Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2019 - 4 StR 147/19

bei uns veröffentlicht am14.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 147/19
vom
14. August 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:140819B4STR147.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 6. August 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge in weiterer Tateinheit mit versuchtem Mord, versuchtem Raub mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es festgestellt, dass seine Schuld besonders schwer wiegt, und eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

2
1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer bei der Bestimmung der Erfolgsaussicht gemäß § 64 Satz 2 StGB von einem unrichtigen Maßstab ausgegangen ist.
3
a) Gemäß § 64 Satz 2 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Verurteilten innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen. Sofern sich dies nicht von selbst versteht, ist es dazu erforderlich, unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums der Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die dafür sprechen, dass es innerhalb eines zumindest „erheblichen“ Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 4 StR 54/18, Rn. 17; Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13, NStZ 2014, 203, 205 mwN). Die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung vermag die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2018 – 1 StR 51/18, NStZ-RR 2018, 275, 276 mwN). Notwendig, aber auch ausreichend, ist eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs; einer sicheren oder unbedingten Gewähr bedarf es nicht (vgl. BT-Drucks. 16/1110, 13).
4
b) Diesen Maßstab hat die Strafkammer ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Obgleich die Sachverständige mit Rücksicht auf die Lebenssi- tuation des Angeklagten, seine Vorstrafen und seine durch ausgeprägte dissoziale Anteile bestimmte Persönlichkeit eine konkrete Erfolgsaussicht verneint hatte, hat die Strafkammer hiervon abweichend die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB bejaht. Dabei hat sie zur Begründung ausgeführt, dass eine „Therapie nicht als von vornherein ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg“ sei (UA 196), weil der Angeklagte nicht erklärt habe, sich einer Therapie verweigern zu wollen, er bislang noch keine Therapie gemacht habe, er sich noch nicht in einem Alter befinde, in dem ein Therapieerfolg wenig wahrscheinlich sei, und seine Therapiebereitschaft weckbar erscheine (UA 197). Damit hat die Strafkammer ersichtlich schon eine (noch) nicht von vornherein bestehende Aussichtslosigkeit eines Therapieerfolges für eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB ausreichen lassen. Dies entspricht seit der Änderung des § 64 StGB durch Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1327; vgl. dazu Fischer, StGB, 66. Aufl., § 64 Rn. 18a) nicht mehr der Gesetzeslage.
5
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
6
2. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Anzumerken ist lediglich das Folgende:
7
Soweit der Angeklagte die „nicht sachgerechte“ Ablehnung seines Antrags auf Inaugenscheinnahme der Zugangszelle 1 der JVA Bochum rügt (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt B. vom 28. November 2018, Seite 10 ff.), vermag er keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO liegt schon deshalb nicht vor, weil dem Antrag keine bestimmte Tatsachenbehauptung zugrunde lag, sodass es sich nicht um einen Beweisantrag handelte, der nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 und 4 StPO abgelehnt werden durfte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 3 StR 365/11, NStZ 2012, 280; Urteil vom 6. November 1984 – 5 StR 628/84, NStZ 1985, 204, 206 bei Pfeiffer mwN). Über den Antrag war danach allein unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu entscheiden. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin Feilcke Bartel

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

17
aa) Nach § 64 Satz 2 StGB ergeht diese Anordnung nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Sofern sich dies nicht von selbst versteht, ist es daher erforderlich , unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums der Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die dafür sprechen, dass es innerhalb eines zumin- dest „erheblichen“ Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird(vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13, NStZ 2014, 203, 205; Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48 f. mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 4 9 6 / 1 3
vom
16. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 wird
a) das Urteil im Fall II.1. der Entscheidungsgründe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit den Feststellungen aufgehoben,
b) die Verfolgung im Fall II.2. gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Körperverletzung beschränkt ,
c) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2. der Körperverletzung und im Fall II.3. der besonders schweren sexuellen Nötigung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. III. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Nötigung , (vorsätzlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 28. März 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt; sie beanstandet mit der Sachrüge, dass das Landgericht nicht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat - nach einer Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO - hinsichtlich der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, des Gesamtstrafenausspruchs sowie der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der Angeklagte im Juni 2002 nach Deutschland ein. Aus Langeweile und Frustration trank er - weiter gehend als noch in Kasachstan - nunmehr täglich Alkohol (Wodka und Bier) und begann, Haschisch und Heroin zu konsumieren. Wegen einer am 15. November 2002 unter Alkoholeinfluss (die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration des Angeklagten betrug 3,27 Promille) begangenen Vergewaltigung wurde er am 12. November 2003 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er voll verbüßte. Während der Strafhaft war der Angeklagte , bei dem ein Sachverständiger einen Mehrfachsubstanzmissbrauch festgestellt hatte, zu therapeutischen Gesprächen nicht bereit und nahm weiterhin Heroin und Haschisch zu sich. Dies führte am 27. Januar 2006 zu einer Verurteilung zu einer - ebenfalls voll verbüßten - einmonatigen Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Nach der Entlassung aus der Strafhaft setzte der Angeklagte bereits nach kurzer Zeit den Konsum von Heroin und Alkohol auch während der nunmehr angeordneten Führungsaufsicht fort. Wegen bereits ab Ende Oktober 2008 begangener Beschaffungstaten wurde er am 27. Mai 2009 wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auch diese Strafe verbüßte der Angeklagte voll, wobei er während der Haft mit Methadon substituiert wurde. Eine bewilligte Drogenentwöhnungstherapie nach § 35 BtMG trat er nicht an; auch im Übrigen war er nicht gesprächs- und therapiebereit. Während der nach seiner Haftentlassung am 30. April 2012 angeordneten Führungsaufsicht wurde der Angeklagte auf sein Bemühen hin am 23. Juli 2012 zur Durchführung einer Langzeittherapie in die "Wohngemeinschaft " aufgenommen. Da er mit den strengen Regeln der Therapieeinrichtung nicht zu Recht kam und den Entzug von Methadon und Alkohol nicht aushielt, er aber die Einnahme von Medikamenten ablehnte, verließ er die Einrichtung - unter Verstoß gegen ihm im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisungen - eigenmächtig bereits am 31. Juli 2012. Am nächsten Tag meldete er sich in alkoholisiertem Zustand bei seinem Bewährungshelfer und sprach in der Folge wieder verstärkt dem Alkohol zu; eine Entwöhnungstherapie strebte er nicht mehr an. Wegen am 17. Juli 2012 und ab dem 8. August 2012 begangener Beschaffungs- und weiterer Taten wurde er schließlich am 11. Dezember 2012 vom Amtsgericht Detmold wegen Diebstahls in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die das Landgericht Detmold auf die Berufung des Angeklagten hin mit Urteil vom 28. März 2013 auf acht Monate ermäßigte.
3
2. Zu den abgeurteilten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
(1.) Im Rahmen der nach Vollverbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. Mai 2009 angeordneten Führungsaufsicht war dem Angeklagten unter anderem auferlegt worden, zur Überwachung seines Aufenthalts eine elektronische "Fußfessel" zu tragen. Mit deren Hilfe konnte sein Aufenthaltsort nach dem - weisungswidrigen - Verlassen der Therapieeinrichtung am 31. Juli 2012 festgestellt werden. Nachdem Polizeibeamte vergeblich versucht hatten, ihn aufzusuchen, durchtrennte ein Freund des Angeklagten mit dessen Einverständnis das Befestigungsband des Überwachungsgeräts, so dass dieses anschließend nicht mehr funktionsfähig war und der Aufenthaltsort des Angeklagten nicht mehr festgestellt werden konnte. In der Folge betrank sich der Angeklagte mehrfach (wodurch er sich gut fühlte) und wurde schließlich in ebenfalls alkoholisiertem Zustand von Polizeibeamten im Stadtpark aufgegriffen.
5
(2.) Im Januar 2013 hatte sich der Angeklagte "wiederum in Alkohol und Kokain geflüchtet"; das zu Beginn des Monats ausbezahlte Arbeitslosengeld hatte er bereits am 10. Januar vollständig - hauptsächlich für Alkohol und Drogen - ausgegeben. Nachdem er am Abend dieses Tages mit einem Freund eine Flasche Wodka konsumiert hatte, entschloss er sich, bei einem Bekannten eine von diesem versprochene, aber noch nicht geleistete Zahlung einzutreiben, um dafür unter anderem Drogen und Alkohol zu kaufen. Als dieser sich weigerte, ihm Geld zu geben, versetzte ihm der Angeklagte mehrere kräftige Schläge, die ihn zu Fall brachten. Der Lebensgefährtin des Opfers, der Zeugin L. , gelang es schließlich, den Angeklagten in ein Gespräch zu verwickeln. Während dessen konnte das Opfer in ein anderes Zimmer flüchten.
