Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 4 StR 47/14

bei uns veröffentlicht am10.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 47/14
vom
10. April 2014
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. Oktober 2013 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren davon abgesehen, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das – vom Generalbundesanwalt nicht vertretene – Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der nicht vorbestrafte jetzt 63 Jahre alte Beschuldigte lebt seit etwa 1989 obdachlos in L. . Seit vielen Jahren leidet er an einer mittlerweile chronisch gewordenen paranoiden Schizophrenie gemäß ICD-10 F 20.0 als führendem psychiatrischen Krankheitsbild und einem Alkoholabhängigkeitssyndrom gemäß ICD-10 F 10.2. Typische Symptome seiner Erkrankung sind ein halluzinatorisches Erleben, ausgeprägte formale Denkstörungen sowie Affektstörungen mit Reizbarkeit und Störungen der Impulskontrolle.
4
2. Im Jahr 2011 traf der Beschuldigte häufig auf die Zeugin S. W. , weil beide tagsüber in L. Passanten um Geld anbettelten. Am 4. April 2011 trat er der in seiner Nähe bettelnden Zeugin, die er vergeblich zum Weggehen aufgefordert hatte, mit seinem Turnschuh gegen das Kinn. Die Staatsanwaltschaft sah von einer Anklageerhebung ab und verwies die Zeugin auf den Privatklageweg. Am 29. Oktober 2011 packte der Beschuldigte die Zeugin an der Schulter, hielt sie fest und drückte sie gegen eine nahegelegene Hauswand. Die Zeugin war hiervon so überrascht und eingeschüchtert, dass sie trotz ihrer körperlichen Überlegenheit nicht in der Lage war, den nur 160 cm großen, stark alkoholisierten Beschuldigten abzuwehren. Der Beschuldigte küsste sie mehrfach auf den Mund, wobei er ihr auch seine Zunge in den Mund steckte. Die Zeugin versuchte dies abzuwenden, indem sie den Kopf wegdrehte , was ihr jedoch nicht gelang, weil der Beschuldigte ihren Kopf packte und zu sich drehte. Dann fasste der Beschuldigte der Zeugin mit einer Hand über der Kleidung an die Brust und drückte zu, so dass sie Schmerzen erlitt, während er sie mit der anderen Hand festhielt und weiter an die Hauswand drückte. Schließlich griff er der Zeugin mit einer Hand über der Kleidung in den Genitalbereich und drückte anschließend seinen Unterkörper in beischlafähnlichen Bewegungen gegen sie. Als die Zeugin um Hilfe rief und den Beschuldigten aufforderte von ihr abzulassen, lockerte er seinen Griff und es gelang ihr, sich ihm zu entwinden (Fall II.1).
5
Am 23. November 2012 warf der erheblich alkoholisierte Beschuldigte auf dem Theaterplatz in L. eine noch nicht geleerte Sektflasche mit einer seitlichen Ausholbewegung aus einer Entfernung von 7 bis 10 Metern in Richtung der Zeugen G. , Wi. und S. , die auf Parkbänken saßen und dort Bier tranken. Dabei nahm er billigend in Kauf, eine der Personen mit der Flasche zu verletzen. Der von dem Zeugen S. gewarnte Zeuge G. konnte mit einer schnellen Reaktion ausweichen, so dass ihn die Flasche knapp verfehlte (Fall II.2).
6
Am 23. März 2013 wurde der Beschuldigte an einer Straßenbahnhaltestelle von der Zeugin L. angesprochen, weil diese den Eindruck hatte, dass der stark betrunkene Beschuldigte hilfsbedürftig sei. Der Beschuldigte verkannte , dass ihm die Zeugin nur ihre Hilfe anbieten wollte und warf daraufhin ohne Wucht eine nahezu leere Glasflasche mit einem Volumen von 0,7 Liter nach ihr. Die Flasche traf die Zeugin am rechten Oberschenkel. Sie erlitt schnell wieder abklingende Schmerzen und eine vorübergehende Rötung (Fall II.4).
7
3. Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil der Zeugin W. vom 29. Oktober 2011 (Fall II.1) als sexuelle Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB, die Tat vom 23. November 2012 (Fall II.2) als versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, §§ 22, 23 StGB und die Tat vom 23. März 2013 (Fall II.4) als vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet. Die vorsätzliche Körperverletzung im Fall II.4 sei jedoch nicht verfolgbar, weil es an dem erforderlichen Strafantrag fehle und die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht bejaht habe. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB lägen nicht vor. Zwar sei die Steue- rungsfähigkeit des Beschuldigten bei allen Taten infolge der auf seine Erkrankung an einer paranoiden Schizophrenie zurückzuführenden Affektstörung und der jeweils hinzutretenden Alkoholisierung sicher aufgehoben gewesen, doch könne ihm die für eine Unterbringung erforderliche Gefahrenprognose nicht gestellt werden.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
9
1. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in der Hauptverhandlung oder nachträglich in der Revisionsbegründung bejaht hat oder wirksam bejahen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 5 StR 346/11, StraFo 2012, 67; Urteil vom 28. Oktober 1982 – 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132, 133 f.; Beschluss vom 15. Januar 1975 – 3 StR 312/74, Rn. 2; Urteil vom 3. Juli1964 – 2 StR 208/64, BGHSt 19, 377, 381). Da weitere verfolgbare Anlasstaten vorliegen , kommt dieser Frage keine entscheidungstragende Bedeutung zu.
10
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigende Gefährlichkeitsprognose verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
11
a) Gestützt auf das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen ist das Landgericht zu der Einschätzung gelangt, dass bei dem dauerhaft an einer schizophrenen Psychose erkrankten Beschuldigten mit sexuellen Übergriffen, wie gegenüber der Zeugin W. im Fall II.1, allenfalls bei einer entsprechen- den Vorbeziehung zu rechnen sei. Gegen die Wiederholung solcher Übergriffe spreche, dass der Beschuldigte grundsätzlich keinen Kontakt zu anderen Menschen suche, bislang nie sexuell auffällig geworden sei und auch gegenüber der Zeugin W. nach der Tat vom 29. Oktober 2011 keine Straftaten mehr begangen habe, obgleich er sich bis zu seiner Festnahme am 23. März 2013 mit ihr im selben Milieu bewegt habe. Unter diesen Umständen bestehe keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Annahme, dass der Beschuldigte künftig Sexualstraftaten wie im Fall II.1 begehen werde. Zudem bewege sich der Übergriff zum Nachteil der Zeugin W. im unteren (Grenz-)Bereich dessen , was als erhebliche Straftat im Sinne des § 63 StGB anzusehen sei.
12
Dagegen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschuldigte aufgrund seines Zustandes wieder Aggressionsdelikte begehen werde, die den hier verfahrensgegenständlichen Flaschenwürfen entsprechen. Bei der Bewertung der Erheblichkeit dieser Delikte müsse aber berücksichtigt werden, dass es im Fall II.4 nur zu geringfügigen Verletzungen und im Fall II.2 letztlich zu keinerlei Verletzungen gekommen sei.
13
b) Diese Ausführungen lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
14
aa) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist zeitlich unbefristet und für den Betroffenen daher besonders beschwerend. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76; Beschluss vom 13. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei kann sich – wie in der Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben , mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271, 272 mwN). In der Rechtsprechung ist aber ebenfalls anerkannt, dass selbst Verbrechen in Ausnahmefällen, etwa wenn sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes von der Allgemeinheit als eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen werden und überdies nur zu geringen Beeinträchtigungen des Tatopfers geführt haben, trotz ihres Deliktcharakters die in § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht zu begründen vermögen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304; Urteil vom 14. Februar 2001 – 3 StR 455/00, Rn. 6). Dies gilt auch für zu erwartende Vergehen aus dem Be- reich der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 – 1 StR 176/12; Beschluss vom 14. Dezember 2011 – 5 StR 489/11).
15
bb) Diese Grundsätze hat das Landgericht bei seiner Entscheidung beachtet.
16
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Auffassung des Landgerichts , die sexuelle Nötigung zum Nachteil der Zeugin W. (Fall II.1) liege im „unteren Grenzbereich“ dessen, was noch als erhebliche Straftat im Sinne des § 63 StGB angesehen werden kann, zu folgen ist. Denn das Landgericht ist mit rechtsfehlerfreien Erwägungen davon ausgegangen, dass bei dem Beschuldig- ten keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die künftige Begehung vergleichbarer Sexualdelikte besteht.
17
Soweit das Landgericht die von dem Beschuldigten mit „hoher Wahr- scheinlichkeit“ zu erwartenden Gewalt- und Aggressionsdelikte für nicht ausrei- chend erachtet hat, um eine Unterbringungsanordnung zu rechtfertigen, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dabei hat es seiner Beurteilung neben der für verfolgbar erachteten Anlasstat (Fall II.2) zutreffend auch die weiteren festgestellten Gewalttaten des Beschuldigten vom 4. April 2011 und 20. März 2013 (Fall II.4) zugrunde gelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 1995 – 4 StR 146/95, S. 4; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 514/05, NJW-RR 2006, 136 f.). Die mit Rücksicht auf die konkreten Tathandlungen und die ausgebliebenen (Fall II.2) oder nur geringen Verletzungsfolgen (Fall II.4) erfolgte Bewertung dieser Taten als nicht ausreichend erheblich ist rechtsfehlerfrei.

