Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2011 - 3 StR 365/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
- 2
- 1. Mit seiner Beanstandung des Verfahrens zeigt der Angeklagte keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
- 3
- a) Er hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass er bei der Tat ohne Schuld oder jedenfalls im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe, ein psychiatrisches Sachverstän- digengutachten einzuholen. Er hat außerdem seinen Verteidiger in einem anderen Strafverfahren als Zeugen dafür benannt, dass er in der dortigen Hauptverhandlung unangemessen aggressiv reagiert habe.
- 4
- Das Landgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens als Beweisantrag behandelt und mit der Begründung abgelehnt, da dem Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht mitgeteilt werden könnten, sei dieser ein völlig ungeeignetes Beweismittel.
- 5
- b) In der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens liegt entgegen der Revision kein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
- 6
- Diese Vorschrift benennt Gründe, aus denen ein Beweisantrag abgelehnt werden darf. Bei dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens handelte es sich indes - ebenso wie bei dem Antrag auf Vernehmung des Verteidigers aus dem anderen Verfahren - nicht um einen Beweisantrag; denn er bezeichnete lediglich die vom Sachverständigen erwartete Schlussfolgerung , aber nicht - auch nicht mittels des Verweises auf ein hohes Aggressionspotential des Angeklagten - die konkreten Tatsachen, an die die Bewertung anknüpfen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 - 1 StR 207/99, NStZ 1999, 630, 631; Beschluss vom 18. August 1999 - 1 StR 186/99, NStZ 1999, 632, 633; Urteil vom 13. Juni 2007 - 4 StR 100/07, NStZ 2008, 52, 53; Urteil vom 2. September 2010 - 3 StR 273/10, NStZ 2011, 106, 107). Es lag daher lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, so dass § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO den Maßstab nicht ergibt, an dem sich der ablehnende Beschluss des Landgerichts messen lassen muss (BGH, Beschluss vom 16. Juni 1971 - 4 StR 450/70, VRS 41 [1971], 203, 206; Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 332). Über den Antrag war demgemäß allein unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden.
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- Dass es diese geboten hätte, dem Antrag nachzugehen, hat der Angeklagte mit der Aufklärungsrüge nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die unzureichende Bezeichnung der Anknüpfungstatsachen, in der das Landgericht die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels gesehen und die es, soweit der Angeklagte Zeugenvernehmung beantragt hat, rechtlich zutreffend als nicht hinreichend konkretisierte Beweisbehauptung eingeordnet hat, zugleich maßgeblich dafür, ob sich dem Landgericht die Erforderlichkeit einer Begutachtung des Angeklagten hätte aufdrängen müssen. Das war weder nach den im Antrag des Angeklagten mitgeteilten Umständen noch nach seinem Revisionsvorbringen der Fall, so dass eine Aufklärungsrüge auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
- 8
- 2. Das Urteil weist auch keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat der Strafausspruch entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein Teilgeständnis abgelegt, sich bei dem Nebenkläger entschuldigt und in einem Vergleich zusammen mit seinem Mittäter zur Leistung eines Schmerzensgeldes von 4.000 € verpflichtet hat. Dass das Landgericht von der weitergehenden Prüfung abgesehen hat, ob aus diesen Gründen der Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern sei, stellt keinen Rechtsfehler dar; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht nahe. Das Landgericht hat - über den Befund des für sich nicht hinreichenden Zustandekommens eines Vergleichs hinaus - einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und dem Ne- benkläger nicht festgestellt (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46a Rn. 10a). Das vereinbarte Schmerzensgeld liegt wegen der schweren Kopfverletzungen des Nebenklägers an der unteren Grenze (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2). Die Feststellungen des Landgerichts zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben, dass der Nebenkläger mit einer Leistung kaum wird rechnen können.
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- 3. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Annotations
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.