Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2015 - 4 StR 54/15

bei uns veröffentlicht am23.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR54/15
vom
23. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 23. September 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. August 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in neun Fällen und versuchter gewerbsmäßiger Bandenhehlerei schuldig gesprochen und zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils drei Jahren verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieben die Angeklagten seit März 2013 im Innenverhältnis gleichberechtigt eine Firma zum An- und Verkauf von Metall in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in B. . Spätestens Anfang November 2013 erkannten sie, dass ihre Geschäfte „auch“ Metallzum Gegenstand hatten, das rumänische Banden zuvor bei gewerbsmäßigen Diebstählen entwendet hatten, was sie billigten, um sich aus den Verkäufen eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu erschließen.
3
Den Verurteilungen liegen insgesamt neun Fälle zu Grunde, in denen die Angeklagten zwischen dem 2. November 2013 und dem 6. Januar 2014 in arbeitsteiligem Zusammenwirken zuvor von unbekannten Tätern entwendetes Buntmetall im Wert zwischen 5.000 € und 160.000 € erwarben, um es anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen (Fälle III. 1 bis 9 der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall wurde der Ankauf einer weiteren Menge von gestohlenem Buntmetall in der Nacht zum 5. Februar 2014 wegen des Erscheinens von Polizeibeamten auf dem Gelände des Betriebs der Angeklagten abgebrochen (Fall III. 10 der Urteilsgründe).

II.


4
Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand, da ihm insbesondere hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes der §§ 259 Abs. 1, 260a StGB eine tragfähige Beweisgrundlage fehlt. Da das Revisionsgericht dies schon auf Sachrüge hin zu beachten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170), kommt es auf die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen nicht an.
5
1. Wie sich der Tatrichter die hinreichende Überzeugung vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von ihm angewendeten Strafvorschriften verschafft, unterliegt seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO). In welchem Umfang er sie in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, Rn. 16). Das gilt regelmäßig auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Verurteilung auf Geständnissen der Angeklagten beruht. Der Tatrichter ist daher nicht gehindert, auf der Grundlage der vom Täter glaubhaft eingeräumten objektiven Tatumstände im Wege eines Indizschlusses auf das Vorliegen von Umständen zu schließen, die außerhalb seiner unmittelbaren Wahrnehmung liegen. So gibt es etwa keinen Rechtssatz des Inhalts, Feststellungen zu einem Irrtum beim Betrug könnten nicht auf der Grundlage geständiger Angaben des Täters getroffen werden (BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98; in der Tendenz differenzierend BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644; vgl. auch Senatsurteil vom 22. Mai 2014 aaO). Entsprechendes gilt für den im vorliegenden Fall herangezogenen Tatbestand der Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB), der neben der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern, das Vorliegen zumindest bedingten Vorsatzes auch in Bezug auf die Vortat im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB voraussetzt. Der Tatrichter muss aber in den Urteilsgründen darlegen, auf welcher Grundlage er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Täter es als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und sich wenigstens damit abgefunden hat, dass die jeweiligen Gegenstände durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat erlangt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. November 1999 – 4 StR 491/99, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 6; Beschluss vom 13. Novem- ber 2012 – 3 StR 364/12, NStZ-RR 2013, 78).
6
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
7
Die Urteilsausführungen zu den erhobenen Beweisen teilen lediglich mit, die getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen beruhten auf den Einlassun- gen der Angeklagten, „die ihre jeweiligen Taten in Einzelheiten glaubhaft, soweit sie Gegenstand ihrer Wahrnehmung waren, gestanden“ hätten. Die Ange- klagten hätten „kein Motiv, sich zu Unrecht zu belasten“. Dies allein vermag die Verurteilung der Angeklagten wegen Hehlerei hier nicht zu tragen.
8
Zwar ist die genaue Kenntnis des Hehlers von der Vortat nicht erforderlich ; es genügt vielmehr, dass dieser sich eine strafbare Handlung vorstellt, die als Vortat für eine Hehlerei prinzipiell geeignet ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2008 – 4 StR 443/07, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 9). Zu den entsprechenden Vorstellungen der Angeklagten, die von den Taten berichteten, soweit sie „Gegenstand ihrer Wahrnehmung waren“, verhält sich das Urteil je- doch nicht. Dazu hätte indes Anlass bestanden. Nach den Feststellungen kauf- ten die Angeklagten seit März 2013 „auch“ – d.h.nicht ausschließlich – Metall zur gewinnbringenden Weiterveräußerung an, das aus Diebstahlstaten Dritter stammte. Bewusst wurde ihnen dies Anfang November 2013. Es hätte daher der Darlegung bedurft, weshalb die Angeklagten in den der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen wussten oder es zumindest für möglich hielten und billigten, dass das in diesen Fällen angekaufte Metall aus Diebstahlstaten herrührte , zumal die Diebstahlstäter (mit Ausnahme des früheren Mitangeklagten M. im Fall III. 4. der Urteilsgründe) unbekannt geblieben sind. Da das Landgericht zum Inhalt der Geständnisse nichts mitteilt, ist dem Senat eine Überprüfung, ob die Feststellungen durch die Geständnisse hinreichend belegt werden, nicht möglich.

III.


9
Im Hinblick auf die von allen Angeklagten gerügte Verletzung verfahrensrechtlicher Bestimmungen über die Regelung der Verständigung bemerkt der Senat:
10
Ausweislich des von den Beschwerdeführern im Revisionsverfahren vorgelegten Vermerks des Vorsitzenden wurde in dem Gespräch zwischen den Kammermitgliedern und den Verteidigern nach Anklageerhebung und vor Eröffnung des Hauptverfahrens am 3. Juli 2014 eine „Übereinkunft“ über die in Betracht kommenden Rechtsfolgen im Falle von Geständnissen der Angeklagten erzielt, der die Staatsanwältin telefonisch zustimmte. In der neuen Hauptverhandlung wird der Vorsitzende daher gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht nur diesen Umstand, sondern auch den wesentlichen Inhalt der in die Übereinkunft mündenden Gespräche mitteilen müssen (zu den Anforderungen an eine solche Mitteilung und zum weiteren Verfahren vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 5 StR 255/15; SSW-StPO/Franke, 2. Aufl., § 243 Rn. 17 mwN). Ein bloßer Verweis auf den Vermerk vom 11. Juli 2014 in der Hauptverhandlung reicht für die erforderliche Mitteilung über den Inhalt dieser Gespräche und der Übereinkunft nicht aus.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 259 Hehlerei


(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu

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(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 265/13
vom
5. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. November 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, in weiterer Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und neun Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2
Das Landgericht hat seine Feststellungen zu der Tatbegehung durch den Angeklagten und zu den Einzelheiten des Geschehens auf die durch den Angeklagten erklärte Bestätigung der Richtigkeit des Vortrags seines Verteidigers zur Sache gestützt. Dadurch habe sich der Angeklagte so schwer belastet, dass die Strafkammer "keine weitere Veranlassung" gesehen habe, "das Geständnis auf eine unzutreffende Selbstbezichtigung hin" zu überprüfen. "Ausdrücklich offen blieb bei der Einlassung, ob und gegebenenfalls wer und wie sich weitere Personen an den Tatgeschehen in den Fällen 7 und 8 beteiligten oder sonst daran partizipierten, wobei der Angeklagte keinen Zweifel daran ließ, dass er aus Eigennutz die bestimmende Rolle - jeweils einem Alleintäter gleichkommend - einnahm". Die Beantwortung ergänzender Fragen durch die Strafkammer oder durch andere Verfahrensbeteiligte hatte der Angeklagte abgelehnt.

II.

