Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:280518U1STR51.18.0
bei uns veröffentlicht am28.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 51/18
vom
28. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280518U1STR51.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 2017 im Maßregelausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei einem Vorwegvollzug der Strafe im Umfang von zwei Wochen angeordnet worden.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision ausschließlich gegen die Anordnung der Maßregel. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte, der an einer Abhängigkeit von synthetischen Cannabinoiden und Methamphetamin sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet, zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Anfang Dezember 2014 und Ende Januar 2015 in seiner Wohnung 350 g Methamphetamin. Davon waren 90 % für den gewinnbringenden Weiterverkauf und die übrigen 10 % für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt.
4
Gegen ihn war in der Vergangenheit bereits zweimal neben Verurteilungen zu mehrjährigen Jugend- bzw. Freiheitsstrafen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und vollstreckt worden. Beide damit verbundenen Therapien verliefen im Ergebnis erfolglos. Nach Durchlaufen einer ersten Entzugstherapie von 2009 bis 2011 wurde der Angeklagte bereits während der Nachsorgephase erneut rückfällig. Nachdem es ihm zunächst noch gelungen war, durch Terminverschiebungen von Drogenscreenings den wieder beginnenden Betäubungsmittelkonsum zu verheimlichen, steigerte sich dieser nach dem Ende der Nachsorgephase weiter. 2013 erfolgte aufgrund einer Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten die erneute Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Obwohl der Angeklagte während dieses Maßregelvollzugs im Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2015 mehrfach gewährte Lockerungen missbraucht hatte, setzte das zuständige Vollstreckungsgericht im Juli 2015 den Vollzug sowohl der Reststrafe aus der genannten Verurteilung als auch den der Maßregel des § 64 StGB zur Bewährung aus und ordnete Führungsaufsicht an. Später kam es zum Widerruf der Aussetzung beider Freiheitsentziehungen , weil sich der Drogenkonsum des Angeklagten verstärkt und er sich sowohl der Bewährungs- als auch der Führungsaufsicht entzogen hatte. Im September 2016 wurde die Unterbringung für erledigt erklärt. Seitdem wird die 2013 gegen den Angeklagten neben der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat teils entgegen den Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen die Voraussetzungen des § 64 StGB bejaht. Auch unter Berücksichtigung gewichtiger prognostisch ungünstiger Umstände bei dem Angeklagten bestünden hinreichend konkrete Aussichten auf einen Therapieerfolg.

II.

6
Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Anordnung der Maßregel beschränkt. Über diese kann unabhängig vom Schuld- und Strafausspruch entschieden werden. Insbesondere hat das Landgericht keine Verknüpfung zwischen der Strafe und der Maßregelentscheidung hergestellt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 12 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2016, 113 f.] mwN), was rechtlich regelmäßig auch nicht tragfähig wäre (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28 [insoweit nicht abgedruckt in StV 2017, 29] und vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206).
8
2. Die Prognose des Landgerichts, bei dem Angeklagten bestehe die erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB), enthält auch unter Berücksichtigung des dem Tatrichter dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (BGH, Beschluss vom 13. September 2005 – 3 StR 276/05 mwN; siehe auch Urteil vom 27. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NStZ 2000, 587, 588 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose bei § 66 StGB]) der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugängliche und durchgreifende Rechtsfehler.
9
a) Das Urteil enthält Darlegungsmängel im Hinblick auf das eingeholte Gutachten, in dem der psychiatrische Sachverständige – ausweislich der Wiedergabe im Urteil – die näher begründete Einschätzung abgegeben hat, angesichts der vorliegenden gewichtigen prognoseungünstigen Faktoren sei im Vergleich mit anderen Probanden des Maßregelvollzugs von einer unterdurchschnittlichen Erfolgsaussicht auszugehen. Es bestehe eine große Gefahr, dass es in der Lockerungsphase des Maßregelvollzugs – wie in der Vergangenheit – zu Rückfällen und Straftaten des Angeklagten kommen werde (UA S. 16).
10
aa) Zwar war das Landgericht an einer vom Gutachten abweichenden Beurteilung des hinreichend konkreten Therapieerfolges nicht grundsätzlich gehindert, weil die gutachterlichen Ausführungen stets lediglich eine Grundlage der eigenen richterlichen Überzeugungsbildung sind (siehe nur BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 368/17 Rn. 11 [NStZ-RR 2018, 85 nur redak. Leitsatz]). Will das Tatgericht allerdings in einer Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat oder deren Inanspruchnahme – wie im Fall des § 246a StPO – gesetzlich vorgeschrieben ist, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlauben, ob es die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen zu den Gesichtspunkten, auf die das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht gründet seine Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs vor allem auf den von ihm angenommenen ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten und dessen Verhalten im Freiheitsstrafenvollzug (UA S. 17 f.). Es lässt sich dem Urteil allerdings bereits nicht entnehmen, ob der psychiatrische Sachverständige beide Aspekte seiner gutachterlichen Stellungnahme zugrunde gelegt und dennoch keinen hinreichend sicheren Therapieerfolg zu prognostizieren vermochte. Falls diese Umstände im Gutachten Berücksichtigung gefunden haben sollten, hätte es Ausführungen dazu bedurft, warum das Landgericht diesen abweichend vom Gutachter ausreichendes Gewicht zumisst, um von den Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB ausgehen zu können.
12
b) Darüber hinaus weist das Urteil Rechtsfehler bei den der Prognose zugrunde gelegten prognoserelevanten Anknüpfungstatsachen auf.
13
Soweit das Landgericht annimmt, ungeachtet des bisherigen zweimaligen Versagens des Angeklagten jeweils in der Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphase des Vollzugs von Maßregeln gemäß § 64 StGB sei bei einem diese Schwierigkeiten in den Blick nehmenden therapeutischen Konzept eine Stabilisierung des Angeklagten erreichbar (UA S. 16), fehlt es dafür an tragfähigen Anknüpfungstatsachen.
14
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für sanktionsrechtliche Prognoseentscheidungen , zu denen diejenige über den hinreichend konkreten Therapieerfolg gemäß § 64 Satz 2 StGB gehört, ist der der tatrichterlichen Hauptverhandlung (BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03 und vom 3. August2017 – 4 StR 193/17, StraFo 2017, 426 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB] mwN). Die vom Tatrichter als prognostisch bedeutsam bewerteten Umstände müssen zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Noch ungewisse positive Verän- derungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen während des Vollzugs der fraglichen Maßnahme genügen als tragfähige Anknüpfungstatsachen nicht (vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11 Rn. 12, [in NStZ-RR 2012, 272 nur redak. Leitsatz] und vom 22. Oktober 2015 – 4 StR 275/15, NStZ 2016, 337 mwN). Entsprechend vermag auch die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141, 142).
15
bb) Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten, im Urteilszeitpunkt vorliegenden Umstände das Landgericht von dem Vorhandensein eines derartigen therapeutischen Konzepts sowie dessen erfolgversprechender Anwendung auf den Angeklagten ausgeht. Nähere Darlegungen dazu waren wegen des früheren Verhaltens des Angeklagten im Vollzug der Maßregel des § 64 StGB rechtlich geboten. Wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt und vom Landgericht an sich nicht verkannt wird, war der Angeklagte bereits in der Nachsorgephase seiner ersten Unterbringung gemäß § 64 StGB rückfällig geworden, hatte dies aber zunächst durch Verschiebungen der Termine von Drogenscreenings zu verheimlichen vermocht (UA S. 3). Während des zweiten Maßregelvollzugs kam es in der Entlassungsphase zu einem Rückfall des Angeklagten in Drogenkonsumverhalten. Selbst nachdem dies aufgefallen und die bereits vorgesehene Entlassung zunächst nicht erfolgte, kam es zu weiterem Lockerungsmissbrauch (UA S. 5). Obwohl eine „therapeutische Aufarbeitung“ des Rückfalls stattgefunden und es an- schließend – wie angesprochen – zu bewährungsweiser Aussetzung des Vollzugs von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehender Maßregel kam, entzog sich der Angeklagte der damit einhergehenden Aufsicht (UA S. 7).
16
Auch soweit das Landgericht einen prognostisch günstigen Umstand in dem guten Arbeitsverhalten des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt sehen möchte (UA S. 17 f.), erweist sich diese Erwägung angesichts der festgestellten sonstigen persönlichen Umstände wiederum als so nicht tragfähig. Ausweislich der Urteilsfeststellungen und der Wiedergabe des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen hat der Angeklagte während der früheren Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt den stationären Teil in beiden Fällen durchgestanden. Rückfälle sind jeweils in den Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphasen aufgetreten. Dies passt zu den Ausprägungen, wie sich ebenfalls aus den im Urteil dargelegten Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, die damit einhergehenden gewährten Freiheiten auszunutzen und Straftaten zu verüben (UA S. 16). Angesichts dessen hätte es belastbarer Anknüpfungstatsachen bedurft, um dem Verhalten des Angeklagten unter den Bedingungen des Freiheitsstrafenvollzugs prognostisch Aussagekraft für die nicht stationären Phasen des Maßregelvollzugs zuzumessen. Das gilt in Bezug auf die vom Landgericht insbesondere herangezogene Arbeitsleistungen in der Justizvollzugsanstalt erst recht vor dem Hintergrund , dass sich der Angeklagte während der (ersten) Entlassungsphase der ab Juni 2013 vollzogenen Unterbringung in der Entziehungsanstalt ebenfalls in einem Beschäftigungsverhältnis befunden hatte (UA S. 5), ohne dass damit eine erkennbare stabilisierende Wirkung einher gegangen wäre. Vielmehr kam es gerade in dieser Phase zu erneutem Drogenkonsum.
17
3. Die Rechtsfehler in der Prognose über den Therapieerfolg bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs. Das erfasst die zugrunde liegenden Feststellungen, weil die aufgezeigten Mängel auch die tatsächlichen Grundlagen der Prognose betreffen.
18
Der Senat kann unter Berücksichtigung der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass sich in der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen der Unterbringung des § 64 StGB noch ergeben werden. Das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten ist bei isolierter Betrachtung rechtsfehlerfrei festgestellt. Ein symptomatischer Zusammenhang liegt schon deshalb nicht fern, weil von dem verfahrensgegenständlichen Methamphetamin 10 % dem Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollten. Raum Bellay Cirener Radtke Hohoff

