Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2010 - 4 StR 401/10

bei uns veröffentlicht am07.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 401/10
vom
7. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2010 nach § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 23. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit einer die Verletzung des § 261 StPO geltend machenden Verfahrensrüge Erfolg.
2
Der Angeklagte beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer das in der Hauptverhandlung verlesene Behördengutachten des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt vom 18. November 2009 inhaltlich unzutreffend erfasst und damit den tatsächlichen durch die Verlesung zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Aussagegehalt des Gutachtens bei ihrer Überzeugungsbildung unberücksichtigt gelassen hat.
3
1. Die Rüge ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Abgesehen davon, dass sich die Einräumung des Fragerechts an die Verfahrensbeteiligten im Anschluss an die Verlesung des Gutachtens, deren Vortrag der Generalbundesanwalt vermisst, dem in der Revisionsbegründung mitgeteilten Protokollauszug entnehmen lässt, hätte es der Angabe dieses Umstandes schon deshalb nicht bedurft, weil die Urteilsgründe, die dem Senat wegen der zugleich erhobenen Sachrüge offen stehen, ergeben, dass die Strafkammer den Inhalt des Behördengutachtens durch Verlesung im Wege des Urkundenbeweises in die Verhandlung eingeführt hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, auf welche Weise die bloße Einräumung eines Fragerechts zu einem von dem schriftlichen Gutachten abweichenden Beweisergebnis geführt haben soll.
4
2. In der Sache kann der Verfahrensrüge ein Erfolg nicht versagt werden.
5
a) Nach den Feststellungen misshandelte der Angeklagte die Nebenklägerin , mit der er eine intime Beziehung unterhielt, über mehrere Stunden auf vielfältige Weise, wobei er auch zwei Küchenmesser mit unterschiedlicher Klingenlänge einsetzte. Mit dem kleineren der zwei Messer stach der Angeklagte der Nebenklägerin in den linken Unterarm, so dass der Stich durch den Arm hindurchging und die Messerspitze auf der anderen Seite des Arms wieder austrat. Bei der anschließenden Rangelei ließ der Angeklagte das Messer neben dem Bett fallen, was die Nebenklägerin bemerkte. Ihr gelang es, das Messer mit einem Fuß unter das Bett zu schieben, wo es für den Angeklagten nicht mehr zu ergreifen war.
6
Der Angeklagte hat die Anklagevorwürfe bestritten und sich dahin eingelassen , dass die Nebenklägerin ihn mit zwei Küchenmessern angegriffen habe. Nachdem es ihm gelungen sei, ihr ein Messer aus der rechten Hand zu schla- gen, habe die Nebenklägerin mit dem in der linken Hand gehaltenen kleineren Messer nach seinem Oberkörper gestochen. Er habe ihre Handgelenke fassen und sie hinter ihren Körper zusammendrücken können. In dem Gerangel habe er ihre Hände an ihr Gesäß gedrückt, wodurch vermutlich die Stichverletzung am Gesäß der Nebenklägerin verursacht worden sei. Als er anschließend das Messer aus der Hand der Nebenklägerin habe lösen können, sei es unter das Bett gerutscht. Dort habe er es später, nachdem die Nebenklägerin weg gewesen sei, gefunden, es abgewischt und zurück in die Messerbox gesteckt.
7
b) In der Hauptverhandlung am 16. März 2010 wurde das Behördengutachten des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt vom 18. November 2009 über die Ergebnisse der an verschiedenen Spuren durchgeführten molekulargenetischen Untersuchungen gemäß § 256 Abs. 1a StPO verlesen. Nach den Ausführungen in dem schriftlichen Gutachten konnten an der Klinge der Spur 3a - ausweislich der Urteilsgründe handelte es sich dabei um das kleinere der zwei tatrelevanten Messer - sowie an zwei weiteren Spuren menschliches Blut festgestellt werden. An der Klinge und am Griff der Spur 3a sowie am Blut an einer weiteren Spur wurden die DNA-Merkmale nachgewiesen, die mit den Merkmalen der Nebenklägerin übereinstimmen. Die Häufigkeit der jeweils festgestellten Merkmalskombinationen beträgt bei Zugrundelegung deutscher Populationsdaten 1 zu 6,53 Billionen.
8
c) Den Inhalt des im Wege des Urkundenbeweises in die Verhandlung eingeführten Behördengutachtens geben die Urteilausführungen fälschlich dahin wieder, dass an dem kleineren Messer an Klinge und Griff Blut der Nebenklägerin gefunden worden sei. Dieser Befund, der sich zwanglos mit dem von der Nebenklägerin geschilderten Tatablauf vereinbaren lasse, spreche nicht für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, sondern stütze eher die Aussage der Nebenklägerin.
9
Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird aber durch das schriftliche Behördengutachten des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt vom 18. November 2009 gerade keine Blutanhaftung am Griff des kleineren Messers belegt. Durch die unzutreffende inhaltliche Erfassung des Gutachtens hat die Strafkammer zugleich die Tatsache übergangen, dass am Griff des kleineren Messers eine (anderweitige) DNA-Spur vorhanden war, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Nebenklägerin als Spurenverursacherin herrührt. Da dieser Spurenbefund als Indiz für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten in Betracht kommen kann, hätte das Untersuchungsergebnis einer tatrichterlichen Würdigung im Rahmen der Beweiswürdigung bedurft. Diese ist unter Verstoß gegen § 261 StPO unterblieben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 45/91, BGHSt 38, 14; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 481/07, NStZ 2008, 475; vom 18. Juni 2008 - 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705).
10
d) Der Senat kann trotz der sonstigen, den Angeklagten erheblich belastenden Beweisergebnisse nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die unzutreffende inhaltliche Erfassung und Würdigung des verlesenen Behördengutachtens bei der Überzeugungsbildung der Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird sich empfehlen, die Ergebnisse der Spurenuntersuchungen durch mündliche Erstattung des Gutachtens in die neue Hauptverhandlung einzuführen. Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Cierniak Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 256 Verlesung der Erklärungen von Behörden und Sachverständigen


