Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2019 - 1 StR 545/18

published on 09.10.2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2019 - 1 StR 545/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 545/18
vom
9. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2019:091019B1STR545.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2019 gemĂ€ĂŸ § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. Juni 2018 – soweit es ihn betrifft – mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch ĂŒber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurĂŒckverwiesen.

GrĂŒnde:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur BewĂ€hrung ausgesetzt hat. Der Angeklagte wendet sich mit VerfahrensrĂŒgen sowie der ausgefĂŒhrten SachrĂŒge gegen das Urteil.
2
Sein Rechtsmittel hat bereits mit der RĂŒge der Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens umfassenden Erfolg.
3
1. a) Der RĂŒge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Der Angeklagte hat die AnklagevorwĂŒrfe im Zwischenverfahren bestritten. Mit Beschluss vom 28. MĂ€rz 2018 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet. Auf Initiative des Vorsitzenden der Strafkammer hat am 17. April 2018 eine Vorbesprechung stattgefunden, an der die Verteidiger der Angeklagten, der zustĂ€ndige Staatsanwalt sowie der Vorsitzende und der Berichterstatter der Strafkammer teilgenommen haben. Der Vorsitzende hat zum Ablauf dieses GesprĂ€chs auszugsweise folgenden Vermerk niedergelegt, der das Geschehen zutreffend wiedergibt: „Der Vorsitzende erörterte anschließend kurz die Beweislage aus vorlĂ€ufiger Sicht der Kammer und machte dabei deutlich, dass ggf. nur wenige Zeugen zu hören sein könnten, da die AnklagevorwĂŒrfe in ganz erheblichem Umfang auf Urkunden gestĂŒtzt wĂŒrden. Im weiteren wurde seitens des Vorsitzenden dargelegt, dass bezĂŒglich aller drei Angeklagter besondere UmstĂ€nde vorliegen könnten, die aus Sicht der Kammer unter ZurĂŒckstellung gewisser Bedenken im Falle eines frĂŒhen und umfassenden GestĂ€ndnisses BewĂ€hrungsstrafen ermöglichen könnten. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklĂ€rte, dass unter diesen Voraussetzungen (frĂŒhe und umfassende GestĂ€ndnisse) entsprechende Entscheidungen der Kammer voraussichtlich hingenommen wĂŒrden. Auf Frage von Rechtsanwalt M. (der Verteidiger des Angeklagten F. ), ob eine formelle VerstĂ€ndigung nach Maßgabe des § 257c StPO in Betracht kĂ€me, erwiderte sowohl der Vorsitzende als auch Oberstaatsanwalt B. , dass sich eine solche Verfahrensweise vorliegend nicht anbiete. Der Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang insbesondere auf die aus seiner Sicht problematische PraktikabilitĂ€t des § 257c StPO hin und vertrat die Auffassung, dass Erörterungen im Rahmen der §§ 202a, 257b StPO vorzugswĂŒrdig seien. Die drei Verteidiger teilen mit, dass sie ihre Erkenntnisse aus der Vorbesprechung mit ihrem Mandanten erörtern wĂŒrden.“
5
Am ersten Sitzungstag der Hauptverhandlung, am 18. Mai 2018 hat der Vorsitzende nach der Verlesung des Anklagesatzes den Inhalt des VorgesprĂ€chs durch Verlesung des dargestellten Vermerks mitgeteilt. Nach Beleh- rung der Angeklagten ĂŒber ihre Aussagefreiheit hat der Angeklagte F. sein Verteidigungsverhalten geĂ€ndert und hat im Hinblick auf die zugesagte BewĂ€hrungsstrafe eingerĂ€umt, dass er es fĂŒr möglich gehalten habe, dass der Lieferant der H. GmbH die Umsatzsteuer fĂŒr die gehandelte Ware nicht abgefĂŒhrt habe.
6
Weder vor Abgabe der Einlassung noch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ist der Angeklagte gemĂ€ĂŸ § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden. Am letzten Sitzungstag der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende zu Protokoll festgestellt, dass keine VerstĂ€ndigung im Sinne des § 257c StPO stattgefunden habe.
7