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12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/17
vom
5. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:051217U1STR416.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Richterin am Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -, Justizangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu Lasten des Zeugen M. verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel wendet sich die Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen dagegen , dass der Angeklagte hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Zeugen M. nicht auch wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision allein den Rechtsfolgenausspruch.
3
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat im Umfang der Anfechtung Erfolg. Die Revision des Angeklagten dringt dagegen nicht durch.

I.

4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Am Tattag kam es zwischen dem alkoholisierten Angeklagten und dem später geschädigten Zeugen M. zunächst zu einer kurzen verbalen und geringfügig tätlichen Auseinandersetzung in der von beiden bewohnten Asylbewerberunterkunft. Der Streit konnte durch das Eingreifen Dritter beendet und der Angeklagte in sein Zimmer verbracht werden. Kurze Zeit später kehrte er zurück, trat die Tür zu dem Zimmer ein, in dem sich der Zeuge M. aufhielt und griff mit einem Messer bewaffnet den auf einem Bett sitzenden Zeugen an. Dabei stach der Angeklagte, der äußerte, er werde den Zeugen umbringen, dreimal von oben nach unten in Richtung von dessen Oberkörper. M. konnte die Stiche jeweils auf unterschiedliche Weise abwehren. Nach dem dritten Stich wurde der Angeklagte, der weiter entweder mit dem zuvor benutzten oder einem anderen, erstmals zur Hand genommenen, Messer gegen den Zeugen M. vorgehen wollte, von anderen Bewohnern festgehalten und einem Mitarbeiter des für die Unterkunft zuständigen Sicherheitsdienstes übergeben. Der Zeuge M. erlitt u.a. eine Schnittverletzung an der Hand.
6
Der Angeklagte wurde durch den Sicherheitsdienst des Wohnheims in einen Küchenraum verbracht. Dort traf er auf den Zeugen A. . Als dieser den noch aufgebrachten Angeklagten beruhigen wollte, versetzte dieser dem Zeugen einen Kopfstoß mit der Stirn gegen die linke Gesichtshälfte des Zeugen. Dieser fiel daraufhin zu Boden und wurde für kurze Zeit ohnmächtig.
7
2. Das Landgericht hat hinsichtlich des Vorgehens gegen den Zeugen M. einen (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatz des alkoholbedingt nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten Angeklagten verneint und ihn insoweit wegen gefährlicher Körperverletzung bei Verwirklichung der Qualifikation aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt. Die Tat zum Nachteil des Zeugen A. ist als vorsätzliche Körperverletzung gewertet worden.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft
8
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem Umfang der Anfechtung Erfolg. Die der Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes bei der Tat zu Lasten des Zeugen M. zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
1. Die ausdrücklich erklärte Beschränkung der Revision auf die vorgenannte Tat und das Ausnehmen der Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff sind wirksam.
10
a) Ein Rechtsmittel kann wirksam auf solche Beschwerdepunkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 9. Juni 1999 – 3 StR 77/99, NStZ-RR 1999, 359; KK-StPO/Paul, 7. Aufl., § 318 Rn. 1 jeweils mwN). Das ist im Verhältnis zwischen Straftaten, die tatmehrheitlich (§ 53 StGB) verwirklicht worden sind, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig der Fall (näher BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 188 f. und vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 74; ausführlich SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., Band VI, § 318 Rn. 32-35).
11
Diese Voraussetzung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit der Körperverletzungstat zum Nachteil des Zeugen M. einerseits und der zeitlich nachfolgenden, in einem anderen Raum sowie aufgrund eines neuen Tatentschlusses begangenen Körperverletzung zu Lasten des Zeugen A. andererseits gegeben.
12
b) Der Wirksamkeit der Beschränkung steht für die vorliegende Konstellation nicht entgegen, dass die der Annahme einer alkoholbedingt nicht ausschließbar erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zugrunde liegenden Feststellungen angesichts des recht kurzen zeitlichen Aufeinanderfolgens der Straftaten für beide Bedeutung entfalten und deshalb die Gefahr sich widersprechender Urteilsgründe begründen könnten (zur Bedeutung der Widerspruchsfreiheit für die Trennbarkeitsfrage BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16, NJW 2017, 2847, 2848). Denn ungeachtet der hier fraglichen tatsächlichen Konstellation kommt es für die Schuldfähigkeitsbeurteilung stets darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzusetzen (BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 199/11, NStZ2012, 44 mwN). Dafür ist auf den jeweiligen konkreten Rechtsverstoß abzustellen, so dass jedenfalls bei verschiedenartigen Straftaten sich ein einheitliches Eingangsmerkmal auf die Unrechtseinsichts- und die Steuerungsfähigkeit unterschiedlich auswirken kann (vgl. BGH aaO mwN). Die Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe steht daher der Trennbarkeit zwischen den beiden hier verfahrensgegenständlichen Straftaten und damit der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung nicht entgegen. Vorliegend kommt trotz der für beide Taten maßgeblichen Tatzeitalkoholisierung schon wegen der verschiedenen Motivlage für die jeweiligen Tatgeschehen unterschiedliche Auswirkungen auf das Hemmungsvermögen und damit die Steuerungsfähigkeit in Betracht.
13
c) Die Staatsanwaltschaft konnte die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) wirksam von ihrem Rechtsmittelangriff ausnehmen.
14
Die Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB ist ein für eine selbständige Nachprüfung geeigneter Urteilsteil und damit ein Beschwerdepunkt, auf den ein Rechtsmittel grundsätzlich beschränkt werden kann (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Dementsprechend ist für Rechtsmittel des Angeklagten anerkannt, dass dieser die Nichtanwendung des § 64 StGB von seinem Rechtsmittelangriff ausnehmen kann (BGH aaO BGHSt 38, 362, 363 mwN; van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., Band 2, § 64 Rn. 128 mwN). Nichts anderes gilt für ein zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft (vgl. aber van Gemmeren aaO § 64 Rn. 125 mit Fn. 511). Liegen – wie regelmäßig bei der Entscheidung über die Maßregel des § 64 StGB – die Voraussetzungen der Trennbarkeit von den übrigen Urteilsteilen vor, stehen keine sonstigen rechtlichen Gründe einem wirksamen Ausnehmen der Überprüfung der Ablehnung einer Unterbringung vom Rechtsmittelangriff entgegen. Solche folgen vor allem nicht aus Schutzerwägungen zugunsten des Angeklagten, denn dieser ist allein durch die Anordnung der stationären Maßregel, nicht aber durch deren Unterbleiben beschwert (BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f. und vom 29. Juni 2016 – 1 StR 254/16, StV 2017, 592, 594).
15
Eine Konstellation, in der ausnahmsweise eine untrennbare Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den sonstigen Urteilsgründe, insbesondere dem Strafausspruch, besteht (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363 mwN; Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58) liegt nicht vor. Angesichts der völlig unterschiedlichen Zwecke von stationären Maßregeln einerseits und der Strafe andererseits (dazu BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28, StV 2017, 29, 31; siehe auch Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16 Rn. 29 mwN) ist es regelmäßig auch nicht geboten, eine Verknüpfung zwischen dem Strafausspruch und der Entscheidung über die Maßregel herzustellen. Hat das Tatgericht – wie hier – die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB abgelehnt, können ohnehin kaum jemals Wechselwirkungen zum Strafausspruch bestehen.