3
Diese Ausführungen belegen, dass die Strafkammer sich ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft hat, was der Senat bereits auf die Sachrüge zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, StV 2013, 684).
4
Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgt im Strafprozess die Verpflichtung der Gerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1060). Die Amtsaufklärungspflicht darf schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden.
Es ist unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des verfügbaren Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte geständig gezeigt hat.
5
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Erkenntnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen nach diesem Maßstab gegen die hier vorliegende Ablehnung einer Geständnisüberprüfung durch die Strafkammer, die sie im Hinblick darauf erklärt hat, dass die anwaltliche Erklärung zur Sache "nach gemeinsamer Aufarbeitung der Anklagevorwürfe" mit dem Angeklagten erfolgt sei. Diese Vorgehensweise der Verteidigung außerhalb der Hauptverhandlung gestattet dem Gericht keine Nachprüfung der Gründe für die Einzeltaten der anwaltlich formulierten Sacheinlassung. Es genügt auch nicht, das Geständnis des Angeklagten durch bloßen Abgleich des Erklärungsinhalts mit der Aktenlage zu überprüfen, weil dies keine hinreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung darstellt (vgl. BVerfG, aaO, NJW 2013, 1058, 1063).
6
Da der Angeklagte auch keine ergänzenden Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung an ihn zugelassen hat, ist bereits ein wesentliches Mittel für die Geständnisüberprüfung, die dem Gericht im Hinblick auf seine Aufklärungspflicht nicht zur Disposition gestellt ist, entfal- len. Andere Mittel hat das Landgericht nicht genutzt. Dies wiegt hier umso schwerer, als gerade bei den schwersten Anklagevorwürfen ausdrücklich offen geblieben ist, ob und wie eine weitere Person an der Tatbegehung mitgewirkt hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

16
a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 261 Rn. 2a).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR314/14
vom
4. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 16. Oktober 2013 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: Den Angeklagten A. wegen Betruges in sechs tatmehrheitlichen Fällen sowie versuchten Betruges in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten M. wegen versuchten Betruges sowie zweier Fälle der Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Hiergegen wenden sich die jeweils mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierte der Angeklagte A. unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes verschiedene „An- rufwellen“ durch Call-Center, wobei eine erhebliche Anzahl der Angerufenen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht wurde, gegen Nachnahmezahlungen zwischen 75 und 97 Euro ein „Widerrufsschreiben“ zu erwerben , das der Abwehr von Ansprüchen ihrerseits betrügerisch agierender Gewinnspieleintragungsdienste und der Rückforderung bereits an diese gezahlter Geldbeträge dienen sollte. Zudem sorgte der Angeklagte A. dafür, dass an viele der durch die Anrufe zum telefonischen Vertragsschluss gebrachten Geschädigten weitere Schreiben gesandt wurden, in denen diese unter Vortäuschung offener Forderungen aus dem angeblich weiter bestehenden Vertragsverhältnis („2. Rechnung“, „Letzte Zahlungsaufforderung“ etc.) zur Zahlung von Beträgen in Höhe zwischen 59,95 und 91,80 Euro aufgefordert wurden. Zahlreiche der angeschriebenen Personen überwiesen die jeweils geforderten Beträge. Sämtliche Geldbeträge gingen auf Konten ein, über die der Angeklagte A. unmittelbar oder über Mittelsmänner verfügen konnte. Der Angeklagte M. beteiligte sich an zweien dieser Projekte (Beihilfefälle) und organisierte in einem Fall ohne den Angeklagten A. selbst eine Anrufaktion.
3
Im Einzelnen kam es auf die beschriebene Art und Weise zu folgenden Taten:
4
a) Im Rahmen des „Projekts Verbraucherangriff“ zahlten nach telefoni- scher Anwerbung für ein „Widerrufsschreiben“ 1.036 Personen per Nachnahme insgesamt 79.756 Euro. An 853 Personen wurde anschließend ein inhaltlich unzutreffendes Schreiben „2. Rechnung“ gesandt, woraufhin 152 Personen insgesamt 12.075 Euro zahlten. Auf ein weiteres Schreiben „Letzte Zahlungsaufforderung“ , das an 719 Personen verschickt wurde, zahlten 119 der Angeschriebenen insgesamt 10.924,20 Euro. An 671 Personen wurde im Rahmen dieses „Projekts“ noch eine unzutreffende „Rechnung 1.7.2011 – 31.12.2011“ versandt, woraufhin 62 Personen insgesamt 5.170 Euro überwiesen.
5
b) Bei dem „Projekt Deutsche Verbraucherberatung“ kam es 2010 nach der durchgeführten Anrufaktion zur Zahlung von insgesamt 12.192 Euro durch 140 telefonisch kontaktierte Personen für ein „Widerrufsschreiben“ per Nach- nahme. Im Jahr 2011 zahlten nach einer vom Angeklagten M. durchgeführten Telefonaktion 461 Personen insgesamt 41.029 Euro.
6
c) Im Rahmen des „Projekts Kundenschutz24“ erhielten 6.380 Personen, deren Daten sich der Angeklagte A. zuvor von dritter Seite beschafft hatte, ein inhaltlich unzutreffendes Schreiben „2. Rechnung“, woraufhin 1.147 Personen insgesamt 68.762,65 Euro überwiesen. Unter der Überschrift „Kundenschutz24 , Rechnung 1.7.2011 – 31.12.2011“ wurden zudem 10.062 Personen angeschrieben und zur Zahlung aufgefordert, woraufhin 648 Personen insgesamt 38.847,60 Euro zahlten.
7
2. Die Feststellungen zum Tatgeschehen hat das Landgericht insbesondere auf ein Teilgeständnis der Angeklagten, die Angaben weiterer nichtrevidierender Mitangeklagter, die Angaben des als Zeugen gehörten Mittäters K. , zahlreiche E-Mails und andere Urkunden, die Inhalte von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation der Beteiligten, die Angaben von „Mitarbeitern“ aus den Callcentern sowie auf die zeugenschaftlichen Äußerungen von angerufenen Kunden gestützt.
8
Ohne insoweit einen Zeugen gehört zu haben, hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass bei den übersandten falschen Rechnungen jeweils mindestens ein Kunde den geforderten Betrag überwiesen habe, weil er aufgrund der Rechnung irrig davon ausgegangen sei, er sei zur Zahlung verpflichtet. Hierfür hat das Landgericht folgende Gründe genannt: Es bestehe nach aller Lebenserfahrung ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass eine Person , der gegenüber eine Rechnung gestellt wird und die diese bezahlt, dies grundsätzlich nicht täte, wenn sie davon ausginge, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein. Zwar sei es durchaus möglich, dass im Einzelfall eine Person eine Rechnung nur bezahle, „um ihre Ruhe zu haben“, auch wenn sie davon ausge- he, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Es sei aber ausgeschlossen, dass jeweils alle Kunden aus diesem Grund gezahlt hätten, zumal die Rechnungs-/ Mahnschreiben nicht in hoher Frequenz zugesandt worden seien. Weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass zumindest vereinzelt Kunden die Rechnung gezahlt hätten, obwohl sie davon ausgingen, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Kunden irrtumsbedingt gezahlt hätten.
9
Auf den diesbezüglichen Vorsatz und die betrügerischen Absichten der Angeklagten hat das Landgericht aus dem äußeren Geschehensablauf, dem Auftreten unter Aliasnamen und aus dem Inhalt von überwachter Telekommunikation geschlossen.
10
3. Ausgehend hiervon hat das Landgericht die Organisation der „Anruf- wellen“ über Call-Center als drei Betrugsversuche des Angeklagten A. und einen Betrugsversuch des Angeklagten M. (in Form eines uneinheitlichen Organisationsdelikts) gewertet. Bezüglich der Versendung unzutreffender Rechnungen oder Mahnungen hat das Landgericht pro Aktion einen Fall des vollendeten Betruges angenommen, weil jeweils mindestens ein Kunde irrtumsbedingt gezahlt habe. Als Vollendungsschaden wurde in diesen Fällen nur ein geringer Betrag angesehen, im Rahmen der Strafzumessung indes negativ ge- wertet, dass sich der Vorsatz der Angeklagten auf hohe Schadensbeträge bezogen habe.