III.


18
Eine Entscheidung über eine Entschädigung des Beschuldigten nach § 8 StrEG hatte der Senat nicht zu treffen, weil er nicht selbst nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2008 – 3 StR 378/07, StraFo 2008, 266; Kunz, StrEG, 4. Aufl., § 8 Rn. 33) oder das Verfahren eingestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 1989 – 2 StR 564/88, BGHR StrEG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Verfahrenshindernis 1). Eine sofortige Beschwerde gegen das landgerichtliche Unterlassen einer Entschädigungsentscheidung wurde nicht erhoben.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
RiBGH Bender ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 6 Versagung der Entschädigung


(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte 1. die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

5 StR 346/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2011

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. Februar 2011 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Generalbundesanwalt konnte das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung hinsichtlich der in den Urteilsgründen Ziffer II.4 und II.5 abgeurteilten Fälle der Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 Abs. 1 StGB in der Revisionsinstanz noch wirksam bejahen. Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung vom 4. Januar 2011 gemäß § 265 StPO darauf hingewiesen, dass wegen der angeklagten Fälle der gefährlichen Körperverletzung jeweils auch eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung in Betracht komme. Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben die Verfahrensbeteiligten hierzu keine Stellungnahme abgegeben, so dass eine konkludente Verneinung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, an die der Generalbundesanwalt gebunden wäre, nicht vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1964 – 2 StR 208/64, BGHSt 19, 377, 381; Urteil vom 15. Januar 1975 – 3 StR 312/74, bei Dallinger MDR 1975,

367).