16
2. Das Landgericht hat die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten bei den Messerstichen gegen den Zeugen M. auf mehrere Aspekte gestützt, denen es „gewichtige“ indizielle Bedeutung gegen ein billigendes Inkaufnehmen des Todes des Zeugen beimisst. So habe es sich um eine Spontantat gehandelt, bei der der Angeklagte erheblich alkoholbedingt enthemmt war. Auch sei bei den Stichen nicht näher eingrenzbar gewesen, wohin der Angeklagte genau habe treffen wollen. Zudem hat das Landgericht kein „überzeugendes konkretes Tötungsmotiv“ erkennen können (UA S. 15).
17
3. Die der Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegenden Erwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 10 jeweils mwN) – als rechtfehlerhaft. Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung bereits einen nicht rechtsfehlerfreien rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Zudem liegen revisible Fehler u.a. das Fehlen einer Gesamtwürdigung und überzogene Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung zugrunde.
18
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11 mwN). Bezogen auf bedingten Tötungsvorsatz liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet , das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH jeweils aaO). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Auf der Ebene der Beweiswürdigung ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11).
19
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf eine „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ abgestellt worden ist (Nachw. in BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 189 Rn. 32), erschöpft sich dies in einem Hinweis auf die Bedeutung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) bezüglich der Überzeugungsbildung vom Vorliegen eines (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatzes (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 und Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 12 mwN). Der Bundesgerichtshof hat immer wieder hervorgehoben, dass durch den Aspekt der „Hemmschwelle“ die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges, auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 mwN).
20
b) Die Ausführungen des Landgerichts lassen bereits besorgen, dass dieses rechtsfehlerhaft der „hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung“ (UA S. 14) eine den indiziellen Wert des objektiven Gefährlichkeitsgradesder vom Angeklagten ausgeführten Messerstiche relativierende Wirkung beigemessen hat, die dem Aspekt der „Hemmschwelle“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zukommt. So führt das Tatgericht gerade die „Hemmschwelle“ als Grund dafür an, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Angeklagte die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder zumindest darauf vertraut habe, ein als möglich erkannter Erfolg werde nicht eintreten (UA S. 14). Darüber hinaus rekurriert das Landgericht beweiswürdigend auf die „Hemmschwel- le“ auch bei der Prüfung eines möglichen Beweggrunds des Angeklagten und führt aus, es sei kein „überzeugendes konkretes Tötungsmotiv“ erkennbar, das geeignet gewesen wäre, die „Hemmschwelle zur Tötung“ erklärbar zu überwin- den (UA S. 15).
21
c) Die den (möglichen) Tötungsvorsatz des Angeklagten betreffende tatrichterliche Beweiswürdigung hält zudem unabhängig von dem aufgezeigten nicht rechtsfehlerfreien Maßstab rechtlicher Prüfung nicht stand.
22
aa) Die Erwägungen zum objektiven Gefährlichkeitsgrad der Messerstiche als Grundlage für die Würdigung der Voraussetzungen bedingten Tötungsvorsatzes enthalten Rechtsfehler. Sie sind teils lückenhaft, teils stellen sie überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung (zum Maßstab näher BGH, Urteile vom 13. Juli 2015 – 1 StR 128/16 Rn. 21, NStZ 2016, 670 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 14 jeweils mwN).
23
(1) Das Landgericht geht unter der Sache nach erfolgender Anwendung des Zweifelssatzes von der Verwendung eines Messers mit einer abgerundeten Spitze aus, obwohl der geschädigte Zeuge M. in seiner ersten polizeilichen Zeugenvernehmung – anders als in der tatrichterlichen Hauptverhandlung – angegeben hatte, das Messer sei vorne nicht rund gewesen (UA S. 12). Soweit die Strafkammer meint, sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit von der Richtigkeit der ersten Schilderung des Zeugen überzeugen zu können , wird dies nicht rechtsfehlerfrei begründet. Die diesbezügliche Beweiswürdigung ist lückenhaft und nicht widerspruchsfrei. Das Landgericht nimmt nicht erkennbar in den Blick, dass es seinen Feststellungen zur Anzahl der vom Angeklagten ausgeführten Stiche gerade die Angaben des Zeugen in seiner ersten polizeilichen Vernehmung mit der Erwägung zugrunde gelegt hat, zu diesem Zeitpunkt sei die Erinnerung des Zeugen noch frisch gewesen. Angesichts dessen hätte es ungeachtet der nur begrenzten Überprüfbarkeit der vom Tatrichter gezogenen Schlüsse näherer Ausführungen bedurft, warum der zeitliche Abstand zwischen der Wahrnehmung und der Bekundung über das Wahrgenommene bezüglich der Beschaffenheit der Klinge eine andere Beweisbedeutung haben soll als hinsichtlich der Anzahl der Stiche. Dem Hinweis des Landgerichts, es sei zweifelhaft, ob der Zeuge die Beschaffenheit der Klinge überhaupt habe wahrnehmen können, liegt selbst wiederum eine lückenhafte Würdigung zugrunde. Der Angeklagte ist nach den drei Stichen überwältigt und in den Küchenraum gesperrt worden. Es wird nicht erörtert, ob für den Zeugen die Möglichkeit bestand, das Messer nach dem Ende des Angriffs und dem Überwältigen des Angeklagten wahrzunehmen.

24
Das Landgericht hat sich in der die objektive Gefährlichkeit der Messerstiche betreffenden Beweiswürdigung auch nicht erkennbar mit dem im Übrigen berücksichtigten Umstand auseinandergesetzt, dass der Zeuge dem Angeklag- ten „emotional zugetan“ sei und ihn so wenig wie möglich belasten wollte. Dies wäre im Rahmen der Würdigung der unterschiedlichen Aussagen des Zeugen zu berücksichtigen gewesen. Dem Urteil lässt sich zudem nicht nachvollziehbar entnehmen, welche Inhalte die (teils verlesenen) Aussagen der Zeugen Mu. und N. (UA S. 12) hatten und warum sie „wenig erhellend“ gewesen seien. Da nach den getroffenen Feststellungen beide Zeugen an der Überwältigung des Angeklagten beteiligt waren, können sie naheliegender Weise Wahrnehmungen zur Beschaffenheit der Messerklinge getroffen haben. Ob dies der Fall war, kann der Senat mangels Wiedergabe des jeweiligen Aussageinhalts nicht prüfen.
25
(2) Auch die weitere Beweiswürdigung zur objektiven Gefährlichkeit der Messerstiche enthält Rechtsfehler. Die Annahme des Landgerichts, es sei nicht näher eingrenzbar, wo der Angeklagte genau habe treffen wollen, so dass zu seinen Gunsten nicht ausschließbar lediglich auf die Schultern oder die Arme habe eingewirkt haben können, beruht auf einer lückenhaften Beweiswürdigung. Es wird in diesem Zusammenhang weder die geäußerte Tötungsabsicht noch das mehrfache und lediglich durch das Eingreifen weiterer Personen letztlich beendete Einstechen berücksichtigt. Die die Bedeutung der geäußerten Tötungsabsicht relativierende Bewertung, es könne sich um „verbale Kraftmeierei“ oder „Ausdruck von Erregung“ handeln, blendet die Entwicklung bis hin zu den Stichen aus. Der Angeklagte war bereits zuvor in eine auch tätliche Auseinandersetzung mit dem Zeugen verwickelt und hat von sich aus nach Entfernung aus dem Zimmer des Zeugen erneut die Konfrontation, dieses Mal unter Einsatz eines Messers, gesucht.
26
Im Übrigen hat das Landgericht bei der Annahme, es müsse zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dieser habe lediglich irgendwo auf den Bereich des Oberkörpers einwirken wollen, also nicht ausschließbar lediglich auf die Schultern oder Arme, die Bedeutung des Zweifelsgrundsatzes verkannt. Dieser ist auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung nicht anzuwenden (BGH, Urteile vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85 und vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184 jeweils mwN); für entlastende Indiztatsachen gilt er dementsprechend nicht (BGH, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184 mwN).
27
bb) Ein weiterer Rechtsfehler der Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz liegt darin, dass das Landgericht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 27) lediglich formelhaft (UA S. 16) vorgenommen hat. Eine solche Gesamtschau darf – nicht anders als hinsichtlich der auf die Täterschaft bezogenen Beweiswürdigung – sich nicht darauf beschränken, die jeweiligen Indizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600, 601). So verhält es sich jedoch vorliegend.
28
Das Landgericht handelt mehrere Indiztatsachen nacheinander ab, denen es Gewicht mit einer Beweisrichtung gegen die Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes zumisst. Es versäumt jedoch, diese Umstände von indizieller Bedeutung in ihrer Zusammenschau zu würdigen und zu erwägen, ob sich in der Gesamtbetrachtung eine andere Bewertungsrichtung ergeben kann.
Zudem sind Umstände nicht in den Blick genommen worden, deren Berücksichtigung – wie bereits ausgeführt – sich nach den getroffenen Feststellungen und der sonstigen Beweiswürdigung aufdrängten.
29
(1) Soweit das Landgericht im Hinblick auf das Vorgehen mit dem Messer von einer Spontantat ausgeht, findet dies keine tragfähige Stütze in den sonstigen Feststellungen. Dem hier fraglichen Tatgeschehen war bereits eine auch tätliche Auseinandersetzung vorausgegangen, die durch das Eingreifen Dritter beendet worden war. Der Angeklagte hat eine erneute Konfrontation mit dem Zeugen M. gesucht und sich – nach den Feststellungen nahe liegend – dafür durch eine Bewaffnung vorbereitet. Selbst unter Berücksichtigung der Alkoholisierung des allerdings alkoholgewöhnten Angeklagten ist die Spontaneität der Tat nicht ausreichend belegt.
30
(2) Entsprechendes gilt im Hinblick auf das vom Tatgericht als gegen die Willenskomponente sprechend gewertete Fehlen eines „überzeugenden konkreten“ Tatmotivs. Zwar war die Strafkammer nicht gehindert, aus der festgestellten Freundschaft zwischen dem Angeklagten und dem geschädigten Zeugen einen gegen das Willenselement sprechenden Schluss zu ziehen. Abgesehen von der rechtsfehlerhaften Verknüpfung des vom Landgericht nicht gefundenen Tatmotivs mit der höheren Hemmschwelle, eine Tötungshandlung vorzunehmen, hätte es jedoch bei der Frage des Motivs die vorausgegangene Auseinandersetzung sowie die im Tatzeitpunkt hochgradige Aggressivität des Angeklagten berücksichtigen müssen. Diese hat vor allem in dem Vorgehen gegen den bis dahin gänzlich unbeteiligten Zeugen A. Ausdruck gefunden.
31
4. Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz beruht der Schuldspruch bezüglich der zum Nachteil des Zeugen M. begangenen Tat. Da der Angeklagte erst durch das Eingreifen Dritter sowie das anschließende Verbringen in den Küchenraum von weiteren körperlichen Angriffen mit dem Messer auf den Zeugen abgehalten werden konnte, scheidet ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein aus.
32
Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen die Aufhebung der insgesamt zu dieser Straftat getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
33
5. Die Aufhebung der Verurteilung wegen der gegen den Zeugen M. begangenen Straftat entzieht auch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
34
6. Der wegen der vorgenannten Tat ergangene Schuldspruch und der zugehörige Strafausspruch enthalten keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (BGH, Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, StRR 2017, Nr. 12, 2 Rn. 32 mwN).

