Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - 3 StR 81/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:250417B3STR81.17.0
25.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 81/17
vom
25. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250417B3STR81.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 1. Dezember 2016 aufgehoben
a) im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen,
b) soweit das Landgericht die Einziehung einer 9.036,5 Gramm Marihuana übersteigenden Menge Rauschgift angeordnet hat; diese Anordnung entfällt. Im Umfang der Aufhebung zu a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und "[d]ie sichergestellten Betäubungsmittel (10.557,5 g Mari- huana)" eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig 9.036,5 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 1.331 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) von Luxemburg nach Deutschland ein. Dabei handelte er als Kurier für einen Hintermann, der die Drogen gewinnbringend veräußern wollte. Das Rauschgift wurde im Rahmen einer Kontrolle sichergestellt.
3
Noch am selben Tage wurden bei der Durchsuchung einer vom Angeklagten genutzten Garage in M. weitere 1.521 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 269 Gramm THC sichergestellt. Dabei handelte es sich um Rauschgift aus einer früheren Kurierfahrt des Angeklagten, das er bis zum Verkauf durch den Hintermann für diesen zwischenlagerte.
4
2. Während die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, können Strafausspruch und Einziehungsanordnung keinen Bestand haben.
5
a) Die Strafzumessung ist durchgreifend rechtsfehlerhaft: Die Erwägung, ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG komme unter anderem deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte "sich aus wirtschaftlichen Erwägungen ganz bewusst für die Übernahme der angebotenen Kurierfahrten und mithin für die Begehung der Straftat entschieden" habe, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Denn damit legt das Landgericht dem Angeklagten straferschwe- rend zur Last, die abgeurteilte Tat überhaupt begangen zu haben (siehe bereits BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016 - 3 StR 543/15, juris Rn. 2).
6
b) Die Einziehung der - über die bei Wasserbillig eingeführten 9.036,5 Gramm Marihuana hinausgehenden - in der Garage in Moers sichergestellten Betäubungsmittel (1.521 Gramm Marihuana) kann keinen Bestand haben. Zwar kommt hinsichtlich des Rauschgifts als Beziehungsgegenstand grundsätzlich eine Einziehung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG in Betracht. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 3 StR 557/16, juris Rn. 3 mwN; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 33 Rn. 289). Das ist hinsichtlich der 1.521 Gramm Marihuana nicht der Fall: Die Anklageschrift vom 22. August 2016 erfasst als die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende prozessuale Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO die Einfuhr von Marihuana am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig. Die in der vom Angeklagten genutzten Garage in M. sichergestellten Drogen finden zwar im Anklagesatz - als weitere prozessuale Tat - Erwähnung; der Anklageschrift in ihrer Gesamtheit ist jedoch zu entnehmen, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft nicht auf das Geschehen um dieses Rauschgift bezieht, zumal sie dem Angeklagten auch nur die Einfuhr der und den Handel mit den bei Wasserbillig sichergestellten Drogen zur Last legt (vgl. zu diesem Problemkreis BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 83/61, BGHSt 16, 200, 202; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 35 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 264 Rn. 7a).
7
Da der Ausspruch über die Einziehung nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entscheidet der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entfällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11, juris Rn. 3; vom 7. Februar 2017 - 3 StR 557/16, juris Rn. 5).
8
3. Die Sache bedarf daher im Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen war indes nicht erforderlich, weil es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
9
Im Hinblick auf die neu vorzunehmende Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin: Der rechtskräftige Schuldspruch erfasst lediglich die Einfuhr der am 25. Juni 2016 bei Wasserbillig sichergestellten Betäubungsmittel und die Beihilfe zum Handeltreiben mit denselben, nicht aber die Handlungen des Angeklagten betreffend das in der Garage in M. sichergestellte Rauschgift. Diese stehen zu der verurteilten Tat nicht nur im Verhältnis der Tatmehrheit (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 639 f.); sie sind auch vom Anklagevorwurf nicht erfasst (s. hierzu bereits oben unter 2. b)). Die zur Entscheidung berufene Kammer ist freilich nicht gehindert, im Rahmen der Strafzumessung auch strafbare Handlungen zu würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, soweit diese für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten bedeutsam sein können und wegen ihres inneren Zusammenhanges mitdem angeklagten Tatvorwurf Rückschlüsse auf seine Tatschuld gestatten, sofern sie - bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NStZ 2014, 202, 203; vom 19. Mai 2015 - 1 StR 152/15, NStZ 2015, 635, 636).