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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 594/13
vom
18. November 2013
in dem Straf- und Sicherungsverfahren
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten und Beschuldigten gegen das Urteil
des Landgerichts Freiburg vom 4. Juli 2013 wird als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten und Beschuldigten (nachfolgend: Beschuldigter) von den ihm im Strafverfahren vorgeworfenen Taten freigesprochen. Wegen dieser Taten und derjenigen, wegen derer das Sicherungsverfahren gegen ihn betrieben wird, hat es allerdings gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Den Vollzug der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt.
2
Der Unterbringung liegt die Begehung von insgesamt 14 rechtswidrigen Taten durch den Beschuldigten zugrunde. Bei diesen handelt es sich überwiegend um Beleidigungen und Bedrohungen (hier vor allem Drohungen mit der Tötung der Bedrohten) sowie in einem Fall (II.3. der Urteilsgründe) um eine vorsätzliche Körperverletzung und in einem weiteren Fall (II.9. der Urteilsgründe) um den Versuch einer gefährlichen Körperverletzung. Die Taten richteten sich in der Mehrzahl gegen Personen aus der Nachbarschaft des Beschuldigten.
3
Gegen das Urteil wendet sich die Revision des Beschuldigten, mit der er die näher ausgeführte Sachrüge erhebt.

II.