III.

Revision des Angeklagten
35
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten erzielt keinen Erfolg. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte für eine untrennbare Verknüpfung mit dem Schuldspruch bestehen nicht. Eine nicht lediglich erheblich verminderte, sondern sogar aufgehobene Schuldfähigkeit des Angeklagten ist ausgeschlossen.

36
1. Weder die Verhängung der beiden Einzelstrafen noch der Gesamtstrafenausspruch enthalten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Nach dem die tatrichterliche Strafzumessung betreffend eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts, der für die Entscheidung des Tatgerichts über das Vorliegen eines minder schweren Falls ebenfalls gilt (näher dazu BGH, Urteile vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16, NStZ-RR 2017, 117 f. und vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 400 Rn. 13 f. mwN), ist es insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB für die Tat zum Nachteil des Zeugen M. nicht zu einem minder schweren Fall gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbs. StGB gelangt ist.
37
2. Auch die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erweist sich im Ergebnis als nicht rechtsfehlerhaft. Das sachverständig beratene Landgericht hat in nicht zu beanstandender Weise einen hinreichend konkreten Therapieerfolg wegen der völlig unzureichenden Sprachkenntnisse (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 StR 254/16, StV 2017, 592, 594 mwN) des Angeklagten verneint.
Graf Jäger Radtke Bär Hohoff

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 276/05
vom
13. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 12. April 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Dies ergibt sich, soweit das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch gerichtet ist, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juli 2005.
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hat ebenfalls Bestand, weil es rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB verneint hat.
Das Landgericht hat - in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen - der Maßregel keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg beigemessen. Dies hat es damit begründet, dass bei dem Angeklagten - nach den entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen - gegenwärtig
keinerlei Motivation für eine Alkoholentziehungstherapie vorhanden sei. Der Angeklagte habe während seiner gesamten - bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils rund neun Monate dauernden - einstweiligen Unterbringung stets deutlich gemacht, dass er an einer Alkoholtherapie nicht interessiert sei; er habe die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkannt und die Auffassung vertreten, dass nicht er sich ändern müsse, sondern dass andere etwas für ihn tun müssten. Deshalb bestehe auch keine Aussicht, dass bei ihm eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden könne.
Diese vom Landgericht getroffene negative Prognoseentscheidung, bei der es einen vom Revisionsgericht zu beachtenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum hatte (vgl. BGH NStZ 2000, 587, 589; BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9 m. w. N.), bedurfte - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - angesichts der sonstigen Urteilsfeststellungen keiner weitergehenden Begründung. Danach sind bei dem Angeklagten allein seit seiner letzten Haftentlassung am 12. August 2003, nach der er sofort wieder damit begonnen hatte, erhebliche Mengen Alkohol zu konsumieren, auf Betreiben seines Betreuers sechs erfolglose Entgiftungen durchgeführt worden. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Tat hat er am Abend des Entlassungstages aus einer Entgiftungsbehandlung im Landeskrankenhaus Bad Rehburg begangen, nachdem er über den Tag verteilt erhebliche Mengen Alkohol getrunken hatte.
Der Senat ist auch insoweit nicht gehindert, nach § 349 Abs. 2 StPO zu entscheiden. Der Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Entscheidung über eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zu Gunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3; BGH NStZ-RR 1998, 142).
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
______________________

a) Die Erwartung des Tatgerichts, der Angeklagte werde Rauschgift portionsweise
nur an erwachsene und schon betäubungsmittelabhängige Abnehmer veräußern,
steht der Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht entgegen.

