Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2008 - 5 StR 597/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Große Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Die Große Strafkammer hat den Angeklagten und den Nichtrevidenten T. wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsentziehung“ schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten erkannt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
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- 1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund des Geständnisses des T. davon überzeugt, dass der Angeklagte Initiator und Mittäter eines am 4. Dezember 2006 ausgeführten Raubüberfalls auf eine Spielothek in Bremerhaven gewesen ist. Dabei hat das Landgericht widersprüchliche Äußerungen des T. zur Aufklärung der Tat – auch im Zusammenhang mit der Zahlung einer Belohnung – gewürdigt (UA S. 12 bis 17) und eine Bestätigung eines Teils der Angaben T. s in der Aussage des Zeugen N. gefunden, der „in seiner zweiten Vernehmung vor der Kammer die Treffen mit dem Angeklagten T. und dem Zeugen K. in dem Café D. bestätigt hat ebenso wie die Vereinbarung eines Termins mit dem Büro des Zeugen F. “ (UA S. 14).
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- 2. Die Revision macht in ihrer darauf bezogenen Verfahrensrüge zu Recht geltend, dass es sich bei dieser „zweiten Vernehmung vor der Kammer“ um eine audiovisuelle Zeugenvernehmung gehandelt hat, die indes ohne die gemäß § 247a Satz 1 StPO gebotene Anordnung durch die Strafkammer vorgenommen worden ist. Dies begründet vorliegend die Revision (§ 337 Abs. 1 StPO).
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- a) Die Rüge ist zulässig erhoben (vgl. BGHR StPO § 247a audiovisuelle Vernehmung 5 und 7). Den zur Ergänzung der Verfahrensrüge hier heranzuziehenden Urteilsausführungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.w.N.) ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Aussage des Zeugen N. aus dessen audiovisueller Vernehmung verwertet hat (UA S. 14).
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- Die Vorschriften der § 247a Satz 2 und § 336 Satz 2 StPO stehen der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen, wenn – wie hier – geltend gemacht wird, dass kein Beschluss zur audiovisuellen Zeugenvernehmung gefasst worden ist (vgl. BGHSt 45, 188, 197; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte
4).
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- b) Das Fehlen des Gerichtsbeschlusses gemäß § 247a Satz 1 StPO begründet vorliegend die Revision. Es ist für den Senat nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; Diemer in KK-StPO 5. Aufl. § 247a Rdn. 24). Insbesondere liegen die Voraussetzungen der durch die Vorschrift des § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO eröffneten Anwendungsvariante nicht vor. Der Angeklagte hat der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nicht zugestimmt (RB Rechtsanwalt R. S. 2). Damit kann nicht ausgeschlossen werden , dass bei gerichtlicher Überprüfung der dem im weiteren Sinn in die Tataufklärung verwickelten Zeugen hier amtsärztlich bescheinigten bloßen „situativen Sozialangststörung“ (RB aaO) keine audiovisuelle Vernehmung angeordnet worden wäre und dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 38). Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.
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- 3. Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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- Widersprüche zwischen den Aussagen des Mittäters und des Zeugen K. zur Aufklärung der Tat sind – zumal vor dem Hintergrund der auch von dem zur Tatzeit rauschgiftabhängigen Nichtrevidenten erheischten Belohnung – für die Glaubhaftigkeitsprüfung wesentlich. Sie bedürfen deshalb näherer Bewertung (vgl. BGH StV 2000, 243).
- 9
- Es wird bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben durch den Mittäter – auch im Falle übereinstimmender Tatschilderung durch das Tatopfer – der Gesichtspunkt zu bedenken sein, dass der Mittäter insoweit lediglich selbsterlebtes Tatgeschehen bekundet, aus dem sich für die Mitwirkung eines bestimmten Mittäters regelmäßig keine glaubhaftigkeitssteigernden Umstände ergeben (vgl. BGH StraFo 2007, 294 m.w.N.).
- 10
- Soweit die Große Strafkammer bisher eine den Angeklagten eher entlastende Aussage des Tatopfers mit unsicheren Angaben des Mitangeklagten zu Lasten des Angeklagten relativiert hat (UA S. 17), dürfte sie sich in ihrer Beweisführung von der gebotenen sicheren Tatsachengrundlage entfernt haben (vgl. BGH StV 2002, 235). In der neuen Beweiswürdigung wird es auch erforderlich sein, die Qualitätsmängel der Aussage des Mitangeklag- ten in einer Gesamtschau zu bewerten (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512 m.w.N.).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.
Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.