4
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Das Tatgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen der Maßregel gemäß § 63 StGB angenommen.
5
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf lediglich angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Begehung der Taten auf diesem Zustand beruht (BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12; vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304). Dabei muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte , einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (BGH jeweils aaO, siehe auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307).
6
a) Der Bestand des Urteils wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das sachverständig beratene Landgericht als Eingangsmerkmale gemäß §§ 20, 21 StGB entweder eine auf einer wahnhaften Störung (ICD-10: F22.0) oder einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.0) beruhende „andere schwere seelische Abartigkeit“ oder eine durcheine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0) bedingte „krankhafte seelische Störung“ angenommen hat. Zwar bedarf es grundsätzlich schon im Hinblick auf den symptomatischen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den Anlasstaten sowie deren Bedeutung im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose der Feststellung, welche Ursachen bei dem Beschuldigten zu welchem von §§ 20, 21 StGB erfassten Zustand geführt haben (siehe nur van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 37 und 45; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 2 StR 1/03, NStZ-RR 2003, 168). Ausnahmsweise kann jedoch auf eine zweifelsfreie Aufklärung verzichtet werden, wenn mehrere Störungen in Betracht kommen, die aber jeweils die Schuldfähigkeit des Täters sicher beeinträchtigen (vgl. BGH aaO). Allerdings muss der Tatrichter bei einer solchen Konstellation im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose jede der die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Ursachen auf ihre Bedeutung für die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters hin gesondert untersuchen (BGH aaO; siehe auch van Gemmeren aaO Rn. 45).
7
Beidem ist das Tatgericht noch gerecht geworden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils lässt sich entnehmen, dass die bei dem Beschuldigten vorliegende dauerhafte Erkrankung durch wahnhafte Fehlinterpretationen des Verhaltens Dritter, vor allem solcher aus seiner Nachbarschaft, ihm gegenüber geprägt ist (UA S. 18 und 21). Nach den getroffenen Feststellungen und den Ausführungen des Tatgerichts im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose bezieht der Beschuldigte an sich völlig neutrale Geschehnisse auf sich und fühlt sich aufgrund der krankheitsbedingten Fehleinordnung in seiner Person angegriffen (UA S. 21). Sein eigenes beleidigendes, Gewalttätigkeiten androhendes und in Einzelfällen auch tatsächlich gewalttätiges Verhalten bewertet er - wiederum krankheitsbedingt - als normale und angemessene Gegenreaktion auf das Verhalten insbesondere seiner Nachbarn, aber auch seiner Umwelt insgesamt (UA S. 18 und 21, 23). In Bezug auf dieses Krankheitsbild hat das Tatgericht auf der Grundlage rechtsfehlerfreier Feststellungen dargelegt, dass dieses entweder dem Eingangsmerkmal einer krankhaften seelischen Störung oder einer schweren seelischen Abartigkeit zuzuordnen und aufgrund der Erkrankung die Schuldfähigkeit des Beschuldigten zumindest erheblich beeinträchtigt ist. Eine weitere Aufklärung der Grunderkrankung, die möglicherweise eine sichere Zuweisung zu einem der beiden genannten Merkmale gemäß §§ 20, 21 StGB ermöglicht hätte, ist dem Tatgericht (auch) wegen der fehlenden Bereitschaft des Beschuldigten, sich für die Erstellung eines Gutachtens gesondert explorieren zu lassen, nicht möglich gewesen.
8
Das Urteil zeigt - wenn auch sehr knapp - trotz der fehlenden eindeutigen Klassifizierung der beschriebenen chronifizierten Grunderkrankung einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dieser und der Begehung der Anlasstaten auf. Sämtliche Anlasstaten seien auf die wahnhafte Fehlinterpretation der Verhaltensweisen seiner Umwelt sowie die völlig situationsunangemessene Reaktion des Beschuldigten als Beharren auf seinen vermeintlichen Rechten zurückzuführen (UA S. 20 f.). Das Tatgericht trägt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose dem Erfordernis Rechnung, angesichts der nicht eindeutigen Zuordnung des Krankheitszustandes des Beschuldigten die möglichen Ursachen der feststehenden Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit gesondert auf ihre Bedeutung für die zukünftige Gefährlichkeit zu untersuchen. Insoweit stellt es im Ergebnis ohne Rechtsfehler im Hinblick auf sämtliche in Betracht kommenden Einordnungen des Krankheitsbildes des Beschuldigten darauf ab, dass er we- gen der wahnbedingten Fehlwahrnehmung der Verhaltensweisen von Personen in seiner Umgebung deren Verhalten stets auf sich bezieht, von einem Angriff auf seine Rechte ausgeht und sich gegen die entsprechenden Personen mit Bedrohungen und - wegen der zugleich vorhandenen aggressiv-impulsiven Reaktionen - mit erheblichen Körperverletzungen „zur Wehr setzen“ wird.
9
b) Das Urteil bedarf auch nicht deshalb der Aufhebung, weil das Tatgericht festgestellt hat, aufgrund seines Zustandes sei bei dem Beschuldigten die Fähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, sicher erheblich vermindert gewesen, nicht ausschließbar sei dieser sogar unfähig gewesen, das Tatunrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (UA S. 11). Zwar kann im Grundsatz weder bei § 20 noch bei § 21 StGB offen bleiben, ob die jeweilige Anwendung auf der Aufhebung oder der erheblichen Beeinträchtigung der Einsichts- oder der Steuerungsfähigkeit beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1986 - 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304; LK-StGB/Schöch, 12. Aufl., § 20 Rn. 80; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 21 Rn. 5 mwN; zu einem Ausnahmefall kumulativen Fehlens von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167 f.). Es lässt sich hier jedoch wiederum dem Gesamtzusammenhang des Urteils unter Berücksichtigung der Erwägungen zur Gefährlichkeitsprognose noch entnehmen, dass das Tatgericht von einer sicher feststehenden erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit und von einer nicht ausschließbaren Aufhebung der Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Begehung der Anlasstaten ausgegangen ist (UA S. 18). Das Landgericht hat sich auf der Grundlage einer eigenständigen Überprüfung insoweit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, angesichts des durch die Wahnvorstellungen hervorgerufenen Realitätsverlustes sei eine Aufhebung des Realitätsbezuges nicht auszuschließen. Sollte ein solcher trotz der Wahnvorstellungen noch erhalten geblieben sein, bestehe sicher wegen der die Krankheit begleitenden psychotischen oder psychosenahen Handlungsantriebe eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. In der Gesamtschau lassen sich damit die für die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB notwendigen Feststellungen über die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten entnehmen.
10
2. Im Ergebnis tragen die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen auch die weiteren Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB, insbesondere die zukünftige Gefährlichkeit.
11
a) Soweit die Revision sich gegen die die Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose tragende Beweiswürdigung richtet, zeigt sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Oktober 2013 genannten zutreffenden Gründen keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Auch die Ausführungen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 8. November 2013 weisen keinen auf die lediglich erhobene Sachrüge hin zu berücksichtigenden Rechtsfehler aus.
12
b) Den Darlegungsanforderungen an die Gefährlichkeitsprognose wird ebenfalls genügt.
13
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf wegen der Schwere des mit ihr verbundenen Eingriffs lediglich angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 und vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht völlig ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH aaO).
14
Das Tatgericht hat den vorgenannten Maßstab berücksichtigt und im Ergebnis ohne Rechtsfehler näher dargelegt, warum nicht nur die mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Körperverletzungsdelikte, sondern auch die Bedrohungen, die in der Vergangenheit stets Todesdrohungen zum Inhalt gehabt haben, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechtsfriedens besorgen lassen. Zutreffend wird darauf verwiesen, dass die massiven Bedrohungen mit näher beschriebenen Tötungsarten nicht lediglich irreal seien, wie sich u.a. aus dem Einsatz gefährlicher Gegenstände wenigstens bei einer Anlasstat ableiten lässt.