6
(3.) Nunmehr entschloss sich der Angeklagte, der Zeugin "sexuell näher zu kommen". Um den sicher erwarteten Widerstand der Zeugin mit einer "eindrucksvollen Drohung abzuwenden", nahm er ein Küchenmesser und hielt es ihr an den Hals. Sodann griff er unter ihr Kleid, "fasste ihr über dem Slip in den Schritt und streichelte schließlich ihre Brüste". Dies ließ die Zeugin aus Angst vor dem Einsatz des - vom Angeklagten inzwischen abgelegten - Messers geschehen , jedoch weigerte sie sich, der Aufforderung des Angeklagten nachzukommen , sich auszuziehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und verließ die Wohnung.
7
Die Strafkammer bewertete diese Taten als schwere sexuelle Nötigung, (vorsätzliche) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht. Im Fall 3 verhängte sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, im Fall 2 eine solche von einem Jahr und im Fall 1 eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10 EUR. Hinsichtlich der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bejahte sie die Erfolgsaussichten, weil der Angeklagte sowohl unter der Führungsaufsicht als auch in der Hauptverhandlung gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei. Sein Verhalten im Rahmen der abgeur- teilten Sexualstraftat habe zudem gezeigt, dass er die sicher vorhandenen dissozialen Persönlichkeitszüge überwinden könne.
8
Den für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung erforderlichen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vermochte die Strafkammer - entgegen dem von ihr beigezogenen Sachverständigen - nicht festzustellen. Zudem sei die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht verhältnismäßig und die Unterbringung nach § 64 StGB, die "Aussicht auf Erfolg" habe, vorrangig.

II.


9
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat im Fall II.1. der Urteilsgründe, hinsichtlich der vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Im Fall II.2. der Urteilsgründe beschränkt der Senat zudem die Verfolgung auf den Vorwurf der Körperverletzung.
10
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) besteht zwar seit dem 1. Januar 2011 die Möglichkeit, im Rahmen der Führungsaufsicht eine elektronische Überwachung des Aufenthaltes einer verurteilten Person durchzuführen ("elektronische Fußfessel", § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB). Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB ist eine solche Weisung unter anderem aber nur dann zulässig, wenn sie erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Abs. 4 Satz 2 StPO, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art abzuhalten.
12
b) Dies ist - jedenfalls bislang - nicht hinreichend belegt.
13
Der Zweck einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB - eine Weisung nach dessen Nummer 2 wurde dem Angeklagten nicht erteilt - besteht zum einen in der erleichterten Kontrolle durch die Aufsichtsstelle, zum anderen in der Vermeidung einer kriminellen Gefährdung, der der Verurteilte außerhalb seines Wohn- oder Aufenthaltsbereichs ausgesetzt ist (BT-Drucks. 17/3403 S. 38). Auf eine solche kriminelle Gefährdung des Angeklagten außerhalb des Aufenthaltsbereichs "Kreis Lippe" und damit auch eine spezialpräventive Wirkung der Aufenthaltsüberwachung hat indes weder die Strafvollstreckungskammer noch die erkennende Strafkammer abgestellt. Angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den Umständen der hier abgeurteilten wie auch der vorangegangenen Straftaten des Angeklagten liegt es fern, dass deren Begehung dadurch hätte verhindert werden können, dass der Angeklagte den Kreis Lippe nicht verlassen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 3 StR 439/10, NStZ-RR 2011, 244). Denn die Tatorte der nunmehr sowie der im Jahr 2012 abgeurteilten Straftaten befanden sich stets in Detmold, also inmitten des Kreises Lippe.
14
2. Auf die Revision des Angeklagten beschränkt der Senat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts aus den von diesem in der Antragsschrift vom 13. November 2013 dargelegten Gründen auf den Vorwurf der (vorsätzlichen) Körperverletzung.
15
3. Im verbleibenden Umfang weisen die Schuld- und Einzelstrafaussprüche keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dagegen kann die von der Strafkammer insbesondere mit der hohen Rückfallgeschwindigkeit begründete Gesamtstrafe nach der Aufhebung der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht keinen Bestand haben.
