Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2019 - 4 StR 310/19

bei uns veröffentlicht am18.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 310/19
vom
18. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:180719B4STR310.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Juli 2019 gemäß § 206a Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2019 wird das Verfahren hinsichtlich sämtlicher Vorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 5. November 2018 – 5427 Js 25696/18 – eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus einer anderen Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Monat verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Bestimmung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 5. November 2018, die der im angefochtenen Urteil erfolgten Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegt, an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
3
Über die Eröffnung der durch Einreichung einer Anklageschrift bei Gericht gemäß § 170 Abs. 1 StPO erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Franken-thal (Pfalz) vom 5. November 2018 hat das Landgericht in der Hauptverhandlung , die gegen den Angeklagten wegen der Vorwürfe aus der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 13. Juli 2018 geführt worden ist, in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage, auch wenn sie in bereits laufender Hauptverhandlung vorgenommen wird, von der Großen Straf- oder Jugendkammer stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen (§ 199 Abs. 1 StPO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2 JGG) zu treffen. Ergeht die Entscheidung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung, ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. November 2005 – 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267; Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250; Beschluss vom 28. Juli 2015 – 4 StR 598/14, wistra 2015, 443, 444), was ein im selben Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis zur Folge hat (vgl. BGH, Be- schluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747 mwN) und demgemäß zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO führt.
4
Die Verfahrenseinstellung erfasst auch die Anklagevorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 5. November 2018, welche die Jugendkammer nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt hat. Denn die Teileinstellung des Verfahrens war, da die Tatvorwürfe mangels wirksamer Eröffnungsentscheidung nicht zum Gegenstand des Hauptverfahrens geworden sind, ebenfalls unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 – 5 StR 133/18, StraFo 2018, 471; vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).
5
Im Hinblick auf die umgehend zu erwartende Erhebung einer neuerlichen Anklage, weswegen der Verfahrenseinstellung ihrem sachlichen Gehalt nach nur ein vorläufiger Charakter zukommt, sowie die Möglichkeit der Wiedereinbeziehung von Anklagevorwürfen aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 13. Juli 2018 nach § 154 Abs. 4 StPO sieht der Senat keine Veranlassung zu einer eigenen Haftentscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 – 3 StR 280/11 Rn. 11; vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, aaO; vom 22. Juni 1994 – 3 StR 457/93, NJW 1994, 2966). Die insoweit erforderlichen richterlichen Entscheidungen bleiben dem Tatgericht überlassen.
RiBGH Dr. Quentin ist im Roggenbuck Cierniak Urlaub und daher gehindert , zu unterschreiben. Roggenbuck
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Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 200 Inhalt der Anklageschrift


(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 76


(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (klein

Strafprozeßordnung - StPO | § 199 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens


(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist. (2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden di

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 33b Besetzung der Jugendkammer


(1) Die Jugendkammer ist mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (große Jugendkammer), in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters mit dem Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (kleine Jugendkammer)

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 33a Besetzung des Jugendschöffengerichts


(1) Das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter als Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen. Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau herangezogen werden. (2) Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlu

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist.

(2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn

1.
sie als Schwurgericht zuständig ist,
2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.

(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.

(1) Die Jugendkammer ist mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (große Jugendkammer), in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters mit dem Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (kleine Jugendkammer) besetzt.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Jugendkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen, wenn

1.
die Sache nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört,
2.
ihre Zuständigkeit nach § 41 Absatz 1 Nummer 5 begründet ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Jugendkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters ist nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 in der Regel notwendig, wenn

1.
die Jugendkammer die Sache nach § 41 Absatz 1 Nummer 2 übernommen hat,
2.
die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder
3.
die Sache eine der in § 74c Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten zum Gegenstand hat.

(4) In Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil des Jugendschöffengerichts gilt Absatz 2 entsprechend. Die große Jugendkammer beschließt ihre Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen auch dann, wenn mit dem angefochtenen Urteil auf eine Jugendstrafe von mehr als vier Jahren erkannt wurde.

(5) Hat die große Jugendkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(6) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Jugendkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 über ihre Besetzung beschließen.

(7) § 33a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter als Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen. Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau herangezogen werden.