15
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose hinreichend das Ausbleiben weiterer Anlasstaten seit der Entlassung des Beschuldigten aus der vorläufigen Unterbringung im Oktober 2011 berücksichtigt. Da nach der Überzeugung der Kammer dieser Umstand im Wesentlichen auf der bis März 2013 fortlaufend erfolgten ambulanten psychiatrischen Behandlung mit entsprechender, die Symptomatik dämpfender Medikation beruht, die zukünftig nicht ohne weiteres sicher gestellt werden kann, konnte sie ohne Rechtsfehler von der Gefahr zukünftiger erheblicher Straftaten des Beschuldigten ausgehen.
16
c) Der Gesamtzusammenhang des Urteils belegt auch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus.
17
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet bei der Anordnung (und der Vollstreckung) der Unterbringung gemäß § 63 StGB, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13; BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 220/13). Dementsprechend darf die Unterbringung nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300, 301; BGH aaO). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Beschuldigten und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH aaO).
18
Vorliegend hat sich das Tatgericht zwar auf die Bewertung beschränkt, die Unterbringung des Beschuldigten stehe nicht außer Verhältnis zu den von ihm zukünftig zu erwartenden Straftaten. Allerdings hat es sich, teils im Rahmen der Feststellungen zur Schuldfähigkeit, teils im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose , mit den im vorstehenden Absatz genannten Umständen befasst. Dabei hat das Landgericht jedenfalls im Zusammenhang mit den Darlegungen zur Aussetzung des Vollzugs der Unterbringung auch die Möglichkeiten der Einwirkungen auf den Beschuldigten erörtert.
Wahl Rothfuß Cirener
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 28. Juni 2005 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten der Angeklagten und zur Schuldfähigkeit bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die die Maßregelanordnung betreffende Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge im wesentlichen Erfolg. 1. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte, die wegen einer endogenen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie schuldunfähig ist, in
der Zeit zwischen April 2001 und Januar 2004 zehn mit Strafe bedrohte Handlungen begangen: Im Fall II. 1. gebrauchte sie eine von ihr zuvor verfälschte ärztliche Verordnung zur Krankenbeförderung; im Fall II. 2. erstellte sie unter falschem Namen ein Arztgutachten und reichte es im Rahmen ihres Betreuungsverfahrens bei Gericht ein; dem Fall II. 3. liegt ein Ladendiebstahl (Schaden 7,08 €) zugrunde; in den Fällen II. 4. bis 6. machte sie jeweils schriftlich gegenüber einem Unternehmen bzw. einem Arzt unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend und drohte "für den Fall der Nichtzahlung" mit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen und/oder mit der Erstattung einer Strafanzeige (Zahlungen erfolgten jeweils nicht); in zwei weiteren Fällen (II. 7. und 8.) erschlich sich die Angeklagte unter Vorlage verfälschter ärztlicher Verordnungen jeweils kostenlos die Beförderung mit einem Taxi (Schäden: 75,00 € und 110,00 €); in den Fällen II. 9. und 10. erhob sie gegen ihre Vermieterin und gegen einen Zahnarzt wiederum schriftlich unberechtigte Schadensersatzforderungen , wobei sie jeweils gerichtliche Schritte sowie Angriffe durch "brutale Schlägertypen" auf Leib und Leben der Geschädigten für den Fall androhte, daß die Forderungen nicht beglichen werden. Da von der Angeklagten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien, hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten, die seit 1999 bereits mehrfach, fast ausnahmslos wegen Betrugs zu Geldstrafen verurteilt worden war, in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Strafkammer ist dem Sachverständigen folgend zu der Auffassung gelangt, bei der Angeklagten komme es aufgrund ihres Krankheitsbildes vermehrt zu aggressiven Ausbrüchen gegenüber Personen, gegen die sie - krankheitsbedingt - Ansprüche zu haben glaubt. Die Schwelle der aggressiven Ausbrüche werde da-
bei immer niedriger und deren Intensität gefährlicher. Es bestehe ohne Behandlung die Gefahr, daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt verwirklichen , etwa Personen suchen und finden werde, die einen möglichen Auftrag zur Begehung von Körperverletzungsdelikten im Rahmen von Forderungseintreibungen annehmen würden (UA 19). 2. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert den Betroffenen außerordentlich. Deshalb darf diese Maßregel nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades - nicht nur die einfache Möglichkeit - neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, besteht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8 und 16; BGH NStZ 1995, 228 m.w.N.). Diese Voraussetzung des § 63 StGB ist bislang nicht ausreichend belegt. Das Landgericht hat zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose als Anlaßtaten lediglich die Fälle II. 4. bis 10. herangezogen, und dabei in erster Linie auf die Erpressungsdelikte abgestellt. Es hat dabei die Taten II. 9. und 10. rechtlich als versuchte räuberische Erpressungen gewertet. Zwar lassen sich jedenfalls diese beiden Taten ihrem Deliktstypus nach grundsätzlich nicht mehr, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, der Kleinkriminalität zurechnen (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 9). Das Landgericht hat es jedoch rechtsfehlerhaft unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, ob sich die versuchten Erpressungstaten im vorliegenden Fall trotz des Deliktscharakters der Sache nach lediglich als bloße Belästigungen darstellen, die eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB nicht rechtfertigen können. Eine diesbezügliche Erörterung hat sich hier aufgedrängt. Zwar erfuhr die Qualität der Drohung in den Fällen II. 9. und 10. gegenüber den vorausgegangenen Vorfällen eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in
eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in sämtlichen Erpressungsfällen den Geschädigten lediglich schriftlich, zur persönlichen Konfrontation zwischen der Angeklagten und den betroffenen Personen kam es in keinem Fall. In der Regel beließ es die Angeklagte bei einem Forderungsschreiben. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht, hätte es sich mit diesen Umständen auseinandergesetzt, die Frage der Erheblichkeit künftiger Straftaten der Angeklagten anders als geschehen, beurteilt hätte. Soweit das Landgericht, den Ausführungen der Sachverständigen folgend , im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose darauf abstellt, es stehe zu befürchten , daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt künftig verwirklichen werde, ist diese Annahme nicht mit Tatsachen belegt und begründet allenfalls die Möglichkeit, jedoch nicht die vom Gesetz geforderte hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher Straftaten. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen liegen durch Tatsachen belegte Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten, der früheren Straftaten oder außerhalb ihrer Straffälligkeit mit Aggressionshandlungen aufgefallen ist, nicht vor. Die Annahme des Landgerichts, es bestehe krankheitsbedingt die Gefahr, die Angeklagte könne ihre Drohungen künftig verwirklichen bzw. durch Dritte verwirklichen lassen, entbehrt vor diesem Hintergrund einer Tatsachengrundlage und stellt sich lediglich als Vermutung dar. Der Senat kann nicht ausschließen, daß der neue Tatrichter zum Werdegang der Angeklagten und insbesondere zu ihrer Entwicklung seit ihrer einstweiligen Unterbringung weitere Feststellungen treffen kann, die eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB rechtfertigen.
Die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen; sie können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, können getroffen werden. Tepperwien Kuckein Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 176/12
vom
8. Mai 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2012 beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, wobei die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Beschuldigten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils.