16
Der Senat schließt jedoch aus, dass der Tatrichter im Fall II.2. der Urteilsgründe eine geringere als die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr festgelegt hätte, wenn er den Angeklagten allein wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung verurteilt hätte. Denn die Strafkammer hat die Strafe zutreffend dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB entnommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitlich angenommene versuchte Nötigung nicht strafschärfend berücksichtigt.
17
Im Fall II.3. der Urteilsgründe berichtigt der Senat zudem den Schuldspruch. Unter den vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB lautet dieser selbst dann auf "besonders schwere sexuelle Nötigung", wenn - wie hier - ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 5 StGB bejaht wird (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 177 Rn. 78a; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 jeweils mwN).
18
4. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Denn die Annahme des Landgerichts, diese habe hinreichende Erfolgsaussichten, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
19
a) Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist an die Voraussetzung geknüpft, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 2008 - 2 BvR 573/08 [juris Rn. 2]; vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12 [juris Rn. 28] jeweils mwN). Erforderlich ist deshalb jedenfalls in Fällen, in denen sich dies angesichts der Feststellungen nicht von selbst versteht , die Darlegung im Urteil, dass sich unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums seiner Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember2012 - 4 StR 453/12) in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkret zu benennende Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass es innerhalb eines zumindest "erheblichen" Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48; vom 16. September 2008 - 5 StR 378/08; vom 13. Januar 2010 - 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141; sowie vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11).
20
b) Die auf dieser Grundlage gebotene Gesamtwürdigung konkret festgestellter Umstände lässt das landgerichtliche Urteil vermissen.
21
Vielmehr verweist die Strafkammer lediglich darauf, dass eine in früheren Urteilen als möglich angesehene hirnorganische Persönlichkeitsveränderung beim Angeklagten auf von diesem frei erfundenen Angaben beruht habe und mangelnde Therapiebereitschaft nicht mehr zu sehen sei, sondern der Angeklagte gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei (UA S. 25). Unerörtert geblieben sind hingegen der langjährige, teilweise in der Strafhaft fortgesetzte oder unmittelbar anschließend wieder begonnene, bereits mit einer "süchtigen Abhängigkeit" (UA S. 24) verbundene Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten, ferner der Umstand, dass er bereits mehrere Substitutionsund Therapieangebote erfolglos durchlaufen, abgelehnt oder nach wenigen Tagen abgebrochen hat. Im Hinblick auf dieses frühere Verhalten des Angeklagten wäre es für die Annahme eines die Behandlung im Maßregelvollzug erheblich überdauernden Therapieerfolgs zudem geboten gewesen, sich mit der Ernsthaftigkeit und dem Grad der Therapiewilligkeit des Angeklagten auseinanderzusetzen.
22
c) Der Senat schließt angesichts der vom Landgericht angeführten Strafzumessungserwägungen aus, dass dieses in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ohne die angeordnete Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese können daher Bestand haben.
23
Ergänzend weist der Senat den neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter darauf hin, dass es an den Erfolgsaussichten fehlt, wenn eine erfolgreiche Therapie länger als zwei Jahren andauern müsste (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12 mwN; zum Einfluss einer Persönlichkeitsstörung auf die Erfolgsaussichten einer Therapie: Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 4 StR 455/11 [juris Rn. 12]).

III.


24
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Dies - aus den oben dargelegten Gründen - nicht nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO), soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde,sondern - insofern in vollem Umfang - auch zum Nachteil des Angeklagten. Denn die Erwägungen, mit denen die Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, halten der Überprüfung nicht stand.
25
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht auf die Nicht-Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Es richtet sich vielmehr ausdrücklich gegen den gesamten Rechtsfolgenausspruch, wodurch der aus § 72 StGB herzuleitenden Verknüpfung der Maßregeln nach § 64 und § 66 bzw. § 66a StGB Rechnung getragen wird, die nicht losgelöst voneinander geprüft und beurteilt werden können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12, sowie unten 4.).
26
2. Soweit das Landgericht bereits wegen des Vorrangs der Maßregel des § 64 StGB und der daraus von ihm hergeleiteten Unverhältnismäßigkeit der den Angeklagten ungleich schwerer belastenden Sicherungsverwahrung von deren Anordnung abgesehen hat (UA S. 27), hat schon die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zur Folge, dass die Nicht-Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben kann.