b) Das Absehen von der Anordnung von Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die
angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfordert ein hohes Maß
an prognostischer Sicherheit. Die hinreichend konkrete Aussicht eines Therapieerfolgs
reicht hierfür nicht ohne weiteres aus.
BGH, Urt. vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00 - LG Freiburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 263/00
vom
27. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Juli 2000,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Granderath
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Becker,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 11. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Der Angeklagte hat innerhalb von knapp zwei Wochen im Juli 1999 in der Schweiz dreimal je 50 g Heroin erworben. Zweimal führte er das Rauschgift in die Bundesrepublik ein. Hier erhielten je vier Abnehmer, die im Voraus bezahlt hatten, jeweils 5 g, von den jeweils verbliebenen 30 g verkaufte der Angeklagte die Hälfte gewinnbringend in kleinen Portionen an namentlich bekannte Abnehmer, den Rest konsumierte er selbst. Im dritten Fall vernichtete er das Rauschgift, mit dem er wieder in gleicher Weise vorgehen wollte, noch in der Schweiz, da er bemerkt hatte, daß er polizeilich observiert wurde.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen verurteilte die Strafkammer den 46 Jahre alten, rauschgiftabhängigen Angeklagten, der wegen einschlägiger Vorverurteilungen zwischen 1973 und Ende 1998 über 17 Jahre Strafe verbüßt
hat, wegen drei Fällen des (gewerbsmäßigen) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelstrafen: zweimal zwei Jahre, einmal ein Jahr und drei Monate) und ordnete gemäß § 64 StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) hat die Strafkammer abgesehen. Dabei geht sie zutreffend davon aus, daß sowohl die formalen Voraussetzungen des insoweit vorrangigen § 66 Abs. 1 StGB als auch die von § 66 Abs. 2 und 3 vorliegen. Gleichwohl komme Sicherungsverwahrung schon deshalb nicht in Betracht, weil die vom Angeklagten zu erwartenden künftigen Straftaten nicht erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB seien. Darüber hinaus stehe auch § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB im Hinblick auf die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einer Anordnung von Sicherungsverwahrung im Wege.
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft , die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt ist, hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Annahme fehlender Erheblichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründet die Strafkammer wie folgt:
Bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte gebe es keine unmittelbar Geschädigten, geschütztes Rechtsgut sei die Volksgesundheit. Soweit künftige Verkäufe des Angeklagten zu erwarten seien, sei damit zu rechnen, daß sich
der Angeklagte, ebenso wie bisher, an Abnehmer wenden werde, die "erwachsen und betäubungsmittelabhängig" seien. Ob eine Einfuhr von Betäubungsmitteln in ungewöhnlich großen Mengen oder eine wiederholte Abgabe an Kinder oder Jugendliche eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, könne offen bleiben, da damit beim Angeklagten nicht zu rechnen sei.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar hat der Tatrichter bei der Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender künftiger Straftaten einen nur begrenzter revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Beurteilungsspielraum (vgl. BGH JZ 1980, 532; BGH wistra 1988, 22, 23), hier geht die Strafkammer jedoch in mehrfacher Hinsicht von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz aus:
(1) Schon die Annahme, daß geschütztes Rechtsgut bei die Abgabe von Betäubungsmitteln betreffenden Delikten nicht auch die Gesundheit der Empfänger sei, trifft nicht zu. Mag auch der Schutz der Volksgesundheit vorrangig sein, so sollen die einschlägigen Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes jedenfalls auch Leben und Gesundheit individuell Betroffener schützen (vgl. BVerfGE 90, 145, 174; BGHSt 37, 179, 182; Weber BtMG § 1 Rdn. 3, 4).
(2) Im übrigen stünde aber auch die Annahme, geschützt sei allein die Volksgesundheit, unter keinem rechtlichen Aspekt der Anordnung von Sicherungsverwahrung entgegen. Mit dem Hinweis auf dieses Rechtsgut ist gemeint, daß durch die Strafbarkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln Schäden vorgebeugt werden soll, die sich für die Allgemeinheit aus dem Drogenkonsum und den daraus herrührenden physischen und psychischen Schäden einzelner er-
geben (vgl. BGHSt aaO m.w.N.). Allerdings können bei Abgabe von Betäubungsmitteln vielfach weder in jedem einzelnen Fall der Empfänger noch die Auswirkungen, die gerade eine bestimmte Abgabe auf ihn hatte, festgestellt werden. Daß gerade durch diese konkreten (zu erwartenden) Taten schwere Folgen im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB eintreten, ist jedoch nicht erforderlich. Die "namentlich-Klausel" dieser Bestimmung schließt die Anordnung von Sicherungsverwahrung in derartigen Fällen nicht aus. Auch die allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten kann Grundlage der Anordnung von Sicherungsverwahrung sein (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 143, 103).

b) Daß Delikte der vorliegenden Art, die sowohl Leben und Gesundheit einzelner als auch die Volksgesundheit beeinträchtigen, in aller Regel als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen sind, bedarf keiner näheren Begründung. Ob unter ganz besonderen Umständen Ausnahmen hiervon vorstellbar sind, mag offen bleiben, da jedenfalls hier Anhaltspunkte für eine derartige Ausnahme nicht ersichtlich sind:
(1) Schon die Vielzahl und die rasche Abfolge der auf planmäßige Wiederholung angelegten Taten spricht ebenso wie die hohe Rückfallgeschwindigkeit gegen eine solche Ausnahme (vgl. Hanack aaO Rdn. 108 m.w.N.).
(2) Ohne Belang ist demgegenüber, daß nach der Einschätzung der Strafkammer der Angeklagte voraussichtlich nur an erwachsene Abnehmer verkaufen wird. Damit soll offenbar auf den Aspekt der Selbstgefährdung abgestellt sein. Bei der Beurteilung der Abgabe von Rauschgift als gefährlich ist dieser Gesichtspunkt jedoch denknotwendig eingeschlossen. Er kann daher - unbeschadet von Besonderheiten, die sich hinsichtlich einer gleichzeitigen Beja-
hung von Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten ergeben können - weder zur Normeinschränkung herangezogen werden (vgl. hierzu BGHSt aaO; Senatsurteil vom 11. April 2000 -1 StR 638/99-, zur Veröffentlichung bestimmt, jew. m.w.N.), noch kann er zu einer Einschränkung des Erheblichkeitsbegriffs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB führen.
(3) Der von der Strafkammer zusätzlich herangezogene Gesichtspunkt, daß die potentiellen Abnehmer nicht nur erwachsen, sondern ohnehin schon rauschgiftabhängig sind, vermag daran ebenfalls nichts zu ändern. Abgesehen davon, daß sich der physische und psychische Zustand von Rauschgiftabhängigen durch fortschreitenden Konsum erfahrungsgemäß immer weiter verschlechtert , hat die Öffentlichkeit die gerade durch diesen Personenkreis verursachten erheblichen sozialen Folgen der Rauschgiftabhängigkeit wie etwa Beschaffungskriminalität zu tragen (vgl. BGHSt 38, 339, 344).
(4) Auch aus dem von der Strafkammer angesprochenen Gesichtspunkt, daß nicht mit der Abgabe von ungewöhnlich großen Mengen von Rauschgift durch den Angeklagten zu rechnen sei, können sich keine für ihn günstigen Folgen ergeben. Einen Rechtssatz, wonach nur die Abgabe derartiger Mengen als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen sei, gibt es nicht. Es gelten hier keine anderen Grundsätze als bei der Beurteilung der Frage, ob wirtschaftliche Schäden im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erheblich sind. Auch insoweit sind außergewöhnlich hohe Schäden nicht erforderlich (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 1). Ob es Mengen geben kann, die zwar einerseits als "nicht geringe" Mengen im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes anzusehen sind, andererseits aber doch so gering sind, daß schon allein deshalb ihre Abgabe nicht als erheblich im Sinne
des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu bewerten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die vom Angeklagten erworbenen und vorgefaßter Absicht gemäß überwiegend weitergegebenen oder jedenfalls zur Abgabe bestimmten Mengen sind auch unter Berücksichtigung des zum Eigenverbrauch verwendeten oder bestimmten Anteils erheblich zu groß, als daß eine derartige Ausnahme erwogen werden könnte. Anhaltspunkte für die Annahme, der Angeklagte werde künftig nur noch mit wesentlich geringeren Mengen Handel treiben als bisher, sind nicht ersichtlich.
2. Trotz der nach alledem unzutreffenden Beurteilung der Erheblichkeit der zu erwartenden Taten wäre die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung im Ergebnis gleichwohl nicht zu beanstanden, wenn (aus der Sicht der Strafkammer : auch) wegen der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Hinblick auf § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung von Sicherungsverwahrung kein Raum wäre. Dies war jedoch zu verneinen.

a) Unbeschadet der an sich zulässigen Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hatte der Senat unter den gegebenen Umständen zunächst zu prüfen, ob die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für sich genommen rechtlicher Überprüfung standhält. Dies ist der Fall:
Sachverständig beraten hat die Strafkammer neben den sonstigen Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch die erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht dieser Maßregel (vgl. BVerfGE 91, 1) ohne durchgreifenden Rechtsfehler bejaht. Allerdings hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang auch festgestellt, daß der Angeklagte im November
1992 - ob er sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befand, etwa wegen einer "letztlich" insgesamt vollstreckten Verurteilung vom 3. April 1991 (wegen einschlägiger Delikte und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz) zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, ergeben die Urteilsgründe nicht - "einen Therapieversuch ... nach wenigen Tagen abgebrochen" hat. Eine "weitere Therapiemöglichkeit" - Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt - "nahm er gar nicht erst wahr". Die Strafkammer hält dies im Hinblick auf die sich daraus ergebende fehlende Therapieerfahrung des Angeklagten für "günstige Faktoren", ohne sich ausdrücklich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dieses Verhalten des Angeklagten nicht auch gegen die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des Angeklagten spricht. Therapiebereitschaft ist jedoch keine unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (BGH NStZ-RR 1997, 34, 35). Ihr Fehlen ist aber offensichtlich auch kein günstiger Faktor, sondern kann im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ein gegen die Erfolgsaussichten sprechendes Indiz sein (vgl. BGH NStZ 1996, 274; Lackner /Kühl, StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 1 m.w.N.). Mit den genannten, allerdings mißverständlichen Erwägungen wollte die Strafkammer jedoch nur zum Ausdruck bringen, daß bisher längerfristige Therapieversuche noch nicht gescheitert sind, was gegen die Erfolgsaussichten spräche. Zugleich ergibt jedenfalls eine Gesamtschau der eingehenden Erwägungen der Strafkammer mit hinlänglicher Klarheit, daß die genannten Umstände nach der maßgeblichen Überzeugung der Strafkammer die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des Angeklagten letztlich nicht in Frage stellen können.
Gegen eine Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt könnten demgegenüber nach Auffassung der Strafkammer das schon fortgeschrittene Alter des Angeklagten und seine langjährige Drogenabhängigkeit
sprechen. Insgesamt kommt die Strafkammer aber zu dem Ergebnis, "die prognostisch negativen Umstände (seien) nicht von so hohem Gewicht, daß sie das Scheitern einer Therapie von vornherein wahrscheinlich machen würden".
Diese Bewertung, die die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigt , liegt insgesamt im Rahmen des - weiten - tatrichterlichen Beurteilungsspielraums bei Prognoseentscheidungen (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9 m.w.N.) und ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