Becker Schäfer Tiemann RiBGH Dr. Berg befindet sich Hoch im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

2
Während die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch und zu den Nebenentscheidungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die Erwägung der Strafkammer, ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG komme unter anderem deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte "sich aus wirtschaftlichen Erwägungen ganz bewusst für die Übernahme der angebotenen Kurierfahrt und mithin für die Begehung der Straftat entschieden" habe, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Denn damit legt das Landgericht dem Angeklagten straferschwerend zur Last, die abgeurteilte Tat überhaupt begangen zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295). Darüber hinaus handelt es sich bei dem Umstand der polizeilichen Sicherstellung eines Großteils der vom Angeklagten eingeführten und zum Handel durch Dritte bestimmten Betäubungsmittel wegen des damit verbundenen Wegfalls jeglicher Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, der zugunsten des Revisionsführers sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung in die Abwägung hätte eingestellt werden müssen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2).

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

3
Hinsichtlich des Rauschgifts kommt eine Einziehung nur nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG in Betracht. Voraussetzung der Einziehung nach dieser Vorschrift ist, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810, 1811 mwN; vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11, juris Rn. 2). Dies ist hinsichtlich der in Küche und Wohnzimmer sichergestellten rund 104 Gramm "Marihuanaprodukte", der 7,4 Gramm Amphetamin, des Joints sowie des Beutels mit Marihuanastengeln nicht der Fall. Das Landgericht hat diese Drogen nicht der von der Anklage erfassten Tat zuordnen können.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

3
Dem schließt sich der Senat an. Da der Ausspruch über die Einziehung insoweit nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entschei- det der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem unter 1. a) der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entfällt.
3
Hinsichtlich des Rauschgifts kommt eine Einziehung nur nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG in Betracht. Voraussetzung der Einziehung nach dieser Vorschrift ist, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810, 1811 mwN; vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11, juris Rn. 2). Dies ist hinsichtlich der in Küche und Wohnzimmer sichergestellten rund 104 Gramm "Marihuanaprodukte", der 7,4 Gramm Amphetamin, des Joints sowie des Beutels mit Marihuanastengeln nicht der Fall. Das Landgericht hat diese Drogen nicht der von der Anklage erfassten Tat zuordnen können.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 448/13
vom
19. November 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung
nicht angeklagter, aber prozessordnungsgemäß festgestellter
Taten ist jedenfalls dann überschritten, wenn diese mangels enger Beziehung
zur angeklagten Tat keine Rückschlüsse auf Schuld oder Gefährlichkeit des
Täters zulassen, sondern als sonstiges strafrechtlich relevantes Verhalten ohne
gesonderte Anklage und damit außerhalb der Anforderungen eines geordneten
Strafverfahrens einer gesonderten Bewertung zugeführt werden sollen.
BGH, Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. November 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 29. Mai 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Am 21. September 2012 tötete der Angeklagte seine Ehefrau bei einem Streit in der gemeinsamen Wohnung durch einen kraftvoll geführten Stich mit einem Messer in die linke Brust, durch den die rechte Herzkammer eröffnet wurde, so dass das Opfer verblutete. Nachdem der Angeklagte in den folgenden Tagen den Leichnam sowie die Tatspuren beseitigt hatte, wurde er schließlich am 23. Oktober 2012 festgenommen.
4
Der weitgehend geständige Angeklagte hat in der Hauptverhandlung, in der eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO nicht erfolgt ist, außerdem zahlreiche von der Anklage nicht umfasste Taten des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil seiner beiden damals etwa zehn bis vierzehn Jahre alten Stieftöchter eingeräumt, bei denen es über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren vor der hier angeklagten Straftat, teilweise aber auch noch danach, regelmäßig zu vaginalem Geschlechtsverkehr kam.