II.


11
Den Revisionen der Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.
12
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2014 ohne Erfolg. Der weitergehenden Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
13
a) Die Angeklagten beanstanden u.a. die Ablehnung mehrerer Beweisanträge als rechtsfehlerhaft, mit denen insbesondere beantragt worden war, sämt- liche Zeugen, „deren Namen und ladungsfähige Anschriften sich aus den Akten Sonderband Mail Boxes 0023 Band I Blatt 257 – 287 ergeben“ bzw. „deren Namen und ladungsfähige Anschriften sich aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Würzburg – Liste nach Seite 18 ergeben“ zu laden und in der Hauptverhandlung als Zeugen zu hören. Beweisthema war der Inhalt der jeweiligen Telefonate. Aus den Aussagen der Zeugen sollte sich ergeben, dass diese am Telefon wahrheitsgemäß informiert worden seien. Das Landgericht hat diese Anträge abgelehnt, indem Beweistatsachen teils als wahr unterstellt, teils als bedeutungslos angesehen wurden, teils wurde dem Antrag die Qualität als Be- weisantrag abgesprochen, weil der Beweisantrag „aufs Geratewohl“ gestellt worden sei oder es an der notwendigen Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel fehle. Ein weiterer, ergänzter Beweisantrag ähnlichen Inhalts wurde zudem wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt.
14
b) Die genannten Rügen entsprechen schon nicht den Formerfordernissen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind deshalb unzulässig. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen bei Verfahrensrügen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Dies hat so vollständig und genau zu geschehen , dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. Dabei genügt es nicht, Fundstellen in den Akten in Bezug zu nehmen , auch wenn es – wie hier – im Wortlaut eines Antrags geschieht. Vielmehr müssen solche Stellen, wenn sie für die Beurteilung der Rüge von Bedeutung sein können, in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Rechtfertigungsschrift wiedergegeben werden (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 5). Da für die Prüfung des Revisionsgerichts , ob ein formgerechter Beweisantrag vorliegt, die in den Anträgen in Bezug genommenen Aktenstellen entscheidend sind, in denen die Zeugen nach dem Beweisantrag mit Namen und ladungsfähiger Anschrift genannt sind, muss deren Inhalt im Rahmen der Beweisantragsrüge umfassend vorgetragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09, NStZ 2009, 649, 650; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Mai 2003 – 5 StR 120/03, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40).
15
c) Der Senat kann deshalb offenlassen, ob den Anträgen schon die Qualität als Beweisantrag fehlt, weil die Beweismittel durch einen Verweis auf andere Aktenstellen nicht hinreichend bezeichnet sein könnten. Grundsätzlich bedarf es bei Zeugen der Benennung von Name und ladungsfähiger Anschrift, wenn der Antragsteller – wie hier – dazu in der Lage ist (vgl. Becker in LöweRosenberg , 26. Aufl., § 244 Rn. 105; Dallmeyer in Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 106 ff., jeweils mwN). Indes hat die Rechtsprechung von diesem Grundsatz eine Ausnahme zugelassen, wenn alle Individua- lisierungsfaktoren dem Tatgericht eindeutig bekannt sind, etwa aus der Anklageschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09, NStZ 2009, 649 f.). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für das Tatgericht kein Zweifel über die Identität der benannten Beweismittel bestand, könnte es als bloße „Förmelei“ erscheinen, wenn man von dem Antragsteller über die konkre- te Benennung der Aktenstelle, aus der sich die Namen einer Vielzahl von Zeugen mit ladungsfähiger Anschrift eindeutig ergibt, das Kopieren zahlreicher Seiten und das Einfügen dieser Kopien in den Beweisantrag fordern würde.
16
2. Auch die jeweils erhobenen Sachrügen decken keine die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes :
17
a) Die Beweiswürdigung ist – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat – entgegen der Auffassung der Revisionsführer rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen, die das Landgericht zu Irrtum und irrtumsbedingter Vermögensverfügung der angeschriebenen Geschädigten in den Fällen des vollendeten Betruges getroffen hat.
18
aa) Der Bundesgerichtshof hat sich in den letzten Jahren in einer Reihe von Fällen mit der Frage beschäftigt, wie in (Massen-)Betrugsverfahren in tragfähiger Weise Feststellungen zum inneren Vorstellungsbild der getäuschten Personen getroffen werden können (vgl. aus sachlich-rechtlicher Perspektive BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198; Urteil vom 9. Juni 2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 697; Beschluss vom 22. Januar 2012 – 3 StR 285/11, wistra 2012, 315; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215; Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595; Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459; Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13; vgl. aus verfahrensrechtlicher Perspektive BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434 [insoweit in BGHSt 54, 44 nicht ab- gedruckt]; Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111 m. Anm. Allgayer; vgl. zur Beschränkung gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf des nur versuchten Betruges in vergleichbaren Fällen BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, 122; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459).
19
Für die Beweiswürdigung in derartigen Fällen gilt: Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist. In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvor- stellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen, wobei er dies im Urteil darzulegen hat (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215 f.).
20
bb) Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall getan. Es hat aus einer Reihe von Indizien den Schluss gezogen, dass mindestens einer der je- weils Angeschriebenen auf die inhaltlich unzutreffenden, als „Rechnung“ oder „Zahlungsaufforderung“ bezeichneten Schreiben in der irrigen Vorstellung ge- zahlt hat, er sei zur Zahlung des geforderten Geldbetrages aufgrund des (konkludent ) vorgespiegelten Vertragsinhalts verpflichtet. Vor dem Hintergrund, dass die Forderungen eine nicht unerhebliche Summe (deutlich über der Geringwertigkeitsgrenze von 25 Euro, vgl. Fischer, 61. Aufl., § 243 Rn. 25 mwN) betrafen und bei derartigen Beträgen jedenfalls grundsätzlich davon auszugehen ist, dass niemand eine so hohe angebliche Forderung bezahlt, von der er weiß, dass sie zu Unrecht erhoben wird, konnte die Strafkammer aus den erfolgten Zahlungen insgesamt den Schluss ziehen, dass mindestens eine von über 50 Personen irrtumsbedingt gezahlt hat. Die Schlussfolgerung des Landgerichts , dass jedenfalls nicht alle Geschädigten nur deshalb gezahlt haben, „um ihre Ruhe zu haben“, ist lebensnah und nachvollziehbarund deshalb vom Revisionsgericht nicht zu beanstanden. Die Erwägung eines solchen Zahlungsmotivs gewinnt bei unberechtigt übersandten Rechnungen und Mahnschreiben zwar an Gewicht, je niedriger der angeforderte Zahlbetrag und je stärker die Mahnfrequenz und Mahnintensität – und damit die nötigungsnahe Lästigkeit – ist. Bei Fällen wie dem vorliegenden (Zahlbetrag deutlich über 25 Euro, jeweils über 50 Geschädigte, keine hohe Aufforderungsfrequenz und -intensität) lässt die Annahme, mindestens eine dieser Personen habe irrtumsbedingt und nicht lästigkeitsbedingt verfügt, Rechtsfehler nicht erkennen.
21
cc) Ein Rechtsfehler liegt auch nicht darin, dass sich das Gericht zur Feststellung dieses Irrtums nicht auf die Aussage eines oder mehrerer Zeugen, sondern auf äußere Umstände und allgemeine Erfahrungssätze gestützt hat.
22
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Gericht in der Regel – vor allen Dingen bei einem normativ geprägten Vorstellungsbild der Geschädigten – auch lediglich aus Indizien auf einen Irrtum schließen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 mwN). Die Feststellung des Vorstellungsbildes geschädigter Personen beim Betrug folgt dabei keinen anderen Regeln als die Feststellung sonstiger innerer Tatsachen wie etwa des Vorsatzes beim Angeklagten. Auch dort ist der Schluss von äußeren Umständen auf eine innere Einstellung regelmäßig möglich und teilweise auch geboten (vgl. nur zum Tötungsvorsatz bei objektiv äußerst gefährlichen Gewalthandlungen BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Feste Beweisregeln für die Feststellung innerer Sachverhalte kennt das Gesetz weder hinsichtlich des Angeklagten noch hinsichtlich möglicher Geschädigter. Es gilt vielmehr – unabhängig vom Tatbestand – der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO).
23