b) Der Senat konnte sich anhand des Protokolls und des Vermerks im Freibeweisverfahren vom Gang des VorgesprĂ€chs und der Hauptverhandlung ĂŒberzeugen. Auf den – in der GegenerklĂ€rung der Staatsanwaltschaft unwidersprochen gebliebenen – Vortrag der Verteidigung, dass nach der Einlassung des Angeklagten eine Erörterung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darĂŒber stattgefunden habe, ob das GestĂ€ndnis „ausreichend“ sei, um ein vorsĂ€tzliches Handeln zu belegen, was der Vorsitzende nach Hinweis der Verteidigung auf ein GestĂ€ndnis im Sinne des ErörterungsgesprĂ€chs vom 17. April 2018 bejaht habe, wozu sich im Protokoll nur die Erörterung der „Sach- und Rechtslage“ sowie des weiteren „Prozedere“ findet, kam es nicht mehr an.
8
2. Danach beanstandet die Revision zurecht, dass der Angeklagte nicht nach § 257c Abs. 5 StPO ĂŒber die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die VerstĂ€ndigung belehrt worden ist. Denn eine VerstĂ€ndigung ist regelmĂ€ĂŸig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO ĂŒber deren nur eingeschrĂ€nkte Bindungs- wirkung fĂŒr das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. MĂ€rz 2013 – 2 BvR 2883/10 u.a., Rn. 99, BVerfGE 133, 168, 237; BGH, BeschlĂŒsse vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16; vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14 mwN und vom 25. MĂ€rz 2015 – 5 StR 82/15). Angesichts des gerichtlich unterbreiteten VerstĂ€ndigungsvorschlags ist eine solche Belehrungspflicht ausgelöst , aber rechtsfehlerhaft nicht erfĂŒllt worden.
9
a) Ob ein VerstĂ€ndigungsvorschlag vorliegt, bestimmt sich nach dem sachlichen Gehalt der GesprĂ€chsinhalte und ist nicht abhĂ€ngig von der EinschĂ€tzung durch Vorsitzenden und Staatsanwalt, die diesbezĂŒglichen Verfahrensregelungen seien nicht praktikabel. Steht der Sache nach eine VerstĂ€ndigung inmitten, ist die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Sicherungen nicht disponibel.
10
b) Die am 17. April 2018 stattgefundene Vorbesprechung stellt eine verstĂ€ndigungsbezogene Erörterung dar. Hiervon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld der Hauptverhandlung gefĂŒhrten GesprĂ€chen ausdrĂŒcklich oder konkludent die Möglichkeit und die UmstĂ€nde einer VerstĂ€ndigung im Raum stehen. Dies wiederum ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (BGH, Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14 mwN und vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16). Abzugrenzen sind solche Erörterungen, bei denen ein Verfahrensergebnis einerseits und ein prozessuales Verhalten des Angeklagten andererseits in ein GegenseitigkeitsverhĂ€ltnis im Sinne von Leistung und Gegenleistung gesetzt werden, von sonstigen verfahrensfördernden GesprĂ€chen, die nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung abzielen (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15).
11
Da in dem VorgesprĂ€ch BewĂ€hrungsstrafen von einem prozessualen Verhalten des Angeklagten, nĂ€mlich einem frĂŒhen und umfassenden GestĂ€ndnis , abhĂ€ngig gemacht worden sind, liegt ein solches GegenseitigkeitsverhĂ€ltnis vor. Wegen des vom Vorsitzenden dabei durch die sprachliche VerknĂŒpfung „im Falle“ unzweideutig hergestellten Konnexes zwischen dem GestĂ€ndnis und der BewĂ€hrungsstrafe handelt es sich auch nicht um einen bloßen Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines GestĂ€ndnisses oder die Offenlegung der voraussichtlichen Straferwartung (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. MĂ€rz 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 228; BGH aaO). Durch die Betonung, dass die BewĂ€hrungsstrafen „unter ZurĂŒckstellung von gewissen Bedenken“ möglich seien, ist die Anreizwirkung fĂŒr das als Gegenleistung geforderte prozessuale Verhalten zusĂ€tzlich erhöht worden.
12
