Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - 3 StR 81/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 1. Dezember 2016 aufgehoben
a) im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen,
b) soweit das Landgericht die Einziehung einer 9.036,5 Gramm Marihuana übersteigenden Menge Rauschgift angeordnet hat; diese Anordnung entfällt. Im Umfang der Aufhebung zu a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und "[d]ie sichergestellten Betäubungsmittel (10.557,5 g Mari- huana)" eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig 9.036,5 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 1.331 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) von Luxemburg nach Deutschland ein. Dabei handelte er als Kurier für einen Hintermann, der die Drogen gewinnbringend veräußern wollte. Das Rauschgift wurde im Rahmen einer Kontrolle sichergestellt.
- 3
- Noch am selben Tage wurden bei der Durchsuchung einer vom Angeklagten genutzten Garage in M. weitere 1.521 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 269 Gramm THC sichergestellt. Dabei handelte es sich um Rauschgift aus einer früheren Kurierfahrt des Angeklagten, das er bis zum Verkauf durch den Hintermann für diesen zwischenlagerte.
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- 2. Während die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, können Strafausspruch und Einziehungsanordnung keinen Bestand haben.
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- a) Die Strafzumessung ist durchgreifend rechtsfehlerhaft: Die Erwägung, ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG komme unter anderem deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte "sich aus wirtschaftlichen Erwägungen ganz bewusst für die Übernahme der angebotenen Kurierfahrten und mithin für die Begehung der Straftat entschieden" habe, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Denn damit legt das Landgericht dem Angeklagten straferschwe- rend zur Last, die abgeurteilte Tat überhaupt begangen zu haben (siehe bereits BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016 - 3 StR 543/15, juris Rn. 2).
- 6
- b) Die Einziehung der - über die bei Wasserbillig eingeführten 9.036,5 Gramm Marihuana hinausgehenden - in der Garage in Moers sichergestellten Betäubungsmittel (1.521 Gramm Marihuana) kann keinen Bestand haben. Zwar kommt hinsichtlich des Rauschgifts als Beziehungsgegenstand grundsätzlich eine Einziehung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG in Betracht. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 3 StR 557/16, juris Rn. 3 mwN; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 33 Rn. 289). Das ist hinsichtlich der 1.521 Gramm Marihuana nicht der Fall: Die Anklageschrift vom 22. August 2016 erfasst als die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende prozessuale Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO die Einfuhr von Marihuana am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig. Die in der vom Angeklagten genutzten Garage in M. sichergestellten Drogen finden zwar im Anklagesatz - als weitere prozessuale Tat - Erwähnung; der Anklageschrift in ihrer Gesamtheit ist jedoch zu entnehmen, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft nicht auf das Geschehen um dieses Rauschgift bezieht, zumal sie dem Angeklagten auch nur die Einfuhr der und den Handel mit den bei Wasserbillig sichergestellten Drogen zur Last legt (vgl. zu diesem Problemkreis BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 83/61, BGHSt 16, 200, 202; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 35 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 264 Rn. 7a).
- 7
- Da der Ausspruch über die Einziehung nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entscheidet der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entfällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11, juris Rn. 3; vom 7. Februar 2017 - 3 StR 557/16, juris Rn. 5).
- 8
- 3. Die Sache bedarf daher im Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen war indes nicht erforderlich, weil es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
- 9
- Im Hinblick auf die neu vorzunehmende Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin: Der rechtskräftige Schuldspruch erfasst lediglich die Einfuhr der am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig sichergestellten Betäubungsmittel und die Beihilfe zum Handeltreiben mit denselben, nicht aber die Handlungen des Angeklagten betreffend das in der Garage in M. sichergestellte Rauschgift. Diese stehen zu der verurteilten Tat nicht nur im Verhältnis der Tatmehrheit (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 639 f.); sie sind auch vom Anklagevorwurf nicht erfasst (s. hierzu bereits oben unter 2. b)). Die zur Entscheidung berufene Kammer ist freilich nicht gehindert, im Rahmen der Strafzumessung auch strafbare Handlungen zu würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, soweit diese für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten bedeutsam sein können und wegen ihres inneren Zusammenhanges mitdem angeklagten Tatvorwurf Rückschlüsse auf seine Tatschuld gestatten, sofern sie - bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NStZ 2014, 202, 203; vom 19. Mai 2015 - 1 StR 152/15, NStZ 2015, 635, 636).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.