Soweit in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs anklingt, Feststellungen zum Irrtum seien beim Betrug in aller Regel nur möglich, wenn die irrende Person oder bei Massenbetrugsfällen jedenfalls einige der Geschädigten ermittelt und als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459 f.), könnte der Senat dem nicht ohne weiteres folgen. Denn gerade bei einem normativ geprägten Vorstellungsbild wird der Schluss auf einen Irrtum des Verfügenden häufig allein auf tragfähige Indizien gestützt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216). Grundlage eines solchen Indizschlusses können auch äußere Umstände sein, die der Angeklagte glaubhaft gestanden hat, weshalb es keinen Rechtssatz des Inhalts gibt, Feststellungen zu einem Irrtum beim Betrug könnten nicht auf der Grundlage eines Geständnisses des Angeklagten getroffen werden (in diese Richtung aber wohl BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645; vgl. zu dieser Problematik auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460).
24
dd) In Massenbetrugsverfahren kann sich das Gericht seine Überzeugung von einem Irrtum vieler Geschädigter auch dadurch verschaffen, dass es einige der Geschädigten als Zeugen vernimmt (oder deren Aussagen auf andere Art und Weise in die Hauptverhandlung einführt) und aus deren Angaben zum Vorliegen eines Irrtums indiziell auf einen Irrtum bei anderen Geschädigten schließt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215; Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595; Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459).
25
b) Soweit es danach nahe gelegen hätte, die Angeklagten auch in den Fällen der Organisation einer „Anrufwelle“ jeweils wegen vollendeten Betruges zu verurteilen, sind sie durch die wenig nachvollziehbare Annahme bloßen Versuchs nicht beschwert.
26
c) Die Strafzumessung des Landgerichts ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es hat in den Vollendungsfällen jeweils zu Gunsten der Angeklagten gewürdigt , dass der Vollendungsschaden nur sehr gering war, zu ihren Lasten aber die Höhe des erstrebten unrechtmäßigen Vermögensvorteils. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 179). Weil in derartigen Fällen regelmäßig ein gegenüber dem Erfolgsunrecht besonders gesteigertes Handlungsunrecht vorliegt, ist es für die Strafzumessung nicht immer von entscheidender Bedeutung, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kommt oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch bleibt. Wenn die Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufweisen, dass es vom bloßen Zu- fall abhängt, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitert, kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (Senat, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 424).
Raum Rothfuß Graf
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 658/13
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen (Fälle II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , und wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von M. , die er kurz zuvor über eine Singleplattform im Internet kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen russischen Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch – mangels eigener Einkünfte – von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch M. finanzieren zu lassen.
4
Zu diesem Zweck „verschaffte er sich“ die Kreditkartendaten der Firmenkreditkarte der M. , benutzte diese Daten und ihren Namen und bestellte in insgesamt 29 im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen, „die er sich mangels eigener Mittel selbst nicht hätte leisten können“ (UA S. 7). Insechs Fällen bestätigte der Angeklagte zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der Lieferbelege mit dem Namen der Zeugin M. .
5
In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin M. und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma N. - eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95 €. Mangels ausreichender Deckung des Kontos hat das Unternehmen N. diesen Betrag nicht einziehen können.
6
b) Nach der Wertung des Landgerichts täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft. „Soweit eine Bestellung im Internet ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personenund Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenver- arbeitungsvorgang“ (UA S. 7).
7
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt: „Soweit in den Fällen 1-29 entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters, sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt worden sein sollte, wozu die Kammer keine … Feststellungen hat treffen kön- nen, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 StGB … erfüllt gewesen, den die Kammer jedoch … in gleicher Höhe bestraft hätte“ (UA S. 16).
8
2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.
9
a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zugrunde liegt, in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der Angeklagte jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des § 263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. über onlineBestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermittelten Daten jeweils „persönlich zubereitet“ werden mussten. Dieser Umstand stellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen II. b) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr feststellbaren Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.
10
b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend belegt , denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber Mitarbeitern der Internet-Versandanbieter fehlen (vgl. dazu : Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 Rdn. 119).
11
c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die Verfügenden einem Irrtum erlegen sind. Die Strafkammer hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen hat das Landgericht nicht ermittelt, weil es „als selbstverständlich anzusehen ist, dass die Mitarbeiter von Internet-Versandanbietern eine Bestellung … grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers und … im Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausfüh- ren“ (UA S. 14).
12
Den Feststellungen zu den Fällen II. b) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei Internet -Versandanbietern bestellt hat, so dass die Argumentation des Landgerichts bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.
13
In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzulegen , welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14, vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 und vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133 mwN); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. auch BGH, Urteile vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund , dass in den Fällen II. b) 3. bis 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe jeweils (mehrfach) nur ein Internet-Versandanbieter betroffen war, hätte sich gerade hier die Vernehmung von (wenigen) Zeugen aufgedrängt, zumal Feststellungen zum Irrtum von Versandmitarbeitern auch nicht aufgrund des – im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenen – Geständnisses des Angeklagten getroffen werden können.
14
d) Nicht nachvollziehbar dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rdn. 111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 2.956,87 €. Das Kreditkartenkonto der Zeugin M. wurde in den Fällen II. b) 1. bis 22. der Urteilsgründe in Höhe von 1.218,78 € belastet. „Diese musste den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung jedoch nicht endgültig tragen“ (UA S. 12).
15
Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (möglicherweise ) getäuschten Internet-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen zulässigerweise (vgl. dazu Fischer, aaO, Rdn.
82 ff.) einem geschädigten Dritten zuzurechnen sind. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei – möglicherweise – verschiedenen Beteiligten genügt nicht. Tatbestandserfüllend sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.
16
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird in diesem Zusammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in Müller-Gugenberger/Bieneck, aaO, § 49 Rdn. 61, 109 ff., 119 ff.; Fischer, StGB, 61. Auf., § 263a Rdn. 12a, 15 f., jeweils mwN). Gegebenenfalls wird zu erwägen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§ 269, 270 StGB strafbar gemacht hat.
17
e) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der – für sich genommen rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Urkundenfälschung in den Fällen II. b) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12 mwN).
18
3. Der Schuldspruch wegen Computerbetrugs im Fall II. b) 30. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a Rdn. 58 mwN). Das Unternehmen N. hat dadurch auch einen Schaden erlitten.
19
4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. b) 1. bis 29. der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich , wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StV 2011, 728 mwN). Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 364/12
vom
13. November 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1. und 4.: versuchter Hehlerei
zu 2. und 3.: Diebstahls
zu 5.: Hehlerei
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. a) Auf die Revisionen der Angeklagten B. , P. und S. wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 19. Dezember 2011, soweit es diese Angeklagten betrifft und sie verurteilt worden sind, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