5
2. Auf der Grundlage der glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie der beiden Geschädigten, so die Strafkammer, müssten mindestens 215 Taten des sexuellen Missbrauchs im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB als erwiesen angesehen werden, für die das Gesetz eine Mindeststrafe von zwei Jahren androhe. Sie seien – nach entsprechender Belehrung des Angeklagten – aufgeklärt und, obwohl nicht angeklagt, als Teil des Vorlebens im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB zu seinem Nachteil bei der Zumessung der Strafe berücksichtigt worden. Seinem Geständnis komme daher einerseits besonderes Gewicht zu. Andererseits habe er das ihm von den beiden Mädchen entgegengebrachte Vertrauen und seine Stellung als Autoritätsperson zur Tatbegehung missbraucht ; die konkrete Tatausführung sei für die Geschädigten in einigen Fällen besonders erniedrigend gewesen. Das Landgericht führt sodann weiter aus: „Die Kammer hofft unter diesen Umständen, dasses wegen der hier auch auf- grund des Geständnisses des Angeklagten festgestellten Sexualstraftaten der Durchführung eines neuen Strafverfahrens nicht mehr bedarf und den Geschädigten auf diese Weise weitere Vernehmungen erspart bleiben. Was die hier vorzunehmende Strafzumessung betrifft, geht die Kammer davon als sicher aus.“
6
Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

II.


7
1. a) Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Dies umfasst die im Urteil festgestellten Vorstrafen. Es ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auch anerkannt, dass der Tatrichter bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt ist und daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen kann, die nicht Gegenstand der Anklage sind, soweit diese für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten gestatten, sofern sie prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden (BGH, Urteil vom 7. Mai 1974 – 1 StR 42/75, MDR 1975, 195 f.; BGH, Urteil vom 6. März 1992 – 2 StR 581/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19; Beschluss vom 22. Mai 2013 – 2 StR 68/13; Beschluss vom 2. Juli 2009 – 3 StR 251/09, NStZ-RR 2009, 306; Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 16/98, NStZ 1998, 404; Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 StR 359/03, NStZ-RR 2004, 359 mwN).
8
Allerdings bedarf es für die gesonderte Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage und damit außerhalb der Anforderungen eines geordneten Strafverfahrens nicht nur der Beachtung des Gewährleistungsgehalts der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 5. April 2010 – 2 BvR 366/10, BVerfGK 17, 223, 225 mwN) und – mangels Verbrauchs der Strafklage – der Vermeidung einer Doppelbestrafung (BGH, Urteil vom 7. Mai 1974 – 1 StR 42/74, MDR 1975, 195 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 – 1 StR 755/75, NStZ 1981, 99, 100; Urteil vom 17. April 1996 – 2 StR 57/96; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 26; Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 16/98, NStZ 1998, 404 bezüglich späterer Straftaten ; Beschluss vom 25. April 2006 – 4 StR 125/06, NStZ 2006, 620). Ein sachlich-rechtlicher Gesichtspunkt kommt hinzu: Es kann in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Urteil vom 7. Mai 1974 aaO).
9
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, dass es den Taten des Angeklagten zum Nachteil seiner Stieftöchter bei der Zumessung der schuldangemessenen Strafe für die angeklagte Tat ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Es hat im vorliegenden Fall die nicht angeklagten Taten zwar unter Wahrung der Verteidigungsrechte des Angeklagten prozessordnungsgemäß festgestellt. Dabei hat es aber das Erfordernis des inneren Zusammenhangs jedenfalls derjenigen Taten, die vor der verfahrensgegenständlichen Tat begangen wurden, mit dem (zeitlich nachfolgenden ) Tatvorwurf aus dem Blick verloren. Denn es handelt sich bei diesen Taten weder um vergleichbare bzw. gleichartige Schuldvorwürfe, aus denen sich unmittelbare Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten ableiten ließen, noch waren die Sexualstraftaten Anlass für die Tötung der Ehefrau oder standen dazu in einem sonstigen inneren Zusammenhang. Allein das verwandtschaftliche Verhältnis der Geschädigten zueinander und das familiäre Beziehungsgeflecht von Opfern und Täter sind dafür nicht ausreichend. Gegen einen solchen Zusammenhang sprechen ferner die große Zahl der festgestellten Einzeltaten und der lange Tatzeitraum.