(2) Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Jugendschöffen nicht mit.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 45/14
vom
20. Mai 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Beschließt die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern
und zwei Schöffen, dass das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage
eröffnet wird, die Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen
besetzt ist und das Verfahren hinzuverbunden wird, sind der Eröffnungsbeschluss
und die Besetzungsentscheidung unwirksam. Ersteres führt zu einem
Verfahrenshindernis für den neuen Verfahrensgegenstand. Im Übrigen kann die
Besetzung der Strafkammer mit einer Verfahrensrüge beanstandet werden
(Fortführung von BGHSt 50, 267).
BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 45/14 - LG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2013 1. im Fall II.2. der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; 2. das vorgenannte Urteil im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Betäubungsmittel , Streckmittel und Verpackungsmaterial sowie die Schusswaffe mit Munition hat es eingezogen. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 65.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit den Verfahrensbeanstandungen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts besaß der Angeklagte bis zum 17. Januar 2012 eine halbautomatische Selbstladepistole mit zwei Patronen , die er auf dem Rahmen einer Aufzugtür versteckte (Fall II.1. der Urteilsgründe ). Am 18. September 2012 verkaufte er in seiner Gaststätte für etwa 38.000 Euro rund 700 Gramm Kokaingemisch an die gesondert verfolgten Zeugen A. und D´A. (Fall II.2.). Weitere 494,5 Gramm Kokaingemisch verkaufte er am 28. Juni 2013 für rund 27.000 Euro an dieselben Abnehmer (Fall II.3.).

II.