b) Auf die Revisionen der Angeklagten A. und N. wird das vorbezeichnete Urteil bezüglich dieser Angeklagten im Fall B. II. der Urteilsgründe sowie im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

c) Im Umfang der jeweiligen Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten A. und N. werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. der Hehlerei, die Angeklagten P. und S. jeweils der versuchten Hehlerei sowie die Angeklagten A. und N. jeweils des Diebstahls "in einem besonders schweren Fall" (richtig: Diebstahls) in zwei Fällen schuldig gesprochen. Es hat gegen die Angeklagten B. und P. jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie gegen den Angeklagten S. eine solche von einem Jahr verhängt; die Vollstreckung dieser Strafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten A. und N. hat es jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Bezüglich mehrerer weiterer Tatvorwürfe hat es alle Angeklagten freigesprochen. Die Revisionen der Angeklagten B. , P. und S. haben mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts vollen Erfolg; auf die geltend gemachten Beanstandungen des Verfahrens kommt es deshalb nicht an. Die Rechtsmittel der Angeklagten A. und N. führen ebenfalls auf die Sachrüge zur Aufhebung der Verurteilung im Fall B. II. der Urteilsgründe (Fall L. ) sowie des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen bleiben sie, auch soweit sie auf Verfahrensrügen gestützt sind, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in der Sache ohne Erfolg.
2
I. Die Schuldsprüche gegen den Angeklagten B. wegen Hehlerei sowie die Angeklagten P. und S. wegen versuchter Hehlerei werden von den jeweils getroffenen Feststellungen nicht getragen.
3
1. Angeklagter B.
4
Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte B. 90 vom Gut Sch. durch insgesamt drei Taten gestohlene Solarmodule entweder an oder er verschaffte sie sich in sonstiger Weise, um sie für sich zu verwenden. Er baute die Module in eine Fotovoltaikanlage ein, die er auf dem Gelände seines Gartencenters in M. betrieb. Dabei war ihm bewusst, dass die Module "aus einer rechtswidrigen Tat" stammten.
5
Damit sind jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen des § 259 Abs. 1 StGB nicht belegt. Der Tatbestand der Hehlerei setzt neben der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern, den zumindest bedingten Vorsatz des Täters unter anderem dahin voraus, dass die Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat erlangt ist (BGH, Beschluss vom 23. November1999 - 4 StR 491/99, NStZ-RR 2000, 106). Hierzu zählen z.B. nicht der Versicherungsbetrug und der Versicherungsmissbrauch (§§ 263, 265 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2005 - 4 StR 453/04, NStZ 2005, 447, 448). Weder den getroffenen Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte B. bezüglich der Diebstähle oder einer sonstigen tauglichen Vortat zumindest bedingten Vorsatz hatte. Das allein festgestellte Bewusstsein, dass die Sache aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammt, genügt demgegenüber nicht.
6
2. Angeklagte P. und S.
7
Nach den Feststellungen waren die Angeklagten P. und S. im Begriff, Solarmodule, die zuvor gestohlen worden waren, aus einer Garage in einen Transporter zu laden. Sie wurden während dieser Tätigkeit festgenommen.
8
Hierdurch sind bereits die objektiven Voraussetzungen der § 259 Abs. 1, 3, §§ 22, 23 StGB nicht dargetan; insbesondere ist das unmittelbare Ansetzen zu einer der in § 259 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellten Tathandlungen nicht belegt. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten - ohne nähere Begründung - dahin gewürdigt, sie hätten versucht, die Module entweder sich selbst oder einem Dritten zu verschaffen. Dem kann nicht gefolgt werden. SichVerschaffen ist die Herstellung eigener Herrschaftsgewalt über die Sache im Einverständnis mit dem Vortäter. Der Hehler muss die Sache zur eigenen Verfügungsgewalt erlangen, so dass er über die Sache als eigene oder zu eigenen Zwecken verfügen kann und dies auch will (st. Rspr.; vgl. etwa schon BGH, Urteil vom 22. Juni 1960 - 2 StR 192/60, BGHSt 15, 53, 56 f.). Einem Dritten verschafft der Täter die Sache, wenn er z.B. die Diebesbeute unmittelbar vom Vortäter an den Dritterwerber vermittelt. Diese Voraussetzungen sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Die Urteilsgründe enthalten insbesondere keine Angaben zu den für die rechtliche Bewertung maßgebenden weiteren Umständen der Tat, etwa dazu, welchen Zweck die Angeklagten mit dem Einladen der Module in den Transporter verfolgten. So bleibt beispielsweise im Dunkeln, ob die Angeklagten möglicherweise lediglich dem Vortäter - unter Umständen dem Dieb - in der Absicht Hilfe leisteten, diesem die Vorteile der Tat zu sichern. In diesem Fall käme nicht eine Strafbarkeit wegen eines Hehlereidelikts, sondern gegebenenfalls wegen Begünstigung nach § 257 StGB in Betracht.
9
II. Die Verurteilung der Angeklagten A. und N. wegen Diebstahls im Fall B. II. der Urteilsgründe (Fall L. ) hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Feststellungen, wonach die Angeklagten vom Dach einer Schweinemastanlage 168 Solarmodule entwendeten, beruhen - auch eingedenk des im Revisionsverfahren eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) - auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
10
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten darauf gestützt, dass diese zur Tatzeit jeweils einen Transporter gemietet hatten, der zum Abtransport der Module erforderlich war. Dies steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Erwägungen der Strafkammer im Rahmen derjenigen Fälle, in denen sie die Angeklagten von weiteren Diebstahlsvorwürfen freigesprochen hat. Dort ist ausgeführt: "Namentlich reicht die bloße Anmietung eines Kleintransporters für die jeweilige Tatzeit ohne weitere Beweise oder Beweisanzeichen zum Tatnachweis nicht aus." Hinzu kommt, dass die Beweiswürdigung eine relevante Lücke enthält; denn die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, dass der Zeuge D. bezüglich des Kleintransporters Mercedes Benz Sprinter ein anderes Kennzeichen notierte, als das von dem Angeklagten A. angemietete Fahrzeug hatte. Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, dass sich aus den Feststellungen jedenfalls nicht ohne Weiteres ergibt, welche Variante des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB hier verwirklicht sein soll.
11
Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafen nach sich. Der Senat hebt darüber hinaus auch die Einzelstrafen auf, auf die das Landgericht im Fall B. III. der Urteilsgründe (Fall Q. ) erkannt hat, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen. Der Schuldspruch in diesem Fall hat indes Bestand; er wird von den Feststellungen getragen, die insoweit auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen.
12
III. Der Senat sieht Anlass zu dem Hinweis, dass die Urteilsgründe so sorgfältig und strukturiert abzufassen sind, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich ist. Hierzu gehört etwa, zwischen den Feststellungen und der Beweiswürdigung zu unterscheiden. Das Verständnis der Urteilsgründe wird daneben beispielsweise auch durch das unvermittelte Einschieben von Sachverhaltskomplexen, die mit der abzuurteilenden Tat nicht unmittelbar zusammenhängen, nicht unerheblich erschwert.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 443/07
vom
10. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. April 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. März 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.