c) Der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist der Vorsitzende durch Verlesung seines Vermerks ĂŒber das GesprĂ€ch nachgekommen und hat dadurch dokumentiert, dass kein gĂ€nzlich informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben werden soll. Hierdurch hat er aber auch die in dem Vermerk enthaltene Zusage einer BewĂ€hrungsstrafe bei Ablegung eines GestĂ€ndnisses im Sinne eines VerstĂ€ndigungsvorschlags aktualisiert, da sie durch den Vorsitzenden – nunmehr fĂŒr den gesamten Spruchkörper – nicht zurĂŒckgenommen oder relativiert worden ist. Gleiches gilt fĂŒr den Oberstaatsanwalt. Daher musste der Angeklagte davon ausgehen, dass diese VerknĂŒpfung weiterhin gilt.
13
Angesichts des eindeutigen, wenn auch rechtlich verfehlten Hinweises des Vorsitzenden, dass es sich lediglich um eine Erörterung des Verfahrensstands nach § 257b StPO handele, sowie des Umstands, dass fĂŒr weitere Erörterungen wegen der bereits abschließenden Festlegung von Gericht und Staatsanwaltschaft keine Veranlassung bestand, musste der Angeklagte zudem davon ausgehen, dass sein Beitrag, das frĂŒhe und umfassende GestĂ€ndnis, nunmehr ohne Weiteres erfolgen mĂŒsste, wollte er die BewĂ€hrungsstrafe erhalten.
14
d) Das Gericht und die Staatsanwaltschaft haben durch ihr auf eine VerstĂ€ndigung abzielendes Verhalten eine besondere Anreiz- und Verlockungssituation geschaffen. Der hiermit einhergehenden GefĂ€hrdung der Selbstbelastungsfreiheit hĂ€tte durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden mĂŒssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. MĂ€rz 2013 – 2 BvR 2883/10 u.a., Rn. 99, BVerfGE 133, 168, 237). So hĂ€tte der Vorsitzende den Angeklagten bei Unterbreitung des VerstĂ€ndigungsvorschlages in der Hauptverhandlung ĂŒber die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die VerstĂ€ndigung belehren mĂŒssen (BGH, BeschlĂŒsse vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16; vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 425/18 und vom 8. November 2018 – 4 StR 268/18). Durch das Unterbleiben dieser Belehrung wurde der Angeklagte ĂŒber Bedeutung und Folgen seines Prozessverhaltens im Unklaren gelassen, was mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10).
15
Die Belehrungspflicht, mit der der Gesetzgeber die Fairness des VerstĂ€ndigungsverfahren und eine möglichst autonome Entscheidung des Angeklagten sichern wollte (BT-Drucks. 16/12310 S. 15; BVerfG aaO), wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass ein dem sachlichen Gehalt nach auf eine VerstĂ€ndigung zielender Vorschlag nicht als solcher benannt wird. Dies gilt zumal dann, wenn – wie hier – eine prozessual unzutreffende Einkleidung gewĂ€hlt wird, um als unpraktikabel erachtete Vorschriften zum Schutz des Angeklagten zu umgehen.
16
3. Der Senat kann die UrsĂ€chlichkeit des Belehrungsfehlers fĂŒr die gestĂ€ndige Einlassung nicht ausnahmsweise ausschließen.
17
Zwar ist mangels ausdrĂŒcklicher ZustimmungserklĂ€rung (vgl. BGH, BeschlĂŒsse vom 7. Dezember 2016 – 5 StR 39/16 und vom 23. Juli 2019 – 1 StR 169/19 mwN) keine formelle VerstĂ€ndigung zustande gekommen. Jedoch belegt der Verfahrensablauf das Vorbringen der Revision, dass das GestĂ€ndnis des Angeklagten erfolgte, um die Bedingung aus dem VerstĂ€ndigungsvorschlag zu erfĂŒllen.
18
Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer auf dieses GestĂ€ndnis die Verurteilung gestĂŒtzt. Konkrete Anhaltspunkte dafĂŒr, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen fĂŒr den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren , bestehen nicht (vgl. BGH, BeschlĂŒsse vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13; vom 21. MĂ€rz 2017 – 5 StR 73/17 und vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 425/18).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften ĂŒber die Einlegung der Revision oder die ĂŒber die Anbringung der RevisionsantrĂ€ge nicht fĂŒr beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulĂ€ssig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten FĂ€llen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden AbsĂ€tze ĂŒber den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verstĂ€ndigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberĂŒhrt. (2) Gegenstand dieser VerstĂ€

