitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung unterblieben ist, die Frage offen lassen, ob der Revisionsvortrag gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO „Kenntnisse und Hinweise bezüglich etwaiger Verständigungsgespräche“ umfassen muss oder ob das (Nicht-) Vorliegen verständigungsbezogener Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO im Freibeweisverfahren aufzuklären ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594, und 2 BvR 2400/13, NJW 2014, 3504, 3506). Hier ist es bereits nach dem Revisionsvortrag ausgeschlossen, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO gewesen ist. Denn in dem mit der Revisionsbegründung vorgelegten Vermerk der Vorsitzenden der Strafkammer vom 30. Juni 2014 über ein die Frage einer Haftverschonung betreffendes Gespräch mit den beiden Instanzverteidigern des Angeklagten heißt es ausdrücklich: „Verfahrensabsprachen wurden nicht getroffen. Es wurden auch keine vorbereitende(n) Erörterungen über eine Absprache geführt.“ Der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Erklärung steht für den Senat außer Zweifel. Soweit der Revisionsverteidiger – nach Fühlungnahme mit den Instanzverteidigern – vorträgt , „bei einem derartigen Gespräch (könne) niemals sicher ausgeschlossen werden , dass nicht auch stillschweigend die Möglichkeit einer Verständigung im Raum“ gestanden habe, vermag diese vom Generalbundesanwalt zurecht als „bloße Mutmaßung“ bezeichnete nicht tatsachengestützte Spekulation die Beweiskraft der – vom Senat freibeweislich zu verwertenden – Äußerung der Vorsitzenden nicht ein- zuschränken. Zu weiteren freibeweislichen Erhebungen sieht sich der Senat – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Angeklagten in der Gegenerklärung – nicht veranlasst: Der Angeklagte trägt abgesehen von dem von der Vorsitzenden dokumentierten Gespräch keinerlei Anhaltspunkte für weitere im Vorfeld der Haupt- verhandlung geführte und die Frage einer Verständigung berührende Erörterungen vor; die von ihm allein auf das aktenkundige Gespräch bezogene „Möglichkeit einer Verständigung“ wird indes, wie ausgeführt, durch den Vermerk ausgeschlossen.
Sost-Scheible Cierniak Franke Bender Quentin

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 8 1 / 1 3
vom
5. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß
§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO setzt nicht voraus, dass der Verteidiger zuvor von
dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13 - LG Frankfurt am Main
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2014 in der Sitzung am 5. Juni 2014, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. wird verworfen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten H. führt auf die Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des gegen ihn ergangenen Urteils. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. hat hingegen mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen verkaufte der weitgehend geständige Angeklagte H. jeweils auf Weisung des gesondert verfolgten B. gegen Provision im Zeitraum August 2010 bis Oktober 2011 an den gesondert verfolgten P. in 30 Fällen Heroin in Mengen zwischen 10 bis 50 Gramm mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 5 %. Im Zeitraum Anfang März 2011 bis zum 16. Februar 2012 verkaufte er wiederum im Auftrag B. 's in 11 Fällen Heroin in Mengen zwischen 70 bis 200 Gramm an die gesondert verfolgte M. . Am 4. Oktober und am 4. Dezember 2012 verkaufte er - diesmal im Auftrag des Mitangeklagten A. - ihm von diesem ausgehändigtes Rauschgift, ca. 50 bzw. 45 g Heroin mit Wirkstoffanteilen von 6,2 bzw. 5,6 %, an die gesondert verfolgten K. und Pe. . Bei einer Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten H. im Januar 2013 wurden u.a. zwei Cannabisplatten mit einem Gesamtgewicht von ca. 185 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 15,9 Gramm sichergestellt, die teils zum Eigenkonsum, überwiegend aber zum Verkauf bestimmt waren.

II.

3
Während die übrigen Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg bleiben, führt die Rüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO zur Aufhebung des gegen den Angeklagten H. ergangenen Urteils.