27
a) Erweist sich die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich einer angeordneten Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107). Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, wenn also das Landgericht - wie hier - von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr schon durch die Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB und eine erfolgreiche Therapie begegnet werden kann.
28
b) Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der Prüfung des § 72 Abs. 1 StGB von einem falschen Maßstab ausgegangen ist:
29
Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 19]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204 jeweils mwN). Unsicherheiten über den Erfolg der milderen Maßnahme müssen dagegen - bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen - zur kumulativen Anordnung der Maßregeln führen (§ 72 Abs. 2 StGB; vgl. auch BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 24]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 jeweils mwN).
30
Ein solches hohes Maß an prognostischer Sicherheit des Erfolges der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird von der insoweit vom Landgericht allein angeführten Erwägung, "die durchzuführende Ent- wöhnungstherapie … [habe] Aussicht auf Erfolg" (UA S. 27) nicht belegt.
31
3. Auch die Ablehnung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch die Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
32
a) Diese stützt das Landgericht - abweichend vom Sachverständigen - zum einen insbesondere darauf, dass den früher vom Angeklagten begangenen (Sexual- und Gewalt-)Straftaten kein Symptomwert für einen jetzt bestehenden Hang zu entnehmen sei, da es sich um lange zurückliegende Spontan- bzw. Beschaffungstaten gehandelt habe. Zum anderen sei bei den nunmehr abgeurteilten Taten das Maß der angewendeten Gewalt wesentlich geringer gewesen; der Angeklagte habe "eine Entwicklung weg von der Gewalt durchgemacht" und es sei eine "abnehmende Intensität seiner Taten" festzustellen (UA S. 26).
33
Abgesehen davon, dass die Strafkammer hierbei die mehrjährigen Strafverbüßungen durch den Angeklagten nicht berücksichtigt hat und der Senat angesichts der zu erheblichen Verletzungen führenden Misshandlungen im Fall II.2. sowie der Bedrohung mit dem Messer (am Hals des Opfers) im Fall II.3. der Urteilsgründe eine abnehmende Intensität der Taten nicht zu erkennen vermag, hat die Strafkammer nicht bedacht, dass die Neigung immer wieder straffällig zu werden, wenn sich die Gelegenheit bietet, auch bei sogenannten Gelegenheits- und Augenblickstaten zu bejahen sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]; vom 17. November 2010 - 2 StR 356/10, NStZ-RR 2011, 77 jeweils mwN). Die Anwendung des § 66 oder des § 66a StGB unter dem Gesichtspunkt des Spontan- oder Gelegenheitscharakters der Tat ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 - 5 StR 316/06, NStZ 2007, 114). Dies hat das Landgericht weder festgestellt noch drängt es sich in einem Maße auf, dass es der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen kann.
34
b) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vor- behalts erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten nicht bereits dann ausscheidet, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht; denn auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204; vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]).
35
4. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs , da der Senat nicht von vorneherein ausschließen kann, dass der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vorbehalts geringere Einzelstrafen oder eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängen wird.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 51/18
vom
28. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280518U1STR51.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 2017 im Maßregelausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei einem Vorwegvollzug der Strafe im Umfang von zwei Wochen angeordnet worden.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision ausschließlich gegen die Anordnung der Maßregel. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte, der an einer Abhängigkeit von synthetischen Cannabinoiden und Methamphetamin sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet, zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Anfang Dezember 2014 und Ende Januar 2015 in seiner Wohnung 350 g Methamphetamin. Davon waren 90 % für den gewinnbringenden Weiterverkauf und die übrigen 10 % für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt.