3
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil macht zu Recht im Fall II.2. der Urteilsgründe ein Verfahrenshindernis geltend. Im Übrigen greift die Verfahrensrüge durch, die Strafkammer sei falsch besetzt gewesen.
4
1. Der Eröffnungsbeschluss vom 31. Oktober 2013 zu Fall II.2. ist unwirksam. Insoweit besteht ein Verfahrenshindernis, das zur Einstellung zwingt.
5
a) Rechtshängig war bei der 27. Großen Strafkammer aufgrund einer Anklage der Staatsanwaltschaft vom 8. Juli 2013 zunächst nur das Verfahren hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3. der Urteilsgründe. Dazu hatte die Strafkammer am 13. August 2013 mit drei Berufsrichtern einen Eröffnungsbeschluss gefasst und zugleich beschlossen, dass sie in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sei. Der Vorwurf zu Fall II.2. der Urteilsgründe aufgrund einer weiteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 9. Oktober 2013 wurde bei der 2. Großen Strafkammer anhängig, welche die Sache an die 27. Große Strafkammer abgab. Diese erklärte am 29. Oktober 2013 die Übernahme des Verfahrens.
6
Nach Beginn der Hauptverhandlung am 31. Oktober 2013 teilte der Vorsitzende mit, dass beabsichtigt sei, die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs beschloss die Strafkammer in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen, dass die Anklageschrift vom 9. Oktober 2013 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet werde, weiter, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sei, und schließlich, dass die Verfahren verbunden werden.
7
b) Der neue Eröffnungsbeschluss ist unwirksam.
8
Für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1 GVG). Schöffen können am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne von § 203 StPO beurteilen können (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267, 271). Auch dann, wenn eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung erst in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 388/11, NStZ 2012, 50 f.; Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 50/14, NStZ 2014, 664 mit Anm. Hoffmann). Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein schwerer Verfahrensfehler vor. Der Eröffnungsbeschluss einer Strafkammer, der nur von zwei statt von drei Berufsrichtern gefasst wurde, ist daher unwirksam (vgl. RG, Urteil vom 29. April 1880 - Rep. 1030/80, RGSt 1, 402; Urteil vom 3. Februar 1910 - III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; Urteil vom 9. November 1920 - II 944/20, RGSt 55, 113; BGH, Urteil vom 14. Mai 1957, BGHSt 10, 278, 279; Beschluss vom 13. Oktober 1982 - 3 StR 236/82, StV 1983, 2, 3; Beschluss vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267, 269; Beschluss vom 13. Juni 2008 - 2 StR 142/08; Beschluss vom 22. Juni 2010 - 4 StR 216/10, StraFo 2010, 424). Weil das Vorliegen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses, der den Prozessgegenstand bestimmt und die Zuständigkeit des Gerichts festlegt, eine Prozessvoraussetzung für das Hauptverfahren darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1980 - StB 29-31/80, BGHSt 29, 351, 354), ist das Verfahren einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit es von diesem Mangel betroffen ist.
9
2. Das Prozesshindernis berührt nicht das Verfahren hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Urteil aber aufgrund der Besetzungsrüge des Angeklagten aufzuheben.
10
a) Die vom Angeklagten erhobene Rüge, die Strafkammer sei in der Hauptverhandlung falsch besetzt gewesen, ist zulässig. Eine Präklusion entsprechend § 222b StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 343/98, BGHSt 44, 328, 333) kommt nicht in Betracht, weil der Verfahrensfehler erst in der Hauptverhandlung eingetreten ist. Er war nicht aus der Besetzungsankündigung gemäß § 222a StPO zu entnehmen, weshalb die an die Besetzungsmitteilung anknüpfende Begrenzung der Möglichkeiten zur Geltendmachung eines Besetzungsfehlers gemäß § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO nicht anzuwenden ist.
11
b) Die Rüge ist begründet, denn die Strafkammer hätte in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln müssen. Es lag keine wirksame Reduzierung der Besetzung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG vor. Die Verhandlung mit zwei Berufsrichtern nebst Schöffen verstieß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 1 StPO und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
12
aa) Das Gesetz sieht Beschlüsse über die Reduzierung der Besetzung der Strafkammer im Allgemeinen nur außerhalb der Hauptverhandlung vor. Die Entscheidung über die Besetzung ist grundsätzlich bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG) und in derselben Besetzung. Eine bereits beschlossene Besetzungsreduzierung kann nachträglich abgeändert werden, wenn sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände ergeben, die nach Maßgabe von § 76 Abs. 2 und 3 GVG die Mitwirkung eines weiteren Berufsrichters erforderlich machen (§ 76 Abs. 4 GVG). Auch dann erfolgt die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung. Selbst wenn aufgrund eines Besetzungseinwands in der Hauptverhandlung zu entscheiden ist, bleibt die Besetzung der Strafkammer für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung zuständig (§ 222b Abs. 2 Satz 1 StPO). Es gibt demnach keine Entscheidung über die Besetzung der Strafkammer im Sinne von § 76 Abs. 2 GVG, die in der für die Hauptverhandlung selbst maßgeblichen Besetzung getroffen werden könnte. Schließlich sind die Beurteilungsfaktoren mangels Aktenkenntnis nicht durch die Schöffen zu bewerten, die bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung aus dem Quorum ausscheiden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG).
13
Die Besetzungsentscheidung durch zwei Berufsrichter und zwei Schöffen ist daher fehlerhaft getroffen worden. Sie ist unwirksam. Dies führt dazu, dass die Besetzung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG maßgeblich war.
14
bb) Der Beschluss vom 13. August 2013 über die Reduzierung der Besetzung wirkte, anders als in dem vom 3. Strafsenat durch Urteil vom 29. Januar 2009 - 3 StR 567/08 (BGHSt 53, 169, 171 ff.) entschiedenen Fall, in dem das Hauptverfahren über eine hinzuverbundene Sache bereits eröffnet und eine Besetzungsreduzierung dazu ordnungsgemäß beschlossen worden war, nicht ohne Weiteres fort.
15