2
Bei dem Urteil haben Richter mitgewirkt, die ein gegen sie gerichtetes Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen haben (§ 338 Nr. 3 StPO).
3
1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
4
Am 11. Verhandlungstag (9. März 2007) hat der Verteidiger den Vorsitzenden namens und in Vollmacht des Angeklagten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: "In der heutigen Hauptverhandlung hat der Vorsitzende Richter gegen den Widerspruch der Verteidigung, nachdem das Gericht alle gestellten Beweisanträge abgelehnt hat und der Verteidigung keine Zeit zugebilligt wurde, die Auswirkungen der Ablehnungsgründe für die Beweisführung zu prüfen - insbesondere die Frage zu klären, ob weitere Beweisanträge gestellt werden sollen und der Verteidigung keine Möglichkeit eingeräumt hat, auf seine an den Angeklagten gestellten Fragen Erklärungen abzugeben , sondern jedem Versuch entgegentrat - die Beweisaufnahme geschlossen. Er hat dadurch in unsachlicher, weil unangemessener Form die Rechte der Verteidigung eingeschränkt und zum Ausdruck gebracht , dass er um jeden Preis die Verhandlung heute zu Ende bringen wolle. Dadurch hat er das Vertrauen des Beschuldigten in seine Unvoreingenommenheit zerstört".
5
Die Kammer hat unter Vorsitz des abgelehnten Richters die Ablehnung mit folgender Begründung als unzulässig verworfen: "Durch die Ablehnung soll offensichtlich das Verfahren nur verschleppt werden. Die Kammer hat über die Beweisanträge vom 27.2.07 durch den heute zunächst verkündeten Beschluss - nach entsprechender Ankündigung durch den Vorsitzenden nach dem letzten Sitzungstag - entschieden. Über die weiteren sechs Beweisanträge ist anschließend - soweit nicht anders erledigt - beraten und der Beschluss nach der Vernehmung des Zeugen W. verkündet worden. Dieser Zeuge ist nach Anhörung der Prozessbeteiligten im allseitigen Einverständnis entlassen worden; anschließend wurde - nach der Mittagspause - ein Beweisantrag zur Verlesung von Urkunden, die von diesem Zeugen stammen, gestellt. Es wurde lediglich noch über zwei Beweisanträge befunden. Die Prozessbeteiligten haben zu den beiden ersten Beschlüssen jeweils sogleich einen Abdruck bzw. Kopien erhalten. Vor dem Hintergrund, dass seit dem Jahreswechsel durch die Verteidigung des Angekl. lediglich scheibchenweise Beweisanträge gestellt und diese sodann erledigt wurden, dass zu dem heutigen Termin nur der Zeuge W. geladen worden ist und - vorbehaltlich der Entscheidung über weitere Beweisanträge - mit dem Schluss der Beweisaufnahme zu rechnen war, entspricht die Feststellung des Schlusses der Beweisaufnahme, da keine Anträge mehr gestellt worden sind, dem Gesetz (§ 258 StPO). Eine weitere Unterbrechung war insbesondere zur Prüfung von weiteren Beweisanträgen offensichtlich nicht mehr erforderlich; denn solche Anträge hätten nunmehr nach 11 Tagen Hauptverhandlung und länger andauernden Pausen sogleich gestellt werden können."
6
Daraufhin hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger alle Mitglieder der Kammer als befangen abgelehnt. Die Begründung, mit der die Kammer das gegen den Vorsitzenden gerichtete Befangenheitsgesuch als unzulässig zurückgewiesen habe, sei "grob sachwidrig" und mache deutlich, "dass nicht nur der Vorsitzende, sondern auch die Kammer“ das Verfahren noch an demselben Tage in jedem Falle zu Ende bringen wolle. Die beantragte Unterbrechung zur Prüfung der Ablehnungsbeschlüsse der Kammer habe nicht der Prozessverschleppung gedient. Vielmehr sei die Verteidigung ihrer Prozessförderungspflicht nachgekommen, indem sie dem Gericht gegenüber erklärt habe, die Prüfung unverzüglich - mithin bei Unterbrechung der Hauptverhandlung - zu Beginn der kommenden Woche vorzunehmen und dem Gericht vorab ihr Prüfungsergebnis zukommen zu lassen. Es sei "geradezu willkürlich", gegen den Widerspruch der Verteidigung die Beweisaufnahme zu beenden. "Erst recht willkürlich und prozessordnungswidrig" sei es, einen daraufhin gestellten Befangenheitsantrag unter dem Gesichtspunkt der offensichtlichen Prozessverschleppung abzulehnen.
7
Die Kammer hat dieses Befangenheitsgesuch ebenfalls als unzulässig verworfen und ausgeführt: "Es geht - wie bereits ausgeführt - der Verteidigung offensichtlich nicht um eine sachgerechte Aufklärung, sondern nur darum, den Prozess weiter zu verschleppen. Insoweit kommt weder die gerichtliche Fürsorgepflicht noch der Grundsatz der Prozessfairness zum Zuge. Es soll lediglich im Ablehnungsverfahren ein Streit über das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme ausgetragen werden."
8
2. Der absolute Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 3 StPO liegt vor.
9
a) Die Rügen, mit denen die beiden erkennbar auf § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützten Beschlüsse angegriffen werden, sind entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zulässig erhoben. Sie enthalten alle Tatsachen, die das Revisionsgericht benötigt, um die mit den beiden Ablehnungsgesuchen vom 9. März 2007 zusammenhängende Verfahrensweise nach § 26 a StPO zu überprüfen.
10
b) Jedenfalls das zweite Ablehnungsgesuch vom 9. März 2007 ist zu Unrecht als unzulässig verworfen worden. Die Kammer durfte die Verwerfung des gegen alle Mitglieder der Kammer gerichteten Ablehnungsgesuches weder darauf stützen, dass durch die Ablehnung das Verfahren im Sinne des § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO offensichtlich nur verschleppt werden soll, noch darauf, dass durch die Ablehnung im Sinne dieser Vorschrift nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob die vorangegangene Verwerfung des allein gegen den Vorsitzenden gerichteten Ablehnungsgesuches allenfalls "schlicht fehlerhaft" gewesen ist, was revisionsgerichtlich die Überprüfung des Sachverhalts nach Beschwerdegrundsätzen auch in der Sache erlaubt hätte (vgl. BGH NStZ 2007, 161, 162 f.).
11
aa) Die Vorschrift des § 26 a StPO gestattet nur ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne die Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung eines offensichtlichen Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG-Kammer - NJW 2005, 3410, 3412; BGH NStZ 2008, 46, 47). Die Anwendung des § 26 a StPO darf nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit "Richter in eigener Sache" wird. Ist ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung als unzulässig aus (BVerfG NJW 2006, 3129, 3132). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BVerfG aaO S. 3133). Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26 a StPO abgesteckten Rahmens begründet bereits dies den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO (BGHSt 50, 216, 219; BGHR StPO § 26 a Unzulässigkeit 15).
12
bb) Den dargestellten Vorgaben wird der Beschluss, mit dem das gegen alle Mitglieder der Kammer gerichtete Ablehnungsgesuch verworfen worden ist, nicht gerecht. Gemäß § 26 a Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf es der Angabe der Umstände, die den Verwerfungsgrund - hier sowohl Verschleppungsabsicht als auch die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke - ergeben. Nach der Begründung des Verwerfungsbeschlusses ist aber weder offensichtlich, dass das Verfahren durch die Ablehnung nur verschleppt werden sollte, noch ist offensichtlich , dass der Angeklagte nur verfahrensfremde Zwecke verfolgte. Es ging ihm vielmehr um eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Verwerfung der Ablehnung durch den Vorsitzenden als unzulässig "willkürlich und prozessordnungswidrig" gewesen ist. Diese Behauptung war nicht völlig haltlos, denn in dem Verwerfungsbeschluss hat die Kammer unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden, der damit sein eigenes Verhalten beurteilt hat, die Schließung der Beweisaufnahme gerechtfertigt und ist dabei auf Ablauf und Gegenstand des Verfahrens eingegangen. Das gegen alle Mitglieder der Kammer gerichtete Ablehnungsgesuch hatte damit die Art und Weise des richterlichen Vorgehens im Hinblick auf das zuvor gegen den Vorsitzenden gestellte Ablehnungsgesuch des Angeklagten zum Gegenstand. Sein Vorbringen beding- te eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen der Vorentscheidung, welche die abgelehnten Richter, ohne zwangsläufig in eigener Sache zu entscheiden , nicht leisten konnten (vgl. BVerfG-Kammer NStZ-RR 2007, 275, 277 f.). Soweit die Kammer darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte mit der Ablehnung aller Kammermitglieder ebenso wie mit der vorangegangenen Ablehnung des Vorsitzenden das Verfahren nur habe verschleppen wollen und dass im Ablehnungsverfahren lediglich ein Streit über das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme habe ausgetragen werden sollen (vgl. dazu BGHSt 50, 216, 221), hat die Kammer das Gesuch in unzulässiger Weise verkürzt. Sie hat damit den Anwendungsbereich des § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO in einer Weise überspannt , die den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr genügt.