4
Gegen ihn war in der Vergangenheit bereits zweimal neben Verurteilungen zu mehrjährigen Jugend- bzw. Freiheitsstrafen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und vollstreckt worden. Beide damit verbundenen Therapien verliefen im Ergebnis erfolglos. Nach Durchlaufen einer ersten Entzugstherapie von 2009 bis 2011 wurde der Angeklagte bereits während der Nachsorgephase erneut rückfällig. Nachdem es ihm zunächst noch gelungen war, durch Terminverschiebungen von Drogenscreenings den wieder beginnenden Betäubungsmittelkonsum zu verheimlichen, steigerte sich dieser nach dem Ende der Nachsorgephase weiter. 2013 erfolgte aufgrund einer Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten die erneute Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Obwohl der Angeklagte während dieses Maßregelvollzugs im Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2015 mehrfach gewährte Lockerungen missbraucht hatte, setzte das zuständige Vollstreckungsgericht im Juli 2015 den Vollzug sowohl der Reststrafe aus der genannten Verurteilung als auch den der Maßregel des § 64 StGB zur Bewährung aus und ordnete Führungsaufsicht an. Später kam es zum Widerruf der Aussetzung beider Freiheitsentziehungen , weil sich der Drogenkonsum des Angeklagten verstärkt und er sich sowohl der Bewährungs- als auch der Führungsaufsicht entzogen hatte. Im September 2016 wurde die Unterbringung für erledigt erklärt. Seitdem wird die 2013 gegen den Angeklagten neben der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat teils entgegen den Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen die Voraussetzungen des § 64 StGB bejaht. Auch unter Berücksichtigung gewichtiger prognostisch ungünstiger Umstände bei dem Angeklagten bestünden hinreichend konkrete Aussichten auf einen Therapieerfolg.

II.

6
Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Anordnung der Maßregel beschränkt. Über diese kann unabhängig vom Schuld- und Strafausspruch entschieden werden. Insbesondere hat das Landgericht keine Verknüpfung zwischen der Strafe und der Maßregelentscheidung hergestellt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 12 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2016, 113 f.] mwN), was rechtlich regelmäßig auch nicht tragfähig wäre (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28 [insoweit nicht abgedruckt in StV 2017, 29] und vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206).
8
2. Die Prognose des Landgerichts, bei dem Angeklagten bestehe die erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB), enthält auch unter Berücksichtigung des dem Tatrichter dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (BGH, Beschluss vom 13. September 2005 – 3 StR 276/05 mwN; siehe auch Urteil vom 27. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NStZ 2000, 587, 588 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose bei § 66 StGB]) der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugängliche und durchgreifende Rechtsfehler.
9
a) Das Urteil enthält Darlegungsmängel im Hinblick auf das eingeholte Gutachten, in dem der psychiatrische Sachverständige – ausweislich der Wiedergabe im Urteil – die näher begründete Einschätzung abgegeben hat, angesichts der vorliegenden gewichtigen prognoseungünstigen Faktoren sei im Vergleich mit anderen Probanden des Maßregelvollzugs von einer unterdurchschnittlichen Erfolgsaussicht auszugehen. Es bestehe eine große Gefahr, dass es in der Lockerungsphase des Maßregelvollzugs – wie in der Vergangenheit – zu Rückfällen und Straftaten des Angeklagten kommen werde (UA S. 16).
10
aa) Zwar war das Landgericht an einer vom Gutachten abweichenden Beurteilung des hinreichend konkreten Therapieerfolges nicht grundsätzlich gehindert, weil die gutachterlichen Ausführungen stets lediglich eine Grundlage der eigenen richterlichen Überzeugungsbildung sind (siehe nur BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 368/17 Rn. 11 [NStZ-RR 2018, 85 nur redak. Leitsatz]). Will das Tatgericht allerdings in einer Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat oder deren Inanspruchnahme – wie im Fall des § 246a StPO – gesetzlich vorgeschrieben ist, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlauben, ob es die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen zu den Gesichtspunkten, auf die das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht gründet seine Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs vor allem auf den von ihm angenommenen ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten und dessen Verhalten im Freiheitsstrafenvollzug (UA S. 17 f.). Es lässt sich dem Urteil allerdings bereits nicht entnehmen, ob der psychiatrische Sachverständige beide Aspekte seiner gutachterlichen Stellungnahme zugrunde gelegt und dennoch keinen hinreichend sicheren Therapieerfolg zu prognostizieren vermochte. Falls diese Umstände im Gutachten Berücksichtigung gefunden haben sollten, hätte es Ausführungen dazu bedurft, warum das Landgericht diesen abweichend vom Gutachter ausreichendes Gewicht zumisst, um von den Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB ausgehen zu können.
12
b) Darüber hinaus weist das Urteil Rechtsfehler bei den der Prognose zugrunde gelegten prognoserelevanten Anknüpfungstatsachen auf.