(1) Verlesen werden können 1. die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen a) öffentlicher Behörden,b) der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowiec) der Ärzte eines ge

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 481/07
vom
13. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. Februar 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte die Reisepläne einer Bekannten, der gesondert Verfolgten W. , für einen Betäubungsmitteltransport zu Nutze. Er flog mit ihr gemeinsam auf eine Insel der Niederländischen Antillen und versteckte unmittelbar vor dem Rückflug nach Düsseldorf im Koffer der ahnungslosen Frau ein Päckchen mit knapp 2 Kilogramm Kokain. Diese wurde bei der Einreise routinemäßig kontrolliert und nach Entdeckung des Rauschgifts festgenommen, während der Angeklagte unbehelligt den Flughafen verlassen konnte und nach Holland weiterreiste. Trotz der Beteuerung ihrer Unschuld wurde Frau W. vom Landgericht Düsseldorf am 13. Dezember 2005 als Betäubungsmittelkurierin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
3
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und sich u. a. dahin eingelassen , Frau W. habe das Paket, in dem später das Rauschgift gefunden worden sei, von einem anderen Mann übergeben bekommen und ihm, dem Angeklagten, mitgeteilt, es handele sich um ein Geschenk. Das Landgericht ist demgegenüber der Darstellung der als Zeugin gehörten W. gefolgt. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte das Kokain durch eine ahnungslose Frau transportieren ließ, hat es zuletzt auch dadurch bestätigt gefunden , dass der Angeklagte wegen Betäubungsmitteldelikten bereits mehrfach vorbestraft war und nach der abgeurteilten Tat bei der Einfuhr von Kokain aus Südamerika nach Belgien betroffen und deshalb zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war; hingegen wäre der zu Depressionen neigenden Zeugin W. nicht die für eine Kurierin erforderliche Nervenkraft zuzutrauen.
4
2. Vor diesem Hintergrund rügt die Revision zu Recht, dass sich das Landgericht nicht mit dem Inhalt des gegen die Zeugin ergangenen Urteils auseinandergesetzt hat.
5
a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Zwar wird mit ihr einleitend die "Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO" geltend gemacht, im Anschluss jedoch ausschließlich beanstandet, dass das Landgericht das in der Hauptverhandlung verlesene Urteil gegen die Zeugin W. bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, also seiner Überzeugungsbildung etwas nicht zugrunde gelegt zu haben, was Inbegriff der Hauptverhandlung war (§ 261 StPO). Dabei teilt die Revision alle insoweit relevanten Passagen des verlesenen Urteils wörtlich mit. Der vom Generalbundesanwalt vermissten Wiedergabe der gesamten Urteilsgründe bedurfte es nicht.
6
b) Die Rüge ist begründet. In dem in der Hauptverhandlung verlesenen Urteil vom 13. Dezember 2005 hatte das Landgericht Düsseldorf festgestellt, dass die Zeugin W. im Oktober 2002 von einem niederländischen Gericht wegen mittäterschaftlicher Betäubungsmitteleinfuhr (Einfuhr von knapp 1,5 Kilogramm Kokain im Fluggepäck aus Curacao zusammen mit einem Mann im Juli 2002) zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Seine Überzeugung von der Schuld der Zeugin W. hatte es u. a. darauf gestützt, dass diese, wie ihre Vorverurteilung zeige, Erfahrung mit dem Schmuggel von Betäubungsmitteln und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten gehabt hatte.
7
Die Bedeutung dieser einschlägigen Vorstrafe der Zeugin für die Überzeugungsbildung des Gerichts liegt auf der Hand. Der Umstand, dass die Zeugin bereits einmal - erkennbar unter derselben Tarnung (als Touristin mit einem Partner aus dem Urlaub kommend) - beim Schmuggel von Betäubungsmitteln betroffen und dafür bestraft worden war, konnte für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht ausgeblendet werden. Mit ihm hätte sich das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen.
8
3. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass es von Rechts wegen nicht geboten ist, entweder der Version des Angeklagten oder der der Zeugin zu folgen. An Stelle der Alleintäterschaft einer der Personen wird er auch die Möglichkeit zu erwägen haben, ob nicht beide in strafbarer Weise am Verbringen des Kokains beteiligt waren.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer