Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2019 - 1 StR 545/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Angeklagte wendet sich mit Verfahrensrügen sowie der ausgeführten Sachrüge gegen das Urteil.
- 2
- Sein Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens umfassenden Erfolg.
- 3
- 1. a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
- 4
- Der Angeklagte hat die Anklagevorwürfe im Zwischenverfahren bestritten. Mit Beschluss vom 28. März 2018 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet. Auf Initiative des Vorsitzenden der Strafkammer hat am 17. April 2018 eine Vorbesprechung stattgefunden, an der die Verteidiger der Angeklagten, der zuständige Staatsanwalt sowie der Vorsitzende und der Berichterstatter der Strafkammer teilgenommen haben. Der Vorsitzende hat zum Ablauf dieses Gesprächs auszugsweise folgenden Vermerk niedergelegt, der das Geschehen zutreffend wiedergibt: „Der Vorsitzende erörterte anschließend kurz die Beweislage aus vorläufiger Sicht der Kammer und machte dabei deutlich, dass ggf. nur wenige Zeugen zu hören sein könnten, da die Anklagevorwürfe in ganz erheblichem Umfang auf Urkunden gestützt würden. Im weiteren wurde seitens des Vorsitzenden dargelegt, dass bezüglich aller drei Angeklagter besondere Umstände vorliegen könnten, die aus Sicht der Kammer unter Zurückstellung gewisser Bedenken im Falle eines frühen und umfassenden Geständnisses Bewährungsstrafen ermöglichen könnten. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass unter diesen Voraussetzungen (frühe und umfassende Geständnisse) entsprechende Entscheidungen der Kammer voraussichtlich hingenommen würden. Auf Frage von Rechtsanwalt M. (der Verteidiger des Angeklagten F. ), ob eine formelle Verständigung nach Maßgabe des § 257c StPO in Betracht käme, erwiderte sowohl der Vorsitzende als auch Oberstaatsanwalt B. , dass sich eine solche Verfahrensweise vorliegend nicht anbiete. Der Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang insbesondere auf die aus seiner Sicht problematische Praktikabilität des § 257c StPO hin und vertrat die Auffassung, dass Erörterungen im Rahmen der §§ 202a, 257b StPO vorzugswürdig seien. Die drei Verteidiger teilen mit, dass sie ihre Erkenntnisse aus der Vorbesprechung mit ihrem Mandanten erörtern würden.“
- 5
- Am ersten Sitzungstag der Hauptverhandlung, am 18. Mai 2018 hat der Vorsitzende nach der Verlesung des Anklagesatzes den Inhalt des Vorgesprächs durch Verlesung des dargestellten Vermerks mitgeteilt. Nach Beleh- rung der Angeklagten über ihre Aussagefreiheit hat der Angeklagte F. sein Verteidigungsverhalten geändert und hat im Hinblick auf die zugesagte Bewährungsstrafe eingeräumt, dass er es für möglich gehalten habe, dass der Lieferant der H. GmbH die Umsatzsteuer für die gehandelte Ware nicht abgeführt habe.
- 6
- Weder vor Abgabe der Einlassung noch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ist der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden. Am letzten Sitzungstag der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende zu Protokoll festgestellt, dass keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO stattgefunden habe.
- 7
- b) Der Senat konnte sich anhand des Protokolls und des Vermerks im Freibeweisverfahren vom Gang des Vorgesprächs und der Hauptverhandlung überzeugen. Auf den – in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft unwidersprochen gebliebenen – Vortrag der Verteidigung, dass nach der Einlassung des Angeklagten eine Erörterung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darüber stattgefunden habe, ob das Geständnis „ausreichend“ sei, um ein vorsätzliches Handeln zu belegen, was der Vorsitzende nach Hinweis der Verteidigung auf ein Geständnis im Sinne des Erörterungsgesprächs vom 17. April 2018 bejaht habe, wozu sich im Protokoll nur die Erörterung der „Sach- und Rechtslage“ sowie des weiteren „Prozedere“ findet, kam es nicht mehr an.
- 8
- 2. Danach beanstandet die Revision zurecht, dass der Angeklagte nicht nach § 257c Abs. 5 StPO über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehrt worden ist. Denn eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungs- wirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2883/10 u.a., Rn. 99, BVerfGE 133, 168, 237; BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16; vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14 mwN und vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15). Angesichts des gerichtlich unterbreiteten Verständigungsvorschlags ist eine solche Belehrungspflicht ausgelöst , aber rechtsfehlerhaft nicht erfüllt worden.