13
Soweit das Landgericht annimmt, ungeachtet des bisherigen zweimaligen Versagens des Angeklagten jeweils in der Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphase des Vollzugs von Maßregeln gemäß § 64 StGB sei bei einem diese Schwierigkeiten in den Blick nehmenden therapeutischen Konzept eine Stabilisierung des Angeklagten erreichbar (UA S. 16), fehlt es dafür an tragfähigen Anknüpfungstatsachen.
14
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für sanktionsrechtliche Prognoseentscheidungen , zu denen diejenige über den hinreichend konkreten Therapieerfolg gemäß § 64 Satz 2 StGB gehört, ist der der tatrichterlichen Hauptverhandlung (BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03 und vom 3. August2017 – 4 StR 193/17, StraFo 2017, 426 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB] mwN). Die vom Tatrichter als prognostisch bedeutsam bewerteten Umstände müssen zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Noch ungewisse positive Verän- derungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen während des Vollzugs der fraglichen Maßnahme genügen als tragfähige Anknüpfungstatsachen nicht (vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11 Rn. 12, [in NStZ-RR 2012, 272 nur redak. Leitsatz] und vom 22. Oktober 2015 – 4 StR 275/15, NStZ 2016, 337 mwN). Entsprechend vermag auch die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141, 142).
15
bb) Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten, im Urteilszeitpunkt vorliegenden Umstände das Landgericht von dem Vorhandensein eines derartigen therapeutischen Konzepts sowie dessen erfolgversprechender Anwendung auf den Angeklagten ausgeht. Nähere Darlegungen dazu waren wegen des früheren Verhaltens des Angeklagten im Vollzug der Maßregel des § 64 StGB rechtlich geboten. Wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt und vom Landgericht an sich nicht verkannt wird, war der Angeklagte bereits in der Nachsorgephase seiner ersten Unterbringung gemäß § 64 StGB rückfällig geworden, hatte dies aber zunächst durch Verschiebungen der Termine von Drogenscreenings zu verheimlichen vermocht (UA S. 3). Während des zweiten Maßregelvollzugs kam es in der Entlassungsphase zu einem Rückfall des Angeklagten in Drogenkonsumverhalten. Selbst nachdem dies aufgefallen und die bereits vorgesehene Entlassung zunächst nicht erfolgte, kam es zu weiterem Lockerungsmissbrauch (UA S. 5). Obwohl eine „therapeutische Aufarbeitung“ des Rückfalls stattgefunden und es an- schließend – wie angesprochen – zu bewährungsweiser Aussetzung des Vollzugs von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehender Maßregel kam, entzog sich der Angeklagte der damit einhergehenden Aufsicht (UA S. 7).
16
Auch soweit das Landgericht einen prognostisch günstigen Umstand in dem guten Arbeitsverhalten des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt sehen möchte (UA S. 17 f.), erweist sich diese Erwägung angesichts der festgestellten sonstigen persönlichen Umstände wiederum als so nicht tragfähig. Ausweislich der Urteilsfeststellungen und der Wiedergabe des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen hat der Angeklagte während der früheren Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt den stationären Teil in beiden Fällen durchgestanden. Rückfälle sind jeweils in den Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphasen aufgetreten. Dies passt zu den Ausprägungen, wie sich ebenfalls aus den im Urteil dargelegten Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, die damit einhergehenden gewährten Freiheiten auszunutzen und Straftaten zu verüben (UA S. 16). Angesichts dessen hätte es belastbarer Anknüpfungstatsachen bedurft, um dem Verhalten des Angeklagten unter den Bedingungen des Freiheitsstrafenvollzugs prognostisch Aussagekraft für die nicht stationären Phasen des Maßregelvollzugs zuzumessen. Das gilt in Bezug auf die vom Landgericht insbesondere herangezogene Arbeitsleistungen in der Justizvollzugsanstalt erst recht vor dem Hintergrund , dass sich der Angeklagte während der (ersten) Entlassungsphase der ab Juni 2013 vollzogenen Unterbringung in der Entziehungsanstalt ebenfalls in einem Beschäftigungsverhältnis befunden hatte (UA S. 5), ohne dass damit eine erkennbare stabilisierende Wirkung einher gegangen wäre. Vielmehr kam es gerade in dieser Phase zu erneutem Drogenkonsum.
17
3. Die Rechtsfehler in der Prognose über den Therapieerfolg bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs. Das erfasst die zugrunde liegenden Feststellungen, weil die aufgezeigten Mängel auch die tatsächlichen Grundlagen der Prognose betreffen.