II.

13
Zur Begründetheit der Sachrüge bemerkt der Senat:
14
Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision vermögen die bisherigen Feststellungen jedenfalls eine Verurteilung gemäß § 259 Abs. 1 StGB wegen Hehlerei zu tragen. Dass der Angeklagte nicht wusste, dass die für die T. N.-GmbH und zum Teil für die Einzelfirma seiner Ehefrau von dem Zeugen H. M. erworbenen Baumaschinen von diesem gestohlen worden waren, steht nicht entgegen. Die genaue Kenntnis des Hehlers von der Vortat ist nicht erforderlich; vielmehr muss er sich lediglich eine strafbare Handlung vorstellen, die als Vortat für eine Hehlerei prinzipiell geeignet ist, also fremde Vermögensinteressen verletzt und eine rechtswidrige Vermögenslage schafft (vgl. BGH NStZ 1992, 84). Das ist hier der Fall, denn nach den Feststellungen rechnete der Angeklagte damit, dass entweder ein Insol- venzverwalter oder aber ein Insolvenzschuldner die Baumaschinen "an der Insolvenzmasse vorbei" an den Zeugen M. veräußert hatte und nahm dies billigend in Kauf. Danach stammten die Baumaschinen entweder aus als Untreue oder Unterschlagung strafbaren Straftaten eines Insolvenzverwalters oder aber aus gemäß § 283 StGB strafbaren Bankrotthandlungen, die ebenfalls eine hehlereitaugliche Vortat darstellen (BGH GA 1977, 145 f.).
15
Ob die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Hehlerei im Sinne von § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend belegt ist, kann dahinstehen, weil die Sache ohnehin neuer Verhandlung und Entscheidung bedarf. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu beachten haben, dass Gewerbsmäßigkeit stets - im Unterschied zu den Voraussetzungen des Hehlereitatbestandes - eigennütziges Handeln und damit tätereigene Einnahmen voraussetzt. Da die Baumaschinen vom Angeklagten entweder für die T. N.-GmbH oder aber für die Firma seiner Ehefrau erworben wurden, reicht dies für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit nur dann aus, wenn dem Angeklagten mittelbar - etwa über das Gehalt oder eine Beteiligung an Betriebsgewinnen - Einnahmen zufließen sollten (vgl. BGH NStZ 1998, 622, 623; BGH, Beschl. vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07).

III.

16
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht auf die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eine Kompensation durch die Verhängung niedriger Einzelstrafen (Abschlag von jeweils einem Monat) vorgenommen hatte, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass im Falle einer Verurteilung bei der Entscheidung über die Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats vom 17. Januar 2008 (BGH NJW 2008, 860, 866 Rdn. 54 ff.) zu verfahren sein wird. Nach Auffassung des Senats ist zweifelhaft, ob es mit dem Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO vereinbar wäre, auf höhere als die in dem angefochtenen Urteil festgesetzten Einzelstrafen zu erkennen (vgl. aber BGH, Beschl. vom 18. Januar 2008 - 3 StR 388/07 und Beschl. vom 13. Februar 2008 - 3 StR 563/07). Jedenfalls verbietet es aber das Verschlechterungsverbot im vorliegenden Falle, eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe zu verhängen, weil dem Angeklagten damit die im angefochtenen Urteil angeordnete Strafaussetzung zur Bewährung genommen würde. Ri'in BGH Solin-Stojanović ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Tepperwien Tepperwien Athing Ernemann Sost-Scheible

(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge eines Verstoßes „gegen die Vorschriften zur Transparenz und Dokumentation von Verständigungsgesprächen (§§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO)". Die Revision beanstandet, der Vorsitzende habe den Inhalt eines am letzten Verhandlungstag mit dem Ziel einer Verständigung geführten Vorgesprächs außerhalb der Hauptverhandlung nicht in einem den Anforderungen des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Umfang mitgeteilt.

3

1. Im Wesentlichen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

4

Am 13. Verhandlungstag (11. Dezember 2014) bat der Instanzverteidiger des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung die beiden Berufsrichter der Strafkammer und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft um ein Gespräch im Hinblick auf eine mögliche Verständigung. Zu diesem Zeitpunkt stand nach im Wesentlichen durchgeführter Beweisaufnahme nur noch die Erstattung eines Gutachtens zur Übersetzung der Tonaufzeichnungen von überwachten Telefon- und Fahrzeuginnenraumgesprächen an, zu deren Inhalt schon Ermittlungsbeamte als Zeugen gehört worden waren. Der Angeklagte hatte sich bisher in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und lediglich in einem nach dem neunten Verhandlungstag an die Strafkammer geschriebenen Brief vom 9. November 2014 den Tatvorwurf bestritten, als Mitglied einer Bande an der Einfuhr von jedenfalls 28,7 kg Kokain aus Südamerika zum gewinnbringenden Weiterverkauf mitgewirkt zu haben. In dem Brief hatte er sich als Opfer eines Missbrauchs durch ein gesondert verurteiltes Mitglied der Rauschgifthändlerbande dargestellt. Daraufhin hatte auf Anregung des Instanzverteidigers des Angeklagten im Anschluss an den zehnten Verhandlungstag eine Besprechung mit den Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft stattgefunden, in der man sich ohne Verständigungsbezug über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung ausgetauscht hatte. In einem hierüber von ihm angelegten Vermerk hielt der Vorsitzende fest, dass „keiner der am Gespräch Beteiligten sich hinsichtlich der Verurteilungswahrscheinlichkeit und einer Straferwartung fest(legte)“. Ebenso wie eine Übersetzung des Briefes des Angeklagten war am folgenden Fortsetzungstermin auch dieser Besprechungsvermerk verlesen worden, dessen Inhalt als zutreffende Gesprächswiedergabe vom Vertreter der Staatsanwaltschaft und vom Instanzverteidiger bestätigt wurde.

5

Auf die vom Instanzverteidiger am 13. Verhandlungstag geäußerte Bitte um ein Verständigungsvorgespräch wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Während in der anschließenden zwanzigminütigen Besprechung der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der den Angeklagten nach vorläufiger Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht für den Kopf der Bande hielt, bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe im Bereich von sechs Jahren für schuldangemessen erachtete, meinte der Instanzverteidiger, dass die Strafe auch noch darunter liegen könne. Der Vorsitzende trat dieser Auffassung zunächst unter Hinweis auf eine möglicherweise gewichtiger zu bewertende Rolle des Angeklagten in dem Tatgeschehen entgegen und erklärte, dass auch eine deutlich höhere Freiheitsstrafe in Betracht käme. Soweit der Revisionsverteidiger zu den geäußerten Straferwartungen weitergehend vorgetragen hat, der Vorsitzende habe „sinngemäß" zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte ohne umfassendes Geständnis eine Freiheitsstrafe im zweistelligen Bereich zu erwarten habe, hat dies keine Bestätigung gefunden. Der Vorsitzende Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben in ihren dienstlichen Äußerungen übereinstimmend dem diesbezüglichen Revisionsvortrag widersprochen; dieser stützte sich auf eine ohnehin eher vage Erklärung des Instanzverteidigers, der an „Ablauf und Inhalt" des Vorgesprächs „im Einzelnen keine sichere Erinnerung mehr" hatte.