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und SachverstÀndigen erschienen sind. (

ErwÀgt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu mache
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published on 09.09.2021 17:29

Die VerstĂ€ndigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch ĂŒberhaupt einzuordnen ist. Die VerstĂ€ndigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten...
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Die VerstĂ€ndigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch ĂŒberhaupt einzuordnen ist. Die VerstĂ€ndigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten ĂŒber das Ergebnis des Verfahrens verstĂ€ndigt, § 257 c StPO. HĂ€ufigster Anwendungsfall dabei ist die Einigung ĂŒber das zu erwartende Strafmaß, d. h. die Rechtsfolge, im Falle dass der Angeklagte gestĂ€ndig ist.
 
PrimĂ€r dient dieses Institut natĂŒrlich dazu, Ressourcen zu schonen und damit Verfahren zu kĂŒrzen. Da die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“, also der Sachverhalt, so wie er sich wirklich abgespielt hat, Ziel eines jeden Strafverfahrens ist, darf die VerstĂ€ndigung die SachverhaltsaufklĂ€rung der Ermittlungsbehörden nicht verkĂŒrzen. Hier entsteht ein Dilemna zwischen der praktischen Notwendigkeit eines solchen Instituts und den extremen Bedenken, die gegen ein solches Institut sprechen; die VerfahrensgrundsĂ€tze werden durch einen solchen Deal nĂ€mlich nicht hinreichend bedacht. Das Verfahren wird hierdurch erheblich verkĂŒrzt und GrundsĂ€tze wie beispielsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz können nicht derartig eingehalten werden, wie unsere Verfassung das von uns eigentlich verlangt. 

Zum Zwecke der Transparenz wurden entsprechende Protokollierungspflichten in unserer Strafprozessordnung normiert, um die Absprache mit den VerfahrensgrundsĂ€tzen in Einklang zu bringen. Die EinfĂŒhrung der Norm des § 257 c StPO am 4. 08 2009 stellte damit eigentlich einen Fortschritt dar – vorher entsprach es der Regel, dass Gerichte eine sog. informelle Absprache durchfĂŒhrten, d. h. illegale Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung ohne jegliche Dokumentation. Problem hierbei ist, dass sich die Praxis seit EinfĂŒhrung des § 257 c StPO nicht an die ihr auferlegten Dokumentationspflichten hielt – das nennt das Bundesverfassungsgericht Vollzugsdefizit. Dies könnte dazu fĂŒhren, dass die Norm in ihrer Gesamtheit frĂŒher oder spĂ€ter nicht mehr verfassungsgemĂ€ĂŸ ist:
 
Im FrĂŒhjahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht nĂ€mlich, dass die Regelung zur VerstĂ€ndigung im Strafprozess – trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits – derzeit „noch nicht“ verfassungswidrig seien. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. In diesem Aufsatz möchte ich mich mit diesem Urteil auseinandersetzen. Es gilt als eines der wichtigsten Urteile des 21. Jahrhunderts zum Thema Strafprozessrecht.

2 BvR 2628/10 – Ein Überblick
Wie schon soeben erwĂ€hnt, setzte sich das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren damit auseinander, ob das VerstĂ€ndigungsgesetz in seiner Fassung mit der deutschen Verfassung in Einklang steht. Dies bejahte das höchstrichterliche Gericht, verwies aber auf den Vollzugsdefizit und legte demnach dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Schutzmechanismen (damit ist die Transparenz richterlichen Handelns und die Protokollierungspflichten im Rahmen einer VerstĂ€ndigung gemeint) immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin zu ĂŒberprĂŒfen sowie bei Gelegenheit nachzubessern.

Wie steht es mit den VerfahrensgrundsÀtzen?
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil der Reihe nach auf die wichtigen Verfahrensprinzipien ein, die im Rahmen einer VerstĂ€ndigung unbedingt Beachtung finden mĂŒssen:
Es beginnt mit dem Schuldgrundsatz, der sich aus der MenschenwĂŒrde (Art. 1 GG und Art. 2 I GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ableitet. Trotz einer Einigung ĂŒber das Strafmaß im Rahmen einer VerstĂ€ndigung bleibt es immer noch Ziel des Strafverfahrens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Ohne einen solchen lĂ€sst sich das materielle Schuldprinzip gar nicht realisieren – Die Strafe die der Verurteilte erhĂ€lt ist nĂ€mlich die Antwort auf seine persönliche Schuld! Auch das Institut der VerstĂ€ndigung kann einen solch wichtigen Verfahrensgrundsatz nicht lahmlegen.
Eine VerstĂ€ndigung kann damit niemals alleinige Urteilsgrundlage bilden, sondern das Gericht – muss wie sonst auch immer – hiervon ĂŒberzeugt sein, § 261 StPO. Vielmehr mĂŒssen verstĂ€ndigungsbasierte GestĂ€ndnisse auf ihre Richtigkeit ĂŒberprĂŒft werden (Verlinkung!).
 
Das Gericht weist auch darauf hin, dass der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren durch die VerstĂ€ndigung nach § 257 c StPO nicht verletzt wird. Ein solcher gewĂ€hrleistet das Recht eines jeden Beschuldigten, prozessuale Rechte wahrzunehmen sowie Übergriffe des Staates in einer angemessenen Art und Weise abwehren zu können. Wie dieses Verfahrensrecht ausgestaltet wird, liegt grundsĂ€tzlich in der Kompetenz des Gesetzgebers.
DarĂŒber schreibt das Gericht in seinem Urteil ĂŒber die Relevanz des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit und der Unschuldsvermutung, die im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GGverankert sind. Der Beschuldigte muss stets frei von jeglichem Zwang und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie er im Strafprozess gegen sich selbst mitwirken möchte. Er muss also nicht an seiner eigenen ÜberfĂŒhrung mitwirken.
 
Die genannten VerfahrensgrundsĂ€tze lassen natĂŒrlich Zweifel aufkommen, inwieweit das Institut der VerstĂ€ndigung denn ĂŒberhaupt mit diesen VerfahrensgrundsĂ€tzen in Einklang zu bringen ist. Außer Acht gelassen darf hierbei aber nicht, dass das VerstĂ€ndigungsgesetz vielmehr ein Versuch war, ein solches Institut mit der Verfassung in Einklang zu bringen, gerade weil es vorher der Praxis entsprach, eine solche ohne jegliche gesetzlich normierten Transparenzpflichten durchzufĂŒhren. Es entsprach also der Praxis einen solchen „Deal“ abzuschließen – und dies ohne RĂŒcksicht darauf, dass ein solches Handeln unsere Verfassung und vielmehr die prozessualen Rechte eines jeden Beschuldigten mit FĂŒĂŸen trat.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass das VerstĂ€ndigungsgesetz das Risiko aufweisen wĂŒrde, dass die Vorgaben, die uns die Verfassung an ein solches Institut vorschreibt, nur geringfĂŒgige Beachtung findet. Dies habe aber nicht zur Folge, dass es dem Gesetzgeber deshalb schlechthin verwehrt sei, eine solche Verfahrensvereinfachung dennoch grundsĂ€tzlich fĂŒr zulĂ€ssig zu erklĂ€ren. Indem der Gesetzgeber an das Institut der VerstĂ€ndigung gewisse gesetzliche Vorgaben schuf, hat er damit kein „konsensuales Verfahrensmodell“ zwischen Beschuldigtem und Gericht geschaffen, sondern vielmehr die VerstĂ€ndigung als eine Art „Fremdkörper“ in unsere geltende Strafprozessordnung integriert.

Wieso sind Transparenz und Dokumentation von solchen VerstĂ€ndigungen so wichtig? 
Solche Pflichten, die der Gesetzgeber der Praxis mit seinem § 257 c StPO aufgebĂŒrdet hat sind deshalb bedeutsam, da sie eine effektive Kontrolle durch Öffentlichkeit, Staatsanwaltschaft und durch das Rechtsmittelgericht gewĂ€hrt. Dadurch, dass die mit einer VerstĂ€ndigung verbundenen Handlungen umfassend in die öffentliche Hauptverhandlung einbezogen werden mĂŒssen, wird betont, dass sich auch bei dem Institut der VerstĂ€ndigung die richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben muss. Der Staatsanwaltschaft wird hier eine herausragende Rolle zugeschrieben, denn ihr kommt eine Kontrollfunktion zu. Sie ist dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer gesetzeswidrigen VerstĂ€ndigung zu verweigern und muss vielmehr Rechtsmittel gegen Urteil einlegen, die auf einer solchen VerstĂ€ndigung beruhen.

Bundesverfassungsgericht versetzt sich in die Lage des BGH und nennt RevisionsgrĂŒnde
Interessant ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass ein Verstoß gegen die Transparenz-und Dokumentationspflichten die Rechtswidrigkeit der VerstĂ€ndigung zur Folge hat. BehĂ€lt das Gericht die VerstĂ€ndigung dennoch bei, so stelle dies ein Revisionsgrund dar – ein Beruhen ließe sich also regelmĂ€ĂŸig nicht ausschließen.
 