4
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
5
Für den ersten Hauptverhandlungstag, den 9. April 2013, weist das Protokoll nach Verlesung des Anklagesatzes folgendes Geschehen aus: "Weiter wurde festgestellt, dass Erörterungen gem. §§ 202a und 212 StPO, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO gewesen ist, nicht stattgefunden haben. Die Angeklagten wurden darauf hingewiesen, dass es ihnen freistehe , sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Angeklagte A. erklärte sich derzeit zur Äußerung nicht bereit. RAin. Ha. regte ein Rechtsgespräch an. Die HV wurde um 09.47 Uhr unterbrochen und fortgesetzt um 10.17 Uhr. Alle vorher erschienenen Prozessbeteiligten waren wieder anwesend. Es wurde festgestellt, dass ein Rechtsgespräch geführt, jedoch keine Verständigung getroffen wurde. Im Rahmen des Gesprächs hat der StA. zum Ausdruck gebracht, dass eine geständige Einlassung des Angeklagten H. werthaltiger sein könnte, sofern sie auch Angaben zur Tatbeteiligung des Angeklagten A. enthalte.
Es bestand Gelegenheit zur Stellungnahme. Erklärungen wurden nicht abgegeben."
6
2. Die Revisionen rügen, es seien weder Erklärungen zur "personellen Beteiligung" an diesem Rechtsgespräch, an dem alle professionellen Verfahrensbeteiligten sowie die beiden Schöffen teilgenommen hatten, noch zu dessen vollständigem Inhalt erfolgt. So habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten H. eine Straferwartung von über sechs Jahren geäußert, die sich bei einer geständigen, den Mitangeklagten A. belastenden Einlassung verringern könne. Der Vorsitzende Richter habe eine Strafhöhe von fünf bis sechs Jahren in den Raum gestellt, was die Verteidigung des Angeklagten H. als nicht akzeptabel bezeichnet habe. Hinsichtlich des Angeklagten A. seien von keiner Seite irgendwelche Straferwartungen geäußert worden, dies auch deshalb, weil dessen Verteidiger "schweigend verteidigt" und sich deshalb an den Gesprächen nicht aktiv beteiligt habe.
7
Durch die unvollständige Unterrichtung seitens des Vorsitzenden habe die Strafkammer ihre Verpflichtung zur Transparenz und Dokumentation verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil - auch wenn keine Verständigung zustande gekommen sei - auf den nicht mitgeteilten Gesprächsinhalten beruhe.
8
3. Eine von den Revisionsführern vorgelegte anwaltliche Versicherung des Instanzverteidigers des Angeklagten A. , RA S. , bestätigt das Revisionsvorbringen. Aus eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Sitzungsstaatsanwalts und der Berufsrichter ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von "nicht unter 6-7 Jahren" gehabt habe. Seitens des Gerichts seien entgegen dem Revisionsvorbringen keine Strafvorstellungen geäußert worden.
9
4. Die Revision macht zu Recht geltend, es liege ein Verstoß gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vor.
10
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 316). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67 und vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 243 Rn. 18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73, vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67, vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Die Pflicht zur Dokumentation der zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung unter Umständen erfolglos geführten Gespräche ist zwar im Vergleich zur tatsächlichen Verständigung reduziert. Gleichwohl sollen alle Verfahrensbeteiligte und die Öffentlichkeit nicht nur darüber informiert werden, dass solche Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f., vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber - sofern sie nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschrieben ist - gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
11
Gemessen daran enthält die Mitteilung des Vorsitzenden nicht alle Informationen , die zur Transparenz und Dokumentation von Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit möglichen Verständigungen nach § 257c StPO mitgeteilt werden müssen. So hat es der Vorsitzende - was sich aus dem Protokoll, den eingeholten dienstlichen Erklärungen und der anwaltlichen Versicherung ergibt - rechtsfehlerhaft unterlassen, jedenfalls die von der Staatsanwaltschaft für den Angeklagten H. geäußerte Straferwartung mitzuteilen.
