Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2014 - 4 StR 176/14

published on 02/07/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2014 - 4 StR 176/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR176/14
vom
2. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19. September 2013, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Wohnungseinbruchdiebstahls in zwölf Fällen und der Beihilfe zum Wohnungseinbruchdiebstahl schuldig ist;
b) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II.1 bis 7 und 10 bis 14 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in 19 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und in deren Folge zu einer Teilaufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangenen Wohnungseinbruchdiebstahls im Fall II.1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand. Die zu diesem Fall getroffenen Feststellungen, nach denen der Angeklagte entsprechend einer tags zuvor erfolgten Verabredung die Täter eines Wohnungseinbruchdiebstahls ohne feststellbare Beteiligung an der Tatbeute mit seinem Pkw in die Nähe des Tatortes fuhr, sie dort absetzte und einen der Täter nach der Tat wieder abholte, belegen – anders als in den weiteren abgeurteilten Fällen , in denen die Strafkammer mit rechtsfehlerfreien Erwägungen eine mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten angenommen hat – lediglich die Förderung fremden Tuns. Umstände, die nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – 2 StR 395/12, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 36; Urteil vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291) bei wertender Betrachtung für eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an dieser Tat sprechen könnten , lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
3
2. Die Annahme von jeweils selbständigen, real konkurrierenden Taten des Wohnungseinbruchdiebstahls in den Fällen II.2 und 3, II.5 bis 7, II.10 und 11 sowie II.12 bis 14 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
4
Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen , bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.; Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641).
5
In den Fällen II.2 und 3, II.5 bis 7, II.10 und 11 sowie II.12 bis 14 der Urteilsgründe hat die Strafkammer eine individuelle, nur jeweils diese Taten fördernde Mitwirkung des Angeklagten nicht festgestellt. Sein Tatbeitrag erschöpft sich nach der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil vielmehr jeweils darin, seinen Tatgenossen an den verschiedenen Tattagen mit dem Pkw in zur Begehung von Einbruchstaten geeignet erscheinende Wohngebiete zu fahren, ihn dort abzusetzen und nach Begehung von mehreren Einbrüchen in Wohnungen in Tatortnähe wieder abzuholen. Die Fälle II.2 und 3, II.5 bis 7, II.10 und 11 sowie II.12 bis 14 der Urteilsgründe, in denen der vom Angeklagten in Tatortnähe abgesetzte und später wieder abgeholte Tatgenosse jeweils zwei bzw. drei Wohnungseinbrüche beging, sind daher für den Angeklagten konkurrenzrechtlich jeweils zu einheitlichen Taten des Wohnungseinbruchdiebstahls zusammenzufassen.
6
3. Da ergänzende tatsächliche Feststellungen, welche eine mittäterschaftliche Tatbegehung im Fall II.1 der Urteilsgründe oder eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7
Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1 bis 7 und 10 bis 14 sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Die den aufgehobenen Einzelstrafaussprüchen und der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter bleiben möglich. Der Senat weist darauf hin, dass die für die konkurrenzrechtlich einheitlichen Taten des Wohnungseinbruchdiebstahls neu festzusetzenden Einzelstrafen auf Grund des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO die Summe der bisherigen Einzelstrafen, die im angefochtenen Urteil jeweils für die fehlerhaft als selbständige Taten bewerteten Fälle verhängt worden sind, nicht übersteigen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12 mwN; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 358 Rn. 30 mwN).
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.