Dieser Beschluss war durch die Übernahme des Verfahrens zu Fall II.2., die Absicht der Verbindung mit dem bisherigen Verfahren und die tatsächlich getroffene neue Besetzungsentscheidung überholt. Die Übernahme des Verfahrens zu Fall II.2. und die Absicht der Strafkammer, eine Verfahrensverbindung herbeizuführen, hatten den Umfang und die Schwierigkeit der Sache im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG verändert. Bei der Auslegung dieser Merkmale stand der Strafkammer ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268, 313; BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 343/98, BGHSt 44, 328, 330; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, NJW 2010, 3045, 3046). Diesen konnte sie in der fehlerhaften Besetzung nicht wirksam ausfüllen.
16
Da die Strafkammer in anderer Besetzung entschieden hat als bei dem ersten Beschluss über die Reduzierung der Besetzung, kam ihrem neuen Beschluss keine deklaratorische Bedeutung zu. Selbst für die Beibehaltung der bisherigen Besetzungsreduktion und deren Bestätigung wäre die Strafkammer nur in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zuständig gewesen. Das inkompetente Quorum konnte die Fortgeltung der bisherigen Besetzungsentscheidung ungeachtet der neuen Umstände nicht wirksam beschließen. Vielmehr hat die Strafkammer die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Besetzungsentscheidung und für die Verhandlung in reduzierter Besetzung verkannt. Gesetzlicher Richter ist nicht nur das sachlich zuständige Gericht und der geschäftsplanmäßig zuständige Spruchkörper, sondern jeder zur Mitwirkung berufene Richter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 329).
17
Weil es um den gesetzlichen Richter für die Hauptverhandlung über die verbundenen Verfahren ging, in der das angefochtene Urteil erlassen wurde, kann dem Verfahrensfehler nicht mit Überlegungen zur angemessenen Besetzung der Strafkammer nach der erst durch den Senat ausgesprochenen Teileinstellung des Verfahrens eine Bedeutung abgesprochen werden.
18
c) Der Besetzungsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3., das darauf beruht (§ 338 Nr. 1 Halbsatz 1 StPO). Für die Hauptverhandlung vor dem neuen Tatrichter gilt § 76 Abs. 5 GVG. Fischer Krehl Eschelbach RiBGH Zeng ist wegen Bartel Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR598/14
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2015 gemäß § 206a
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 10. Juli 2014
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit der Angeklagte in den Fällen C I. 1 bis 27, C II. 28 bis 34, C III. 35 und C IV. 36 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; bb) im Gesamtstrafenausspruch;
b) zu den Tatkomplexen C V. bis VIII. der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betrugs in zehn Fällen, der Untreue in elf Fällen und der Insolvenzverschleppung schuldig ist; die Einzelstrafen für die Taten C V. 38 und 48 der Urteilsgründe entfallen. 2. Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 21. Oktober 2013 - 6 Js 129/13 - ein Betrug (Fall C IV. 36 der Urteilsgründe ) zur Last gelegt wird. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 3. In dem nach der Einstellung verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an ei- ne andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 43 Fällen, versuchten Betrugs in fünf Fällen, sowie wegen Untreue in elf Fällen und Insolvenzverschleppung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Soweit der Angeklagte im Fall C IV. 36 der Urteilsgründe wegen Betrugs verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 21. Oktober 2013, die dieser Verurteilung zugrunde liegt, an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt. Die in der Hauptverhandlung am 15. November 2013 getroffene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ebenso unwirksam wie der gleichfalls unter Hinweis auf § 266 Abs. 1 StPO ergangene Einbeziehungsbeschluss der Strafkammer.
3
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung noch nach Beginn der Hauptverhandlung nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 1980 - 1 StR 213/79, BGHSt 29, 224; vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267, 268). Auch im Falle ihrer Nachholung ist die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage beim Landgericht von der großen Strafkammer stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung , mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen (§ 199 Abs. 1 StPO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG) zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 2011 - 1 StR 388/11, NStZ 2012, 50; vom 22. Juni 2010 - 4 StR 216/10, StraFo 2010, 424; vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05 aaO). Ergeht die Entscheidung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung , ist sie unwirksam. Dies gilt nicht nur bei einer Beschlussfassung in der reduzierten Hauptverhandlungsbesetzung nach § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 2011 - 1 StR 388/11 aaO; vom 22. Juli 2010 - 4 StR 216/10 aaO; Urteil vom 25. Februar 2010 - 4 StR 596/09 Rn. 12; Beschlüsse vom 13. Juni 2008 - 2 StR 142/08, NStZ 2009, 52; vom 16. Mai 2007 - 2 StR 154/07, StV 2007, 562), sondern in gleicher Weise auch für eine Eröffnungsentscheidung, die in der nach § 76 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgesehenen Besetzung für die Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen ergangen ist. Die verfahrensfehlerhafte Beteiligung der Schöffen berührt die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und kann sich im Einzelfall über das Mehrheitsverhältnis auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben.
4
Da die Entscheidung über die Zulassung der Anklage vom 21. Oktober 2013 zur Hauptverhandlung und die diesbezügliche Eröffnung des Hauptverfahrens ausweislich der Sitzungsniederschrift in laufender Hauptverhandlung durch die erkennende Strafkammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen erfolgt ist, erweist sich der Eröffnungsbeschluss als unwirksam.
5
Der im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes und der Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht ergangene Einbeziehungsbeschluss entfaltet ebenfalls keine Wirkungen. Der Einbeziehungsbeschluss nach § 266 Abs. 1 StPO, der von der Strafkammer in der Besetzung der Hauptverhandlung getroffen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2011 - 5 StR 327/11, BGHR StPO § 266 Einbeziehungsbeschluss 4), tritt zwar bei einer Nachtragsanklage an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2011 - 5 StR 327/11 aaO; vom 8. Februar 2011 - 4 StR 612/10 Rn. 4). Für einen solchen Einbeziehungsbeschluss war hier jedoch von vornherein kein Raum, weil es an einer Nachtragsanklage gemäß § 266 Abs. 1 StPO fehlte. Denn die Anklage vom 21. Oktober 2013 ist nicht mündlich in der Hauptverhandlung sondern entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2 StPO durch Einreichung einer Anklageschrift bei Gericht erhoben worden.