6

Im weiteren Verlauf der Besprechung erzielten die Gesprächsteilnehmer Einvernehmen über eine mögliche Verständigung. Hierüber fertigte der Vorsitzende einen Gesprächsvermerk folgenden Inhalts:

7

„Für den Fall eines reuevollen Geständnisses des Inhalts, dass der Angeklagte den Geldtransport organisieren sollte und dafür auch Kurierinnen hat anwerben können, so dass er sich insoweit als Mitglied einer Bande des unerlaubten Handeltreibens und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat, stellt die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Bereich von fünf bis sieben Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht. Insoweit haben sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Berufsrichter verständigt - es bedarf aber noch der Beratung mit den Schöffen und der Zustimmung des Angeklagten".

8

Nach Beendigung des Gesprächs unterrichtete der Instanzverteidiger den Angeklagten über das Ergebnis des Gesprächs. Er teilte ihm mit, dass er den vereinbarten Strafrahmen für ein gutes Ergebnis halte, und besprach mit ihm den Inhalt einer Einlassung, die den Bedingungen der Verständigung entsprechen würde. In der sodann fortgesetzten Hauptverhandlung verlas der Vorsitzende zur Unterrichtung über den Inhalt des Verständigungsvorgesprächs seinen Gesprächsvermerk, der als Anlage zu Protokoll genommen wurde. Nach der anschließenden Beratung der Strafkammer gab der Vorsitzende bekannt, dass das Gericht eine Verständigung entsprechend dem im Vermerk niedergelegten Inhalt vorschlage. Der zuvor gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrte Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung. Daraufhin wurde dem im Verfahren tätigen Dolmetscher mitgeteilt, dass seine Dienste als (Sprach-)Sachverständiger nicht mehr benötigt würden, und der Angeklagte ließ sich geständig zur Sache ein; dabei ergänzte und präzisierte er auf Nachfragen der Strafkammer seine Angaben (UA S. 17). Das Verfahren endete noch am selben Hauptverhandlungstag mit Urteil.

9

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil seine Feststellung auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, das in Einklang mit den Zeugenaussagen von vier gesondert verurteilten jeweils geständigen Tatbeteiligten stand und durch vielfältige Ergebnisse der polizeilichen Überwachung von Teilen des Tatgeschehens und dessen Vorbereitung ergänzt und bestätigt wurde (UA S. 7 f., 9, 18). Soweit darüber hinaus zwei weitere Mittäter in ihren früheren geständigen Einlassungen im Rahmen der gegen sie geführten Strafverfahren den Angeklagten überschießend belastet hatten, hat das Landgericht diesen Angaben keinen Beweiswert zugemessen, der die Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten in Frage gestellt hätte (UA S. 17, 19).

10

2. Die Erklärung des Vorsitzenden über das Verständigungsvorgespräch vom 11. Dezember 2014 hat die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt.

11

Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende zu Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 212 i.V.m. § 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitteilen. Hierzu zählt zumindest, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 85; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 5 StR 217/14, NStZ-RR 2014, 315, 316, vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, und vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354).

12

Dieser Anforderung an eine der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Mitteilung entsprach die Erklärung des Vorsitzenden nicht, da sie lediglich das Ergebnis der Besprechung mit dem von den Gesprächsteilnehmern abgestimmten Verständigungsvorschlag wiedergab. Zum Inhalt der diesem Vorschlag vorausgegangenen Erörterung und insbesondere zu den von den Beteiligten vertretenen Standpunkten enthielt der verlesene Gesprächsvermerk keine Angaben.

13

3. Zwar führt ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung und hat zur Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Nach Auffassung des Senats liegt jedoch unter den hier gegebenen Umständen ein Ausnahmefall vor, in dem ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO) sicher auszuschließen ist. Dass ein Ausschluss des Beruhens bei Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten in Ausnahmefällen unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesetzesverstoßes möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE aaO; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NJW 2015, 1235, 1237; siehe auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, NJW 2015, 645, 646).

14

a) Bei der danach gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung fällt hier ins Gewicht, dass die Initiative für das Verständigungsvorgespräch von Seiten der Verteidigung in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten nicht nur das Thema des durchzuführenden Gesprächs, sondern auch der Umstand offenkundig, dass die Frage nach einer Verständigung von der Verteidigung aufgeworfen worden war. Der Weg zu der Verständigung hin war hierdurch offengelegt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang beanstandet, dass maßgebliche - möglicherweise von einer Informationspflicht umfasste - Gründe für die Verständigung im Dunkeln geblieben seien, trägt sie selbst nicht vor, dass etwa der Instanzverteidiger in dem Vorgespräch überhaupt Ausführungen dazu gemacht hätte, was ihn zu der Anregung einer Verständigung bewogen habe. Zudem kann auch nach dem weiteren Verfahrensablauf, bei dem die Bestimmungen des § 257c StPO für ein regelhaftes Zustandekommen einer Verständigung vom Gericht eingehalten worden sind, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war.

15

Gemessen an der Bandbreite möglicher Verstöße gegen die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, aaO; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO) ist die Gesetzesverletzung unter dem Aspekt des Transparenzgebotes und des Gebotes des fairen Verfahrens überdies nicht als gewichtig anzusehen: Eine Unterrichtung über die Besprechung wurde nicht gänzlich unterlassen, sondern fand als solche mit Bekanntgabe ihres Ergebnisses statt. Mit dem damit verbundenen Hinweis auf eine gemeinsame Verständigung über den unterbreiteten vorläufigen, unter dem Vorbehalt abschließender Kammerberatung stehenden Vorschlag war klar, dass nicht nur die Berufsrichter, sondern auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft die von der Verteidigung aufgeworfene Frage nach einer Verständigung zustimmend beantwortet hatten. Die nicht mitgeteilten, allerdings nicht weit voneinander entfernten Sanktionsvorstellungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und des Instanzverteidigers lagen von vornherein innerhalb des alsbald gemeinsam mit den Berufsrichtern abgestimmten Strafrahmens. Soweit beide Gesprächsteilnehmer ihre Straferwartungen mit Zumessungsgesichtspunkten näher begründet haben sollten - was die Revision nicht vorträgt -, wäre eine Mitteilung über Einzelheiten ihrer Argumentation von der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO ohnehin nicht umfasst gewesen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, aaO). Nach dem mit der dienstlichen Äußerung des Vertreters der Staatsanwaltschaft übereinstimmenden Revisionsvortrag nahm der Vorsitzende erst im Anschluss an die Äußerung des Instanzverteidigers zu dessen Sanktionsvorstellung ablehnend Stellung. Von dieser Stellungnahme mag die schließlich vorgeschlagene Obergrenze der Strafe beeinflusst worden sein. Völlig fernliegend ist allerdings angesichts der Initiative des Instanzverteidigers für eine Verständigung, der unmittelbar vor ihrem Abschluss stehenden Beweisaufnahme und des nach dem zehnten Hauptverhandlungstag bereits unter den Besprechungsteilnehmern erfolgten Austauschs über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung, dass der Vorsitzende mit seiner Stellungnahme auf das Zustandekommen einer Verständigung gedrängt haben und ein entsprechender Druck durch die Unvollständigkeit seiner späteren Mitteilung nicht offengelegt worden sein könnte.

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b) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der Senat darüber hinaus sicher ausschließen, dass das infolge der unvollständigen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation beim Angeklagten hervorgerufene Informationsdefizit dessen Selbstbelastungsfreiheit in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt haben könnte und das Landgericht ohne den Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dass sich die fehlende Information über die unterschiedlichen Straferwartungen der Gesprächsteilnehmer, die sich innerhalb des nachfolgend von ihnen abgestimmten Strafrahmens hielten, auf die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung ausgewirkt haben könnte, ist nicht erkennbar.

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4. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, liegt bereits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das Protokoll gibt die - tatsächlich unvollständige - Mitteilung und damit den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschlüsse vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, und vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO).

Schneider     

Dölp     

     Berger

Bellay     

Schneider

(RiBGH Dr. Feilcke ist
wegen urlaubsbedingter
Abwesenheit an der
Unterschrift gehindert)