Dasselbe gelte dann, wenn der Angeklagte nicht ĂŒber die Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann belehrt wird. Eine solche Belehrung soll nĂ€mlich den Angeklagten in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich ĂŒber seine Mitwirkung an der VerstĂ€ndigung schĂŒtzen.
 
Diese Passagen des Urteils lassen seine Leser freilich etwas grĂŒbeln – denn solche Vorgaben, die das höchstrichterliche Gericht hier tĂ€tigt, sind eigentlich solche, die allein der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz der Justiz auferlegen sollte; nicht hingegen das Bundesverfassungsgericht. Es ĂŒberschritt hier mithin seine Kompetenzen.

Über den Vollzugsdefizit
Nun zum Knackpunkt der Entscheidung:
Das VerstĂ€ndigungsgesetz sichere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in hinreichender Weise; der in erheblichen Maße defizitĂ€re Vollzug des VerstĂ€ndigungsgesetzes fĂŒhre derzeit noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
 
Was das Bundesverfassungsgericht kritisiert ist gar nicht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung vom 4.08.2009 selbst; es ist vielmehr die Praxis, die sich nicht an die ihr auferlegten Transparenz und Protokollierungspflichten hĂ€lt. Verfassungswidrig wĂ€re der Gesetzestext allein dann, wenn die Schutzmechanismen in einer Art und Weise lĂŒckenhaft wĂ€ren und damit (selbst gegen die Verfassung verstoßende) informelle Absprachen fördern wĂŒrden – die Norm soll solche illegalen Absprachen aber gerade verhindern indem sie strenge Anforderungen an ein solches Institut aufstellt.  Problem ist hier also vielmehr die Praxis, die das Gesetz nicht oder nicht richtig anwendet.
Als Hauptgrund fĂŒr den defizitĂ€ren Vollzug wird in der im Gutachten genannten empirischen Studie nicht der strukturelle MĂ€ngel des gesetzlichen Regelungskonzeptes, sondern vielmehr eine „fehlende Praxisuntauglichkeit“ genannt.

Was folgt?
Was schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht aus seinen ErwĂ€gungen? Was soll das ĂŒberhaupt bedeuten, das Gesetz ist „noch“ verfassungskonform, „Schuld“ sei vielmehr die Praxis? Das höchstrichterliche Gericht meint in seinen AusfĂŒhrungen, der Gesetzgeber mĂŒsse die weitere Entwicklung sorgfĂ€ltig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in derartiger Weise ĂŒber die normierten Regelungen hinwegsetzen, so sei es als Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, diese Fehlentwicklung durch Maßnahmen entgegenzutreten. Wenn dies unterbleibt, so trĂ€te „ein verfassungswidriger Zustand“ ein.
 
Diese BegrĂŒndung durch das Bundesverfassungsgericht wurde zu Recht in vielfacher Weise von der Literatur angegriffen. Und das aus vielerlei GrĂŒnden. Wieso? Der Senat legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Entwicklung sorgfĂ€ltig zu beobachten. Zwingend ist diese „Verschiebung“ aber nicht. Vielmehr hĂ€tte sich der Senat einer endgĂŒltigen Entscheidung nicht entziehen dĂŒrfen – je nachdem wie er den defizitĂ€ren Vollzug des VerstĂ€ndigungsgesetzes einschĂ€tzt (unabhĂ€ngig davon, dass ein solcher nicht aus einer SchutzlĂŒcke des Gesetzes entspringt) hĂ€tte er sich somit fĂŒr eine VerfassungsmĂ€ĂŸigkeit oder eben Verfassungswidrigkeit entscheiden können. Die Frage, wieso der Senat warten möchte, und vielmehr eine „vorĂŒbergehende Lösung“ der „Noch-VerfassungsmĂ€ĂŸigkeit“ einer endgĂŒltigen Entscheidung vorzieht, erschließt sich mir nicht.
 
Eine Frage habe ich mir außerdem noch gestellt: Was genau muss der Gesetzgeber jetzt tun? Schließlich ist es und bleibt es die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings vorgibt, dass das VerstĂ€ndigungsgesetz den verfassungsmĂ€ĂŸigen Anforderungen entspricht, so bleibt fĂŒr den Gesetzgeber unklar, wann und wie er zu handeln hat, wenn das Vollzugsdefizit in der Praxis keine Besserung erfĂ€hrt.