- 9
- a) Ob ein Verständigungsvorschlag vorliegt, bestimmt sich nach dem sachlichen Gehalt der Gesprächsinhalte und ist nicht abhängig von der Einschätzung durch Vorsitzenden und Staatsanwalt, die diesbezüglichen Verfahrensregelungen seien nicht praktikabel. Steht der Sache nach eine Verständigung inmitten, ist die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Sicherungen nicht disponibel.
- 10
- b) Die am 17. April 2018 stattgefundene Vorbesprechung stellt eine verständigungsbezogene Erörterung dar. Hiervon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies wiederum ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (BGH, Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14 mwN und vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16). Abzugrenzen sind solche Erörterungen, bei denen ein Verfahrensergebnis einerseits und ein prozessuales Verhalten des Angeklagten andererseits in ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne von Leistung und Gegenleistung gesetzt werden, von sonstigen verfahrensfördernden Gesprächen, die nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung abzielen (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15).
- 11
- Da in dem Vorgespräch Bewährungsstrafen von einem prozessualen Verhalten des Angeklagten, nämlich einem frühen und umfassenden Geständnis , abhängig gemacht worden sind, liegt ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis vor. Wegen des vom Vorsitzenden dabei durch die sprachliche Verknüpfung „im Falle“ unzweideutig hergestellten Konnexes zwischen dem Geständnis und der Bewährungsstrafe handelt es sich auch nicht um einen bloßen Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses oder die Offenlegung der voraussichtlichen Straferwartung (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 228; BGH aaO). Durch die Betonung, dass die Bewährungsstrafen „unter Zurückstellung von gewissen Bedenken“ möglich seien, ist die Anreizwirkung für das als Gegenleistung geforderte prozessuale Verhalten zusätzlich erhöht worden.
- 12
- c) Der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist der Vorsitzende durch Verlesung seines Vermerks über das Gespräch nachgekommen und hat dadurch dokumentiert, dass kein gänzlich informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben werden soll. Hierdurch hat er aber auch die in dem Vermerk enthaltene Zusage einer Bewährungsstrafe bei Ablegung eines Geständnisses im Sinne eines Verständigungsvorschlags aktualisiert, da sie durch den Vorsitzenden – nunmehr für den gesamten Spruchkörper – nicht zurückgenommen oder relativiert worden ist. Gleiches gilt für den Oberstaatsanwalt. Daher musste der Angeklagte davon ausgehen, dass diese Verknüpfung weiterhin gilt.
- 13
- Angesichts des eindeutigen, wenn auch rechtlich verfehlten Hinweises des Vorsitzenden, dass es sich lediglich um eine Erörterung des Verfahrensstands nach § 257b StPO handele, sowie des Umstands, dass für weitere Erörterungen wegen der bereits abschließenden Festlegung von Gericht und Staatsanwaltschaft keine Veranlassung bestand, musste der Angeklagte zudem davon ausgehen, dass sein Beitrag, das frühe und umfassende Geständnis, nunmehr ohne Weiteres erfolgen müsste, wollte er die Bewährungsstrafe erhalten.
- 14
- d) Das Gericht und die Staatsanwaltschaft haben durch ihr auf eine Verständigung abzielendes Verhalten eine besondere Anreiz- und Verlockungssituation geschaffen. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit hätte durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2883/10 u.a., Rn. 99, BVerfGE 133, 168, 237). So hätte der Vorsitzende den Angeklagten bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages in der Hauptverhandlung über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen (BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16; vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 425/18 und vom 8. November 2018 – 4 StR 268/18). Durch das Unterbleiben dieser Belehrung wurde der Angeklagte über Bedeutung und Folgen seines Prozessverhaltens im Unklaren gelassen, was mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10).
- 15
- Die Belehrungspflicht, mit der der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahren und eine möglichst autonome Entscheidung des Angeklagten sichern wollte (BT-Drucks. 16/12310 S. 15; BVerfG aaO), wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass ein dem sachlichen Gehalt nach auf eine Verständigung zielender Vorschlag nicht als solcher benannt wird. Dies gilt zumal dann, wenn – wie hier – eine prozessual unzutreffende Einkleidung gewählt wird, um als unpraktikabel erachtete Vorschriften zum Schutz des Angeklagten zu umgehen.
- 16
- 3. Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für die geständige Einlassung nicht ausnahmsweise ausschließen.
- 17
- Zwar ist mangels ausdrücklicher Zustimmungserklärung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2016 – 5 StR 39/16 und vom 23. Juli 2019 – 1 StR 169/19 mwN) keine formelle Verständigung zustande gekommen. Jedoch belegt der Verfahrensablauf das Vorbringen der Revision, dass das Geständnis des Angeklagten erfolgte, um die Bedingung aus dem Verständigungsvorschlag zu erfüllen.
- 18
- Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer auf dieses Geständnis die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren , bestehen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13; vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17 und vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 425/18).
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.