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Zudem deutet auch die in den Urteilsgründen geäußerte Hoffnung des Landgerichts, dass es wegen aller Sexualstraftaten im Hinblick auf die für das Tötungsdelikt verhängte Strafe nicht zu einem weiteren Strafverfahren kommen werde (UA S. 42), darauf hin, dass die außerhalb der Anklage festgestellten Taten durch das angefochtene Urteil mitbestraft worden sind, was unzulässig wäre (BVerfG, Beschluss vom 5. April 2010 aaO). Da das Urteil keine Feststellungen zu einem die Taten betreffenden Ermittlungs- oder Strafverfahren enthält , bestünde insoweit die konkrete Gefahr einer unzulässigen Doppelbestrafung.
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2. Die Sache bedarf deshalb zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
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Der Senat bemerkt ergänzend, dass der neue Tatrichter entsprechend den unter II. 1 dargelegten Maßstäben nicht gehindert ist, die im Vorfeld des ausgeurteilten Tötungsdelikts zum Nachteil seiner Ehefrau begangene weitere Straftat des Angeklagten (Würgen bis zur Bewusstlosigkeit Ende April 2012), die ebenfalls nicht von der Anklage umfasst ist, strafschärfend zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die nach der abgeurteilten Tat bis zur Festnahme am 23. Oktober 2013 zum Nachteil der Stieftöchter begangenen Sexualdelikte wird eine strafschärfende Berücksichtigung in Betracht kommen, soweit diese Taten nach ihrer Art und den Umständen ihrer Begehung Rückschlüsse auf eine tatbezogene besondere Rechtsfeindlichkeit zulassen (BGH, Beschluss vom 16. September 2009 – 5 StR 348/09, Tz. 3 mwN, NStZ-RR 2010, 8).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 5 2 / 1 5
vom
19. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11. November 2014 im Ausspruch über die besondere Schuldschwere aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass die Schuld besonders schwer wiegt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er beanstandet insbesondere die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke und die Bejahung der besonderen Schuldschwere. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch wegen Mordes weist keinen Rechtsfehler auf. Die Feststellungen tragen die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke. Mit rechtsfehlerfreier Begründung schließt das Landgericht aus den Umständen unmittelbar vor der Tat darauf, dass die Geschädigte nicht mit einem tätlichen Angriff gerechnet hat und sich gegen den von ihr unbemerkten Angriff nicht hat wehren können, was der Angeklagte bewusst ausgenutzt hat. Auch der Ausspruch über die lebenslange Freiheitsstrafe ist ohne Rechtsfehler.
3
Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht die besondere Schuldschwere im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne der §§ 46, 57a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; BGH,Beschluss vom 5. April 2001 – 4 StR 106/01, NStZ-RR 2001, 296 jeweils mwN). Doch auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
4
Das Landgericht hat schulderschwerend gewertet, dass der auch wegen Diebstahls vorgeahndete Angeklagte noch während der Unterbringung in der Entziehungsanstalt im Rahmen der gewährten Vollzugslockerungen Diebstahlstaten begangen hat. Das wegen der dahingehenden Vorwürfe geführte Ermittlungsverfahren ist nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden.
5
Zwar hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass die eingestellten Diebstahlsvorwürfe zutreffen. Dennoch erweist sich die Berücksichtigung dieser Taten zu Lasten des Angeklagten bei der Gewichtung der Schwere der Mordschuld als rechtsfehlerhaft. Bei der Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage – bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung – kann es in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 448/13, NStZ 2014, 202 mwN). Eine solche enge Beziehung der Diebstahlstaten zum Mord ist hier nicht dargetan (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. August 2001 – 3 StR 162/01). Denn es handelt sich bei diesen Taten weder um vergleichbare bzw. gleichartige Schuldvorwürfe, aus denen sich unmittelbare Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten ableiten ließen, noch waren die Diebstahlstaten Anlass für die Tötung der Geschädigten oder standen dazu in einem sonstigen inneren Zusammenhang.
6
Der Senat kann trotz der anderen gewichtigen Gründe für die Annahme der besonderen Schwere der Schuld nicht sicher ausschließen, dass das Tatgericht ohne die Berücksichtigung der Diebstahlstaten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Feststellung besonders schwerer Schuld. Die tatsächlichen Feststellungen hierzu können aber bestehen bleiben, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt.
Das neue Tatgericht kann ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
Rothfuß Jäger Cirener
Mosbacher Fischer