b) Auf der Grundlage des von ihr in diesem Sinne prognostizierten Erfolgs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält die Strafkammer die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (auch) gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB für unzulässig, da sowohl die bisherigen als auch die zu erwartenden Straftaten des Angeklagten ausschließlich mit seiner Rauschgiftsucht zusammenhängen. Würde er durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von seiner Rauschgiftsucht befreit, sei mit weiteren Straftaten nicht mehr zu rechnen. Dieser Ansatz ist an sich rechtlich zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 291), legt jedoch keinen zutreffenden Prognosemaßstab an. Liegen die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung an sich vor, so ist ein hohes Maß an Gewißheit erforderlich, um hiervon im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gleichwohl abzusehen. Dies ergibt sich schon aus einer Zusammenschau der einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen :
Einerseits könnte die unterbliebene Anordnung der Sicherungsverwahrung im Vollstreckungsverfahren auch im Falle der Erfolglosigkeit der Anordnung
einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht nachgeholt werden, da § 67a Abs. 2 StGB für diesen Fall weder nach seinem Wortlaut noch analog anwendbar ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 90;Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 67a Rdn. 3). Andererseits könnte, wie die Revisionsführerin zutreffend dargelegt hat, gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 StGB i.V.m. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 StGB nach einem Erfolg der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Vollzug der angeordneten Sicherungsverwahrung abgesehen werden.
An die erforderliche Sicherheit einer Prognose gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB, die ein Absehen von einer an sich gebotenen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigt, können daher keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an die Sicherheit einer Prognose, wonach im Hinblick auf künftige Entwicklungen vom Wegfall einer zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch bestehenden Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen werden kann (vgl. hierzu BGH Urteil vom 7. April 1999 - 2 StR 440/98-, insoweit in BGH NStZ 1999, 423 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1985, 261; w. N. b. Lackner/Kühl aaO § 66 Rdn. 15). Allein daraus, daß die Unterbringung in der Entziehungsanstalt entgegen dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 StGB nicht nur nicht von vornherein aussichtslos sein darf, sondern, wie es hier der Fall ist, hinreichend konkrete Erfolgsaussichten haben muß (vgl. BVerfGE aaO), ergibt sich dieses Maß an Sicherheit jedenfalls nicht zwingend. Allerdings reichen allein die jeder Prognoseentscheidung - zumal über den Erfolg einer Therapie eines langjährig Drogenabhängigen - immanenten Möglichkeiten einer anderen als der erwarteten Entwicklung nicht aus, das erforderliche Maß an Sicherheit zu verneinen. Hier hat die Strafkammer jedoch konkrete Umstände von Gewicht festgestellt, die gegen den Erfolg einer Unterbringung in einer Entzie-
hungsanstalt sprechen können. Der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehen sie (nur) deshalb nicht im Wege, weil sie das Scheitern einer Therapie gleichwohl nicht "von vornherein wahrscheinlich" machen. Dieses erkennbar verminderte Maß an Sicherheit steht zwar - wie dargelegt - nicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, wohl aber einer Prognose gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen.
Bei dieser Sachlage verbleibt es bei dem Grundsatz, daß Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (vgl. BGH GA 1965, 342; BGH Beschluß vom 28. Oktober 1999 - 4 StR 464/99; Hanack aaO § 72 Rdn. 18).
Da die Strafkammer demgegenüber davon ausgegangen ist, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehe hier der Anordnung von Sicherungsverwahrung zwingend im Wege, bedarf die Sache insoweit neuer tatrichterlicher Würdigung.
3. Bei einer Urteilsaufhebung wegen einer nicht rechtsfehlerfrei unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben sein, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Falle der Anordnung von Sicherungsverwahrung eine geringere Strafe verhängt worden wäre (vgl. BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.). Hier hat die Strafkammer die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 StGB ausdrücklich bejaht, nachdem sie die beiden gewichtigeren Straftaten jeweils mit der insoweit erforderlichen Mindeststrafe von zwei Jahren geahndet hat. Unter diesen Umständen ist die Möglichkeit einer
Auswirkung der unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung auf den Strafausspruch insgesamt zu verneinen.
Granderath Nack Wahl Kolz Becker

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

11
An dieser Abweichung von dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen war das Landgericht nicht grundsätzlich gehindert. Denn ein solches Gutachten kann stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein. Insbesondere können ihm die sachverständigen Ausführungen die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum Sachverständigen zu beantworten. Will der Tatrichter jedoch eine Frage, für deren Beantwortung er sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten , muss er die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob er die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen , insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 257, 259 bei Becker). Diese an das Urteil zu stellenden Darlegungsanforderungen gelten auch dann, wenn das Gericht sich - wie hier - in einer Frage, zu deren Beantwortung von Gesetzes wegen ein Sachverständiger zu hören ist (vgl. § 246a Abs. 1 StPO), zu der dieser sich aber nicht geäußert hat, eine Überzeugung verschafft hat. Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 437/03
vom
17. Februar 2004
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. Februar 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat es abgelehnt, den Beschuldigten gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, da er "lediglich lästige", geringfügige Taten begangen habe und schwerwiegendere Taten auch in Zukunft nicht zu erwarten seien.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


1. Bei dem jetzt 48 Jahre alten Beschuldigten liegt als Folge einer frühkindlichen Hirnentzündung eine hirnorganisch begründete psychische Wesensveränderung vor, die im wesentlichen von "paranoiden Befürchtungen sowie einer Störung der Affektivität" geprägt ist. Der Beschuldigte fühlt sich "von Personen aus seiner nächsten Umgebung beeinträchtigt und bedroht", was
immer wieder zu "aggressiven Spannungszuständen" führt. Insgesamt liegt eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB vor.
2. Im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit hat der Beschuldigte etwa den Hausmeister der Wohnanlage, in der er seit 1990 wohnt, beschimpft und mit dem Tode bedroht, ebenso weitere Personen - überwiegend Nachbarn - beschimpft, ohne daß in allen Fällen klar würde, wodurch die Vorgänge ausgelöst wurden. Soweit festgestellt, handelt es sich darum, daß sich die Nachbarn, teilweise durch Einschalten der Polizei, gegen Belästigungen durch den Angeklagten - Lärmen oder Herumwerfen von Abfällen - zu schützen versuchten. Neben bloß verbalen Ausfällen kam es aber auch zu Sachbeschädigungen - so zerstach er einen Reifen des Pkw's der Nachbarin V., die sich dagegen verwahrt hatte, daß er immer wieder Knochen in ihren Garten warf - und zu Körperverletzungen. Er gab etwa der Nachbarin H. eine Ohrfeige, als sie ihn zur Ruhe mahnte, nachdem sie durch sein intensives Lärmen im Hausflur aus dem Schlaf gerissen war. Den Polizeibeamten S. versuchte er mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, wobei er ihn jedoch nur streifte. Vorausgegangen war, daß der Beschuldigte den Vater S.s - wie dieser seinem Sohn mitgeteilt hatte - aus nicht erkennbaren Gründen beleidigt und zu schlagen versucht haben soll.
3. Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, daß bei der Bewertung der Taten des Beschuldigten auch frühere Taten mit zu berücksichtigen sind. Insoweit hat sie, teils anhand früherer Urteile, in einem Fall durch Beweisaufnahme über einen von einem anderen Gericht gemäß § 154 StPO eingestellten Vorwurf; unter anderem folgendes festgestellt:

a) 1989 zerschlug der Beschuldigte in der Wohnung seiner Eltern vier Türen und trat auf den Vater ein. Einige Stunden nach diesem Vorfall zerschlug
er die Schlafzimmertür und ging mit einem Hammer auf den Vater los. Als dieser ihm den Hammer entreißen und flüchten konnte, warf er die Mutter zu Boden und brach ihr den Oberarm. Als schließlich die Polizei kam, kratzte er, biß und schlug auf die Polizisten ein. Einer von ihnen wurde an Händen und Armen verletzt. Er entriß einem Polizisten die Dienstwaffe, deren "Benutzung ... scheiterte, da der Abzug ... blockiert war".
Wegen dieser Taten wurde der Beschuldigte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, wobei die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Näheres ist nicht mitgeteilt.