12
b) Der Angeklagte ist mit seiner darauf gerichteten Revisionsrüge nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende ungeachtet eines ihm zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum seinen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - von dem Verteidiger nicht entsprechend § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden (so im Ergebnis auch Schneider, NStZ 2014, 252; a.A. Altvater, StraFo 2014, 221, 226; offengelassen von BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14). Dies gilt selbst dann, wenn dem Verteidiger - wie hier - ausdrücklich Gelegenheit gegeben wird, sich zur Unterrichtung durch den Vorsitzenden zu erklären.
13
aa) Der Senat lässt offen, ob der Rechtsansicht zu folgen wäre, wonach ein Verteidiger die Unvollständigkeit von Mitteilungen schon deswegen nicht nach § 238 Abs. 2 StPO rügen müsse (und könne), weil solchen Mitteilungen nach dem Verständigungsgesetz die Funktion abgehe, auf das Verhalten des Verfahrensbeteiligten sachleitend Einfluss zu nehmen, es sich mithin nur um bloße, dem Anwendungsbereich des § 238 Abs. 2 StPO thematisch entzogene bloße Wissensentscheidungen handele (so Schneider NStZ 2014, 252).
14
bb) Entscheidend ist, dass keine eine Rügeobliegenheit begründende Mitwirkungspflicht des Verteidigers im Verständigungsverfahren besteht, was die Mitteilung und Protokollierung von außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführten Gespräche anbelangt.
15
Der mit dem Verständigungsgesetz eingeführte § 243 Abs. 4 StPO überantwortet die Informationspflicht für außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche ausschließlich dem Vorsitzenden des Gerichts. Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 10. Juli 2013 (2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314) näher ausgeführt hat, will das Gesetz die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten herbeiführen. Durch die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO und deren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a StPO werden außerhalb der Hauptverhandlung im Hinblick auf eine Verständigung erfolgte Geschehnisse festgeschrieben und einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Zudem soll dem Angeklagten eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden, wie er sein eigenes Verteidigungsverhalten einrichtet.
16
Die Zuweisung der Mitteilungs- und Informationspflicht ausschließlich an den Vorsitzenden folgt auch aus den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zur Schutzfunktion des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach eine "vollum- fängliche Rechtsmittelkontrolle" des Verständigungsgeschehens erfolgen soll (BVerfGE 133, 168, 204, 207). Gewollt ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Angeklagten durch revisionsgerichtliche Verfahrenskontrolle. Unzulässige "deals", aber auch informelle Absprachen hinter dem Rücken des Angeklagten auszuschließen, entspricht der Intention des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts. Danach gilt es u.a. zu verhindern, "dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt" (BVerfGE 133, 168, 232). "Die Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes dienen somit dem Schutz der Grundrechte des von einer Verständigung betroffenen Angeklagten vor einem im Geheimen sich vollziehenden 'Schulterschluss' zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung" (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14). Vor diesem Hintergrund kommt der Informationspflicht durch den Vorsitzenden auch die Funktion zu, den Angeklagten vor einer fehlerhaften Beratung durch seine Verteidiger zu schützen. Diese Schutzfunktion wäre jedoch eingeschränkt, würde man - z.B. nach einem Verteidigerwechsel zwischen den Instanzen - die Zulässigkeit einer auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gestützten Rüge davon abhängig machen, dass der Instanzverteidiger , der zuvor unter Umständen an einer informellen Absprache hinter dem Rücken des Revisionsführers mitgewirkt hat, eine dies verschweigende Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung beanstandet hat.
17
cc) Im Übrigen könnte § 238 Abs. 2 StPO, der darauf abzielt, die Verantwortung des gesamten Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung zu aktivieren, von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn die Verständigungsgespräche zuvor in Gegenwart sämtlicher zur Entscheidung berufener Mitglieder des Gerichts geführt worden wären. Verständigungsgespräche vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgen jedoch regelmäßig ohne die Schöf- fen; vorbereitende Gespräche während, aber außerhalb laufender Verhandlung, z.B. an Nichtsitzungstagen, müssen nicht zwingend von dem gesamten Spruchkörper geführt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221). In diesen Fällen müsste eine Befassung des gesamten Spruchkörpers mit der Frage der Vollständigkeit der Information leerlaufen. Letztlich würde damit eine Rügeverpflichtung von Zufälligkeiten des Einzelfalles abhängen.