Dieses Urteil ist v. a. fĂŒr die Gerichte relevant. Es bringt zum Ausdruck, dass sie sich an die Formvorschriften der Strafprozessordnung halten mĂŒssen. Tun sie dies nicht, so trete ein rechtswidriger Zustand ein, der zeitgleich einen Revisionsgrund ablichtet. Ein solches hat natĂŒrlich auch eine erhebliche Relevanz fĂŒr den Beschuldigten - er ist als Subjekt des Strafprozesses besonders schĂŒtzenswert. Die VerfahrensgrundsĂ€tze unserer Strafprozessordnung mĂŒssen zu seinem Schutze Anwendung finden. 

published on 15.01.2014 00:00

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published on 09.10.2018 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften ĂŒber die Einlegung der Revision oder die ĂŒber die Anbringung der RevisionsantrĂ€ge nicht fĂŒr beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulĂ€ssig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begrĂŒnden ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig fĂŒr offensichtlich unbegrĂŒndet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den GrĂŒnden dem BeschwerdefĂŒhrer mit. Der BeschwerdefĂŒhrer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche GegenerklĂ€rung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig fĂŒr begrĂŒndet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es ĂŒber das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten FĂ€llen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden AbsĂ€tze ĂŒber den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verstĂ€ndigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberĂŒhrt.

(2) Gegenstand dieser VerstĂ€ndigung dĂŒrfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen BeschlĂŒsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder VerstĂ€ndigung soll ein GestĂ€ndnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dĂŒrfen nicht Gegenstand einer VerstĂ€ndigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die VerstĂ€ndigung haben könnte. Es kann dabei unter freier WĂŒrdigung aller UmstĂ€nde des Falles sowie der allgemeinen StrafzumessungserwĂ€gungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die VerstĂ€ndigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine VerstĂ€ndigung entfĂ€llt, wenn rechtlich oder tatsĂ€chlich bedeutsame UmstĂ€nde ĂŒbersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das GestĂ€ndnis des Angeklagten darf in diesen FĂ€llen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzĂŒglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist ĂŒber die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

ErwÀgt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten FĂ€llen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden AbsĂ€tze ĂŒber den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verstĂ€ndigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberĂŒhrt.

(2) Gegenstand dieser VerstĂ€ndigung dĂŒrfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen BeschlĂŒsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder VerstĂ€ndigung soll ein GestĂ€ndnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dĂŒrfen nicht Gegenstand einer VerstĂ€ndigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die VerstĂ€ndigung haben könnte. Es kann dabei unter freier WĂŒrdigung aller UmstĂ€nde des Falles sowie der allgemeinen StrafzumessungserwĂ€gungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die VerstĂ€ndigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine VerstĂ€ndigung entfĂ€llt, wenn rechtlich oder tatsĂ€chlich bedeutsame UmstĂ€nde ĂŒbersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das GestĂ€ndnis des Angeklagten darf in diesen FĂ€llen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzĂŒglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist ĂŒber die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und SachverstÀndigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten ĂŒber seine persönlichen VerhĂ€ltnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den FĂ€llen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den FĂ€llen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trĂ€gt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen WĂŒrdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung Ă€ußern. In den FĂ€llen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berĂŒcksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer VerstĂ€ndigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenĂŒber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu Ă€ußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhĂ€lt der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich lĂ€nger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten fĂŒr diesen eine ErklĂ€rung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere ErklĂ€rung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert wĂŒrde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie fĂŒr die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten FĂ€llen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden AbsĂ€tze ĂŒber den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verstĂ€ndigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberĂŒhrt.

(2) Gegenstand dieser VerstĂ€ndigung dĂŒrfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen BeschlĂŒsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder VerstĂ€ndigung soll ein GestĂ€ndnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dĂŒrfen nicht Gegenstand einer VerstĂ€ndigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die VerstĂ€ndigung haben könnte. Es kann dabei unter freier WĂŒrdigung aller UmstĂ€nde des Falles sowie der allgemeinen StrafzumessungserwĂ€gungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die VerstĂ€ndigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine VerstĂ€ndigung entfĂ€llt, wenn rechtlich oder tatsĂ€chlich bedeutsame UmstĂ€nde ĂŒbersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das GestĂ€ndnis des Angeklagten darf in diesen FĂ€llen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzĂŒglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist ĂŒber die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.