II.

6
Die sachlich-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils führt zu der Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen C I. 1 bis 27, C II. 28 bis 34 und C III. 35 der Urteilsgründe sowie zu einer Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich der Fälle C V. 37 und 38 sowie C V. 47 und 48 der Urteilsgründe.
7
1. Nach den Feststellungen plante der Angeklagte ab Ende 2009, eine aus sieben Windkrafträdern bestehende Windparkanlage zu errichten und zu betreiben. Die Errichtung der Anlage sollte durch die W. GmbH & Co. KG (Projektgesellschaft) erfolgen. Komplementärin der Projektge- sellschaft war die R. GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Zur Finanzierung des Windparkprojekts warb der Angeklagte um Investoren. Im Zeitraum vom 22. November 2009 bis 17. März 2010 gelang es dem Angeklagten mit Hilfe eines Werbeprospekts und vereinzelter persönlicher Gespräche in 27 Fällen von Anlegern Geld für stille Beteiligungen an der Projektgesellschaft unter Vereinbarung einer Verzinsung von 10 % p.a. und einer Kapitalrückzahlung zum 31. Dezember 2010 einzunehmen. Insgesamt erlangte er 636.000 € (Komplex C I. der Urteilsgründe). Nachdem der Angeklagte ab November 2009 Genussrechte an der R. GmbH in Höhe von insgesamt über 800.000 € ausgegeben hatte, begann er im März 2010, Genussrechte an der GmbH mit einem Zinssatz von 10 % p.a. und einer Laufzeit von drei Monaten anzubieten. Zu diesen Konditionen zeichneten Anleger in sieben Fällen Genussrechte in einer Höhe von insgesamt 160.000 € (Komplex C II. der Urteilsgründe). Keiner der Investoren erhielt das eingezahlte Kapital zurück, eine einmalige Zinszahlung erfolgte lediglich in einem Fall. Der Angeklagte hielt es für möglich, die Anlagen nicht fristgerecht und vollständig auszahlen zu können , und billigte dies, um das Windparkprojekt ohne Eigenkapital umsetzen zu können.
8
Im Juni 2010 erteilte der Angeklagte der Firma S. GmbH Aufträge zur Erstellung von Fundamenten und Kranstellplätzen sowie zum Ausbau von Wegen, wobei er auf Nachfrage mitteilte, dass die Finanzierung für das Projekt stehe. In Wahrheit war der Angeklagte weder persönlich noch über die Projektgesellschaft oder eine andere GmbH in der Lage, die Kosten für die in Auftrag gegebenen Arbeiten zu tragen. Auf die Schlussrechnung der S. GmbH vom 11. August 2010 über 564.000 € erfolgten aufgrund eines Ende 2011 geschlossenen Vergleichs Teilzahlungen in Höhe von ca. 120.000 € (Komplex C III. der Urteilsgründe).
9
2. Die Verurteilung wegen Betrugs bzw. versuchten Betrugs in den Fällen C I. 1 bis 27 und C II. 28 bis 34 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen eine Täuschung der Anleger durch den Angeklagten nicht ausreichend belegen.
10
Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90). Nach den Feststellungen erfolgte die Werbung von Investoren - von vereinzelten persönlichen Gesprächen abgesehen - unter Verwendung eines Werbeprospektes für die Beteiligung (Komplex C I. der Urteilsgründe) sowie durch persönliche Anschreiben und eine "Kurzvorstellung Beteiligung an der Komplementärin der Projektgesellschaft" (Komplex C II. der Urteilsgründe). Zu der näheren Ausgestaltung des Werbeprospekts verhalten sich die Urteilsgründe nur insoweit, als eine allgemein gehaltene Belehrung über die Risiken einer unternehmerischen Beteiligung zitiert und eine aus sich heraus unverständliche Prognoseberechnung mitgeteilt wird, die sich - so das Landgericht - dem Kontext des Prospekts nach auf die Projektgesellschaft beziehen soll. Einzelheiten zu der in den Unterlagen gegebenen Darstellung des zu finanzierenden Windparkprojekts stellt das Urteil weder zu dem Werbeprospekt noch hinsichtlich der Kurzvorstellung fest. Auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsschilderung kann daher nicht beurteilt werden, ob durch den Werbeprospekt und die Kurzvorstellung für die Anleger ein unzutreffendes Bild von den mit der konkreten Anlageentscheidung verbundenen Risiken gezeichnet wurde. Angesichts des Fehlens konkreter Feststellungen zum Inhalt der Unterlagen reichen auch die pauschalen Verweise der Strafkammer darauf, dass der Angeklagte nicht auf die Unvollständigkeit der Projektrechte und die Unterkapitalisierung des Projekts (Komplex C I. der Urteilsgründe) bzw. auf die aufgrund der schlechten Finanzlage der Komplementärin , der Nichtexistenz des Windparks und der Unvollständigkeit der Planungsunterlagen das Übliche übersteigende Gefährdung der Rückzahlungsansprüche (Komplex C II. der Urteilsgründe) hingewiesen habe, nicht aus, um eine Täuschung der Anleger hinreichend zu belegen. Schließlich hat die Strafkammer eine konkludente Erklärung des Angeklagten, nach seiner eigenen aufgrund einer gegenwärtigen Beurteilung der künftigen Verhältnisse begründeten Erwartung zur Rückzahlung der Anlagebeträge bei Fälligkeit in der Lage zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1984 - 2 StR 474/84, StV 1985, 188; Beschluss vom 10. April 1984 - 4 StR 180/84, wistra 1984, 223; Urteile vom 22. Oktober 1981 - 4 StR 429/81, wistra 1982, 66; vom 10. Januar 1964 - 4 StR 497/63, GA 1965, 208; vgl. Tiedemann in LK-StPO, 12. Aufl., § 263 Rn. 38 mwN) ebenso wenig erwogen wie eine - insbesondere im Komplex C 2. der Urteilsgründe angesichts des hohen Zinsversprechens in der Investitionsphase und der eher beiläufig festgestellten Gewährung eines nicht schriftlich dokumentierten Darlehens der Gesellschaft an den Angeklagten in Höhe von 1 Mio. Euro - nicht fernliegende Täuschung über eine tatsächlich nicht bestehende Rückzahlungsbereitschaft.
11
3. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Betrugs im Fall C III. 35 der Urteilsgründe hat das angefochtene Urteil keinen Bestand, weil den Feststellungen schon nicht zu entnehmen ist, wer Vertragspartner der GeschädigtenS. GmbH geworden ist, und damit unklar bleibt, über wessen Zahlungsfähigkeit nach Auffassung des Landgerichts getäuscht worden sein soll. Soweit die Strafkammer darauf verweist, dass nicht nur die Projektgesellschaft und eine weitere namentlich genannte GmbH sondern auch der Angeklagte persönlich nicht in der Lage war, die Kosten für die in Auftrag gegebenen Arbeiten zu tragen , entbehrt diese Feststellung einer nachvollziehbaren Begründung im Rah- men der Beweiswürdigung. Mit einer nach den festgestellten Umständen der Auftragserteilung durch den Angeklagten nicht ausgeschlossen erscheinenden Täuschung des Geschäftspartners über die Zahlungsbereitschaft hat sich die Strafkammer nicht näher auseinandergesetzt.
12
4. Die Annahme jeweils selbständiger, real konkurrierender Betrugstaten in den Fällen C V. 37 und 38 sowie C V. 47 und 48 der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen ist vielmehr davon auszugehen , dass der zweimalige Erwerb von Genussrechten durch die Geschädigten jeweils aufgrund derselben Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber den betreffenden Geschädigten erfolgte, so dass in den genannten Fällen jeweils nur eine einheitliche Betrugstat vorliegt.
13
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen von neun Monaten für die Tat C V. 38 der Urteilsgründe und von zehn Monaten für die Tat C V. 48 der Urteilsgründe. Die Einzelstrafen von neun Monaten und zehn Monaten, die für die Taten C V. 37 und 47 der Urteilsgründe verhängt worden sind, können in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als alleinige Einzelstrafen für die jeweils einheitlichen Betrugstaten bestehen bleiben.
14
5. Soweit der Angeklagte wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden ist, lassen die festgestellten Umstände auch ohne eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten sowie der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 547; Fischer, StGB, 62. Aufl., vor § 283 Rn. 9 b mwN) noch hinreichend erkennen, dass die vom Angeklagten als Geschäftsführer geleitete Gesellschaft WE. GmbH mit Fälligkeit der Vergleichsrate am 15. Juli 2012 zahlungsunfähig war. Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 230/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816B4STR230.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. August 2016 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte spätestens seit 2010 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Er interpretiert tatsächlich in seinem Bauchraum vorhandene Lipome als mit einem Seil verbundene, von äußeren Einflüssen und seinen Gedanken abhängige Krebsgeschwüre. Infolge seiner Erkrankung und des damit verbundenen Beeinflussungserlebens hat der Angeklagte Beeinträchtigungsideen und fühlt sich verfolgt. Des Weiteren besteht beim Angeklagten eine Polytoxikomanie mit schwerer Opiatabhängigkeit.
3
Im Sommer 2013 hatte der Angeklagte ein Fahrrad entwendet, ohne zu wissen, dass dieses der Mutter eines Bekannten gehörte. Als der Bekannte von dem Diebstahl Kenntnis erlangte, stellte er den Angeklagten zur Rede und forderte ihn zur Rückgabe auf. Nachdem das Angebot des Angeklagten, für das nicht mehr vorhandene gestohlene ein anderes Fahrrad zu übergeben, von der Mutter des Bekannten abgelehnt worden war, riefen die Mutter und der Bekannte selbst zuletzt am Vorabend des Tattags bei dem Angeklagten an und verlangten die Rückgabe des gestohlenen Fahrrads. Der Angeklagte fühlte sich durch die Anrufe unter Druck gesetzt und befand sich in der Vorstellung, er werde von seinem Bekannten und dessen Mutter regelrecht verfolgt.
4
Am 27. Juli 2013 gegen 20.20 Uhr verließ der Bekannte mit einem Begleiter seine Wohnung und begab sich auf die Straße. Als der Angeklagte, der sich zufällig an einem Kiosk in Sichtweite aufhielt, den Bekannten erblickte, erkannte er ihn und fühlte sich von diesem verfolgt. Noch unter dem Eindruck des vorabendlichen Anrufs meinte der Angeklagte, der Bekannte wolle ihn stellen und angreifen. Deshalb ergriff er einen auf dem Boden liegenden etwa 60 bis 80 cm langen dicken Ast und verbarg diesen unter der Jacke. Obwohl die beiden Männer sich ihm nicht näherten, wollte er die Sache nicht auf sich beruhen lassen und ging schnellen Schrittes aggressiv auf beide zu. Er schrie den Bekannten auf Russisch an, zog, als dieser ihm auf Russisch antwortete, unvermittelt den unter seiner Jacke verborgenen Ast hervor und schlug damit heftig mindestens zweimal auf den Kopf und in das Gesicht des Bekannten. Dabei zerbrach der Ast, der womöglich etwas morsch war, unter der Kraft der wuchtig geführten Schläge. Der Geschädigte, der infolge der Schläge kurz zu Boden ging, erlitt eine Platzwunde an der Lippe sowie eine Verletzung im Zahnbereich, die zum Verlust von drei Schneidezähnen führte. Der Angeklagte ließ sodann von dem Geschädigten ab und entfernte sich. Bei der Tat war der Angeklagte aufgrund der paranoid-halluzinatorischen Psychose nicht mehr in der Lage, sein Verhalten entsprechend der noch vorhandenen Unrechtseinsicht zu steuern (Tat II.1 der Urteilsgründe).
5
Am 31. August 2013 suchte der Angeklagte die Verkaufsräumlichkeiten der Firma K. in W. auf, entnahm der Auslage fünf Flaschen Wodka im Gesamtwert von 62,45 Euro, steckte sie in seine mitgeführte Tasche und passierte den Kassenbereich, ohne die Waren zu bezahlen. Dabei trug er in seinem Rucksack ein Einhandmesser mit 8,5 cm langer Klinge und in seiner Hosentasche ein Taschenmesser bei sich. Er hatte unter Suchtdruck nach Heroin vor, die Waren ohne Bezahlung für sich zu behalten und sie später gegen 1 g Heroin einzutauschen. Der Angeklagte war aufgrund des wegen seiner Polytoxikomanie und Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Suchtdrucks im Zusammenwirken mit der fortbestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose – bei sicher erheblich beeinträchtigtem Hemmungsvermögen – nicht ausschließbar nicht in der Lage, sein Verhalten entgegen der Einsicht in das Unrecht zu steuern (Tat II.2 der Urteilsgründe).