b) Erneut wurde 1998 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschuldigte hatte auf offener Straße einen Herrn W. - ob Nachbar oder nicht, bleibt offen - ohne erkennbaren Grund beleidigt, angegriffen, zu Boden geworfen und sich auf ihn gesetzt. W. erlitt eine Trümmerfraktur eines Fingers und mußte wochenlang einen Gips tragen.

c) Wegen dieser Verurteilung wurde ein weiteres Verfahren gemäß § 154 StPO eingestellt. Der Beschuldigte hatte auf der Straße einen verstorbenen Arbeitskollegen gegenüber dessen Witwe beschimpft und ihr und ihrem Begleiter vorgeworfen, ihm einige Wochen zuvor in einem Park nachgeschaut zu haben. Als sich der Begleiter diese Beleidigungen und Belästigungen verbat , "schob" er sein Fahrrad gegen ihn und schlug ihn mit der Faust ins Gesicht.
4. Nach Auffassung der Strafkammer liegen insgesamt nicht erhebliche, sondern nur lästige Taten vor, die sich im "unteren Bereich" bewegten; letztlich seien es "Nachbarstreitigkeiten", denen mit den "Mitteln des Zivilrechts" zu begegnen sei. Zwar sei auch in Zukunft mit vergleichbaren "Konflikten" und dem
entsprechend mit vergleichbaren - nicht aber schwerwiegenderen Taten - zu rechnen, eine im Sinne des § 63 StGB bedeutsame Gefahr für die Allgemeinheit begründe dies jedoch nicht. Auch unter Berücksichtigung der im einzelnen gewürdigten früheren Taten sei daher eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unverhältnismäßig und komme nicht in Betracht.

II.


Wenn die Strafkammer auch von im Ansatz rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgeht, hält das Urteil rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Selbst wenn den Bewertungen der Strafkammer im übrigen zu folgen wäre, sind ihre Erwägungen an einer zentralen Stelle unklar.
Der gerichtliche Sachverständige, dessen Sachkunde die Strafkammer hervorhebt, sieht bei "weiterer Verschlechterung des psychischen Befindens" eine "Eskalationsgefahr". Zugleich hat er die Möglichkeit schwerer wiegender rechtswidriger Taten nach den Urteilsfeststellungen aber als "reine Spekulation" bezeichnet. Im Ergebnis habe er bei "Anwendung der erwähnten Kriterien" nur eine Wiederholungsgefahr für mit den vorliegenden "vergleichbare Delikte" bejaht.
Es erscheint schon wenig naheliegend, daß ein erfahrener Sachverständiger im Rahmen eines Gutachtens über den gegenwärtigen und den zu erwartenden künftigen psychischen Zustand im Rahmen seiner Prognose nach eigener Bewertung "reine Spekulationen" anstellt. Auch die Verknüpfung dieser Prognose mit den "erwähnten Kriterien" ist unklar. Es ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, welche Kriterien damit gemeint sind, jedoch hat die Strafkammer im übrigen, wenn auch unter unterschiedlichen Aspekten, allein rechtliche Erwägungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit angestellt. Die rechtliche Gewich-
tung festgestellter Taten durch das Gericht kann aber nicht verdeutlichen, warum aus psychiatrischer Sicht mit gewichtigeren als den festgestellten Taten nicht zu rechnen ist.
2. Unabhängig davon bestehen sowohl gegen die Bewertung der früheren als auch der verfahrensgegenständlichen Taten rechtliche Bedenken:

a) Den Vorfall aus dem Jahre 1989 hält die Strafkammer nicht nur wegen des inzwischen verstrichenen Zeitraums für wenig bedeutsam, sondern auch wegen des zugrundeliegenden, inzwischen aber überwundenen Vater -Sohn-Konflikts. Ob auch der Angriff gegen die Mutter, der immerhin zu einem Oberarmbruch führte, deshalb und wegen der zusätzlich genannten ehelichen Spannungen der Eltern als weitgehend relativiert angesehen werden kann, erscheint zumindest fraglich. Dies gilt noch mehr für die Annahme, all dies lasse auch das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Polizei in einem vergleichsweise milden Licht erscheinen. Soweit sich die Strafkammer mit dem gewaltsamen Entreißen der Waffe befaßt, ist insbesondere die Erwägung, der Beschuldigte habe möglicherweise mit der Waffe nur drohen wollen, mit der Feststellung unvereinbar, die Benutzung der Waffe sei an ihrem blockierten Abzug gescheitert.

b) Auch die Erwägung, das Verhalten des Beschuldigten gegenüber Herrn W. wiege deshalb weniger schwer, weil er ihn zuvor ohne erkennbaren Grund (unter anderem mit dem Wort "Dreckhammel") beleidigt habe und der Trümmerbruch des Fingers nicht eigentlich beabsichtigt, sondern Folge der Auseinandersetzung wegen dieser "Formalbeleidigung" gewesen sei, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Der Beschuldigte hat W. ohne erkennbaren Grund beleidigt, ihn geschlagen, auf den Boden geworfen und sich auf ihn gesetzt ; dies führte zu dem Trümmerbruch. Ohne daß es auf eine isolierte Bewertung jeder einzelnen Phase dieses Geschehens ankäme, liegt diese auch in
ihrem Ursprung auf einen Angriff des Beschuldigten zurückgehende Verletzung schon auf Grund ihrer Schwere jedenfalls nicht, wie die Strafkammer meint, "im untersten Bereich".

c) Für die Bewertung des von der Strafkammer ebenfalls dem "unteren Bereich" zugeordneten Faustschlags ins Gesicht des Begleiters der Witwe des früheren Arbeitskollegen gilt nichts anderes.

d) Es mag dahinstehen, ob allein die aufgezeigten Bedenken gegen die Bewertung der früheren Taten notwendig zur Aufhebung des Urteils führen müßten, wenn die verfahrensgegenständlichen Taten rechtsfehlerfrei gewürdigt wären.
Dies ist jedoch nicht der Fall.
Insbesondere folgt dies aus der Annahme, es lägen (nur) "Nachbarstreitigkeiten" vor. Dieser Begriff erweckt letztlich den Anschein wechselseitiger Auseinandersetzungen, die in räumlich engem Zusammenleben der Beteiligten ihre Wurzel haben, an objektiv eher weniger bedeutende Gründe anknüpfen und im Grunde leicht bereinigt werden könnten. Auch wenn dies, wie hier, voraussichtlich nicht gelingen wird, so will die Strafkammer offenbar zum Ausdruck bringen, handele es sich unter diesen Umständen jedenfalls nicht um Vorgänge , die ein nachhaltiges Eingreifen in Form einer Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen könnten.
All dies wird den Feststellungen zur Art der Erkrankung des Beschuldigten und den daraus resultierenden Folgen nicht gerecht. Der Beschuldigte fühlt sich offenbar von jedermann, der mit ihm in Kontakt kommt, bedroht und reagiert mit Aggression. Dies war offenbar schon so, als er noch bei den Eltern lebte - die Strafkammer erwähnt über den Vorgang von 1989 hinaus häufige
wechselseitige Handgreiflichkeiten - und gilt auch für die jeweiligen Nachbarn. Darüber hinaus ist aber auch jeder andere gefährdet, wie z.B. der Begleiter der Witwe des Arbeitskollegen, Polizisten, wohl auch der Vater des Polizisten S., oder auch der auf der Straße angegriffene Herr W., dessen Beziehung zum Beschuldigten die Urteilsgründe nicht ergeben. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu "Nachbarstreitigkeiten" liegt auch darin, daß, soweit ersichtlich, keiner dieser Geschädigten durch auch nur im weitesten Sinne vorwerfbares eigenes Verhalten die Attacken des Beschuldigten ausgelöst hat. Insgesamt liegt die Bewertung nahe, daß infolge der Krankheit des Beschuldigten jedermann , der irgendwie in Kontakt mit ihm gerät, mit Angriffen nicht nur gegen seine Ehre und jedenfalls in Einzelfällen auch gegen sein Eigentum, sondern auch gegen seine körperliche Integrität rechnen muß. Es bedarf auch keiner weiteren Darlegung, daß körperliche Attacken, die wiederholt sogar zu Knochenbrüchen geführt haben, aber auch Ohrfeigen oder Faustschläge ins Gesicht nicht lediglich lästige und unbedeutende und daher von der Allgemeinheit hinzunehmende Vorfälle sind (vgl. auch BGH, Beschluß vom 16. Januar 2003 - 1 StR 531/02), selbst wenn im Einzelfall Ohrfeige oder Fausthieb den Betroffenen letztlich aus Zufall oder wegen eigenen geschickten Ausweichens nicht oder nicht mit voller Wucht getroffen hat. Es fällt auch ins Gewicht, daß sich diese Vorfälle, entsprechend der fortbestehenden Grunderkrankung über Jahre hin immer wiederholt haben, ohne daß es unter diesen Umständen darauf ankäme , ob, was die Strafkammer verneint, schon von einer Tatserie auszugehen ist.
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Auch die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen waren aufzuheben. Der Beschuldigte hat sich dahin eingelassen, er zersteche keine Reifen und habe niemanden geschlagen. Er hatte mangels Beschwer keine Möglichkeit , überprüfen zu lassen, ob die gegenteiligen Feststellungen der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Sie können daher nicht als mögliche
Grundlage einer Unterbringung des Beschuldigten bestehenbleiben (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 204 m.w. Nachw. für den vergleichbaren Fall der Aufhebung eines Freispruchs).

