Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2017 - 4 StR 565/16
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung freigesprochen. Zugleich hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von weiteren zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen trank der Angeklagte am 28. August 2014 zuhause Bier. Gegen 22.00 Uhr fuhr er mit seinem Pkw zu einer Tankstelle, um weiteres Bier zu kaufen. Dabei war ihm bekannt, dass er aufgrund vorangegan- genen Alkoholgenusses und des Konsums von Cannabis fahruntüchtig war. Schließlich fuhr er geradeaus über einen Kreisverkehr, wodurch sein Pkw beschädigt wurde und liegen blieb. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits von einer Polizeistreife mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt. Nachdem er einer Aufforderung der Polizeibeamten zum Verlassen seines Fahrzeugs keine Folge geleistet hatte, wurde er aus dem Fahrzeug gezogen und zur Durchführung weiterer Durchsuchungsmaßnahmen an das Auto gelehnt. In der Folge wurde der Angeklagte zunehmend aggressiver und musste deshalb gefesselt werden. Danach unternahm er mehrere Kopfstöße in Richtung eines Polizeibeamten, der diesen jedoch ausweichen konnte. Dabei beleidigte er den Beamten unter anderem mit den Worten „Scheißbulle“ und „Hurensohn“. Nachdem er in den Streifenwagen verbracht worden war, versuchte er erneut, den neben ihm sitzenden Polizeibeamten mit Kopfstößen zu treffen; außerdem wiederholte er ständig die bereits angeführten Beleidigungen.
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- Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte bei Tatbegehung aufgrund einer paranoiden Schizophrenie mit akuter psychotischer Symptomatik sowie einer Alkohol- und Cannabisintoxikation bei sekundärer Alkoholabhängigkeit und THC-Missbrauch schuldunfähig war.
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- 2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat keinen Bestand, weil die Urteilsgründe nicht belegen , dass zwischen der psychischen Erkrankung des Angeklagten und den Anlasstaten ein symptomatischer Zusammenhang besteht.
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- a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Dazu ist eine konkrete Darlegung erforderlich, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, insofern nicht abgedruckt in NStZ 2016, 747).
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- b) Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
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- Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen ausführt, dass der Angeklagte schon allein aufgrund der feststellbaren akuten Symptomatik der schizophrenen Psychose mit u.a. Wahnideen, Beobachtungsgefühlen und Denkstörungen nicht mehr in der Lage gewesen sei, zwischen der Fahrt und den ihm bekannten rechtlichen Vorgaben abzuwägen und sein Verhalten „ethisch zu kommentieren“, wird daraus nicht deutlich, ob und inwieweit bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt tatsächlich Wahnideen etc. vorhanden waren und wie sich diese auf seine Tatmotivation und seine Handlungsmöglichkeiten ausgewirkt haben. Der festgestellte Anlass für die Trunkenheitsfahrt (weiteres Bier kaufen) und die Situation im Zeitpunkt der Durchfahrt durch den Kreisverkehr (Verfolgung durch die Polizei) lassen eine psychotische Handlungsmotivation nicht erkennen. Auch die sich anschließenden Widerstandshandlungen und Beleidigungen enthalten für sich genommen keinen Hinweis auf ein psychotisches Erleben oder ein Verkennen der Situation; sie sind vielmehr ebenso gut normal-psychologisch erklärbar. Die weitere Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich krankheitsbedingt in seinem Auto am sichersten gefühlt, was zu dem zwanghaften Verhalten geführt habe, sich in das Auto zu setzen, ist für die konkrete Tatsituation nicht mit Tatsachen unterlegt und lässt sich mit der mitgeteilten Motivation für die Fahrt nicht in Einklang bringen.
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- 3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten mit aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, Rn. 12, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Damit verliert auch die Anordnung einer isolierten Sperrfrist gemäß §§ 69, 69a Abs. 1 Satz 3 StGB ihre Grundlage.
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- 4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
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- Sollte die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf der Grundlage des § 63 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 erneut in Betracht gezogen werden, wird hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen sein, dass Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne weiteres dem Bereich der erheblichen Straftaten zuzurechnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, 32). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicher- weise weniger gefährlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, Rn. 19).
Bender Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.