II.

6
Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
7
1. Wegen der Körperverletzungstat erhob die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 24. Juni 2014 Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter - Witten. Nachdem der Strafrichter das Verfahren am 10. September 2014 zur Übernahme vorgelegt hatte, übernahm das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten das Verfahren mit Beschluss vom 12. September 2014 und verband es mit dem dort anhängigen Verfahren, welches aufgrund der Anklageschrift vom 29. August 2014 die Tat II.2 der Urteilsgründe zum Gegenstand hatte. Am 12. September und 30. September 2014 ergingen acht weitere Beschlüsse, mit denen das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten jeweils die Übernahme von Verfahren hinsichtlich beim Amtsgericht - Strafrichter - Witten erhobener Anklagen und deren Verbindung zu dem beim Amtsgericht - Schöffengericht - Witten anhängigen Verfahren beschloss. Mit Beschluss vom 27. November 2014 ließ das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 29. August 2014 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Die weiteren Anklagen, einschließlich der Anklage vom 24. Juni 2014 bezüglich der Tat II.1 der Urteilsgründe, finden in dem Eröffnungsbeschluss vom 27. November 2014 keine Erwähnung. Insoweit sind auch später keine Eröffnungsentscheidungen ergangen.
8
2. Damit fehlt es für die Tat II.1 der Urteilsgründe an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung vom 27. November 2014 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage vom 29. August 2014 und nicht auf die Anklage vom 24. Juni 2014. Ihr kann, bezogen auf die Anklage vom 24. Juni 2014, auch nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts , die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN; vom 3. Mai 2001 - 4 StR 59/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 68; vom 5. Februar 1998 - 4 StR 606/97, BGHR StPO § 203 Beschluss 4). Dem Beschluss vom 27. November 2014, der sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die Anklage vom 29. August 2014 bezieht, ist aber mit der erforderlichen Sicherheit nicht zu entnehmen , dass das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten hinsichtlich der Anklage vom 24. Juni 2014 die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 27. November 2014 ergangenen Terminsverfügung die Ladung von zwei Zeugen zu dem mit Anklage vom 24. Juni 2014 erhobenen Tatvorwurf angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1987 - 3 StR 493/87, BGHR StPO § 203 Beschluss 1).
9
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; vom 15. Mai 1984 - 5 StR 283/84, NStZ 1984, 520; vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, DRiZ 1981, 343; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 207 Rn. 12 mwN; Seidl in KMR, § 203 Rn. 11 ff. [Stand Mai 2012]; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84 ff.).

III.

10
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der als Anlasstat verbleibenden Diebstahlstat am 31. August 2013 und der psychotischen Erkrankung des Angeklagten nicht tragfähig begründet ist.
11
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).

