Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 5 StR 251/12

bei uns veröffentlicht am28.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Unterbliebener Gerichtsbeschluss bei Widerspruch gegen die
Anordnung des Selbstleseverfahrens und Beruhen.
BGH, Beschluss vom 28. August 2012 – 5 StR 251/12
LG Dresden –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. August 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2012

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6. Dezember 2011 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Angeklagten V. und J. O. hat es jeweils wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen alle Angeklagten ist Wertersatzverfall angeordnet worden.
2
Die gegen dieses Urteil gerichteten, mit der Sachrüge und von A. zudem mit Verfahrensrügen begründeten Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur die auf die Verletzung des § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten A. .
3
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Nachdem der Vorsitzende zunächst bekannt gegeben hatte, dass beabsichtigt sei, bestimmte – in einer Liste im Einzelnen bezeichnete – Wortprotokolle der überwachten Telefongespräche sowie Observationsberichte im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung einzuführen, widersprach der Verteidiger des Angeklagten A. der beabsichtigten Einführung der Protokolle aus den Erkenntnissen der Telefonüberwachung und kündigte mit spezifischen Einwänden gegen deren Aufnahmequalität „für den Fall der Anordnung des Selbstleseverfahrens Widerspruch an“. Nachdem der Vorsitzende den Prozessbeteiligten eine weitere Liste der Urkunden überreicht hatte, deren Einführung im Selbstleseverfahren beabsichtigt war, widersprach ein weiterer Verteidiger im Folgetermin gemäß § 249 Abs. 2 StPO ausdrücklich der Einführung der im Einzelnen benannten Urkunden im Selbstleseverfahren.
5
Ohne die Widersprüche zu bescheiden, wurde dann mit den Prozessbeteiligten erörtert, welche Urkunden im Selbstleseverfahren eingeführt werden sollten. Anschließend wurde festgestellt, dass die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Gelegenheit hatten, die in den Anlagen näher bezeichneten Urkunden und Schriftstücke zu lesen. Die Schöffen und Berufsrichter erklärten ausdrücklich, dass sie diese Urkunden und Schriftstücke bereits gelesen hätten. Sodann erging die Verfügung des Vorsitzenden, dass hinsichtlich dieser Urkunden auf die Verlesung verzichtet und gemäß § 249 Abs. 2 StPO das Selbstleseverfahren angeordnet werde. Nachdem anschließend festgestellt worden war, dass der Angeklagte V. O. tatsächlich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, die Urkunden zu lesen, wurde die Aushändigung der Urkunden an ihn veranlasst. Im nächsten Hauptverhandlungstermin wiederholte der Vorsitzende die Feststellung und ordnete in der gleichen Weise wie bereits am vorangegangenen Verhandlungstag nochmals das Selbstleseverfahren an. Eine Entscheidung über den Widerspruch der Verteidigung des Angeklagten A. gegen die Durchführung des Selbstleseverfahrens erging bis zur Urteilsverkündung nicht.
6
2. Die zulässige Rüge hat in der Sache letztlich keinen Erfolg. Gegenstand dieser Rüge ist nicht etwa die Frage eines Vorrangs der Augenscheinseinnahme bezogen auf abgehörte Gespräche vor deren Einführung durch Urkundenverlesung, sondern allein die Art und Weise der Einführung durch Urkundenbeweis.
7
a) Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht einen Verstoß bei der Anordnung des Selbstleseverfahrens. Über den Widerspruch des Verteidigers ist nicht durch Gerichtsbeschluss entschieden worden. Dies war nach § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO geboten, und zwar ungeachtet dessen, dass der Widerspruch hier bereits vor der eigentlichen Vorsitzendenanordnung, indes nach deren ausdrücklicher Ankündigung erhoben worden ist. Dies gilt jedenfalls angesichts der strukturell allzu spät erst nach Feststellung der Selbstlesemodalitäten getroffenen ausdrücklichen Vorsitzendenanordnung.
8
Dass der klar und unbedingt, nicht etwa nur vorläufig erklärte und später ausweislich des Revisionsvorbringens weder in Frage gestellte noch gar zurückgenommene Widerspruch nach Erlass der schließlich allein vom Vorsitzenden getroffenen Anordnung des Selbstleseverfahrens nicht wiederholt worden ist, begründet bei dem hier gegebenen Verfahrensablauf nicht etwa einen Verlust der Revisionsrüge.
9
b) Der durch das Unterbleiben eines Gerichtsbeschlusses trotz Widerspruchs gegen die Anordnung des Selbstleseverfahrens begründete Verstoß gegen § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO kann grundsätzlich mit der Revision gerügt werden. Entgegen einer verbreiteten Ansicht im Schrifttum (vgl. etwa MeyerGoßner , StPO, 55. Aufl., § 249 Rn. 31; Mosbacher in LR-StPO, 26. Aufl., § 249 Rn. 110; Frister in SK-StPO, 4. Aufl., § 249 Rn. 116; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 7. Aufl., Rn. 2069) ist auch nicht regelmäßig auszu- schließen, dass das Urteil auf einem solchen Verstoß beruht. Vielmehr ist stets die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass aufgrund des Gerichtsbeschlusses vom Selbstleseverfahren Abstand genommen worden wäre. Da der gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO erhobene Widerspruch lediglich das Absehen von der Verlesung – mithin die Art der Beweiserhebung und nicht die Verwertung der Urkunden als solche – betrifft, ist mit dem Revisionsvortrag bei der Beruhensprüfung darauf abzustellen, ob ausgeschlossen werden kann, dass für den Fall alternativer Verlesung nach § 249 Abs. 1 StPO der in dem mangelhaft angeordneten Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden ein abweichendes Beweisergebnis denkbar wäre, und zwar namentlich infolge hierbei erhobener erheblicher Einwände von Verfahrensbeteiligten. Eine derartige Prüfung vermag nicht ohne weiteres stets einen Ausschluss des Beruhens des Urteils auf dem Verstoß zu rechtfertigen. Bereits aus dem unter anderem in §§ 250, 261, 264 StPO zum Ausdruck kommenden Prinzip der Mündlichkeit der Beweisaufnahme, das auch gewährleisten soll, dass der Prozessstoff den Beteiligten zur Kenntnis gebracht und zur Diskussion gestellt wird (vgl. hierzu etwa Pfeiffer/Hannich in KK-StPO, 6. Aufl., Einl. Rn. 8), lässt sich der Ausnahmecharakter des Selbstleseverfahrens – gegenüber dem Regelfall der Urkundenverlesung in der Hauptverhandlung gemäß § 249 Abs. 1 StPO – ableiten. Dieser findet in der speziell für das Selbstleseverfahren als besondere Form der Einführung von Urkunden geregelten Widerspruchsmöglichkeit und dem durch den Widerspruch begründeten Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses seinen gesetzlichen Ausdruck.
10
Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Verlesung jenseits prozessökonomischer Erwägungen die im Vergleich zum Selbstleseverfahren vorzugswürdige Methode der Einführung von Beweisstoff in die Hauptverhandlung darstellt. Dies dürfte letztlich auch der Vorstellung des historischen Gesetzgebers entsprechen. Zwar war das Selbstleseverfahren im Gesetzgebungsverfahren, wonach unter anderem die bis dahin geltende Voraussetzung des Verzichts aller Prozessbeteiligten auf die Urkundenverlesung gestrichen wurde, ur- sprünglich als gleichwertige Alternative zu der Verlesung in der Hauptverhandlung konzipiert (vgl. Regierungsentwurf BT-Drucks. 10/1313 S. 28). In der Begründung der dann Gesetz gewordenen Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, durch die die Widerspruchsmöglichkeit in den Entwurf eingebracht wurde, wird jedoch darauf abgestellt, dass „der Staatsanwalt- schaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger eine formalisierte Einflussnahme auf die Entscheidung darüber, ob von der Verlesung abgesehen wer- den soll, weiterhin ermöglicht werden sollte“ (BT-Drucks. 10/6592 S. 22). Mit der Einfügung des § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO in den ursprünglichen Entwurf hat der Gesetzgeber somit am Ausnahmecharakter des Selbstleseverfahrens festgehalten und einer mit ihm verbundenen gewissen Beeinträchtigung der Teilhaberechte von Verfahrensbeteiligten Rechnung getragen. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof schon zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Selbstleseverfahren potentielle Einbußen der Qualität des Urkundenbeweises verbunden sind, die der Gesetzgeber allerdings in Kauf genommen hat und die daher von den Verfahrensbeteiligten prinzipiell zu akzeptieren sind (BGH, Beschluss vom 14. September 2010 – 3 StR 131/10, Rn. 13, NStZ-RR 2011, 20).
11
Neben normativen Überlegungen streiten auch rein tatsächliche Erwägungen dafür, ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht von vornherein als ausgeschlossen anzusehen. Eine Verlesung in der Hauptverhandlung kann den Verfahrensbeteiligten eine Chance geben, eher zu erkennen, welchen Urkunden oder Urkundeninhalten das Gericht besondere Bedeutung beimisst. Insbesondere ergibt sich durch die Verlesung die Gelegenheit für Erörterungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einführung des jeweiligen Beweismittels (vgl. Krahl, GA 1998, 329, 336). Schwächen des Selbstleseverfahrens werden auch nicht etwa durch – jenseits des freilich in vielen Umfangsverfahren besonders wichtigen Gesichtspunkts der Prozessökonomie – denkbare Vorteile gegenüber dem Verlesen in der Hauptverhandlung ausgeglichen. Denn es bleibt neben den Richtern auch dem Staatsanwalt, dem Verteidiger und dem An- geklagten in der Regel unbenommen, in der Hauptverhandlung verlesene Urkunden selbst noch einmal zu lesen.
12
c) Im zu entscheidenden Fall kann gleichwohl ausgeschlossen werden , dass das Urteil auf dem gerügten Verstoß beruht. Dies kann zwar nicht schon daraus gefolgert werden, dass in der Revisionsbegründung nicht angegeben ist, in welcher Weise sich die Art der Beweiserhebung, also die Einführung der dem Urteil zugrunde liegenden Urkunden im Selbstleseverfahren statt durch Verlesung, auf das Beweisergebnis ausgewirkt hat und welche anderweitigen Erkenntnisse im Fall des Verlesens zu gewinnen gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 1 StR 587/09, Rn. 28, StV 2012, 74). In Anbetracht der im Urteil der Beweiswürdigung zugrunde gelegten Urkundeninhalte ist indessen nicht ansatzweise ersichtlich, wie eine Verlesung in der Hauptverhandlung zu einer anderen Bewertung der eingeführten Telefongespräche und Observationsberichte hätte führen sollen. Insbesondere angesichts der Vielzahl der aus diesen gewonnenen Indizien, für die es durchweg auf Formulierungsdetails nicht angekommen ist, ist nicht vorstellbar, dass diese seitens der Strafkammer nach Verlesung in der Hauptverhandlung anders als geschehen hätten bewertet werden können oder dass der Angeklagte durch Aufdeckung von Missverständnissen oder die Abgabe von entlastenden Erklärungen für das dokumentierte Verhalten die Schlussfolgerungen der Strafkammer ernsthaft hätte in Frage stellen können. Insoweit fällt zusätzlich ins Gewicht, dass die durch die im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden gewonnenen Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil durch Zeugenaussagen, im Fall II.4 der Urteilsgründe auch durch objektive Beweismittel maßgeblich gestützt werden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 250 Grundsatz der persönlichen Vernehmung