III.


Der Senat sieht Anlaß zu folgendem Hinweis:
Bei der Frage der Notwendigkeit einer hier in Frage kommenden Maßregel kommt es gemäß § 63 StGB entscheidend auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung an (BGH, Beschluß vom 17. Oktober 2000 - 1 StR 428/00; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 13, vor § 61 Rdn. 10 m.w. Nachw.).
Aus im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschuldigte auf Anordnung des Landratsamtes München am 11. April 2002 in das Bezirkskrankenhaus Haar eingewiesen wurde, wo er im Rahmen des vorliegenden Verfahrens am 20. Juni 2002 begutachtet wurde.
Die Strafkammer führt aus, daß bei "Rückkehr des Beschuldigten in sein bisheriges Umfeld" wieder mit Taten der festgestellten Art zu rechnen sei. Dies spricht dafür, daß er auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch im Bezirkskrankenhaus war. In gleiche Richtung deutet die Aussage der "behandelnden Ärztin", die von einer deutlichen Verbesserung durch die Behandlung im Bezirkskrankenhaus berichtet hat, wenn auch keine wirkliche Krankheitseinsicht und keine endgültige Stabilisierung vorliege. Eine zunehmende Stabilisierung sei "auf Grund des geänderten äußeren Rahmens" aber festzustellen, aggressives Verhalten sei seit Juli 2002 nicht mehr aufgefallen. Dementsprechend basiert auch die Prognose des gerichtlichen Sachverständigen auf der Annahme einer "Unterbrechung der Behandlung".

All dies hat die Strafkammer nicht erkennbar erörtert, sondern sie geht ohne weiteres von der Gefahr weiterer Taten "bei Rückkehr" aus. Die rechtlich gebotene Feststellung einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit künftiger Taten (vgl. BGH NStZ 1993, 78) ist unter diesen Umständen den Urteilsgründen nicht hinreichend klar zu entnehmen. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird daher nähere Feststellungen zum weiteren Verlauf der Behandlung und den Lebensverhältnissen und dem Zustand des Beschuldigten zum Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung zu treffen haben. Je nach den Umständen könnte die Grundlage für eine Unterbringung entfallen sein oder jedenfalls die Grundlage für eine (nochmalige) Aussetzung einer Unterbringungsanordnung zur Bewährung vorliegen.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Hebenstreit

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

12
Das Landgericht hat sich sowohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als auch bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung erschöpfend mit der Frage auseinandergesetzt, ob andere geeignete Maßnahmen gegeben sind, um der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit zu begegnen oder diese zumindest erheblich abzuschwächen. Dies hat es mit tragfähiger Begründung verneint. Entgegen dem Revisionsvorbringen musste sich das Landgericht dabei nicht ausdrücklich mit dem Umstand befassen, dass der Angeklagte erstmals zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und bislang "praktisch nicht" therapiert wurde. Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen. Vielmehr bedarf es - worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. November 2009 hingewiesen hat (vgl. NStZ-RR 2010, 77, 78) - zumindest konkreter Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (vgl. auch BGH, Urteile vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338 und vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 sowie Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66 Rn. 233). Solche sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Verhalten des Angeklagten im Strafvollzug und zukünftig möglicherweise eintretende Haltungsänderungen werden demnach im Rahmen der obligatorischen Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2004 - 1 StR 474/03, NStZ-RR 2004, 202, 203, und vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337; Fischer StGB 59. Aufl. § 66 Rn. 36). Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 2 7 5 / 1 5
vom
22. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin A. K. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen M. K.
und J. K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 2015 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 58 Fällen, davon in 55 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, davon in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften“, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt, das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet und beantragt, das angefochtene Urteil „im Rechtsfolgenausspruch“ aufzuheben. Ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Darüber hinaus ist der gesamte Strafausspruch – auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) – aufzuheben.
2
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte nach dem vierten Geburtstag seiner Tochter A. am 8. Juli 2011 bis zum 26. August 2014 in 55 Fällen sexuelle Missbrauchshandlungen zu deren Nachteil vor. Zwei dieser Übergriffe filmte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon und speicherte sie ab; bei dem ersten dieser beiden Übergriffe fertigte er auch Fotos von seiner gefesselt, maskiert und auf dem Rücken liegenden unbekleideten Tochter. Am 31. Juli 2014 und am 1. August 2014 kam es auch zu fünf sexuellen Übergriffen auf die zum Tatzeitpunkt sechs und fünf Jahre alten Töchter einer Freundin seiner Ehefrau. Dabei drang der Angeklagte kurzzeitig mit dem Finger bei einer Gelegenheit in die Scheide des einen Mädchens und bei einem anderen Übergriff in den Anus der anderen Geschädigten ein, die an ihm auch Oralverkehr ausüben musste.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten für voll schuldfähig gehalten und Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und neun Monaten, zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren, einem Jahr und neun Monaten, einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und zwei Monaten, 53 mal einem Jahr sowie neun Monaten verhängt. Sicherungsverwahrung hat es nicht angeordnet. Es hat die formellen Voraussetzungen für die fakultative Anordnung der Maßregel nach § 66 Abs. 2 StGB bejaht. Auch die materiellen Voraussetzungen gemäß § 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB hat es angenommen. „Im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens“ hat die Jugendschutzkammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung "trotz des festgestellten Gefährdungspotentials" (UA 34) abgelehnt: Der Angeklagte habe seine Therapiebereitschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Zwar sei "derzeit gänzlich ungewiss …, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34), er habe jedoch den ersten Schritt gemacht, indem er seine Taten rückhaltlos offenbart habe. Die Dauer der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ermögliche eine intensive therapeutische Intervention in einer qualifizierten Ein- richtung des Strafvollzugs. Der Angeklagte habe sich bislang noch gar nicht mit seinen pädophilen Neigungen auseinandergesetzt. Nach seiner (einschlägigen) Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 1995 habe ausschließlich die problematische Kindheit und Jugend im Fokus der therapeutischen Aufarbeitung gestanden (UA 35). Nach alledem gehe die Strafkammer von der Erwartung aus, dass der Angeklagte sich die Strafverbüßung hinreichend zur Warnung dienen lassen werde.
4
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Senat kann offen lassen, ob die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung über den gestellten Antrag hinaus das Rechtsmittel auf die Frage der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränken wollte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift vom 3. Juli 2015 zutreffend ausführt, hat das Landgericht Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14).
6
b) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Entscheidung des Landgerichts, nach seinem Ermessen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen , leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
7
aa) Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 (und Abs. 3) StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, so dass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 11. August 2011 – 3 StR 221/11). Im Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511, vom 28. Mai 1998 – 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6, und vom 22. Januar 1998 – 4 StR 527/97, NStZ-RR 1998, 206). Solche möglichen Veränderungen sind, sofern sie eingetreten sind, erst im Rahmen der obligatorischen Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
8
bb) Diesen rechtlichen Maßstab hat das Landgericht bei seiner Ermessensausübung verfehlt:
9
Es hätte prüfen müssen, ob zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg vorliegen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172, und vom 19. Juli 2005 – 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]). Es gibt keine gesicherte Vermutung dahingehend, dass eine langjährige, erstmalige Strafverbüßung stets zu einer Verhaltensänderung führen wird (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 272). Die Jugendschutzkammer hat selbst – nach sachverständiger Beratung – ausgeführt , "dass derzeit gänzlich ungewiss ist, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34). Der Um- stand, dass der Angeklagte nach ihrer Auffassung "den ersten Schritt" gemacht habe, ist nicht geeignet, die in ständiger Rechtsprechung verlangte gesicherte Erwartung zu begründen, die unter Ermessensgesichtspunkten ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnte (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511).
10
cc) Sonstige Gründe, die einer Anordnung der Sicherungsverwahrung zwingend entgegenstehen könnten, ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil nicht (vgl. zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208; s. ferner BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 5 StR 473/14, NStZ 2015, 210).
11
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt).
12
Die Strafzumessung weist andererseits auch einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche , über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9, vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, und vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12, Rn. 25, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Franke Bender

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.