12
2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung des Angeklagten und der Diebstahlstat am 31. August 2013 (Tat II.2 der Urteilsgründe) nicht gerecht.
13
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZRR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoid-halluzinatorische Psychose des Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der Diebstahlstat am 31. August 2013 hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat in Rucksack und Hosentasche zwei Messer mit sich führte, lässt Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Tat durch die psychische Erkrankung des Angeklagten nicht zu. Soweit die Urteilsgründe in diesem Kontext auf psychosebedingte Verfolgungsideen des Angeklagten verweisen, entbehrt dies zudem einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Während der psychiatrische Sachverständige für seinen entsprechenden Befund die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. G. als Anknüpfungstatsachen herangezogen hat, geben die im Urteil wiedergegebenen Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung für ein nachhaltiges Verfolgungserleben des Angeklagten keinen Anhalt.
14
Schließlich vermag auch der zeitliche Zusammenhang mit der Tat am 27. Juli 2013 einen Einfluss der Psychose auf die Diebstahlstat nicht zu belegen. Denn das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperverletzungstat nicht hinreichend dargetan, dass die Tat auf die psychische Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen ist. Die Annahme einer psychotischen Tatmotivation hat die Strafkammer insbesondere darauf gestützt, dass das gewaltsame Vorgehen des Angeklagten, das nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um das Fahrrad gestanden habe, spontan ohne konkreten Anlass oder Auslöser erfolgt sei. Diese Ausführungen lassen sich indes ohne weitere, von der Strafkammer nicht angestellten Erwägungen mit den Feststellungen und dem weiteren Beweisergebnis nicht in Einklang bringen. Danach gab es im Vorfeld der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten eine Auseinandersetzung um die Rückgabe des entwendeten Fahrrads, die sich über längere Zeit hinzog und noch am Vorabend des Tattags zu einem Telefonanruf des Geschädigten beim Angeklagten führte. Unmittelbar vor dem Angriff mit dem Ast kam es zu einem lautstarken Wortwechsel, bei welchem es nach der Zeugenaussage des Begleiters des Geschädigten in der Hauptverhandlung um ein Fahrrad ging. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Möglichkeit, dass der tätliche Angriff des Angeklagten auf den Geschädigten durch den Streit um die Rückgabe des Fahrrads motiviert und damit auf einen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund zurückzuführen war, nicht nachvollziehbar ausgeschlossen.
15
3. Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 Rn. 18, insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt

).

Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 133/18
vom
5. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:050618B5STR133.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. November 2017 wird
a) das Verfahren hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) die Einziehungsentscheidung dahingehend geändert, dass die Einziehung des Wertes des Tatertrages in Höhe von 1.747,06 Euro angeordnet ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen ; der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 4.497,06 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe liegt kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor, weil die Entscheidung nicht in der gesetzlich bestimmten Besetzung getroffen worden ist. Dies führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 212).
3
Nach § 76 Abs. 1 GVG beschließt die große Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden; die Schöffen wirken an der Entscheidung nicht mit (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG). Dagegen hat die Strafkammer verstoßen, indem sie das Hauptverfahren in der hinzuverbundenen Strafsache (Tat II.2 der Urteilsgründe) in der Hauptverhandlung wegen der Tat II.1 der Urteilsgründe in der dafür gemäß § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG beschlossenen Besetzung mit zwei Richtern unter Mitwirkung der Schöffen eröffnet hat. Der Eröffnungsbeschluss ist daher unwirksam; das Verfahren ist insoweit einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250).
4
Die Entscheidung erübrigt sich nicht deshalb, weil die Strafkammer hinsichtlich der Tat in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren ist. Denn mangels wirksamer Eröffnungsentscheidung war diese Tat nicht Gegenstand des Hauptverfahrens. Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist daher unwirksam (vgl. für das Verfahrenshindernis einer unwirksamen Anklage BGH, Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).
5
2. Die Verfahrenseinstellung führt zur Aufhebung der Einziehung des Wertes des Tatertrages, soweit die Strafkammer die Anordnung auf Tat II.2 der Urteilsgründe gestützt hat.
6
Zwar ist es rechtlich zulässig, in der Hauptverhandlung vom subjektiven in das objektive Verfahren überzugehen, um bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO den Tatertrag gemäß § 76a Abs. 3 StGB selbständig einzuziehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Tat überhaupt Gegenstand des Verfahrens ist. Dies war hier mangels wirksamer Eröffnung des Hauptverfahrens nicht der Fall.
7
Es kommt daher nicht darauf an, dass – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zu Recht hinweist – es zudem an dem nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Antrag der Staatsanwaltschaft fehlt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 435 Rn. 19).
Sander Schneider König
Berger Köhler

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

11
3. Die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens zieht nicht die Aufhebung des allein auf den Raubvorwurf gründenden Haftbefehls durch den Senat gemäß § 126 Abs. 3, § 120 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Var. 3 StPO nach sich, weil die Verfahrenseinstellung ihrer sachlichen Bedeutung nach nur vorläufigen Charakter hat (BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 1999 - 3 StR 153/99, NStZ 1999, 520, 521; vom 29. November 1994 - 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).