Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2018 - 4 StR 347/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe des besonders schweren räuberischen Diebstahls schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren“ räuberischen Diebstahls und wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersicht- lichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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- a) Zwar hat das Landgericht im Fall II.1 der Urteilsgründe die für einen räuberischen Diebstahl gemäß § 252 StGB erforderliche Beutesicherungsabsicht des Angeklagten nicht ausdrücklich festgestellt. Dass es von deren Vorliegen ausgegangen ist, ergibt sich aber noch hinreichend aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten in Ansatz gebracht, dass er im Rahmen seines Geständnisses auch seine Beutesicherungsabsicht eingeräumt habe.
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- b) Der Senat hat den Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte sich im Fall II.1 eines besonders schweren räuberischen Diebstahls gemäß §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat. § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO verlangt die Kennzeichnung der Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Urteilsformel, bei welcher der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2017 – 2 StR 327/17, StraFo 2017, 509, 510; vom 3. September 2009 – 3 StR 297/09, NStZ-RR 2009, 377).
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- 2. Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung.
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- a) Er hat hinsichtlich sämtlicher Einzelfälle bereits deshalb keinen Bestand , weil die schriftlichen Urteilsgründe dem Senat nicht die Prüfung ermög- lichen, ob das Landgericht zutreffend von uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist.
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- aa) Das Landgericht hat angenommen, dass der bereits seit vielen Jahren heroinabhängige Angeklagte sämtliche Taten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen habe. Der Einlassung des Angeklagten folgend ist es – entgegen der Einschätzung des von ihm gehörten Sachverständigen – weiter davon ausgegangen, der Angeklagte habe während der Begehung der Taten Entzugserscheinungen befürchtet und „auf entsprechender Grund- lage gehandelt“,weshalb zumindest nicht auszuschließen sei, dass „dies auch Auswirkungen auf seine Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit gehabt haben könnte“. Gleichwohl ist die Strafkammer ersichtlich nicht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgegangen; diese Vorschrift wird weder bei der Strafzumessung berücksichtigt noch ist sie in der Liste der angewendeten Vorschriften aufgeführt. Eine Begründung für die Nichtanwendung des § 21 StGB enthält das angefochtene Urteil nicht.
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- bb) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat vermag dem angefochtenen Urteil auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, ob die Strafkammer zu Recht vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausgegangen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der vom Landgericht angenommenen Furcht des Angeklagten vor Entzugserscheinungen im Zeitpunkt der Taten und der für nicht ausschließbar erachteten Auswirkungen dieser Furcht auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erschließt sich nicht, aufgrund welcher Erwägungen es letztlich von einer Anwendung des § 21 StGB abgesehen hat. Zudem bleibt unklar , welcher Art und Intensität die vom Angeklagten befürchteten Entzugs- erscheinungen waren. Zu diesen Fragen hätte sich das Landgericht jedoch verhalten müssen, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Beschaffungstaten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert sein kann, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urteile vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16, juris Rn. 12; vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152; vom 6. Juni 1989 – 5 StR 175/89, NStZ 1989, 430, 431; Beschluss vom 19. Oktober 2000 – 4 StR 411/00, NStZ-RR 2001, 81, 82).
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- Die an sich maßvollen Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe können schon aus diesem Grund keinen Bestand haben.
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- b) Es kommt daher nicht darauf an, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Fall II.1 der Urteilsgründe – wohl aufgrund einer Verwechslung der Tatzeiten der Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe – zu Unrecht strafschärfend eine sehr hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten von zwei Monaten angenommen hat.
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- c) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, die Voraussetzungen für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten im Sinne der §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB eingehender darzulegen, als dies bislang erfolgt ist.
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- 3. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat Bestand.
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- 4. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das Tatgericht auch bei einem geständigen Angeklagten gehalten ist, auf eine sorgfältige Abfassung der Urteilsgründe Bedacht zu nehmen.
Feilcke Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.