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(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

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Durch die Einführung des Selbstleseverfahrens hat der Gesetzgeber diese potentiellen Einbußen der Qualität des Urkundenbeweises in Kauf genommen. Dies ist von den Gerichten und den Verfahrensbeteiligten zu akzeptieren. Im Übrigen besteht aber auch bei dem Urkundsbeweis nach § 249 Abs. 1 StPO keine Gewähr dafür, dass die zur Urteilsfindung berufenen Gerichtspersonen der Verlesung - insbesondere bei der aufeinander folgenden Verlesung einer Vielzahl von Schriftstücken - immer mit der gebührenden Aufmerksamkeit folgen.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

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In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat: Von hier nicht einschlägigen Besonderheiten abgesehen, braucht eine Revisionsbegründung den ursächlichen Zusammenhang zwischen (behauptetem) Rechtsfehler und dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich darzulegen. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Revisionsgerichts, die Beruhensfrage von sich aus zu prüfen. Dies sollte jedoch gerade in Fällen, in denen die Möglichkeit eines Beruhens nicht leicht zu erkennen ist, den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, konkret darzulegen, warum aus seiner Sicht hier ein Beruhen möglich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 65 m.w.N.). Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass das Revisionsgericht trotz seiner umfassenden Überprüfung der Beruhensfrage eine in diesem Zusammenhang (doch) in Betracht zu ziehende Möglichkeit nicht erkennt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezieht (BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof gerade auch im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung von § 265 StPO wiederholt darauf hingewiesen, dass auch dem Revisionsvorbringen nichts zu entnehmen ist, was das (negative) Ergebnis seiner Beruhensprüfung in Frage stellen könne (vgl. z.B. BGHR StPO § 265 Abs.1 Hinweispflicht 9, 12; BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1994 - 2 StR 336/94; Beschl. vom 13. Juni 2007 - 2 StR 127/07).