Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2011 - 5 StR 489/11

bei uns veröffentlicht am14.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 489/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. Juni 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; die Maßregelanordnung entfällt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Die Entscheidung über die Entschädigung der Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Leipzig vom 22. September 2010 wird aufgehoben. Die Angeklagte ist in dieser Sache sofort aus der einstweiligen Unterbringung zu entlassen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf der – im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangenen – gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die Revision der Angeklagten hebt derSenat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – die Unterbrin- gungsanordnung auf; diese entfällt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2006 an einer chronischen schizophrenen Psychose. Aufgrund dieser Erkrankung beging sie im Zustand der Schuldunfähigkeit folgende Taten:
3
Im Juni 2008 versetzte sie einer im Leipziger Hauptbahnhof beschäf- tigten Reinigungskraft einen „kräftigen Faustschlag“ in das Gesicht und warf später eine gefüllte Bierflasche, die sie zufällig im Bereich eines Abfallbehälters bemerkt hatte, „auf Hüfthöhe in Richtung der mehrere Meter entfernten Geschädigten“ (UA S. 8). Außerdem schlug sie mehrfach mit einem dünnen Kunststoffbeutel nach ihr, in dem sich verpackte Imbissgerichte befanden.
4
Im Januar 2009 beschmierte sie einen auf der Straße abgestellten Pkw im Bereich der Türgriffe mit Hundekot. Als sie von der Fahrzeugbesitzerin zur Rede gestellt wurde, beschimpfte sie diese, spuckte der ihr folgenden Frau ins Gesicht und schlug mit einer Lederhandtasche kräftig auf sie ein.
5
In beiden Fällen sah die Strafkammer den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) als nicht belegt an, sondern würdigte die Taten als vorsätzliche Körperverletzungen. Hinsichtlich des weiteren Anklagepunktes wurde die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Misshandlung oder Gesundheitsbeschädigung des betroffenen Zeugen nicht nachweisbar war.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat Rechtsfehler insoweit ergeben, als das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Diese hat keinen Bestand.
7
Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend Folgendes ausgeführt: „Die von der Angeklagten begangenen Taten siedeln allesamt im unte- ren Bereich der Kriminalität. Festgestellt sind ausnahmslos Beleidigungen und Körperverletzungshandlungen leichterer Art, deren Folgen in allen Fällen binnen Stunden, spätestens jedoch nach wenigen Tagen , vollständig abgeklungen waren. Soweit die Angeklagte dabei auf ihr zur Verfügung stehende Gegenstände zurückgegriffen hatte, handelte es sich jeweils entweder um solche Tatobjekte, die für sich genommen kaum geeignet waren, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (dünner Kunststoffbeutel mit verpackten Imbissgerichten, lederne Handtasche, mäßig heißer Tee), oder aber ihr Einsatz beschränkte sich auf solche Handlungen, die eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens von vornherein nicht erwarten ließen (Schlagen mit dünnem Imbissbeutel „seitwärts in Hüfthöhe“ – UAS. 16; [nicht ausschließbar leichter] Wurf einer gefüllten Bierflasche gegen die Hüfte des Opfers ohne Verursachung von Schmerzen oder Verletzungen – UA S. 15). Zwar hat sich das sachverständig beratene Landgericht – insoweit rechtsfehlerfrei – davon überzeugt, dass von der Angeklagten infolge ihres psychischen Zustands künftig weitere Rechtsverstöße zu erwarten sind, die nach Art und Schwere den festgestellten Taten entspre- chen. Eine Gefahr der Begehung „erheblicher rechtswidriger Taten“, das heißt die Wahrscheinlichkeit höheren Grades für schwere Störungen des Rechtsfriedens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 89/06 –, NStZ-RR 2006, 265; BGH, Urteil vom 27. Novem- ber 2008 – 3 StR 450/08 –, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 30), ist damit jedoch nicht belegt. An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass das Landgericht „kriminalprognostisch auch gravierende Körperverletzungsdelikte ge- mäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB“ (UA S. 21) für möglich hält. Dennder zur Begründung dieser Erwartung herangezogene Umstand, die Angeklagte habe bei Begehung der ihr vorgeworfenen Handlungen auch gefährliche Werkzeuge eingesetzt und auf mögliche Verletzungen ihrer Opfer keine Rücksicht genommen (UA S. 21), steht zu den eingangs dargelegten Feststellungen in einem unauflöslichen Widerspruch und ist deshalb von vornherein nicht geeignet, eine die Maßregelanordnung rechtfertigende Gefahrprognose zu stützen.“
8
3. Der Senat schließt aus, dass sich noch weitergehende Feststellungen zur Gefährlichkeit der Angeklagten treffen lassen. Er hebt daher den Maßregelausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel wegfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 4 StR 85/03, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Sachentscheidung 8).
9
4. Mit dem Maßregelausspruch ist auch die Grundlage für die einstweilige Unterbringung entfallen (§ 126a Abs. 2 Satz 1, § 126 Abs. 3 StPO).
10
5. Die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffende Entscheidung über eine Entschädigung der Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrisc

Strafprozeßordnung - StPO | § 126 Zuständigkeit für weitere gerichtliche Entscheidungen


(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, da

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 6 Versagung der Entschädigung


(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte 1. die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen

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Tenor 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. Oktober 2013 wird verworfen.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 85/03
vom
31. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 31. Mai 2005 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Oktober 2002 im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 75 Fällen, versuchten Betrugs und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 6. Juli 2004 (NJW 2004, 2686, zum Abdruck in BGHSt 49, 209 vorgesehen) die Revision des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, verworfen und die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten gegen die in dem angefochtenen Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten der Revisi-
on einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Mit Beschluß vom 26. August 2004 (NJW 2004, 3497) hat er dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlaßtat und Verkehrssicherheit besteht. Der Große Senat für Strafsachen hat mit Beschluß vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - in diesem Sinne entschieden. Danach setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.
2. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs käme beim Angeklagten die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür aus den Anlaßtaten erkennbar gewordenen Anknüpfungstatsachen die Überzeugung verschaffen könnte, daß der Angeklagte bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Für diese Prognose könnte es genügen, daß der Angeklagte im Zusammenhang mit den Anlaßtaten naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen mußte, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte, wobei auch sein in der einbezogenen Vorverurteilung gezeigtes Verhalten (riskante Fluchtfahrt aus Angst vor Entdeckung) zu berücksichtigen wäre. Insofern bedürfte es weiterer Aufklärung (vgl. BGH NStZ 2004, 86, 88 f. [Anfragebeschluß des Senats]).
Nachdem nunmehr seit Begehung der abgeurteilten Taten fast vier Jahre vergangen sind, ist es allerdings wenig wahrscheinlich, daß ergänzende, die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Tatsachen noch getroffen werden können. Jedenfalls erscheint es dem Senat ausgeschlossen, daß nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ein ursprünglicher Eignungsmangel noch im Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Entscheidung fortbesteht (vgl. hierzu BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4; Athing in MünchKomm StGB § 69 Rdn. 61 m.w.N.). Er hebt daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Maßregelausspruch auf und läßt die Maßregel entfallen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 5 entspr. StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte

1.
die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.

(2) Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.