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c) Auf der Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht das Urteil zum Nachteil des Angeklagten H. .
19
Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, den Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, StV 2013, 740 [für § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO]; vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254, 1256); indes ist, sofern die Mitteilung über das Gespräch unterbleibt oder sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f.; BGH, Beschluss vom 25. November 2013 - 5 StR 502/13, NStZ-RR 2014, 52). Nur in besonderen Ausnahmefällen ist ein Beruhen auszuschließen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, NStZ 2014, 217, 218). Dies gilt selbst dann, wenn - wie hier - im Ergebnis eine Verständigung nicht zustande kommt, weil auch in einem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst wurde (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219, 220 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417 f.). Ein solcher das Beruhen ausschließender Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Instanzverteidiger den Angeklagten über den Ablauf und den Inhalt außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche unterrichtet und so ein etwaiges Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat oder ob dies möglich gewesen wäre. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314; anders wohl BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, 419 und Schneider, NStZ 2014, 252, 253).

III.

21
1. Die auch von dem Angeklagten A. erhobene Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO führt hinsichtlich dieses Angeklagten nicht zur Urteilsaufhebung, weil der Senat insoweit ein Beruhen des Urteils auf dem unter II. festgestellten Verfahrensverstoß ausschließt. Der Verteidiger des "sich schweigend verteidigenden" Angeklagten A. hat sich an den Verständigungsgesprächen nicht aktiv beteiligt. Welche Straferwartung die Staatsanwaltschaft für den wegen der Beteiligung an insgesamt 44 Fällen des Betäubungsmittelhandels angeklagten H. hatte, war für den nur in zwei Fällen als Täter Angeklagten A. ohne Aussagekraft und für seine Entscheidung , sich nicht einzulassen, erkennbar ohne Belang (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14 sowie BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.). Soweit die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Verständigungsgesprächs den Angeklagten H. darauf hingewiesen hat, belastende Angaben zu seinem Mitangeklagten könnten sein Geständnis werthaltiger machen, ist dieser für A. bedeutende Umstand - nach anwaltlicher Versicherung seines Verteidigers auf dessen Initiative - vom Vorsitzenden entsprechend mitgeteilt und protokolliert worden.
22
2. Während der Schuldspruch betreffend des Angeklagten A. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts auch auf die Sachrüge hin nicht zu beanstanden ist, unterliegt der Strafausspruch der Aufhebung , weil das Landgericht die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter Taten überschritten hat.
23
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, bzw. die nach § 154 StPO eingestellt worden sind, soweit diese für die Persönlichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf dessen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03, NStZ-RR 2004, 359 [Pfister]; Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NJW 2014, 645, 646 mwN; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rn. 41 f.).
24
Diesen Anforderungen genügen die insoweit rudimentären Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten A. strafschärfend gewertet, dass die "hier abgeurteilten Taten nur die Spitze des Eisberges" darstellen , was sich nicht zuletzt etwa aus den Angaben des Zeugen Pe. ergebe , mehrfach in gleicher Weise von den Angeklagten Heroin erworben zu haben (UA 26). Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es dazu, es hätten "auch weitere vermutliche Rauschgiftübergaben, die jedoch nicht konkret aufgeklärt werden konnten", stattgefunden (UA 18), und der Zeuge Pe. habe glaubhaft ausgesagt, insgesamt dreimal zum Rauschgiftkauf nach F. gefahren zu sein. In den ersten beiden Fällen vom 13. November 2012 und am 4. Dezember 2012 habe er das Rauschgift von dem Angeklagten H. im dritten Fall, wohl am 19. Januar 2013, von dem Angeklagten A. erhalten.
25
Solche Ausführungen belegen, dass die nur vermeintlich begangenen Rauschgiftgeschäfte nicht konkretisiert werden konnten; es bleibt demnach offen , ob, welche und wie viele Straftaten die Angeklagten über die hier abgeurteilten Taten hinaus noch begangen haben sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 - 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
26
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben. Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.