18
Der Senat kann unter Berücksichtigung der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass sich in der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen der Unterbringung des § 64 StGB noch ergeben werden. Das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten ist bei isolierter Betrachtung rechtsfehlerfrei festgestellt. Ein symptomatischer Zusammenhang liegt schon deshalb nicht fern, weil von dem verfahrensgegenständlichen Methamphetamin 10 % dem Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollten. Raum Bellay Cirener Radtke Hohoff

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 365/11
vom
15. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. Juni 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
2
1. Mit seiner Beanstandung des Verfahrens zeigt der Angeklagte keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
3
a) Er hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass er bei der Tat ohne Schuld oder jedenfalls im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe, ein psychiatrisches Sachverstän- digengutachten einzuholen. Er hat außerdem seinen Verteidiger in einem anderen Strafverfahren als Zeugen dafür benannt, dass er in der dortigen Hauptverhandlung unangemessen aggressiv reagiert habe.
4
Das Landgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens als Beweisantrag behandelt und mit der Begründung abgelehnt, da dem Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht mitgeteilt werden könnten, sei dieser ein völlig ungeeignetes Beweismittel.
5
b) In der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens liegt entgegen der Revision kein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
6
Diese Vorschrift benennt Gründe, aus denen ein Beweisantrag abgelehnt werden darf. Bei dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens handelte es sich indes - ebenso wie bei dem Antrag auf Vernehmung des Verteidigers aus dem anderen Verfahren - nicht um einen Beweisantrag; denn er bezeichnete lediglich die vom Sachverständigen erwartete Schlussfolgerung , aber nicht - auch nicht mittels des Verweises auf ein hohes Aggressionspotential des Angeklagten - die konkreten Tatsachen, an die die Bewertung anknüpfen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 - 1 StR 207/99, NStZ 1999, 630, 631; Beschluss vom 18. August 1999 - 1 StR 186/99, NStZ 1999, 632, 633; Urteil vom 13. Juni 2007 - 4 StR 100/07, NStZ 2008, 52, 53; Urteil vom 2. September 2010 - 3 StR 273/10, NStZ 2011, 106, 107). Es lag daher lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, so dass § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO den Maßstab nicht ergibt, an dem sich der ablehnende Beschluss des Landgerichts messen lassen muss (BGH, Beschluss vom 16. Juni 1971 - 4 StR 450/70, VRS 41 [1971], 203, 206; Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 332). Über den Antrag war demgemäß allein unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden.
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Dass es diese geboten hätte, dem Antrag nachzugehen, hat der Angeklagte mit der Aufklärungsrüge nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die unzureichende Bezeichnung der Anknüpfungstatsachen, in der das Landgericht die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels gesehen und die es, soweit der Angeklagte Zeugenvernehmung beantragt hat, rechtlich zutreffend als nicht hinreichend konkretisierte Beweisbehauptung eingeordnet hat, zugleich maßgeblich dafür, ob sich dem Landgericht die Erforderlichkeit einer Begutachtung des Angeklagten hätte aufdrängen müssen. Das war weder nach den im Antrag des Angeklagten mitgeteilten Umständen noch nach seinem Revisionsvorbringen der Fall, so dass eine Aufklärungsrüge auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
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2. Das Urteil weist auch keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat der Strafausspruch entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein Teilgeständnis abgelegt, sich bei dem Nebenkläger entschuldigt und in einem Vergleich zusammen mit seinem Mittäter zur Leistung eines Schmerzensgeldes von 4.000 € verpflichtet hat. Dass das Landgericht von der weitergehenden Prüfung abgesehen hat, ob aus diesen Gründen der Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern sei, stellt keinen Rechtsfehler dar; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht nahe. Das Landgericht hat - über den Befund des für sich nicht hinreichenden Zustandekommens eines Vergleichs hinaus - einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und dem Ne- benkläger nicht festgestellt (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46a Rn. 10a). Das vereinbarte Schmerzensgeld liegt wegen der schweren Kopfverletzungen des Nebenklägers an der unteren Grenze (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2). Die Feststellungen des Landgerichts zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben, dass der Nebenkläger mit einer Leistung kaum wird rechnen können.
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3. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Pfister Hubert Mayer Menges

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.