I.

2
Hinsichtlich der Anlasstaten, welche das Landgericht der Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB zugrunde gelegt hat, wurden folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Beschuldigte stand am 11. Januar 2011 gegen 20.30 Uhr im Bereich des Anwesens N. Straße in A. mitten unter vorbeifahrenden Autos lautstark schimpfend auf der Straße. Als der Geschädigte J. an dieser Stelle die Fahrbahn überquerte und dabei an dem Beschuldigten vorbei- ging, fiel der Beschuldigte den Geschädigten plötzlich an, warf ihn auf die Fahrbahn und schlug mit der Faust auf ihn ein. Hierbei erlitt der Geschädigte Schürfungen im Gesicht. Der Beschuldigte flüchtete. Der Geschädigte, welcher den Beschuldigten für „völlig durchgeknallt und betrunken“ hielt, ging ebenfalls weiter und stellte in der Folge auch keinen Strafantrag.
4
Nachdem von anderen Personen die Polizei gerufen worden war, verfolgten die eingetroffenen Beamten den Beschuldigten und stellten ihn. Aufgefordert , seinen Ausweis zu zeigen, entkleidete dieser sich vollständig und sagte gegenüber einem Polizeibeamten: „Such den Ausweis selber, du Arsch“. Als ihm daraufhin die vorläufige Festnahme erklärt wurde, rannte er weg, stürzte jedoch nach 30 bis 50 Metern „alleinbeteiligt“. Bei seinerFesselung wehrte er sich in der Folge ebenso wie bei der anschließenden Fahrt im Polizeiauto und einer nachfolgenden Blutentnahme auf dem Polizeirevier. Die beiden festnehmenden Polizisten erlitten leichte Verletzungen.

II.

5
Die Unterbringungsanordnung war aufzuheben, weil die Feststellungen des Landgerichts zur Anlasstat nicht präzise und sowohl Anlass als auch Umfang der Auseinandersetzung des Beschuldigten mit dem Geschädigten J. nicht näher festgestellt sind. Ebenso fehlen tragfähige Feststellungen zu den Verletzungen des Zeugen, so dass offen geblieben ist, ob diese in irgendeiner Weise erheblich waren. Insoweit ergibt sich auch aus dem Begriff „Schürfungen“ nichts Näheres.
6
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf der Verlesung der polizeilichen Aussage des Geschädigten J. , welcher der Ladung zur Hauptverhandlung nicht folgte. Diese sind aber insoweit unzureichend, als daraus nicht ersichtlich wird, wie im Einzelnen sich der Beschuldigte verhalten hat und ob es zu Äußerungen des Beschuldigten bei dem Zusammentreffen auf der Straße gekommen ist, welche sein Verhalten gekennzeichnet haben könnten. Ohne das Vorliegen solcher Äußerungen würde sich kaum erklären lassen, wie der Geschädigte zu seiner Feststellung ge- kommen ist, der Beschuldigte sei „völlig durchgeknallt und betrunken“ gewesen. Deshalb war es, da vor allem diese Tat Anlass für eine Unterbringungsanordnung sein könnte, unerlässlich, den Geschädigten nochmals - auch unter konkreter Androhung von Zwangsmitteln - zu laden und in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Es reichte daher nicht aus, dass sich die Kammer stattdessen ergänzend auf die Angaben des Beschuldigten stützte, welcher aber nur noch wusste, dass der Geschädigte „plötzlich dagestanden“ habe und er mit ihm auf den Boden gefallen sei, ohne aber den Grund hierfür zu erinnern. Danach habe er sich bei ihm entschuldigt und ihn wieder hochgehoben, bevor er weggerannt sei, weil er mit dem Eintreffen der Polizei gerechnet habe.
7
Diese nur fragmentarische Einlassung des Angeklagten ist zur Vervollständigung des Sachverhalts ungeeignet, weil sich daraus weder der Anlass der Auseinandersetzung noch die Erheblichkeit der vom Geschädigten erlittenen Verletzungen ergibt. Solcher Feststellungen bedarf es aber im Hinblick darauf , dass die Grenze für die Anwendbarkeit der Maßregel der Unterbringung nur dann überschritten ist, wenn es sich bei den zukünftig zu erwartenden Taten um solche handelt, die zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (BGH, Urteil vom 14. Februar 2001 - 3 StR 455/00). Sie wird nicht erreicht in Bagatellfällen (vgl. zur Abgrenzung BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 1992, 178; BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 2; § 63 Gefährlichkeit 16, 20, 22). Nachdem die Attacke des Beschuldigten für den Geschädigten offenbar weder Anlass gab, einen Strafantrag zu stellen, noch der Ladung zur Hauptverhand- lung Folge zu leisten, hätte sich die Strafkammer hiermit auseinandersetzen müssen.
8
Jedenfalls ist aufgrund der getroffenen Feststellungen eine Einordnung dieser ersten Tathandlung nicht möglich; denn es fehlen Ausführungen dazu, wie die vom Beschuldigten angewandte Gewalt konkret aussah. Die Formulie- rungen "fiel … den Geschädigten plötzlich an" und "warf ihn auf die Fahrbahn", und "schlug mit der Faust auf ihn ein" beschreiben die tatsächlich stattgefundenen Tätlichkeiten des Beschuldigten und deren Auswirkungen auf ihn nicht hinreichend , wobei die Feststellung von erlittenen "Schürfungen im Gesicht" eher auf weniger schwere bis geringfügige Verletzungen schließen lässt.
9
2. Hinsichtlich der sich anschließenden Tathandlungen bei der Festnahme des Beschuldigten finden sich ebenfalls keine aussagekräftigen Feststellungen zu den Verletzungen der Polizeibeamten, zumal die Kammer auch nicht ausgeführt hat, weshalb diese nur durch die spezielle Situation einer Festnahme entstandenen Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Offen geblieben ist auch, aus welchen Gründen dem Beschuldigten die vorläufige Festnahme erklärt wurde und weshalb es erforderlich war, ihn zu fesseln und auf das Revier zu verbringen.
10
3. Auf diese unzureichenden Feststellungen konnte die Prognose über die künftige Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht rechtsfehlerfrei gestützt werden, zumal seine bisherigen Taten offenbar auch nach Auffassung der Strafkammer nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind. Angesichts dessen wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben, eine die neuen Feststellungen berücksichtigende Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten vorzunehmen. Nicht ausreichend ist dabei allerdings, dass der Beschuldigte in Zukunft in eine ähnliche Konfliktlage kommen und dann versu- chen könnte, sich erneut einer Festnahme zu entziehen (BGH NStZ 2007, 29,

30).

Nack Rothfuß Hebenstreit Graf Jäger
5 StR 489/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. Juni 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; die Maßregelanordnung entfällt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Die Entscheidung über die Entschädigung der Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Leipzig vom 22. September 2010 wird aufgehoben. Die Angeklagte ist in dieser Sache sofort aus der einstweiligen Unterbringung zu entlassen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf der – im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangenen – gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die Revision der Angeklagten hebt derSenat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – die Unterbrin- gungsanordnung auf; diese entfällt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2006 an einer chronischen schizophrenen Psychose. Aufgrund dieser Erkrankung beging sie im Zustand der Schuldunfähigkeit folgende Taten:
3
Im Juni 2008 versetzte sie einer im Leipziger Hauptbahnhof beschäf- tigten Reinigungskraft einen „kräftigen Faustschlag“ in das Gesicht und warf später eine gefüllte Bierflasche, die sie zufällig im Bereich eines Abfallbehälters bemerkt hatte, „auf Hüfthöhe in Richtung der mehrere Meter entfernten Geschädigten“ (UA S. 8). Außerdem schlug sie mehrfach mit einem dünnen Kunststoffbeutel nach ihr, in dem sich verpackte Imbissgerichte befanden.
4
Im Januar 2009 beschmierte sie einen auf der Straße abgestellten Pkw im Bereich der Türgriffe mit Hundekot. Als sie von der Fahrzeugbesitzerin zur Rede gestellt wurde, beschimpfte sie diese, spuckte der ihr folgenden Frau ins Gesicht und schlug mit einer Lederhandtasche kräftig auf sie ein.
5
In beiden Fällen sah die Strafkammer den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) als nicht belegt an, sondern würdigte die Taten als vorsätzliche Körperverletzungen. Hinsichtlich des weiteren Anklagepunktes wurde die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Misshandlung oder Gesundheitsbeschädigung des betroffenen Zeugen nicht nachweisbar war.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat Rechtsfehler insoweit ergeben, als das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Diese hat keinen Bestand.
7
Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend Folgendes ausgeführt: „Die von der Angeklagten begangenen Taten siedeln allesamt im unte- ren Bereich der Kriminalität. Festgestellt sind ausnahmslos Beleidigungen und Körperverletzungshandlungen leichterer Art, deren Folgen in allen Fällen binnen Stunden, spätestens jedoch nach wenigen Tagen , vollständig abgeklungen waren. Soweit die Angeklagte dabei auf ihr zur Verfügung stehende Gegenstände zurückgegriffen hatte, handelte es sich jeweils entweder um solche Tatobjekte, die für sich genommen kaum geeignet waren, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (dünner Kunststoffbeutel mit verpackten Imbissgerichten, lederne Handtasche, mäßig heißer Tee), oder aber ihr Einsatz beschränkte sich auf solche Handlungen, die eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens von vornherein nicht erwarten ließen (Schlagen mit dünnem Imbissbeutel „seitwärts in Hüfthöhe“ – UAS. 16; [nicht ausschließbar leichter] Wurf einer gefüllten Bierflasche gegen die Hüfte des Opfers ohne Verursachung von Schmerzen oder Verletzungen – UA S. 15). Zwar hat sich das sachverständig beratene Landgericht – insoweit rechtsfehlerfrei – davon überzeugt, dass von der Angeklagten infolge ihres psychischen Zustands künftig weitere Rechtsverstöße zu erwarten sind, die nach Art und Schwere den festgestellten Taten entspre- chen. Eine Gefahr der Begehung „erheblicher rechtswidriger Taten“, das heißt die Wahrscheinlichkeit höheren Grades für schwere Störungen des Rechtsfriedens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 89/06 –, NStZ-RR 2006, 265; BGH, Urteil vom 27. Novem- ber 2008 – 3 StR 450/08 –, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 30), ist damit jedoch nicht belegt. An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass das Landgericht „kriminalprognostisch auch gravierende Körperverletzungsdelikte ge- mäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB“ (UA S. 21) für möglich hält. Dennder zur Begründung dieser Erwartung herangezogene Umstand, die Angeklagte habe bei Begehung der ihr vorgeworfenen Handlungen auch gefährliche Werkzeuge eingesetzt und auf mögliche Verletzungen ihrer Opfer keine Rücksicht genommen (UA S. 21), steht zu den eingangs dargelegten Feststellungen in einem unauflöslichen Widerspruch und ist deshalb von vornherein nicht geeignet, eine die Maßregelanordnung rechtfertigende Gefahrprognose zu stützen.“
8
3. Der Senat schließt aus, dass sich noch weitergehende Feststellungen zur Gefährlichkeit der Angeklagten treffen lassen. Er hebt daher den Maßregelausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel wegfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 4 StR 85/03, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Sachentscheidung 8).
9
4. Mit dem Maßregelausspruch ist auch die Grundlage für die einstweilige Unterbringung entfallen (§ 126a Abs. 2 Satz 1, § 126 Abs. 3 StPO).
10
5. Die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffende Entscheidung über eine Entschädigung der Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

5 StR 514/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 3. Juni 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, Betruges in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, wegen Körperverletzung, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung in zwei Fällen unter Einbeziehung anderweitig verhängter Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten bleibt – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. November 2005 zutreffend ausgeführt hat – zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen erfolglos. Das Rechtsmittel führt aber zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
Zwar hat das Landgericht für die in eine von Oktober 1997 bis April 1999 begangene Betrugsserie eingebettete Anlasstat, einen erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung vom 11. Dezember 1998 zum Nachteil von zwei Betrugsopfern, mit nachvollziehbarer Begründung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Die für eine Maßregel nach § 63 StGB weiter erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades hinsichtlich neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; BGH NStZ-RR 2003, 232) wird aber mit der knappen Gesamtwürdigung des Landgerichts nicht belegt. Diese erfasst nicht die gesamte Persönlichkeit des Angeklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung (vgl. Tröndle /Fischer, StGB, 53. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.).
Das Landgericht hat die den mitgeteilten Verurteilungen des Angeklagten vom 23. Juni 2000, 15. August 2000, 20. Januar 2004 (jeweils Amtsgericht Goslar) und 5. Juli 2004 (Amtsgericht Braunschweig) zugrunde liegenden Taten nicht in die Würdigung mit einbezogen. Die durch die zahlreichen , vornehmlich an Angehörige von Strafverfolgungsbehörden gerichteten Schreiben des Angeklagten bewirkten Beleidigungen, Verleumdungen, Bedrohungen , versuchte Nötigungen und Körperverletzungen hätten aber – zumal bei überwiegend zugebilligter erheblich verminderter Schuldfähigkeit – Erkenntnismöglichkeiten darstellen können, die Aufschluss über einen etwaigen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem seelischen Zustand des Angeklagten und dessen – im Zeitpunkt der Hauptverhandlung eventuell auch verminderter – Gefährlichkeit hätten geben können. Darauf wäre die Sachaufklärung bei der hier lange zurückliegenden Anlasstat zu erstrecken gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 1995 – 4 StR 146/95).
Solches wird der neue Tatrichter vorzunehmen haben. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei der hier vorliegenden bloßen Lückenhaftigkeit der bisherigen Feststellungen nicht. Der neue Tatrichter wird im Rahmen der Prüfung, ob die Unterbringung erforderlich ist, auch berücksichtigen können, dass der Angeklagte sogar überwiegend uneingeschränkt schuldfähig gewesen ist, so dass gegen ihn als Mittel der Einwirkung vornehmlich die Strafe zur Verfügung gestanden hat (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16 m.w.N.).
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 378/07
vom
11. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
hier: Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Verurteilten am 11. März 2008 gemäß § 8 Abs. 1 StrEG

beschlossen:
Der Verurteilte ist für die in der Zeit vom 18. Dezember 2006 bis zum 19. Oktober 2007 vollzogene einstweilige Unterbringung nach § 275 a Abs. 5 StPO zu entschädigen.

Gründe:


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2007 das Urteil des Landgerichts Hannover, mit dem die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1 und 2 StGB angeordnet worden war, aufgehoben und ausgesprochen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung entfällt. Zugleich hat er den Unterbringungsbefehl aufgehoben und die sofortige Freilassung des Verurteilten angeordnet. Dieser ist am selben Tag aus der seit dem 18. Dezember 2006 vollzogenen einstweiligen Unterbringung nach § 275 a Abs. 5 StPO entlassen worden.
2
Die Voraussetzungen für den Ausspruch liegen vor. Die einstweilige Unterbringung nach § 275 a Abs. 5 StPO ist eine Strafverfolgungsmaßnahme nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrEG (OLG Düsseldorf JBl RP 2006, 38 = NStZ 2007, 56 [LS]; vgl. inzident auch BGH, Urt. vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 - insoweit in BGHSt 50, 284 nicht abgedruckt). Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Verpflichtung zur Entschädigung zuständig, weil er die das Verfahren abschließende Entscheidung getroffen hat. Weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind nicht mehr erforderlich. Umstände, die zum Ausschluss oder der Versagung der Entschädigung Anlass geben könnten, liegen nicht vor.
Becker Miebach Pfister Hubert Schäfer

(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte

1.
die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.

(2) Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.